Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 B 1913/21
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. November 2021 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin ist Content-Providerin. Sie hat ihren Sitz in Zypern und betreibt die Internetseite https://de.n.com. Diese sowie zwei weitere Webseiten aus ihrem Unternehmensverbund sind Gegenstand aufsichtsbehördlicher bzw. gerichtlicher Verfahren.
4Mit Schreiben vom 11. Juli 2019 teilte die Antragsgegnerin der zypriotischen Medienbehörde Cyprus Radiotelevision Authority (CRTA) mit, dass das Telemedienangebot der Antragstellerin „de.n.com“ aus ihrer Sicht gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 und gegen § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 des Staatsvertrags über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – JMStV) verstoße. Zugleich bat die Antragsgegnerin die CRTA um Mitteilung, ob sie, die CRTA, rechtliche Schritte einleiten könne, und fragte nach, ob es richtig sei, dass die CRTA nur für Radio und Fernsehen und nicht auch für Video-Sharing-Plattformen zuständig sei und es auch sonst keine staatliche Behörde gebe, die hierfür zuständig wäre. Mit E-Mail vom 14. August 2019 wies die CRTA die Antragsgegnerin darauf hin, dass Zypern dabei sei, die Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) umzusetzen. Daher sei die CRTA derzeit nur für die Überwachung von Rundfunk- und Fernsehangeboten, nicht jedoch für eine Überwachung von Video-Sharing-Diensten zuständig. Die Zuständigkeit zur Umsetzung der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 (E-Commerce-Richtlinie) liege beim „Industry and Technology Service“ (ITS) des zypriotischen Ministeriums für Energie, Handel und Industrie.
5Am 24. Oktober 2019 informierte die Antragsgegnerin die CRTA darüber, dass sie aufgrund festgestellter Verstöße gegen Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags beabsichtige, aufsichtsbehördlich gegen das Telemedienangebot der Antragstellerin einzuschreiten. Sie bat die CRTA zudem bis zum 28. Oktober 2019 um Mitteilung, sollte diese Vorbehalte gegen das beabsichtigte Einschreiten der Antragsgegnerin haben. Mit E-Mail vom 25. Oktober 2019 informierte die CRTA die Antragsgegnerin, dass sie keine Vorbehalte gegen ein Vorgehen gegen die zypriotischen Anbieter habe. Unter dem 14. November 2019 teilte die Antragsgegnerin der Europäischen Kommission mit, dass sie beabsichtige, gegen die Antragstellerin vorzugehen. Mit E-Mail vom 30. April 2020 informierte die Antragsgegnerin den von der CRTA für die E-Commerce-Richtlinie als zuständige Stelle benannten ITS im zypriotischen Ministerium für Energie, Handel und Industrie über das beabsichtigte Vorgehen gegen die Antragstellerin und fragte an, ob dieser Bedenken hiergegen hätte; eine Reaktion blieb aus.
6Am 26. März 2020 fand zwischen den Beteiligten ein Austausch per Videokonferenz statt. Im Nachgang hierzu fasste die Antragstellerin mit Schreiben vom 9. April 2020 ihre rechtlichen Argumente zusammen.
7Am 20. Mai 2020 erging die Beschlussvorlage der Antragsgegnerin an den Prüfungsausschuss der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), der 19 Anlagen über den Verfahrensablauf beigefügt waren. In der 28. KJM-Sitzung vom 27. Mai 2020, die per Videokonferenz stattfand, wurde u. a. auch der Prüffall der Antragstellerin besprochen und vereinbart, dass eine Abstimmung über die Beschlussempfehlung im schriftlichen Verfahren erfolge (TOP 5.5). Mit E-Mail vom 28. Mai 2020 wurden den Mitgliedern der KJM die Faxblätter zur Abstimmung im schriftlichen Verfahren übersandt. Es wurde darauf hingewiesen, dass sich die Sitzungsunterlagen in Sharepoint befänden und der verfahrensrelevante Mitschnitt im SharePoint-Videobereich freigeschaltet sei. Die übersandten Faxblätter sahen ein Ankreuzen vor, ob der Beschlussempfehlung einschließlich der Begründung im schriftlichen Verfahren zugestimmt werde. Im Falle der Nichtzustimmung wurde eine Begründung erbeten. Alle Mitglieder der KJM stimmten der Beschlussempfehlung einschließlich der Begründung im schriftlichen Verfahren zu. Am 12. Juni 2020 teilte die KJM der Antragsgegnerin den Tenor der Beschlussfassung mit.
8Mit Bescheid vom 16. Juni 2020, zugestellt am 6. Juli 2020, stellte die Antragsgegnerin – nach vorheriger Anhörung – u. a. fest, dass die Antragstellerin gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV verstoße (Ziffer 1), sprach ihr gegenüber eine Beanstandung gemäß § 20 Abs. 1 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 3 RStV aus und untersagte „die Verbreitung des Angebots in dieser Form […] zukünftig“ (Ziffer 2). Die Antragstellerin erfülle ihre Verpflichtung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV, wenn sie die pornografischen Inhalte von ihrem Angebot entferne oder eine geschlossene Benutzergruppe einrichte, durch die sichergestellt werde, dass nur Erwachsene Zugang zu den pornografischen Inhalten erhielten.
9Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Klage (27 K 3904/20 VG Düsseldorf), über die noch nicht entschieden ist, mit Beschluss vom 30. November 2021 abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Es spreche Überwiegendes dafür, dass die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage, § 20 Abs. 1 und Abs. 4 JMStV vom 28. Februar 2003 (GV. NRW. S. 84), zuletzt geändert durch Art. 5 des Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 452) – im Folgenden JMStV a. F. – i. V. m. § 59 Abs. 3 RStV vom 21. November 1995 (GV. NRW. S. 1196) in der Fassung des Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 26. Oktober 2019 (GV. NRW. S. 134) – im Folgenden RStV a. F. – vorlägen. Der Anwendbarkeit der genannten Vorschriften stehe nicht der Umstand entgegen, dass die Antragstellerin ihren Sitz nicht im Bundesgebiet, sondern auf Zypern habe. Insbesondere sei das sog. Herkunftslandprinzip nicht als Kollisionsregel einzuordnen. Es spreche auch Überwiegendes dafür, dass der der Entscheidung der Antragsgegnerin zugrunde liegende Beschluss der KJM im Einklang mit den Vorschriften des JMStV a. F. gefasst worden sei. Insbesondere habe die KJM die in § 17 Abs. 1 Satz 3 JMStV a. F. normierte Begründungspflicht durch die erfolgte Bezugnahme auf die Begründung der Beschlussvorlage beachtet. Die Bestimmungen im JMStV a. F. zum hier durchgeführten Verfahren verstießen auch nicht gegen Verfassungsrecht. Es liege kein Verstoß gegen das Bundesstaats- und Demokratieprinzip vor. Die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung habe für das hier betroffene Rechtsgebiet des Rundfunk- und Telemedienrechts verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der KJM bislang nicht geäußert, so dass die Kammer jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine Veranlassung sehe, den von der Antragstellerin umfangreich aufgeworfenen Problemstellungen nachzugehen. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit Urteil vom 20. April 2021 - 6 C 6.20 - konkret mit Aufgaben und Organzuständigkeit der KJM auseinandergesetzt und diesbezüglich keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert. In seinem Urteil vom 15. Juli 2020 - 6 C 6.19 - habe das Bundesverwaltungsgericht zwar nicht unmittelbar zur KJM (vgl. § 35 Abs. 2 Nr. 4 RStV a. F.), aber zu der Kommission für Zulassung und Aufsicht - ZAK - festgestellt, dass die im Rundfunkstaatsvertrag vorgesehene materielle Entscheidungsbefugnis der ZAK für die Zulassung bundesweiter Programme keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliege. Auch in materieller Hinsicht dürften die in Rede stehenden Regelungen im angefochtenen Bescheid rechtmäßig sein. Es spreche Überwiegendes dafür, dass sie, soweit sie hier angegriffen worden seien, hinreichend bestimmt seien. Der Begründung des Bescheids lasse sich entnehmen, dass sich die Beanstandung nicht auf das gesamte Internetangebot unter der Domain de.mydirtyhobby.com, sondern nur auf die gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV a. F. (und § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV a. F.) verstoßenden Teile des Angebots beziehe. Zudem lägen auch die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage vor, da die Antragstellerin gegen das Verbot des § 4 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Satz 2 JMStV a. F. als Anbieterin von Telemedien verstoßen habe. Weder Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 12 Abs. 1 GG geböten die Aufstellung eines behördlichen Eingriffskonzepts für die zeitliche Reihenfolge des Einschreitens gegen Anbieter von Telemedienangeboten im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands, die pornografische Inhalte frei zugänglich anböten. Die in Rede stehende Maßnahme stehe ferner im Einklang mit völkerrechtlichen Grundsätzen. Das frei zugängliche Angebot pornografischer Inhalte im Internet durch Anbieter mit Sitz im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands dürfte eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip aus Art. 3 Abs. 2 TMG a. F. i. V. m. Art. 3 Abs. 2 E-Commerce-Richtlinie begründen. Der Jugendschutz in Gestalt von § 4 Abs. 2 JMStV a. F. stelle ein Schutzgut dar, das ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Dieses Schutzgut sei bei frei zugänglicher Pornografie im Internet ernsthaft und schwerwiegend gefährdet. Bei dieser Einschätzung dürfte es auch ohne Bedeutung sein, ob das in Rede stehende Angebot der Antragstellerin über ein sogenanntes RTA-Label verfüge, das von einer entsprechenden Jugendschutzsoftware ausgelesen werden könne. Die streitbefangenen Maßnahmen – die Beanstandung und die Untersagung der Verbreitung des Angebots in Deutschland, soweit es frei zugängliche Pornografie enthält – dürften im Sinne von § 3 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz TMG a. F. und der gleichlautenden Vorgabe in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a iii) E-Commerce-Richtlinie auch in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Schutzgut stehen, mithin auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verhältnismäßig sein. Schließlich dürfte die Antragsgegnerin die ihr obliegenden Konsultations- und Informationspflichten gemäß den Vorgaben des Art. 3 Abs. 4 Buchst. b Erster Spiegelstrich E-Commerce-Richtlinie erfüllt haben. Wenn ein Einschreiten rechtlich bereits nicht zulässig sei, weil sich das Verhalten in jenem Mitgliedstaat – wie vorliegend – als gesetzeskonform darstelle, dürften auch die Anforderungen an die Konsultation geringer ausfallen.
