Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 11 A 17/22
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) führt nicht zur Zulassung der Berufung.
4„Ernstliche Zweifel“ i. S. d. Gesetzes bestehen, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.
5Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 - 7 AV 1.02 -, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1, S. 2 f. = juris, Rn. 7.
6Solche Zweifel zeigt der Zulassungsantrag nicht auf. Das Verwaltungsgericht hat den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Errichtung einer Mülltonnenbox auf dem öffentlichen Gehweg vor dem im Erdgeschoss von ihnen bewohnten Mehrfamilienhaus zu Recht verneint.
71. Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, bei der Aufstellung von Müllgroßbehältern auf öffentlichem Straßengrund über den Abholtag hinaus handele es sich um eine erlaubnispflichtige Sondernutzung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW. Die Voraussetzungen eines Anliegergebrauchs i. S. d. § 14a Abs. 1 StrWG NRW sind nicht erfüllt. Nach § 14a Abs. 1 StrWG NRW dürfen Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, die an einer öffentlichen Straße gelegen sind (Straßenanlieger), innerhalb der geschlossenen Ortslage die an die Grundstücke angrenzenden Straßenteile über den Gemeingebrauch hinaus benutzen, soweit diese Benutzung zur Nutzung des Grundstücks erforderlich ist, den Gemeingebrauch nicht dauernd ausschließt oder erheblich beeinträchtigt oder in den Straßenkörper eingreift. Die von den Klägern geplante Nutzung des Bürgersteigs für die Errichtung einer Mülltonnenbox, aber auch (nur) das dauerhafte Aufstellen der Mülltonnen, überschreitet den Anliegergebrauch. Denn der Anliegergebrauch schließt grundsätzlich nur die Befugnis ein, die Müllgefäße des Anliegergrundstücks zum Zwecke der alsbaldigen Entleerung vorübergehend auf der öffentlichen Straße (Bürgersteig) aufzustellen.
8Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Februar 1975 - II A 1021/73 -, OVGE 30, 259, Beschluss vom 16. Juli 2019 - 11 A 594/19 - S. 4, nicht veröffentlicht; Hess. VGH, Beschluss vom 21. August 2018 - 2 B 294/18 - NVwZ-RR 2019, 306 (308) = juris, Rn. 14, m. w. N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. Juli 2008 - 16 L 1099/08 -, juris, Rn. 9 f.
9Besondere örtliche Gegebenheiten, die eine Unterbringung der Mülltonnen auf dem Grundstück ausnahmsweise als unzumutbar erscheinen ließen, hat das Verwaltungsgericht mit Blick auf die Abstellmöglichkeit im Garten zu Recht verneint. Die Kläger haben in ihrem Zulassungsantrag auch keine solchen Umstände angeführt.
102. Weiter hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, mit der Ablehnung der beantragten Sondernutzung habe die Beklagte von dem ihr in § 18 Abs. 2 StrWG NRW eröffneten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht. Die Mülltonnenbox würde die Verkehrssicherheit beeinträchtigen. Durch ihre Errichtung vor dem Wohnhaus werde der für Fußgänger nutzbare Bereich des Gehwegs auf nur 80 cm verengt und durch die Box ein Hindernis geschaffen, das die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtige. Der neben dem Bürgersteig verlaufende Radweg könne nicht als Nutzfläche für den Fußgängerverkehr miteinbezogen werden. Geh- und Radweg verliefen getrennt voneinander (Verkehrszeichen 241 der Anlage 2 zu § 41 StVO). Ein Ausweichen der Fußgänger auf den Radweg begründe für beide Seiten ein zusätzliches Gefahrenpotential. Dass der Gehweg auf Höhe des Hauses Nr. 12, wie die Kläger vorgetragen hätten, durch eine Straßenlaterne verschmälert werde, sei unerheblich. Die Straßenlaterne sei mit einer Mülltonnenbox nicht vergleichbar, weil sie der Verkehrssicherheit diene. Die zusätzliche Erwägung der Beklagten, die Mülltonnenbox würde das Orts- und Straßenbild beeinträchtigen und negative Signalwirkung haben, sei unerheblich, weil allein die angeführte Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit die Ablehnungsverfügung trage. Ein Ermessensfehler ergebe sich auch nicht aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Mit ihrem Einwand, ihre Mülltonnen stünden seit 60 Jahren auf dem Gehweg, könnten die Kläger nicht durchdringen. Eine Selbstbindung der Beklagten durch eine feststehende Verwaltungspraxis sei damit nicht eingetreten, denn die bloße Duldung eines Sachverhalts könne keine Selbstbindung begründen. Schließlich sei die Beklagte auch nicht willkürlich allein gegen die Kläger vorgegangen, sondern habe erklärt, gegen alle in der Straße der Kläger auf dem Gehweg abgestellten Mülltonnen vorzugehen.
