Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 564/22
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gibt keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss aufzuheben oder zu ändern.
3Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, das mit Schreiben vom 21.1.2022 abgebrochene Auswahlverfahren hinsichtlich der Besetzung der Stelle des Leiters/der Leiterin des Prüfungsamtes des Antragsgegners mit dem Antragsteller als Bewerber fortzusetzen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs unbegründet. Die Entscheidung des Antragsgegners, das Auswahlverfahren abzubrechen, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kammer habe ihm mit Beschluss vom 14.12.2021 - 19 L 1959/21 - vorläufig untersagt, die streitbefangene Stelle mit der ausgewählten Bewerberin zu besetzen. Er habe in seinem Abbruchvermerk vom 17.1.2022 durch die Bezugnahme auf diesen Beschluss und die Stellungnahme des Rechtsamtes vom 14.1.2022 dargestellt, aus welchem Grund das Auswahlverfahren abgebrochen werde. Diese Begründung erfülle die materiellen Anforderungen an das Vorliegen eines sachlichen Grundes. In der Regel sei ein Abbruch jedenfalls dann sachlich gerechtfertigt, wenn dem Dienstherrn im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt werde, den von ihm ausgewählten Bewerber zu ernennen. Daraus könne der Dienstherr regelmäßig den Schluss ziehen, seine bisherige Verfahrensweise begegne erheblichen Zweifeln im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG. Unsachlich hingegen seien etwa solche Gründe für einen Abbruch, die das Ziel verfolgten, einen unerwünschten Kandidaten aus leistungsfremden Erwägungen von der weiteren Auswahl für die Stelle auszuschließen oder einen bestimmten Bewerber bei der späteren Auswahlentscheidung zu bevorzugen. Hierfür bestünden vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte. Soweit der Antragsteller vortrage, ein sachlicher Grund für den Abbruch eines Auswahlverfahrens sei erst dann gegeben, wenn Fehler im laufenden Auswahlverfahren nicht behoben werden könnten, folge die Kammer dem nicht. Ein Rechtsfehler berechtige grundsätzlich auch dann zum Abbruch des Auswahlverfahrens, wenn er durch den Dienstherrn im laufenden Auswahlverfahren geheilt werden könnte. Art. 33 Abs. 2 GG gebe nicht vor, dass Rechtsfehler möglichst im laufenden Auswahlverfahren zu beseitigen seien, um die Bewerbungsverfahrensansprüche der Bewerber zu erhalten. Etwas anderes dürfte allenfalls dann gelten, wenn es sich um einen eher geringfügigen, einfach behebbaren Rechtsfehler handele oder feststehe, dass sich der Fehler nicht auf die Auswahlentscheidung auswirken könne. So liege der Fall hier nicht. Denn die Auswahl aufgrund der vorgenommenen Auswahlgespräche, ohne zuvor eine aktuelle Beurteilung der ausgewählten Bewerberin erstellt zu haben, stelle einen schweren Fehler dar.
4Die hiergegen mit der Beschwerde erhobenen Einwendungen stellen die (Ergebnis-) Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses nicht durchgreifend in Frage.
5a) Ohne Erfolg rügt die Beschwerde, die Gründe für den Abbruch des Auswahlverfahrens seien „weder hinreichend dokumentiert noch dem Antragsteller hinreichend mitgeteilt“ worden.
6Die Bewerber eines Stellenbesetzungsverfahrens müssen über den Abbruch des Verfahrens rechtzeitig und in geeigneter Form in Kenntnis gesetzt werden. Der Dienstherr muss in einer solchen Abbruchmitteilung unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er das Stellenbesetzungsverfahren ohne Stellenbesetzung endgültig beenden will. Der wesentliche Abbruchgrund muss, sofern er sich nicht evident aus dem Vorgang ergibt, schriftlich dokumentiert werden. Die Bewerber werden grundsätzlich nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Erwägungen in die Lage versetzt, etwa anhand von Akteneinsicht sachgerecht darüber befinden zu können, ob die Entscheidung des Dienstherrn ihren Bewerbungsverfahrensanspruch berührt und ob Rechtsschutz in Anspruch genommen werden soll. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation des sachlichen Grundes für den Abbruch des Auswahlverfahrens dem Gericht die Möglichkeit, die Beweggründe für den Abbruch nachzuvollziehen.
7Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24.9.2015 - 2 BvR 1686/15 -, NVwZ 2016, 237 = juris Rn. 14, und vom 28.11.2011 - 2 BvR 1181/11 -, NVwZ 2012, 366 = juris Rn. 23; BVerwG, Urteile vom 3.12.2014 - 2 A 3.13 -, BVerwGE 151, 14 = juris Rn. 34, vom 29.11.2012 - 2 C 6.11 -, BVerwGE 145, 185 = juris Rn. 19, und vom 26.1.2012 - 2 A 7.09 -, BVerwGE 141, 361 = juris Rn. 29, sowie Beschluss vom 27.2.2014 - 1 WB 7.13 -, BVerwGE 149, 153 = juris Rn. 29; BAG, Urteil vom 20.3.2018 - 9 AZR 249/17 -, juris Rn. 16; OVG NRW, Beschlüsse vom 22.9.2021 - 6 B 583/21 -, NVwZ-RR 2022, 60 = juris Rn. 35, und vom 30.4.2019 - 6 B 1707/18 -, juris Rn. 13.
8Diesen Anforderungen hat der Antragsgegner Genüge getan.
9aa) Die Abbruchentscheidung ist in der Verfügung des Antragsgegners vom 17.1.2022 niedergelegt, die wiederum auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14.12.2021 - 19 L 1959/21 - sowie die Stellungnahme des Rechtsamtes vom 14.1.2022 Bezug nimmt. Anhand dieser Unterlagen, die sämtlich in dem vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsvorgang enthalten sind, kann ohne Weiteres nachvollzogen werden, dass Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens die gerichtliche Beanstandung der Auswahlentscheidung ist. Mit dem genannten Beschluss hat das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, „die nach A 15 LBesG NRW / E 15 TVöD bewertete Stelle einer Leiterin/eines Leiters des Prüfungsamtes des S. -T. -Kreises (A 14) mit der Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers auf diese Stelle unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden wurde“. Zur Begründung hat es ausgeführt, die zu Lasten des Antragstellers getroffene Auswahlentscheidung sei rechtswidrig. Der Antragsgegner habe es versäumt, für die Beigeladene eine Anlassbeurteilung zu erstellen und einen an dienstlichen Beurteilungen orientierten Leistungsvergleich vorzunehmen. Er habe allein aus den Eindrücken, die er u. a. von dem Antragsteller und der Beigeladenen in den Auswahlgesprächen gewonnen habe, einen Qualifikationsvorsprung der Beigeladenen hergeleitet.
10bb) Der Antragsgegner hat den Antragsteller mit Schreiben vom 21.1.2022 über die Abbruchentscheidung informiert. Er hat dort ausgeführt, er habe das Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen und werde die Stelle neu ausschreiben. Grund hierfür sei, so der Antragsgegner in dem Schreiben weiter, die dem Antragsteller „bekannte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln vom 14.12.2021 - 19 L 1959/21 -, mit der das Verwaltungsgericht die Fehlerhaftigkeit der getroffenen Auswahlentscheidung festgestellt“ habe.
11cc) Fehl geht der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand der Beschwerde, der Antragsgegner habe auf den Seiten 3 und 4 seines im erstinstanzlichen Verfahren eingegangenen Schriftsatzes vom 3.3.2022 die „wohl ausschlaggebenden“ - weder in der Stellungnahme des Rechtsamtes vom 14.1.2022 noch in der Abbruchmitteilung festgehaltenen - Gründe für den Abbruch des Auswahlverfahrens genannt. Die Antragsgegner hat sich zu den dortigen Erläuterungen vielmehr aufgrund von Ausführungen des 1. Senats des beschließenden Gerichts im Beschluss vom 25.1.2022 - 1 B 1729/21 -, NVwZ-RR 2022, 429 = juris Rn. 59, veranlasst gesehen. Hiernach, so der Antragsgegner auf der Seite 2 (unten) seines Schriftsatzes vom 3.3.2022, obliege es dem Dienstherrn, nachvollziehbare Gründe dafür darzulegen, aus denen das Verfahren aus seiner Sicht an nicht mehr behebbaren Mängeln leide bzw. womöglich nicht mehr zu einer rechtsfehlerfreien Auswahlentscheidung führen könne.