10Dagegen hat die Antragstellerin am 10. Dezember 2021 Beschwerde erhoben, die sie am 3. Januar 2022 sowie ergänzend mit Schriftsätzen vom 28. Juni 2022 und 3. August 2022 begründet hat. Sie macht insbesondere geltend, das Verwaltungsgericht setze sich mit der von ihr aufgeworfenen Frage, ob die Entscheidungsprozesse unter Einbindung der KJM verfassungswidrig seien, trotz ihres umfangreichen Vortrags im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, mit dem sie auch in Zweifel gezogen habe, dass die Bewertung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Verfassungsmäßigkeit der ZAK auf die KJM übertragen werden könne, nicht auseinander. Unabhängig davon genüge der am 27. Mai 2020 als Videokonferenz im schriftlichen Verfahren gefasste Beschluss der KJM nicht dem Begründungserfordernis des § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV a. F. Zudem sei der angefochtene Bescheid auch offensichtlich materiell rechtswidrig. Die in den Ziffern 1 und 2 Sätze 1 und 2 des Bescheids enthaltenen Regelungen entsprächen nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots. Es liege auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor, da es an einem systemgerechten Vorgehen der Antragsgegnerin fehle. Schließlich verstießen die Maßnahmen gegen das Herkunftslandprinzip; eine Ausnahme gemäß § 3 Abs. 5 TMG a. F. liege nicht vor. Es fehle an einer konkreten Gefährdung oder Beeinträchtigung der Schutzgüter im Sinne des § 3 Abs. 5 Satz 1 TMG a. F. Zudem sei die Maßnahme unverhältnismäßig und die Antragsgegnerin sei ihren in § 3 Abs. 5 Satz 2 TMG a. F. i. V. m. Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der E-Commerce-Richtlinie vorgesehenen Informations- und Konsultationspflichten mit Blick auf die zypriotischen Aufsichtsbehörden nicht nachgekommen.
11Die Antragstellerin beantragt,
12die aufschiebende Wirkung der Klage 27 K 3904/20 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Juni 2020 anzuordnen, soweit dort das Telemedienangebot der Antragstellerin de.n.com wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV beanstandet und die Verbreitung des Angebots in dieser Form zukünftig untersagt worden ist.
13Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen und beantragt,
14die Beschwerde zurückzuweisen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des Verwaltungsvorgangs ergänzend Bezug genommen.
16II.
17Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.
18A. Die zur Begründung der Beschwerde fristgemäß dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach Maßgabe von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist,
19zur Nichtberücksichtigung von nach Fristablauf erstmals geltend gemachten Beschwerdegründen vgl. Rudisile, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht VwGO, Werkstand: 42. EL Februar 2022, § 146 Rn. 13a, m. w. N.,
20rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.
21I. Das Beschwerdevorbringen zeigt keine Fehler auf, die zu einer formellen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids führen.
22Insbesondere dringt die Antragstellerin nicht mit ihrer Rüge durch, die Beschlussfassung der KJM verstoße gegen die Begründungsanforderungen des § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV.
23Der angefochtene Bescheid ist in der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 16. Juni 2020 gültigen Fassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags,
24zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt vgl. BVerwG, Urteile vom 20. April 2021 - 6 C 6.20 -, juris, Rn. 11, und vom 31. Mai 2017 - 6 C 10.15 -, juris, Rn. 12; Bay. VGH, Beschluss vom 26. November 2020 - 7 ZB 18.708 -, juris, Rn. 14; VG Cottbus, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 8 K 2831/17 -, juris, Rn. 34, m. w. N.,
25von der Antragsgegnerin als der gemäß § 14 Abs. 1, § 20 Abs. 1, 4 und 6 JMStV für die Aufsicht über die Antragstellerin zuständigen Landesmedienanstalt erlassen worden. Stellt die zuständige Landesmedienanstalt fest, dass ein Anbieter gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags verstoßen hat, trifft sie die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter, § 20 Abs. 1 JMStV. Für Anbieter von Telemedien trifft nach § 20 Abs. 4 JMStV die zuständige Landesmedienanstalt die jeweilige Entscheidung durch die KJM entsprechend § 59 Abs. 2 bis 4 des Rundfunkstaatsvertrags. Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV hat die KJM ihre Beschlüsse, die gegenüber den anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt bindend und deren Entscheidungen zu Grunde zu legen sind (§ 17 Abs. 1 Satz 5 und 6 JMStV), zu begründen (§ 17 Abs. 1 Satz 3 JMStV). In dieser Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen (Satz 4).
26Der Senat hat die Anforderungen an das Begründungserfordernis mit Urteil vom 17. Juli 2015 - 13 A 1215/12 - (juris, Rn. 38 ff.) wie folgt konkretisiert:
27„Bei der Auslegung dieser Vorschriften und zur Ermittlung der Anforderungen an das Begründungserfordernis nach § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV ist das nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag spezifisch ausgestaltete Verhältnis der Landesmedienanstalten und der KJM in den Blick zu nehmen. Danach ist bei der Aufsicht über Telemedien-Angebote die inhaltliche Entscheidung über die Vereinbarkeit von Telemedien-Angeboten mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und die bei Verstößen zu treffenden Maßnahmen allein der KJM – als Organ der Landesmedienanstalt – zugewiesen (vgl. §§ 14 Abs. 2 Satz 2, 16 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 4 JMStV). Die zuständige Landesmedienanstalt organisiert für die inhaltliche Entscheidung der KJM das Verfahren, ermittelt den Sachverhalt und setzt die Entscheidung der KJM, an die sie inhaltlich und nach der Begründung gebunden ist, nach außen gegenüber dem Anbieter um (§ 17 Abs. 1 Sätze 5 und 6 JMStV).
28Zudem sind die hinter dem Erfordernis der Begründung der KJM gemäß § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV stehenden Zwecke zu berücksichtigen. Das Begründungserfordernis dient zum einen objektiven Zwecken: Es soll die KJM dazu anhalten, den von ihr zu beurteilenden Sachverhalt sorgfältig zu ermitteln und diesen unter Berücksichtigung des Vorbringens des Anbieters in jugendschutzrechtlicher Hinsicht selbst sachverständig zu bewerten. Weiter dient die Begründung der Klarheit für die anderen Organe der zuständigen Landesmedienanstalt, weil diese an die Beschlüsse der KJM gebunden sind und sie einschließlich der Begründung ihrer Entscheidung zu Grunde zu legen haben. Zugleich dient die Begründung aber auch den Rechten der Anbieter von Telemedien. Das Begründungserfordernis für die KJM wurde ausdrücklich mit Blick auf die (Grund-) Rechte der Betroffenen, die eventuell gegen eine abschließende Entscheidung Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollen, in den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag aufgenommen. Der Betroffene bedarf der Begründung, da er ohne Kenntnis der Gründe, auf die die KJM ihre Entscheidung stützt, ein gerichtliches Verfahren nicht sinnvoll führen kann. Die Anbieter haben Anspruch darauf, dass die KJM ihren Beschluss nach ausreichender Kenntnisnahme des zu beurteilenden Angebotes unter Bekanntgabe ihrer wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen begründet. Fehlt eine solche Begründung, schlägt dies auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der zuständigen Landesmedienanstalt durch.
29Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013 - 7 B 12.2358 -, a. a. O., Rn. 29 ff.