11a) Diese Ausführungen vermögen die Kläger mit dem Einwand, das Verwaltungsgericht habe einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt, weil Geh- und Radweg nicht im Sinne des Verkehrszeichens 241 getrennt voneinander, sondern im Sinne des Verkehrszeichens 240 gemeinsam angelegt seien und genutzt würden, nicht in Frage zu stellen. Wie auf dem von der Beklagten übersandten Lichtbild zu sehen ist, sind Geh- und Radweg vor dem von den Klägern bewohnten Mehrfamilienhaus - schon durch die unterschiedliche Pflasterung erkennbar - getrennt voneinander angelegt.
12b) Auch die Behauptung der Kläger, ein Teil des Bürgersteigs stehe in ihrem Eigentum, sodass sie insoweit schon keiner Sondernutzungserlaubnis bedürften, ist nicht richtig. Wie die Beklagte unter Vorlage eines Katasterauszugs und eines Auszugs aus dem Liegenschaftsregister dargelegt hat, steht das im fraglichen Bereich als Gehweg genutzte Flurstück 169 in ihrem Eigentum. Das im (Mit-)Eigentum der Klägerin zu 1. stehende Flurstück 115 ist bis zur nördlichen, an den Gehweg reichenden Grundstücksgrenze bebaut.
13c) Dafür, dass die Beklagte, wie die Kläger meinen, gleichheitswidrig und willkürlich gegen sie einschreite, um ihnen persönlich Probleme zu bereiten, bestehen auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens keine Anhaltspunkte.
14Der Einwand der Kläger, ihre Mülltonnen stünden seit 60 Jahren auf dem Gehweg, ohne dass es zu Gefährdungen oder Unfällen gekommen sei, geht bereits deshalb fehl, weil durch das dauerhafte Abstellen der Mülltonnen auf der öffentlichen Straßenfläche ohne die entsprechende Sondernutzungserlaubnis ein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 StrWG NRW vorliegt, der nicht nur zu einer Gefährdung der objektiven Rechtsordnung, sondern zu ihrer Störung führt.
15OVG NRW, Beschluss vom 16. Juli 2019 - 11 A 594/19 - S. 6, nicht veröffentlicht.
16Es liegen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, die Beklagte habe das (illegale) dauerhafte Abstellen der Müllgefäße auf dem Gehweg in der Form geduldet, dass die Kläger darauf hätten vertrauen dürfen, die Beklagte werde diesen Zustand dauerhaft hinnehmen.
17Der Behauptung der Kläger, gegen das Abstellen von Mülltonnen vor den Häusern Nr. 14b und 16 sei die Beklagte bisher nicht eingeschritten, ist diese durch die Vorlage eines an die Eigentümerin des Hauses Nr. 16 gerichteten Schreibens vom 5. Juni 2020 entgegengetreten. In Bezug auf das Haus Nr. 14b hat sie mitgeteilt, den Ausgang des von den Klägern geführten Gerichtsverfahrens abwarten zu wollen. Das ist nicht zu beanstanden.
18Mit der - im Übrigen nicht näher substantiierten - Behauptung, die Beklagte halte das Abstellen ihrer Mülltonnen auf dem Gehweg für Sondernutzung und versage ihr die dafür erforderliche Erlaubnis, dulde auf der anderen Straßenseite aber ein illegales Bordell, vermögen die Kläger einen Verstoß gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu begründen, weil die gegenübergestellten Sachverhalte sich wesentlich unterscheiden.
19Das Vorbringen der Kläger, die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer habe die Beklagte nicht davon abgehalten, an der Ecke der Grundstücke X.------straße 10 und 12, wo der Gehweg ebenso schmal sei wie vor dem Haus Nr. 14a, einen Parkscheinautomaten aufzustellen, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz erkennen. Unabhängig davon, dass die Errichtung eines Parkscheinautomaten der Beklagten auf öffentlichem Grund keine Sondernutzung darstellt, hat die Beklagte unter Vorlage eines Lichtbildes ausgeführt, dass auch der Standort des Automaten und der von den Klägern für ihre Mülltonnenbox beabsichtigte Standort wesentliche Unterschiede aufweisen.
20Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO.
21Das Urteil des Verwaltungsgerichts in nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
22Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
23Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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- VwGO § 124a 1x
- § 18 Abs. 1 Satz 1 StrWG 1x (nicht zugeordnet)
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- VwGO § 159 1x
- §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- 16 L 1099/08 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 100 Kosten bei Streitgenossen 1x
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