12b) Entgegen der Auffassung der Beschwerde beruht der Abbruch des Auswahlverfahrens im Streitfall auf einem sachlichen, den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG genügenden Grund. Der rechtskräftige Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14.12.2021 - 19 L 1959/21 - rechtfertigt den Abbruch unabhängig davon, ob die vom Verwaltungsgericht festgestellten Fehler im laufenden Auswahlverfahren heilbar gewesen wären.
13aa) Je nach Fallkonstellation unterliegt der Dienstherr bei der Entscheidung, ein bereits begonnenes Auswahlverfahren abzubrechen, unterschiedlichen rechtlichen Bindungen. Entschließt sich der Dienstherr, eine Stelle nicht mehr zu besetzen, ist er keinen strengeren Bindungen unterworfen, als sie für personalwirtschaftliche Entscheidungen darüber, ob und welche Ämter geschaffen werden und wie Dienstposten zugeschnitten werden sollen, auch ansonsten gelten. Die gerichtliche Kontrolle ist insoweit regelmäßig darauf beschränkt zu prüfen, ob der Grund, der für die Abbruchentscheidung maßgeblich ist, sich als willkürlich oder rechtsmissbräuchlich darstellt.
14Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.12.2018 - 2 VR 4.18 -, NVwZ 2019, 724 = juris Rn. 15 ff., sowie Urteile vom 3.12.2014 - 2 A 3.13 -, a. a. O. Rn. 26, 37, und vom 22.7.1999 - 2 C 14.98 -, ZBR 2000, 40 = juris Rn. 31; OVG NRW, Beschlüsse vom 17.5.2022 - 6 B 1388/21 -, IÖD 2022, 158 = juris Rn. 25, vom 2.12.2020 - 6 B 840/20 -, juris Rn. 9, vom 18.8.2020 - 6 B 319/20 -, juris Rn. 4, und vom 26.4.2018 - 6 B 355/18 -, NWVBl 2018, 415 = juris Rn. 11 m. w. N.; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.7.2021 - 2 MB 26/20 -, RiA 2021, 224 = juris Rn. 5 f.; Hess. VGH, Beschluss vom 1.10.2020 - 1 B 1552/20 -, DVBl 2021, 736 = juris Rn. 12.
15Anders liegt es, wenn der Dienstherr, wie vorliegend, die Stelle weiterhin vergeben will, hierfür aber ein neues Auswahlverfahren für erforderlich hält. Da die Stelle in diesem Fall unverändert bestehen bleiben und auch besetzt werden soll, ist in einem solchen Fall für die Beurteilung des Vorliegens eines sachlichen Grundes für den Abbruch des Verfahrens Art. 33 Abs. 2 GG Prüfungsmaßstab. Die Entscheidung, das in Gang gesetzte Auswahlverfahren abzubrechen, bezieht sich insofern nicht auf Zuschnitt und Gestaltung des Amtes, sondern auf die organisatorische Ausgestaltung seiner Vergabe, die als wesentliche Weichenstellung für die nachfolgende Auswahlentscheidung bereits selbst den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung tragen muss. Deswegen bedarf es in einer solchen Fallgestaltung für die Abbruchentscheidung in materieller Hinsicht eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG genügt.
16Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10.12.2018 - 2 VR 4.18 -, a. a. O. Rn. 18, und vom 10.5.2016 - 2 VR 2.15 -, BVerwGE 155, 152 = juris Rn. 16 ff., sowie Urteile vom 3.12.2014 - 2 A 3.13 -, a. a. O. Rn. 17 ff., und vom 29.11.2012 - 2 C 6.11 -, a. a. O. Rn. 16 f., sowie Beschluss vom 27.2.2014 - 1 WB 7.13 -, a. a. O. Rn. 28; OVG NRW, Beschlüsse vom 18.5.2022 - 6 B 231/22 -, juris Rn. 34, vom 17.5.2022 - 6 B 1388/21 -, a. a. O. Rn. 27, vom 2.12.2020 - 6 B 840/20 -, a. a. O. Rn. 11, und vom 18.8.2020 - 6 B 319/20 -, a. a. O. Rn. 6; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.7.2021 - 2 MB 26/20 -, a. a. O. Rn. 7; Hess. VGH, Beschluss vom 1.10.2020 - 1 B 1552/20 -, a. a. O. Rn. 12.