30Unter Berücksichtigung der Bedingungen der Praxis der Medienaufsicht, des vielfach komplexen und umfangreichen Charakters dieser Prüfungsverfahren sowie der Gegebenheiten einer Gremienentscheidung wird einhellig für die Begründung des Beschlusses der KJM als ausreichend angesehen, wenn diese der von der zuständigen Landesmedienanstalt vorgelegten Beschlussvorlage einschließlich einer darin enthaltenen Begründung des vorgeschlagenen Beschlusses durch Bezugnahme zustimmt. Dann müssen eine solche Bezugnahme bzw. Verweisung und der Wille, sich die Begründung der Beschlussvorlage zu eigen zu machen, aus der Niederschrift über den Beschluss der KJM oder aus sonstigen Unterlagen klar und unmissverständlich hervorgehen.
31Vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014, a. a. O., Rn. 83 f.; Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013 - 7 B 12.2358 -, a. a. O., Rn. 26; VG Hannover, Urteil vom 8. Juli 2014 - 7 A 4679/12 ‑, juris Rn. 56.
32Zudem kann nur dann die Bezugnahme der KJM auf eine Beschlussvorlage der Landesmedienanstalt deren eigene Begründung ersetzen, wenn diese Beschlussvorlage überhaupt eine Begründung für den Beschlussvorschlag enthält und diese Begründung ihrerseits klar und unmissverständlich ist. An letzterem Erfordernis kann es dann fehlen, wenn die Beschlussvorlage wiederum auf andere Vorlagen der Landesmedienanstalt, die Prüfempfehlung der Prüfgruppe der KJM oder sonstige Schriftstücke Bezug nimmt. In diesem Fall besteht nämlich die Gefahr, dass nicht mehr hinreichend eindeutig ist, was die Begründung der Entscheidung der KJM sein soll. Deshalb geht eine verbreitete Auffassung davon aus, dass eine Begründung für einen Beschluss der KJM nicht ausreichend ist, wenn sich diese allein im Wege einer „Kettenverweisung“ ermitteln lässt.
33Vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014, a. a. O., Rn. 84; Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013 - 7 B 12.2358 -, a. a. O., Rn. 26; VG Berlin, Urteil vom 3. Mai 2012 - 27 A 341.06 -, juris Rn. 32 f. (fehlende Entscheidung in der Beschlussvorlage); differenzierend VG Hannover, Urteil vom 8. Juli 2014, a. a. O., juris Rn. 58.
34Unter Berücksichtigung der Zwecke einer Begründung des Beschlusses der KJM ist nach Auffassung des Senats eine Bezugnahme auf eine Beschlussvorlage im Grundsatz zulässig, wenn dadurch eine klare und unmissverständliche Begründung des Beschlusses zu Stande kommt. Eine Kettenverweisung wird diesen Maßstäben in der Regel nicht gerecht, weil mehrere Schritte erforderlich sind, um die in Bezug genommene „gemeinte Begründung“ zu ermitteln und hierbei die unmissverständliche Klarheit typischerweise fehlt. Die Bezugnahme muss dem Beschluss der KJM (Plenum oder Prüfausschuss) oder dem diesen enthaltenden Protokoll aber durch eindeutige Formulierungen zu entnehmen sein. Allein der Umstand, dass der Beschluss seinem Inhalt nach der in der Beschlussvorlage vorgeschlagenen Entscheidung entspricht, reicht nicht aus.
35Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben, die der Senat weiterhin zu Grunde legt, ist der im Anschluss an die 28. Sitzung der KJM von 27. Mai 2020 im schriftlichen Verfahren gefasste Beschluss in einer den Anforderungen des § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV genügenden Weise begründet. Die Mitglieder der KJM stimmten „der Beschlussfassung einschließlich der Begründung“ durch Ankreuzen der vorformulierten Erklärung im schriftlichen Verfahren zu.
36Zum schriftlichen Verfahren vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014 - OVG 11 B 10.12 -, juris, Rn. 77; Nds. OVG, Beschluss vom 20. Oktober 2008 - 10 LA 101/07 -, juris, Rn. 5 ff.
37Es ist nicht zweifelhaft, dass damit die Beschlussvorlage der Antragsgegnerin vom 20. Mai 2020 gemeint gewesen ist, auch wenn der die Zustimmung enthaltende Satz selbst weder ein Datum des Beschlussvorschlags nennt, noch die konkrete Landesmedienanstalt bezeichnet. Aus den jeweiligen Zustimmungsformularen ergibt sich der konkrete Prüffall durch Bezeichnung des Angebots, Nennung der Anbieter und eines Aktenzeichens sowie Angabe der Antragsgegnerin als zuständige Landesmedienanstalt.
38So auch im einem ähnlich gelagerten Fall VG Berlin, Urteil vom 21. Mai 2019 - 27 K 93.16 -, juris, Rn. 65, m. w. N.
39Zudem erfolgte die Zustimmung ausdrücklich im Nachgang zu der in Bezug genommenen KJM-Sitzung vom 27. Mai 2020.
40Genauso wenig hat der Senat Anlass daran zu zweifeln, dass die Beschlussvorlage den KJM-Mitgliedern vorab zur Kenntnis gebracht wurde. Im Gegenteil: Aus dem Protokoll zu der 28. KJM-Sitzung vom 27. Mai 2020 ergibt sich, dass alle KJM-Mitglieder durch Handzeichen bestätigt haben, dass die – vorab in Sharepoint eingestellten – verfahrensrelevanten Mitschnitte und Unterlagen zu dem Prüffall der Antragstellerin, wozu auch die am 20. Mai 2020 übersandte Beschlussvorlage gehörte (Bl. 109, Heft 1a der Beiakte), vollumfänglich gesichtet wurden.
41Die Antragstellerin dringt auch nicht mit ihrer Rüge durch, die KJM habe der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 16. Juni 2020 lediglich den Beschlussinhalt ohne dazugehörige Begründung mitgeteilt. Wenngleich sich der durch die Bereichsleiterin der KJM übersandten E-Mail nur der Beschlussinhalt entnehmen lässt, folgt aus den ebenfalls übersandten Voten der KJM-Mitglieder, dass diese der Beschlussvorlage der Antragsgegnerin auch hinsichtlich der Begründung gefolgt sind. Da die Beschlussvorlage der Antragsgegnerin vom 20. Mai 2020 eine vollständige Begründung enthielt, liegt – anders als in der vorstehend zitierten Entscheidung des Senats – auch keine unzulässige Kettenverweisung vor. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass der Beschlussvorlage 19 Anlagen zum Verfahrensablauf beigefügt waren, da deren Kenntnis lediglich vertiefender und umfassender Information der Mitglieder der KJM diente und sie nicht zu deren Entscheidungsfindung zwingend erforderlich waren. Vielmehr enthält die in Bezug genommene Begründung bereits alle wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe und erfüllt damit – auch ohne die beigefügten Anlagen – die Anforderungen von § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV.
42Zur Beifügung von Anlagen vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 1. September 2020 - 7 ZB 18.1183 -, juris, Rn. 19.
43II. Auch der Einwand, der Entscheidungsprozess unter Einbindung der KJM unterliege verfassungsrechtlichen Bedenken, greift bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht durch.
44Sofern die Antragstellerin sich mit ihrer Rüge, das Verwaltungsgericht setze sich trotz ihres umfangreichen Vortrags nicht mit der Frage eines Verstoßes gegen das Bundesstaats- und Demokratieprinzip auseinander, auf einen Gehörsverstoß berufen sollte, kann dahingestellt bleiben, ob der behauptete Verfahrensfehler gegeben ist. Denn eine Beschwerde im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht allein mit einer Verfahrensrüge erfolgreich geführt werden. § 146 Abs. 4 VwGO kennt – anders als die Vorschriften über die Berufung und die Revision – nämlich kein vorgeschaltetes Zulassungsverfahren (mehr), sondern ermöglicht in den von § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO gezogenen Grenzen eine umfassende, nicht von der erfolgreichen Rüge eines Verfahrensfehlers abhängige Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht als zweite Tatsacheninstanz. Nachdem das Zulassungserfordernis weggefallen und das Beschwerdeverfahren unbeschränkt eröffnet ist, kommt es mithin nur noch auf den Erfolg in der Sache selbst an.
45Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. Mai 2022 - 13 B 1003/21 -, juris, Rn. 6, und vom 10. September 2020 - 1 B 1716/19 -, juris, Rn. 10 f., m. w. N.; OVG LSA, Beschluss vom 15. Februar 2021 - 2 M 121/20 -, juris, Rn. 14.
46Maßgeblich ist vielmehr, ob die Antragstellerin die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es liege kein Verstoß gegen das Bundesstaats- (vgl. hierzu unter 1.) und das Demokratieprinzip (vgl. hierzu unter 2.) vor, durchgreifend in Zweifel zieht. Das ist nicht der Fall. Zudem liegt auch kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vor (vgl. hierzu unter 3.).
471. Die Verlagerung von Aufgaben und Zuständigkeiten auf die KJM durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag dürfte mit dem Bundesstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) vereinbar sein.
48a. Die Beteiligung der KJM berührt weder den Kern der Eigenstaatlichkeit der Länder noch läuft sie dem Grundsatz der Unabdingbarkeit von Verwaltungskompetenzen zuwider.
