Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 798/22.A
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, jeweils zur Hälfte.
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G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der von den Klägern allein geltend gemachte Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG liegt nicht vor.
3Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn für die Entscheidung der Vorinstanz eine grundsätzliche, bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre und deren Klärung im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Die Darlegung der Grundsatzbedeutung gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG erfordert, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstgerichtlich noch nicht hinreichend geklärte und (auch) für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6.1.2021 ‑ 6 A 3413/20.A -, juris Rn. 4.
5Soweit Tatsachenfragen trotz diesbezüglicher bereits vorliegender Rechtsprechung als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet werden, muss ferner durch die Benennung bestimmter Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür dargelegt werden, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Gerichts, sondern die abweichenden Behauptungen in der Antragsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
6Vgl. zu diesem Erfordernis etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 14.7.2017 ‑ 13 A 1277/17.A ‑, juris Rn. 7 f., und vom 20.6.2016 ‑ 13 A 2789/15.A ‑, juris Rn. 3 f., jeweils m. w. N.
7Diesen Anforderungen entspricht der Zulassungsantrag nicht. Ihm ist nicht zu entnehmen, dass den Fragen,
8„1. Liegt ein Anwaltsverschulden bei der Fristenkontrolle vor, wenn die fehlerhafte Übermittlung eines Schriftsatzes aus dem beA nicht auf einem Bedienungsfehler beruht und ein beA-Nachrichtenprotokoll in der Aktengeschichte erscheint, welches sich nicht nur auf die Gültigkeit der Zertifikate bezieht sondern auch Angaben zum Versand und Empfang enthält und beim Anwender den Eindruck einer ordnungsgemäßen Sendung erweckt?
92. Verletzt es die Sorgfaltspflicht des beA-Anwenders, wenn er sich auf ein Protokoll verlässt, das ihm automatisch zugeht, das in die Kanzleisoftware integriert ist und das den Eindruck erweckt, es treffe auch Aussagen zum Eingang einer Sendung beim Empfänger?
103. Ist es dem beA-Anwender zuzurechnen, dass er im Rahmen des gesetzlich aufgezwungenen Kommunikationswegs durch den äußeren Gesamteindruck des nach der Sendung erscheinenden Protokolls über dessen rechtliche Qualität getäuscht wird?“
11grundsätzlich klärungsbedürftig sind. Denn sie lassen sich auf der Grundlage der existierenden Rechtsprechung ohne weiteres beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte.
12Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen. Bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs ist es unerlässlich, den Versendevorgang selbst zu überprüfen. Dies hat bei Nutzung von beA/EGVP durch Prüfung des Erhalts und des Inhalts der vom EGVP an das beA versandten Eingangsbestätigung zu erfolgen. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung eines Schriftsatzes im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs erfordert mithin die Kontrolle, ob der Eingang des elektronischen Dokuments bei Gericht entsprechend § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO (wortgleich § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO) bestätigt worden ist. Bei der Bestätigung eines erfolgreichen Eingangs des elektronischen Dokuments nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO wird im Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ bei dem Unterpunkt „Meldungstext“ die Nachricht „request executed“ und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus“ der Text „erfolgreich“ angezeigt. Erst wenn der Rechtsanwalt eine solche Eingangsbestätigung erhalten hat, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Ihr Ausbleiben - wie hier - muss den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls zur erneuten Übermittlung veranlassen.
13Zu anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.10.2021 - 8 B 11187/21 -, juris Rn. 5 ff.; VG Aachen, Urteil vom 7.3.2022 - 10 K 2469/21.A -, juris Rn. 30; BGH, Beschluss vom 11.5.2021 - VIII ZB 9/20 -, NJW 2021, 2201 = juris Rn. 33; BAG, Beschluss vom 7.8.2019 - 5 AZB 16/19 -, BAGE 167, 221 = juris Rn. 13 f.
14In dem vom Prozessbevollmächtigten der Kläger vorgelegten Prüfprotokoll sind die Felder „zugegangen“ und „Übermittlungsstatus“ nicht ausgefüllt. Dies hätte dem Prozessbevollmächtigten Anlass zu weiteren Nachforschung geben müssen, sodass das Unterlassen einer entsprechenden Kontrolle zu einem Anwaltsverschulden führt. Eine solche Kontrolle ist auch nicht, wie der Prozessbevollmächtigte der Kläger geltend macht, mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden. Angesichts der dem Prozessbevollmächtigten zur Verfügung stehenden Informationen über den notwendigen Inhalt der Eingangsbestätigung nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO,
15vgl. etwa Newsletter der Bundesrechtsanwaltskammer, 31/2019, "Wo findet man Eingangsbestätigung, Prüf- und Übermittlungsprotokoll?", abrufbar über das beA-Newsletter Archiv unter https://www.brak.de/bea-newsletter/,
16musste ihm bekannt sein, welche Aussagekraft dem Übermittlungs- und Prüfprotokoll zukommt und auf welche Angaben hin dieses zu kontrollieren ist. Die in dem vorgelegten Prüfprotokoll grün hinterlegte Angabe „sämtliche durchgeführten Prüfungen lieferten ein positives Ergebnis“, stellt auch keine Täuschung dar, die ein Anwaltsverschulden ausschließen würde. Denn auch, wenn dies für einen Unkundigen missverständlich sein könnte, muss dem seiner Sorgfaltspflicht gerecht werdenden Rechtsanwalt bekannt sein, dass sich dies maßgeblich auf die erfolgreich durchgeführte Signatur bezieht und sich die Angaben zur erfolgreichen Übermittlung nur der Eingangsbestätigung nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO entnehmen lassen. Wird eine solche - wie hier - nicht übersandt, kann und darf der Rechtsanwalt nicht annehmen, sein Schriftsatz sei bei Gericht eingegangen.
17Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO i. V. m. § 100 ZPO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
18Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
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- § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
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- VwGO § 159 1x
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- VwGO § 154 1x
- 10 K 2469/21 1x (nicht zugeordnet)
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- 13 A 1277/17 1x (nicht zugeordnet)
- 8 B 11187/21 1x (nicht zugeordnet)
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