17bb) Ein an Art. 33 Abs. 2 GG zu messender Abbruch eines Auswahlverfahrens ist in der Regel auch dann sachlich gerechtfertigt, wenn dem Dienstherrn, wie hier, im Wege einer einstweiligen Anordnung rechtskräftig untersagt worden ist, den von ihm ausgewählten Bewerber zu ernennen. Denn hieraus kann der Dienstherr regelmäßig den Schluss ziehen, seine bisherige Verfahrensweise begegne erheblichen Zweifeln im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG. In einer solchen Situation darf er das bisherige Verfahren abbrechen, um in einem anschließenden neuen Verfahren aufgrund eines gegebenenfalls aktualisierten Bewerberkreises eine dem Art. 33 Abs. 2 GG genügende Entscheidung zu treffen.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - 2 C 6.11 -, a. a. O. Rn. 20, sowie Beschluss vom 31.5.2013 - 2 C 25.13 -, juris Rn. 6; BVerfG, Beschluss vom 24.9.2015 - 2 BvR 1686/15 -, a. a. O. Rn. 18.
19Der Auffassung des 1. Senats des beschließenden Gerichts,
20vgl. Beschlüsse vom 25.1.2022 - 1 B 1729/21 -, a. a. O. Rn. 45, 56 ff., vom 4.2.2020 - 1 B 1519/19 -, juris Rn. 13 ff., und vom 12.7.2018 - 1 B 1160/17 -, NWVBl 2018, 464 = juris Rn. 25 ff.,
21und des Hessischen VGH,
22vgl. Beschluss vom 1.10.2020 - 1 B 1552/20 -, a. a. O. Rn. 15,
23zur effektiven Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs könne auch nach gerichtlicher Beanstandung nur ein nicht behebbarer Mangel den Abbruch des Auswahlverfahrens rechtfertigen, folgt der beschließende Senat nicht.
24Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.5.2022 - 6 B 231/22 -, a. a. O. Rn. 40.; so auch VGH BW, Beschluss vom 8.11.2021 - 4 S 1431/21 -, juris Rn. 31, OVG Schleswig-Holstein, Beschlüsse vom 14.7.2021 - 2 MB 26/20 -, a. a. O. Rn. 10, und vom 20.11.2019 - 2 MB 10/19 -, juris Rn. 6 f., Sächs. OVG, Beschluss vom 2.9.2020 - 2 B 247/20 -, juris Rn. 20, Nds. OVG, Beschluss vom 7.5.2018 - 5 ME 41/18 -, juris Rn. 25 f., und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5.5.2017 - 2 B 10279/17 -, ZBR 2017, 389 = juris Rn. 26.
25Denn es ist nicht ersichtlich, dass das Bundesverwaltungsgericht seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben hätte mit der Folge, dass nunmehr allein maßgeblich sein soll, ob das Auswahlverfahren noch fehlerfrei zu Ende geführt werden kann.
26So auch VGH BW, Beschluss vom 8.11.2021 - 4 S 1431/21 -, a. a. O. Rn. 31, OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.7.2021 - 2 MB 26/20 -, a. a. O. Rn. 10, 12, und Nds. OVG, Beschluss vom 7.5.2018 - 5 ME 41/18 -, a. a. O. Rn. 26.
27Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 10.12.2018 - 2 VR 4.18 -, a. a. O., auf den der 1. Senat des beschließenden Gerichts in seinem Beschluss vom 4.2.2020 - 1 B 1519/19 -, a. a. O. Rn. 15, hinweist, (nur) zwei Fallkonstellationen genannt, in denen der Dienstherr berechtigt ist, das Auswahlverfahren abzubrechen, nämlich die Konstellation, dass der konkrete Dienstposten mit dem ursprünglich festgelegten Zuschnitt und der ursprünglichen besoldungsrechtlichen Einstufung nicht mehr besetzt werden soll, sowie die Konstellation, dass der Dienstherr „den unverändert bleibenden Dienstposten weiterhin vergeben will, aber den Ausgang des ersten Auswahlverfahrens als unbefriedigend empfindet oder das bisherige Verfahren nach seiner Einschätzung an nicht behebbaren Mängeln mit der Folge leidet, dass eine den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werdende Auswahlentscheidung allein in einem weiteren Auswahlverfahren denkbar erscheint“. Die weitere Fallkonstellation der gerichtlichen Beanstandung einer Auswahlentscheidung ist in dieser Entscheidung nicht ausdrücklich genannt. Aus der Nichtnennung dieser Fallkonstellation kann aber nicht geschlossen werden, diese solle nach der Vorstellung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen seiner früheren Rechtsprechung künftig einen Abbruch des Auswahlverfahrens nicht mehr rechtfertigen können. Denn es ging dem Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Beschluss in erster Linie um eine Gegenüberstellung von Abbruchgründen, die allein am Maßstab von Willkür und Rechtsmissbrauch zu messen sind, und solchen, die den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG genügen müssen. Gerade weil der dort in Rede stehende Abbruchgrund der ersten Kategorie zuzuordnen war, es mithin auf die Frage, in welchen Fallkonstellationen sich ein Verfahrensabbruch gemäß Art. 33 Abs. 2 GG rechtfertigen ließe, nicht entscheidungserheblich ankam, bestand für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, eine abschließende Aufzählung aller im Lichte des Art. 33 Abs. 2 GG einen Verfahrensabbruch ermöglichenden Fallkonstellationen vorzunehmen. Für die Annahme, dass das Bundesverwaltungsgericht in einem nicht tragenden Nebensatz von seiner über Jahre gefestigten Rechtsprechung hat abrücken wollen, ohne auf diese überhaupt hinzuweisen, fehlt es daher an hinreichenden Anhaltspunkten.
28Vgl. VGH BW, Beschluss vom 8.11.2021 - 4 S 1431/21 -, a. a. O. Rn. 32; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.7.2021 - 2 MB 26/20 -, a. a. O. Rn. 11 f.
29Darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht die unterschiedlichen Kategorien an Abbruchgründen nicht streng voneinander abgrenzt, deutet auch die Begründung seines Urteils vom 3.12.2014 - 2 A 3.13 -, a. a. O. Rn. 19, hin, mit der ausgeführt wird, der Dienstherr könne „das Auswahlverfahren abbrechen, wenn es fehlerhaft ist und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann oder wenn eine erneute Ausschreibung erforderlich wird, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerber zu erhalten“, und in der zum Beleg allein auf das Urteil vom 29.11.2012 - 2 C 6.11 -, a. a. O., verwiesen wird, welches gerade die gerichtliche Beanstandung als solche ausreichen lässt. Dem entspricht es, dass das Bundesverwaltungsgericht auch in jüngeren Entscheidungen,
30vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2020 - 2 C 12.20 -, BVerwGE 171, 24 = juris Rn. 30 und Beschluss vom 29.7.2020 - 2 VR 3.20 -, juris Rn. 13,
31zwar inhaltlich die im Beschluss vom 10.12.2018 - 2 VR 4.18 - genannten Fallgestaltungen - unbefriedigender Ausgang bzw. nach Einschätzung des Dienstherrn nicht behebbare Mängel des bisherigen Auswahlverfahrens - wiederholt, allerdings zugleich durch die Verwendung der Wörter „insbesondere“ bzw. „u. a.“ verdeutlicht, dass die Aufzählung der Fallgestaltungen nicht abschließend ist.
32Vgl. VGH BW, Beschluss vom 8.11.2021 - 4 S 1431/21 -, a. a. O. Rn. 32; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.7.2021 - 2 MB 26/20 -, a. a. O. Rn. 11.