49Da den Ländern nach Art. 30 GG die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben – jedenfalls dem Grundsatz nach – zusteht, haben sie die Kompetenz zum Abschluss von Verträgen und zur Errichtung gemeinsamer Einrichtungen. Eine unzulässige Aufgabe oder Übertragung von Hoheitsrechten liegt im Verhältnis der Länder untereinander jedenfalls dann nicht vor, wenn in dem zugrunde liegenden Vertrag ausdrücklich vereinbart worden ist, dass dieser innerhalb bestimmter Fristen gekündigt werden kann, und wenn die Abweichung von der Regel der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung durch Gründe gerechtfertigt ist, die in der Aufgabenmaterie und ihren rechtlichen wie faktischen Anforderungen liegen.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2020 - 6 C 6.19 -, juris, Rn. 34, m. w. N.
51Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag vorgesehene Errichtung, organisatorische Ausgestaltung und Entscheidungszuständigkeit der KJM erfüllt.
52Nach § 26 Satz 2 JMStV kann der Staatsvertrag von jedem der vertragschließenden Länder zum Schluss des Kalenderjahres mit einer Frist von einem Jahr gekündigt werden.
53Die Regelung einer abschließenden Entscheidungsbefugnis der KJM in § 17 Abs. 1 Satz 4 JMStV hinsichtlich der von ihr gefassten Beschlüsse ist zudem auch durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Ziel der Errichtung der KJM ist es, die Zersplitterung der Aufsichtsstrukturen beim Jugendschutz und Schutz der Menschenwürde im Bereich der Aufsicht über länderübergreifende Angebote in elektronischen Medien zu überwinden. Zu diesem Zweck richten die Länder mit der KJM eine zentrale Aufsichtsstelle für den Jugendschutz und Schutz der Menschenwürde ein, die den Landesmedienanstalten nach § 14 Abs. 2 Satz 2 JMStV als Organ bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 14 Abs. 1 JMStV dient. Dabei zielt insbesondere die aus § 17 Abs. 1 Satz 4 JMStV folgende Bindung im Innenverhältnis der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt darauf, den mit der Errichtung der KJM erwünschten Erfolg standortunabhängiger Entscheidungsfindung verfahrensmäßig abzusichern.
54Vgl. Amtliche Begründung zum JMStV, S. 2, 25 u. 32, abrufbar unter
55https://www.kjm-online.de/fileadmin/user_upload/Rechtsgrundlagen/Gesetze_Staatsvertraege/JMStV_Genese/Amtliche_Begru__ndung_zum_JMStV.pdf.
56Durch die danach beabsichtigte Schaffung eines einheitlichen Jugendschutzstandards in allen Telemedien kommt der Staat seiner Pflicht zum Schutz der Kinder und Jugendlichen nach, indem eine Zersplitterung der Aufsichtsinstanzen verhindert und damit ein einheitlicher Schutzstandard in allen Bundesländern gewährleistet wird.
57Vgl. Ehrlichmann, Die Verfassungsmäßigkeit der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und ihrer Tätigkeit, 2007, S. 37 und 100 f.; Witt, Regulierte Selbstregulierung am Beispiel des JMStV, 2008, S. 176 und 194; siehe auch zur Filmbewertungsstelle Wiesbaden: BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1966 ‑ VII C 128.64 ‑, juris, Rn. 31, wonach eine unterschiedliche Behandlung der Filme in jedem einzelnen Land der Bundesrepublik nicht als sinnvoll hätte bezeichnet werden können.
58b. Die von der Antragstellerin angenommene „dritte Ebene der Gesamt- bzw. Mehrheit der Länder“ und ein damit verbundener Verstoß gegen den zweigliedrigen Bundesstaatsbegriff aus Art. 20 Abs. 1 GG liegt bereits deshalb nicht vor, weil die – rechtlich nicht verselbstständigte – KJM trotz ihrer Aufgabe einer länderübergreifenden einheitlichen Spruchpraxis im Jugendmedienschutz formal als ein Organ der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt dient.
59Vgl. Held/Schulz, in: Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Auflage 2018, § 14 JMStV, Rn. 38; Erdemir, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Auflage 2019, § 14 JMStV, Rn. 6; Ehrlichmann, Die Verfassungsmäßigkeit der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und ihrer Tätigkeit, 2007, S. 33; Witt, Regulierte Selbstregulierung am Beispiel des JMStV, 2008, S. 182; so auch für die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) Westphal, Föderale Privatrundfunkaufsicht im demokratischen Verfassungsstaat, Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Analyse der KEK, 2007, S. 602 ff.
60Auch wenn der Beschluss der KJM bindend ist und somit faktisch der Eindruck einer Entscheidung durch die KJM entstehen kann, wird die Entscheidung formell durch die zuständige Landesmedienanstalt, hier die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, vertreten durch ihren Direktor, getroffen (vgl. § 14 Abs. 1 JMStV). § 20 Abs. 4 JMStV bestimmt, dass die zuständige Landesmedienanstalt für Anbieter von Telemedien durch die KJM entsprechend § 59 Abs. 2 bis 4 des Rundfunkstaatsvertrags unter Beachtung der Regelungen zur Verantwortlichkeit nach den §§ 7 bis 10 TMG die jeweilige Entscheidung trifft. Soweit die Beschlüsse der KJM gegenüber den anderen Orangen der zuständigen Landesmedienanstalt bindend sind (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 5 JMStV), dient diese der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 JMStV formal als Organ bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Dass die Durchsetzung durch die zuständige Landesmedienanstalt erfolgt, zeigt zudem auch die Begründung zu § 20 Abs. 6 JMStV,
61vgl. Amtliche Begründung zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, S. 40,
62abrufbar unter
63https://www.kjm-online.de/fileadmin/user_upload/Rechtsgrundlagen/Gesetze_Staatsvertraege/JMStV_Genese/Amtliche_Begru__ndung_zum_JMStV.pdf,
64wonach nach außen die Landesmedienanstalten als Aufsicht auftreten. Welche der insgesamt 14 Landesmedienanstalten im Einzelfall zuständig ist, ergibt sich ebenfalls aus § 20 Abs. 6 JMStV, der auch den Fall vor Augen hat, dass – wie hier – mehrere Landesmedienanstalten zuständig sind oder der Anbieter seinen Sitz im Ausland hat.
65Zum Verhältnis von jeweils zuständiger Landesmedienanstalt und KJM vgl. VG Berlin, Urteile vom 13. März 2018 - 27 K 258.14 -, juris, Rn. 57 f., und vom 9. November 2011 - 27 A 64.07 -, juris, Rn. 53; Liesching, in:, Beck'scher Online-Kommentar JMStV, Stand: 15.12.2021, § 16, Rn. 1, m. w. N.; Erdemir, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Auflage 2019, § 20 JMStV, Rn. 4; Bornemann, in: Bornemann/Erdemir, JMStV, 2. Auflage 2021, § 14, Rn. 22; Erdemir, Die Kommission für Jugendmedienschutz, RDJB 2006, 285, 288 m. w. N.; Witt, Regulierte Selbstregulierung am Beispiel des JMStV, 2008, S. 182 f. m. w. N.; sowie zur ZAK BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2020 ‑ 6 C 25.19 -, juris, Rn. 22.
66Durch diese Regelungen, die ohnehin nur bei länderübergreifenden Angeboten zur Anwendung gelangen (vgl. § 13 JMStV), ist insbesondere auch zweifelsfrei klargestellt, dass die Aufgabenwahrnehmung im Außenverhältnis nicht der KJM, sondern der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt zugerechnet wird, und neben dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag das (Verfahrens- und Vollstreckungs-)Recht desjenigen Bundeslandes zur Anwendung kommt, in dem die Landesmedienanstalt ihren Sitz hat. Rechtsbehelfe sind daher ausschließlich gegen die zuständige Landesmedienanstalt und nicht etwa gegen die KJM zu richten.
67Vgl. auch Held/Schulz, in: Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht 4. Auflage 2018, § 14 JMStV, Rn. 22 ff.; Bornemann, in: Bornemann/Erdemir, JMStV, 2. Auflage 2021, § 14, Rn. 77; Witt, Regulierte Selbstregulierung am Beispiel des JMStV, 2008, S. 301; zum Verhältnis der ZAK zu den Landesmedienanstalten vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2020 - 6 C 6.19 -, juris, Rn. 40.
68Vor diesem Hintergrund bietet insbesondere auch die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Oktober 2015 - 8 B 1028/15 -, worin dieser festgestellt hat, dass die im Glücksspielstaatsvertrag erfolgte Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen an ein aus 16 Vertretern der Länder bestehendes Glücksspielkollegium mit dem Bundesstaatsprinzip nicht vereinbar sei (juris, Rn. 35 ff.), keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Die Antragstellerin setzt sich an dieser Stelle im Übrigen auch nicht in der gebotenen Weise mit den vielfach vertretenen Gegenansichten auseinander, auf die bereits das Verwaltungsgericht verwiesen hatte (Beschlussabdruck, S. 10).