33Diese Auffassung trägt im Übrigen sowohl dem objektivrechtlichen als auch dem subjektivrechtlichen Gehalt des Bestenauswahlprinzips des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung. Dem im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren erfolgreichen Beamten ‑ hier dem Antragsteller - steht es - wie allen anderen Konkurrenten - offen, sich in dem neu eröffneten Auswahlverfahren um die (Beförderungs-)Stelle zu bewerben; setzt er sich hier als Bestgeeigneter durch und stehen keine weiteren Gründe entgegen, wird er auszuwählen sein. Einen Schutz vor der Erweiterung des Bewerberkreises gewährt Art. 33 Abs. 2 GG generell nicht, das heißt weder im laufenden noch im neuen Auswahlverfahren.
34Vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 2.9.2020 - 2 B 247/20 -, a. a. O. Rn. 19; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.11.2019 - 2 MB 10/19 -, a. a. O. Rn. 6; Bay. VGH, Beschluss vom 5.4.2019 - 3 CE 19.314 -, RiA 2019, 179 = juris Rn. 17.
35Vielmehr ist bei einer neu zu treffenden Auswahlentscheidung auf die dann maßgebliche Sach- und Rechtslage abzustellen. Dies bedeutet auch, dass ggf. ein neues Bewerberfeld und das jeweils aktuelle Beurteilungsbild der zu betrachtenden Bewerber für die neue Auswahlentscheidung in den Blick zu nehmen sind.
36Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.4.2016 - 1 WB 27.15 -, NVwZ-RR 2016, 628 = juris Rn. 18; OVG NRW, Beschlüsse vom 30.11.2021 - 1 B 1341/21 -, juris Rn. 14, , vom 29.7.2021 - 1 B 1072/21 -, ZBR 2021, 422 = juris Rn. 17 und vom 29.5.2018 - 6 B 462/18 -, juris Rn. 17, jeweils m. w. N
37Ob von den genannten Grundsätzen für Fälle geringfügiger bzw. unschwer behebbarer Fehler abzugehen ist,
38so VG Schleswig, Beschluss vom 22.8.2019 - 12 B 40/19 -, juris Rn. 24 f.; Bodanowitz in: Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, 70. Aktualisierung 4/2021, 2. Der Auslesezweck, Rn. 197a; hierzu tendierend auch OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.11.2019 - 2 MB 10/19 -, a. a.O. Rn. 6,
39kann offenbleiben, weil weder die Beschwerde geltend macht noch ersichtlich ist, dass ein solcher Fall gegeben ist.
40cc. Ein Ausnahmefall, in dem die gerichtliche Beanstandung einer Auswahlentscheidung noch keinen sachlichen Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens darstellt, liegt hier nicht vor. Ein solcher Ausnahmefall ist insbesondere gegeben, wenn der Abbruch allein der Benachteiligung oder der Bevorzugung eines Bewerbers dient, etwa indem ein unerwünschter Kandidat aus leistungsfremden Erwägungen von der weiteren Auswahl für die Stelle ausgeschlossen werden soll.
41Vgl. BVerwG, Urteile vom 29.12.2012 - 2 C 6.11 -, a. a. O. Rn. 21, und vom 26.1.2012 - 2 A 7.09 -, a. a. O. Rn. 27; VGH BW, Beschluss vom 8.11.2021 - 4 S 1431/21 -, a. a. O. Rn. 34; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.7.2021 - 2 MB 26/20 -, a. a. O. Rn. 9; Sächs. OVG, Beschluss vom 2.9.2020 - 2 B 247/20 -, a. a. O. Rn. 14.
42Hierauf könnte ein Neuzuschnitt der Stelle mit einem veränderten Anforderungsprofil hindeuten, das nunmehr der ursprünglich ausgewählte Bewerber, nicht aber der im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren erfolgreiche Antragsteller erfüllt. Auch dafür gibt das Beschwerdevorbringen indes nichts her. Dass der Antragsgegner aufgrund des verstrichenen Zeitraums die Erstellung einer Anlassbeurteilung auch für den Antragsteller und eine Aktualisierung des Bewerberkreises für erforderlich hält, lässt nicht auf eine Benachteiligungsabsicht schließen.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
44Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
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