69Vgl. nur Nds. OVG, Beschluss vom 8. Februar 2018 ‑ 11 ME 130/17 -, juris, Rn. 8; Hamb. OVG, Urteil vom 22. Juni 2017 - 4 Bf 160/14 -, juris, Rn. 150; Bay. VerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 - Vf. 9-VII-13 -, juris, Rn. 144 f., m. w. N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 21. Juni 2016 - 3 K 5661/14 -, juris, Rn. 141; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Mai 2016 - 19 K 3334/14 -, juris, Rn. 168; Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums nach § 9a GlüStV 2012, Gutachten 2015, S. 22 f.; Makswit, Auswirkungen des Föderalismus im Glücksspielrecht, 2015, S. 247.
70c. Dass der KJM gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 JMStV zwei Mitglieder angehören, die von der für den Jugendschutz zuständigen obersten Bundesbehörde entsandt werden, führt schließlich auch nicht zu einer verfassungswidrigen Mischverwaltung.
71Vgl. auch Liesching, in: Beck'scher Online-Kommentar JMStV, Stand: 15.12.2021, § 14, Rn. 9, m. w. N.; Ehrlichmann, Die Verfassungsmäßigkeit der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und ihrer Tätigkeit, 2007, S. 150 ff.
72Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine verwaltungsorganisatorische Erscheinungsform nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie als Mischverwaltung einzuordnen ist, sondern nur, wenn ihr zwingende Kompetenz- oder Organisationsnormen oder sonstige Vorschriften des Verfassungsrechts entgegenstehen. Es gibt keinen allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach Verwaltungsaufgaben ausschließlich vom Bund oder von den Ländern wahrzunehmen sind, sofern nicht ausdrückliche verfassungsrechtliche Regeln etwas anderes zulassen. Grundsätzlich gilt allerdings, dass der Verwaltungsträger, dem durch eine Kompetenznorm des Grundgesetzes Verwaltungsaufgaben zugewiesen worden sind, diese Aufgaben durch eigene Verwaltungseinrichtungen – mit eigenen personellen und sächlichen Mitteln – wahrnimmt. In diesem Sinn kann von einem „Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“ gesprochen werden. Für das Abgehen von dem „Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“ bedarf es eines besonderen sachlichen Grundes. Die Heranziehung an sich unzuständiger Verwaltungseinrichtungen kann nur hinsichtlich einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie in Betracht kommen.
73Vgl. zu der im Grundgesetz angelegten Unterscheidung zwischen Bundes- und Landesverwaltung BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1983 - 2 BvL 23/81 -, juris, Rn. 124 ff.
74Ausgehend davon liegt keine verfassungswidrige Mischverwaltung vor.
75Es fehlt bereits das eine Mischverwaltung kennzeichnende Element gemeinsamer Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben. Die KJM dient – wie bereits ausgeführt – der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt als Organ bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 14 Abs. 1 JMStV; sie ist mithin in die Verwaltungsstruktur des jeweiligen Bundeslandes eingegliedert. Die Entscheidungen der KJM werden rechtlich der zuständigen Landesmedienanstalt zugerechnet. Eine Doppelzuständigkeit wird daher schon nicht begründet.
76Vgl. auch Held/Schulz, in: Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Auflage 2018, § 14 JMStV, Rn. 10; Erdemir, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Auflage 2019, § 14 JMStV, Rn. 14, m. w. N.; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner/Cole/Wagner, Medienstaatsvertrag, JMStV, 86. AL 3/2021, § 14, Rn. 1 und 3 sowie § 20, Rn. 5 und 40.
77Überdies liegt auch ein besonderer sachlicher Grund für die Einbeziehung zweier Mitglieder von der für den Jugendschutz zuständigen obersten Bundesbehörde vor. Es bedarf zur Erreichung eines einheitlichen Jugendschutzes sowohl bei Rundfunk und Telemedien als auch bei „Offline“-Medien einer Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Während die Länder mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Online-Medien regeln, ist der Bund mit dem Jugendschutzgesetz für den Jugendschutz bei Trägermedien wie Büchern, CDs und DVDs zuständig. Aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebung für den Bereich der öffentlichen Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG), die auch den Jugendschutz erfasst,
78vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 -, juris, Rn. 116, und vom 4. Mai 1971 - 2 BvL 10/70 -, juris, Rn. 21,
79müssen beide Regelungen eng verwoben sein, sich ergänzen und durch ihr gesetzliches Zusammenwirken Schutz vor jugendbeeinträchtigenden und -gefährdenden Einflüssen in der Öffentlichkeit und in den Medien bieten.
80Zu der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern vgl. Liesching, in: Beck'scher Online-Kommentar JMStV, Stand: 15. Dezember 2021, § 1 JMStV, Rn. 1 f., m. w. N.; Schwartmann/Hentsch, in: Bornemann/Erdemir, JMStV, 2. Auflage 2021, § 1, Rn. 3; Frey/Dankert, Zu den Novellierungsplänen von Bund und Ländern für das Jugendschutzgesetz (JuSchG) und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), in: CR 2020, 626, Rn. 1; Ehrlichmann, Die Verfassungsmäßigkeit der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und ihrer Tätigkeit, 1. Aufl. 2007, S. 42 f. und 94.
81Hierzu soll die in § 14 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 JMStV vorgesehene Entsendung von zwei Mitgliedern durch die für den Jugendschutz zuständige oberste Bundesbehörde beitragen.
82Vgl. Held/Schulz, in: Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Auflage 2018, § 14 JMStV, Rn. 11.
832. Das von der Antragstellerin beanstandete Verfahren zum Vollzug gegen Anbieter von Telemedien dürfte mit dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) vereinbar sein. Die der KJM zugewiesenen weitreichenden Entscheidungsbefugnisse sind unter Berücksichtigung der Besonderheiten der (Tele-)Medienaufsicht zur Begrenzung des staatlichen Einflusses sachlich gerechtfertigt.
84Zu der (bejahten) Frage der Anwendbarkeit des Demokratieprinzips auf Maßnahmen der Landesmedienanstalten und der KEK vgl. Westphal, Föderale Privatrundfunkaufsicht im demokratischen Verfassungsstaat, Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Analyse der KEK, 2007, S. 500 ff.
85Der vom Demokratieprinzip geforderte Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor allem durch die Wahl des Parlaments, durch die von ihm beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt, durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung sowie durch die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung hergestellt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt.
86Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2020 - 6 C 25.19 -, juris, Rn. 34, m. w. N. aus der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts.
87a. Zwar ist die demokratische Legitimation der KJM nach diesen Grundsätzen nur schwach ausgeprägt. Dies betrifft mit Blick auf die Besetzung der KJM zum einen die personelle Legitimation. Gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 JMStV besteht die KJM aus zwölf Personen („Sachverständigen“). Hiervon werden nach Satz 2 der Vorschrift sechs Mitglieder aus dem Kreis der Direktoren der Landesmedienanstalten (Nr. 1), vier Mitglieder von den für den Jugendschutz zuständigen obersten Landesbehörden (Nr. 2) und zwei Mitglieder von der für den Jugendschutz zuständigen obersten Bundesbehörde (Nr. 3) entsandt. Während hinsichtlich der von den obersten Bundes-/Landesjugendschutzbehörden entsandten Mitglieder eine mittelbare personelle demokratische Legitimation besteht, ist dies hinsichtlich der von den Landesmedienanstalten entsandten Direktoren nur in den Bundesländern Baden-Württemberg, Saarland, Berlin und Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein sowie Sachsen der Fall, wo die Mitglieder der Entscheidungsgremien vom Landtag bzw. von der Bürgerschaft mit einer Mehrheit von zwei Dritteln gewählt werden. Demgegenüber fehlt es den Direktoren der Landesmedienanstalten in Bayern, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen an einer unmittelbaren personellen demokratischen Legitimation, da diese von Entscheidungsgremien gewählt werden, die überwiegend keine vom Volk gewählten Vertretungen sind.
88Vgl. hierzu ausführlich Ehrlichmann, Die Verfassungsmäßigkeit der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und ihrer Tätigkeit, 2007, S. 114 f. und 143 ff., m. w. N.; Dörr, Die Bestimmung des § 58 des Saarländischen Mediengesetzes (SMG) und die Vorgaben der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG), Kurzgutachten im Auftrag der Bundestagsfraktionen Bündnis 90/Die Grünen, abrufbar unter https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/medien/pdf/gutachten-direktorinnen-wahl-landesmedienanstalt.pdf; siehe auch die Auflistung auf S. 26 der Beschwerdebegründung vom 3. Januar 2022.
89Wegen der Weisungsfreiheit ihrer Mitglieder (§ 14 Abs. 7 Satz 1 JMStV), die eine Einflussnahme der Volksvertretungen – gegebenenfalls über die zuständigen Ressortminister – auf das Abstimmungsverhalten ausschließt, ist zum anderen auch die sachlich-inhaltliche Legitimation zurückgenommen.
90So auch für die ZAK BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2020 - 6 C 6.19 -, juris, Rn. 37.
91b. Die beschriebenen Lockerungen des parlamentarischen Verantwortungszusammenhangs dürften aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.
92Vgl. für die ZAK BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2020 ‑ 6 C 6.19, juris, Rn. 38, und für die KJM OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014 - OVG 11 B 10.12 -, juris, Rn. 65 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 7 CS 11.1070 -, juris, Rn. 19 ff., m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 20. Oktober 2008 - 10 LA 101/07 -, juris, Rn. 19 ff.; Bornemann/von Coelln/Hepach/Himmelsbach/Gundel, Bayerisches Mediengesetz, Art. 6, Rn. 227 ff.; Ehrlichmann, Die Verfassungsmäßigkeit der Kom-mission für Jugendmedienschutz (KJM) und ihrer Tätigkeit, 2007, S. 148 f.
93aa. Ungeachtet der Frage, ob Telemedien unter den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fallen,
94dafür Schulz, in: Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Auflage 2018, § 59 RStV, Rn. 9, m. w. N.; Kunisch, Verfassungswidrige Telemedienaufsicht durch Regierungsstellen - Aufsicht über Internetdienste im Schutzbereich der Rundfunkfreiheit, MMR 2011, 796, 798 m. w. N.; so – ohne diese Frage ausdrücklich entschieden zu haben – wohl auch Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2013 - 7 B 12.2358 -, juris, Rn. 29, m. w. N., und Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 7 CS 11.1070 -, juris, Rn. 21, m. w. N.; a. A. Langenfeld, Die Neuordnung des Jugendschutzes im Internet, MMR 2003, 303, 308; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG. 7. Auflage 2018, Art. 5, Rn. 252, m. w. N., was aber die Übertragung des Schutzes der Rundfunk- oder Pressefreiheit durch Analogie im Einzelfall nicht ausschließe,
95wird es jedenfalls ganz überwiegend für zulässig erachtet, den vom Bundesverfassungsgericht aus der Rundfunkfreiheit entwickelten Grundsatz der Staatsferne auch auf den Bereich der Aufsicht über die Telemedien zu erstrecken.
96Vgl. Erdemir, Die Kommission für Jugendmedienschutz, RDJB 2006, 285, 288, m. w. N.; Witt, Regulierte Selbstregulierung am Beispiel des JMStV, 2008, S. 210, m. w. N.; Ehrlichmann, Die Verfassungsmäßigkeit der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und ihrer Tätigkeit, 2007, S. 109 f.; Langenfeld, Die Neuordnung des Jugendschutzes im Internet, MMR 2003, 303, 308; siehe im Ergebnis auch Cornils, „Staatsferner“ Jugendmedienschutz als Verfassungsgebot: ein Missverständnis, DÖV 2022, 1, 10; a. A. Holznagel, Kein Staatsfernegebot für das NetzDG, in: CR 2022, 245, 246 f. m. w. N., wonach das Staatsfernegebot nur im Bereich der sog. positiven Rundfunkordnung gilt.
97Für die Begrenzung des staatlichen Einflusses im Bereich der Aufsicht von Telemediendiensten sprechen sachliche Gründe. Die Reglementierung jugendgefährdender Inhalte erfordert wertende Entscheidungen, die eine gewisse Gefahr einer politischen Instrumentalisierung zur Einflussnahme auf die freie Kommunikation bergen. Die Kontrolle der Einhaltung jugendschutzrechtlicher Standards im Internet ist immer auch Inhaltskontrolle.
98Vgl. Langenfeld, Die Neuordnung des Jugendschutzes im Internet, MMR 2003, 303, 308.
99Der KJM ist es aufgrund ihrer weitreichenden Zuständigkeiten möglich, zumindest mittelbar Einfluss auf die freie Kommunikation zu nehmen, weshalb eine Erstreckung der staatsfernen Aufsicht über den Rundfunk hinaus auf den vorliegend betroffenen Bereich der Telemedien als zulässig erscheint. Gemäß § 16 Satz 1 JMStV ist die KJM zuständig für die abschließende Beurteilung von Angeboten nach diesem Staatsvertrag. Insbesondere ist sie zuständig für die Überwachung der Bestimmungen des Staatsvertrags (§ 16 Satz 2 Nr. 1 JMStV), wobei sie gemäß § 20 Abs. 4 JMStV als zuständiges Organ der jeweils örtlich zuständigen Landesmedienanstalt für Anbieter von Telemedien entsprechend § 59 Abs. 2 bis 4 RStV die jeweilige Entscheidung und damit schwerwiegende Maßnahmen bis hin zur Untersagung und Sperrung von Angeboten trifft. Zudem ist sie gemäß § 16 Satz 2 Nr. 9 JMStV auch zuständig für die Entscheidung über Ordnungswidrigkeiten nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag.
100Anlass zu einer abweichenden Beurteilung bietet auch nicht das von der Antragstellerin zitierte rechtliche Kurzgutachten für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Prof. Dr. Eifert zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Aufsicht über die Einhaltung der strukturellen Vorsorgemaßnahmen durch die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz nach §§ 24a, 24b des Referentenentwurfs des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes,
101abrufbar unter
102https://fragdenstaat.de/anfrage/verfassungsrechtliches-gutachten-von-eifert-zum-juschgandg/553548/anhang/EifertKurzgutachtenAufsichtberangemesseneVorsorgemanahmen.pdf.
103Vielmehr heißt es darin (S. 11), dass Art. 5 Abs. 1 GG eine Ausgestaltung von Entscheidungsgremien und -verfahren legitimieren könne, die den Staatseinfluss begrenze, ohne dass dies verfassungsrechtlich geboten wäre. Soweit dafür aus demokratischer Sicht eine Plausibilität grundrechtlich relevanter Gefährdungspotentiale staatlicher Einflussnahme gefordert wird, liegt diese aus den vorstehend genannten Gründen vor.
104bb. Die Antragstellerin dringt auch nicht mit ihrer erstmals mit Schriftsatz vom 3. August 2022 – und damit ohnehin außerhalb der einmonatigen Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO – hilfsweise erhobenen Rüge durch, die KJM sei nicht pluralistisch besetzt, wenn die Anwendbarkeit des Gebots der Staatsferne unterstellt wird.
105Der Staatseinfluss im Bereich der Telemedienaufsicht soll durch die Errichtung verschiedener Gremien, u. a. der KJM, die nach Maßgabe der Staatsverträge die maßgebenden Entscheidungen zu treffen haben und deren Zusammensetzung und Aufgaben im Einzelnen festgelegt sind, begrenzt werden. Die Unabhängigkeit der KJM wird durch deren in § 14 Abs. 4 JMStV geregelte politik- und staatsferne Zusammensetzung gestärkt, indem von der Mitgliedschaft in der KJM Mitglieder und Bedienstete der Institutionen der Europäischen Union, der Verfassungsorgane des Bundes und der Länder, Gremienmitglieder und Bedienstete von Landesrundfunkanstalten der ARD, des ZDF, des Deutschlandradios, des Europäischen Fernsehkulturkanals „ARTE“ und der privaten Rundfunkveranstalter oder Anbieter von Telemedien sowie Bedienstete von an ihnen unmittelbar oder mittelbar im Sinne von § 28 RStV beteiligten Unternehmen ausgeschlossen sind. Die Mitglieder der KJM, deren Amtsdauer fünf Jahre beträgt (§ 14 Abs. 3 Satz 4 JMStV), sind zudem nicht an Weisungen gebunden (§ 14 Abs. 7 Satz 1 JMStV). Entscheidungen, die unter Verletzung dieser Aufgaben- und Zuständigkeitszuweisung getroffen werden, sind rechtswidrig.
106Vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014 - OVG 11 B 10.12 -, juris, Rn. 66; Bay. VGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 7 CS 11.1070 -, juris, Rn. 21, m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 20. Oktober 2008 - 10 LA 101/07 -, juris, Rn. 21; VG Leipzig, Urteil vom 26. Februar 2016 - 1 K 2051/14 -, juris, Rn. 33 ff.; VG Berlin, Urteil vom 9. November 2011 - 27 A 64.07 -, juris, Rn. 131; kritisch Ehrlichmann, Die Verfassungsmäßigkeit der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und ihrer Tätigkeit, 2007, S. 123.
107Demgegenüber bedarf es keiner strikten Umsetzung des Pluralismusgebots, um den staatlichen Einfluss zu begrenzen. Vielmehr genügt es, dass die Kontrolleinrichtung mit Vertretern besetzt ist, die für die Beurteilung des jugendgefährdenden Charakters von Medien besonders qualifiziert sind.
108Vgl. hierzu ausführlich Ehrlichmann, Die Verfassungsmäßigkeit der Kommission für Jugendschutz (KJM) und ihrer Tätigkeit, 2007, S. 136 ff. m. w. N.; sowie in Bezug auf die KEK Westphal, Föderale Privatrundfunkaufsicht im demokratischen Verfassungsstaat, Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Analyse der KEK, 2007, S. 468 ff., insbesondere S. 490 ff. m. w. N.
109Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beschwerde angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Zusammensetzung der ZDF-Aufsichtsgremien, wonach strenge Anforderungen an die plurale Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu stellen sind, da diesen innerhalb der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt weitreichende Befugnisse hinsichtlich der Programmgestaltung und die Geschäftsführung überwachende Aufgaben übertragen sind.
110Vgl. BVerfG, Urteil vom 25. März 2014 - 1 BvF 1/11, 1 BvF 4/11 -, juris, Rn. 51 ff.
111Die dort aufgestellten Grundsätze, insbesondere die „2/3-Regel“, wonach der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen darf, können auf die KJM nicht übertragen werden. Zwar hat die KJM – wie bereits ausgeführt – grundsätzlich gewisse Einflussnahmemöglichkeiten auf die Programmgestaltung privater Rundfunk- und Telemedienanbieter. Dieser ist jedoch nicht mit der Reichweite und dem Inhalt der Berichterstattung betreffenden Befugnisse der Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vergleichbar, zumal der nicht pluralistisch, sondern zur Gewährleistung einer effektiven Kontrolle gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 JMStV a. F. ausdrücklich mit „12 Sachverständigen“ zu besetzenden KJM kein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht,
112vgl. zu § 5 JMStV BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2017 ‑ 6 C 10.15 -, juris, Rn. 33 ff.; VG Berlin, Urteil vom 9. November 2011 - 27 A 64.07 -, juris, Rn. 63; Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht VwGO, Werkstand: 42. EL Februar 2022, § 114, Rn. 139, m. w. N.; Altenhain, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimedia-Recht, 58. EL März 2022, Teil 20 D., II. 4., Rn. 199,
113sondern ihren die Entscheidung tragenden Bewertungen nur die Bedeutung einer sachverständigen Aussage eingeräumt wird.
114Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 1. September 2020 ‑ 7 ZB 18.1183 -, juris, Rn. 27; OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014 - OVG 11 B 10.12 -, juris, Rn. 68; VG Leipzig, Urteil vom 26. Februar 2016 - 1 K 2051/14 -, juris, Rn. 35; a. A. Bornemann, in: Bornemann/Erdemir, JMStV, 2. Auflage 2021, § 14, Rn. 31, der fordert, dass oberste Bundes- und Landesbehörden keine eigenen Bediensteten entsenden dürfen.
115Zudem dient die im vorliegenden Zusammenhang erstrebte Begrenzung des Staatseinflusses im Kontext der auf den Jugendschutz begrenzten Aufgabe der KJM auch nicht der Sicherung der – anders als im Fall der ZDF-Aufsichtsgremien nicht in Rede stehenden – Vielfalt im Angebot der privaten Rundfunk- und der Telemedienanbieter, sondern, wie bereits ausgeführt, „nur“ der Verhinderung einer politischen Instrumentalisierung jugendschutzrechtlicher Entscheidungen.
116Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 1. September 2020 ‑ 7 ZB 18.1183 -, juris, Rn. 27; OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 13. November 2014 - OVG 11 B 10.12 -, juris, Rn. 68; VG Leipzig, Urteil vom 26. Februar 2016 - 1 K 2051/14 -, juris, Rn. 35.
117cc. Erscheint die abgeschwächte demokratische Legitimation der KJM nach alldem aufgrund der beabsichtigten Begrenzung des Staatseinflusses gerechtfertigt, lässt sich die Annahme des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, die im Glückspielstaatsvertrag erfolgte Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen an ein aus 16 Vertretern der Länder bestehendes Glücksspielkollegium sei mit dem Demokratieprinzip nicht vereinbar,
118vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 16. Oktober 2015 ‑ 8 B 1028/15 -, juris, Rn. 41 ff.,
119schon nicht auf die KJM übertragen.
120Vgl. auch Kirchhof, Die demokratische Legitimation der länderübergreifenden Kommissionen im Rundfunkrecht – dargestellt anhand der aktuellen Debatte über das Glücksspielkollegium, AfP 2016, 502, 505 f.
121dd. Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 (AVMD-Richtlinie), wonach jeder Mitgliedstaat eine oder mehrere nationale Regulierungsbehörden oder -stellen benennt und dafür sorgt, dass diese rechtlich von Regierungsstellen getrennt und funktionell unabhängig von ihren jeweiligen Regierungen und anderen öffentlichen oder privaten Einrichtungen sind,
122vgl. hierzu VG Köln, Beschluss vom 1. März 2022 ‑ 6 L 1277/21 -, juris, Rn. 105 ff.,
123vorliegend Anwendung findet und bejahendenfalls für den Bereich jugendschützender Aufsicht das Gebot der Staatsferne statuiert, kommt es daher nicht an.
124c. Soweit die Antragstellerin rügt, dass es an der erforderlichen Rechts- und Fachaufsicht über die KJM fehlt, lässt sie unberücksichtigt, dass die KJM nach § 14 Abs. 2 Satz 2 JMStV als Organ der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt handelt, die ihrerseits der Rechtsaufsicht unterliegt (vgl. § 117 Abs. 1 LMG NRW). Eine Fach- oder Zweckmäßigkeitsaufsicht würde demgegenüber der erstrebten Begrenzung staatlicher Einflüsse zuwiderlaufen.
125Vgl. Witt, Regulierte Selbstregulierung am Beispiel des JMStV, 2008, S. 192; Hesse, Die Organisation privaten Rundfunks in der Bundesrepublik, DÖV 1986, 177, 187.
1263. Schließlich bestehen auch im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der Zuständigkeits- und Verantwortungsklarheit vor. Wie bereits ausgeführt, ist zweifelsfrei klargestellt, dass die Aufgabenwahrnehmung im Außenverhältnis nicht der KJM, sondern der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt zugerechnet wird.
127Für die ZAK vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2020 ‑ 6 C 6.19 -, juris, Rn. 40.
128III. In materieller Hinsicht zieht die Antragstellerin die Beurteilung des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht durchgreifend in Zweifel.
1291. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Bescheid unter den Ziffern 1 und 2, soweit sie Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens sind, hinreichend bestimmt ist.
130Inhaltlich hinreichende Bestimmtheit im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW setzt voraus, dass für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Etwaige Unklarheiten sind unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots unschädlich, sofern sie sich im Wege der Auslegung des Verwaltungsakts beseitigen lassen. Dabei kommt es auf den objektiven Empfängerhorizont und mithin darauf an, wie der Betroffene nach den ihm bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen den Verwaltungsakt unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste.
131Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 2017 - 8 C 18.16 -, juris, Rn. 13 ff., vom 27. Juni 2012 - 9 C 7.11 -, juris, Rn. 11, und vom 3. Dezember 2003 - 6 C 20.02 -, juris, Rn. 17, sowie Beschluss vom 6. September 2008 - 7 B 10.08 -, juris, Rn. 24.
132Diesen Anforderungen genügt der streitgegenständliche Bescheid.
133a. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass nicht unklar ist, ob sich die ausgesprochene Beanstandung und Untersagung auf das gesamte Telemedienangebot der Antragstellerin oder nur auf die Teile beziehen, die aus Sicht der Antragsgegnerin gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag verstoßen. Dass sich sowohl die Beanstandung als auch die Untersagung auf den Inhalt des Angebots der Antragstellerin beziehen, der gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV verstößt, lässt sich bereits aus der Zusammenschau der Ziffern 1 und 2 erkennen. Dabei konkretisiert die Antragsgegnerin in der Begründung (vgl. S. 6 f. des Bescheids), worin die Verstöße gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m Satz 2 JMStV liegen. Damit einhergehend veranschaulicht sie, was mit „in dieser Form“ gemeint ist, indem sie auf verschiedene im Einzelnen – nur beispielhaft – benannte pornografische Inhalte eingeht und grundlegend feststellt, dass pornografische Inhalte in Telemedien nur zulässig seien, wenn von Seiten des Anbieters durch das Einrichten einer geschlossenen Benutzergruppe sichergestellt sei, dass die Inhalte nur Erwachsenen zugänglich gemacht würden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV). Danach wird für die Antragstellerin als sachkundiger Betreiberin der Website hinreichend deutlich, dass sich die Beanstandung und Untersagung auf – sämtliche – in ihrem Telemedienangebot enthaltenen pornografischen Inhalte bezieht.
134b. Vor diesem Hintergrund ist – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – auch nicht unklar, in welchem Umfang welche konkreten Inhalte die Antragsgegnerin hat beanstanden oder künftig untersagen wollen. Die in dem Bescheid genannten Beispiele dienen lediglich zum Beleg, dass auf der Seite der Antragstellerin pornografische Inhalte enthalten sind, die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV nur dann zulässig sind, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe). Dementsprechend folgt aus Ziffer 2 Satz 3 des Bescheids, dass die Antragstellerin ihre Verpflichtung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV erfüllt, wenn sie die, d. h. alle, pornografischen Inhalte von ihrem Angebot entfernt oder eine geschlossene Benutzergruppe einrichtet, durch die sichergestellt wird, dass nur Erwachsene Zugang zu den pornografischen Inhalten erhalten. Letzteres wird auf S. 9 des Bescheids dahingehend erläutert, dass der Anbieter (pornografischer Inhalte) seiner Pflicht dadurch entsprechen könne, dass er durch technische oder sonstige Mittel die Wahrnehmung des Angebots durch Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe unmöglich macht oder wesentlich erschwert oder das Angebot mit einer Alterskennzeichnung versieht, die von geeigneten Jugendschutzprogrammen nach § 11 Abs. 1 und 2 JMStV ausgelesen werden können. Mit Angebot sind dabei – aus den vorstehend genannten Gründen – sämtliche pornografischen Darstellungen gemeint. Es kann davon ausgegangen werden, dass sowohl die Antragstellerin als Betreiberin als auch die mit dem Vollzug der Untersagungsverfügung befassten Mitarbeiter über die erforderliche Sachkunde verfügen, um auf der Grundlage des Verfügungsausspruchs und des bei Erlass des Bescheids festgestellten Angebots der Antragstellerin erkennen zu können, inwieweit es sich bei den von der Antragstellerin zukünftig gezeigten Inhalten um pornografische handelt.
135c. Genauso wenig dringt die Antragstellerin mit ihrer weiteren Rüge durch, unklar sei, ab wann die in Ziffer 2 Satz 2 (vermeintlich) verfügte Untersagung greifen solle. Die Formulierung „Die Verbreitung des Angebots in dieser Form wird zukünftig untersagt“ konnte nicht dahingehend verstanden werden, dass eine Untersagung – in Zukunft – noch ergehen wird. Vielmehr war der Zusatz „zukünftig“ so zu verstehen – und wurde im Übrigen auch von der Antragstellerin selbst so verstanden –, dass die Antragsgegnerin die Verbreitung des Angebots in der beanstandeten Form für die Zukunft – d. h. ab Bescheidzustellung – untersagt hat. Für ein solches Verständnis spricht insbesondere auch, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach § 4 JMStV keine aufschiebende Wirkung haben (vgl. § 20 Abs. 5 Satz 3 JMStV).
1362. Mit ihrem Beschwerdevorbringen zeigt die Antragstellerin auch nicht auf, dass ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt. Die Rüge der Antragstellerin, es fehle an einem „systemgerechten“ Vorgehen der Antragsgegnerin, greift nicht durch.
137Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
138vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 8 C 18.16 -, juris, Rn. 23,
139zutreffend ausgeführt (Beschlussabdruck, S. 20 f.), dass das Einschreiten der Antragsgegnerin allein am Maßstab der Willkür zu messen sei. Dabei stelle sich das Einschreiten einer Behörde, die den Einsatz ihrer begrenzten Ressourcen nicht an einem Plan ausrichtet, nicht als willkürlich dar, wenn sie Anhaltspunkten für Gesetzesverstöße nachgeht und einschreitet, sobald sie im regulären Gang der Verwaltung die Überzeugung gewonnen hat, dass die Voraussetzungen für ein Einschreiten gegeben sind. Sie ist vor dem Gleichheitsgebot nicht gehalten, ein Handlungskonzept für die zeitliche Reihenfolge des Einschreitens gegen mehrere Störungen aufzustellen oder gar Störungen, für die ein Einschreiten in Betracht kommt, zu ermitteln, um dann gestuft nach der Schwere der Verstöße einzuschreiten.
140Nach dieser Maßgabe überspannt die Antragstellerin die Anforderungen an das Willkürverbot, wenn sie – ohne hinreichende Auseinandersetzung mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts – meint, das Einschreiten der Antragsgegnerin, die über kein Entschließungs-, sondern lediglich über ein Auswahlermessen hinsichtlich der „erforderlichen“ Maßnahme verfügt,
141vgl. VG Berlin, Urteil vom 21. Mai 2019 - 27 K 93.16 -, juris, Rn. 71, m. w. N.,
142erfordere ein „systemgerechtes“ Vorgehen, um willkürfrei zu sein. Das Willkürverbot ist vielmehr erst dann verletzt, wenn sich ein sachlicher Grund für ein staatliches Handeln nicht finden ließe.
143Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 8 C 18.16 -, juris, Rn. 20 f., 23; OVG NRW, Beschluss vom 30. März 2020 - 13 B 1696/19 -, juris, Rn. 53, m. w. N.
144Danach ist das Einschreiten der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin nicht willkürlich. Sie ist aufgrund des – von der Antragstellerin schon nicht in Abrede gestellten – Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV zum Einschreiten gegen die Antragstellerin gemäß § 20 Abs. 1 und 4 JMStV verpflichtet gewesen. Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass die Antragsgegnerin qualitative Gesichtspunkte – wie Art, Dauer und Häufigkeit von Verstößen gegen das JMStV – hätte berücksichtigen müssen, übersieht sie, dass das Willkürverbot nicht bereits verletzt ist, wenn nicht die zweckmäßigste oder gerechteste Regelung getroffen wird, sondern erst, wenn schlechterdings keine sachlichen Gründe erkennbar sind. Letzteres legt die Antragstellerin nicht dar. Insbesondere macht sie schon nicht geltend, dass das von der Antragsgegnerin herangezogene Kriterium der Reichweite sachwidrig ist. Zudem legt sie auch nicht in einer den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar, dass sie über eine geringere Reichweite verfügt, als die von ihr benannten konkurrierenden Angebote mit pornografischen Inhalten. Allein der Hinweis darauf, dass ihr Telemedienangebot in der Vergangenheit seitens der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert wurde, genügt hierfür nicht.
145Im Übrigen setzt sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auch nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander (Beschlussabdruck, S. 22 f.), wonach die Antragsgegnerin nicht nur gegen die Antragstellerin, sondern auch gegen andere, im Einzelnen benannte Angebote mit pornografischen Inhalten vorgegangen sei.
1463. Schließlich kann auch die Rüge der Antragstellerin, es liege ein Verstoß gegen das Herkunftslandprinzip vor, nicht zur Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts führen.
147Zwar wird gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 TMG in der Fassung vom 1. April 2015 (im Folgenden: TMG a. F.) der freie Dienstleistungsverkehr von Telemedien, die in der Bundesrepublik Deutschland von Dienstanbietern geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden, die in einem anderen Staat innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinien 2000/31/EG (E-Commerce-RL) und 89/552/EWG niedergelassen sind, nicht eingeschränkt. Allerdings bleibt § 3 Abs. 5 TMG a. F. nach § 3 Abs. 2 Satz 2 TMG a. F. unberührt. § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 TMG a. F. lässt eine einzelfallbezogene Durchbrechung des Herkunftslandprinzips zu, wenn die Maßnahmen dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere im Hinblick auf die Verhütung, Ermittlung, Aufklärung, Verfolgung und Vollstreckung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, einschließlich des Jugendschutzes und der Bekämpfung der Hetze aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität sowie von Verletzungen der Menschenwürde einzelner Personen sowie die Wahrung nationaler Sicherheits- und Verteidigungsinteressen, vor Beeinträchtigungen oder ernsthaften und schwerwiegenden Gefahren dient und die auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts in Betracht kommenden Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen stehen. Gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2 TMG a. F. sind für das Verfahren zur Einleitung von Maßnahmen nach Satz 1 – mit Ausnahme von gerichtlichen Verfahren einschließlich etwaiger Vorverfahren und der Verfolgung von Straftaten einschließlich der Strafvollstreckung und von Ordnungswidrigkeiten – die in Art. 3 Abs. 4 und 5 der E-Commerce-RL vorgesehenen Konsultations- und Informationspflichten zu berücksichtigen.
148Die Beschwerde zieht die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass diese Voraussetzungen für eine einzelfallbezogene Ausnahme vom Herkunftslandprinzip vorliegen, nicht durchgreifend in Zweifel.
149a. Die Beschwerde legt nicht hinreichend dar, dass die streitgegenständliche Maßnahme nicht dem Schutz des – von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellten – Schutzziels „Jugendschutz“ vor Beeinträchtigungen oder ernsthaften und schwerwiegenden Gefahren dient.
150Das Verwaltungsgericht hat zwar offengelassen (Beschlussabdruck, S. 28), ob und gegebenenfalls wie der Gefahrbegriff in Art. 3 Abs. 4 a ii ECRL bzw. § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 TMG a. F. allgemeingültig zu definieren ist. Es hat aber festgestellt, dass der Gerichtshof der Europäischen Union seine Prüfung einer Einzelfallausnahme zum Herkunftslandprinzip nach der Zielsetzung der Maßnahme, ihrer Eignung zur Zielerreichung sowie der Frage ausrichte, ob sie über das hinausgehe, was zur Zielerreichung erforderlich sei. Im Weiteren hat es unter Bezugnahme auf verschiedene im Einzelnen benannte Studien angenommen, dass der Konsum pornografischer Inhalte durch Kinder und Jugendliche jedenfalls eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr im Sinne des § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 TMF a. F. darstelle. Auf dieser Grundlage hat das Verwaltungsgericht dargelegt, dass Kinder und Jugendliche fast ausnahmslos Zugang zum Internet haben und in diesem Rahmen in erheblichem Umfang unzulässige Pornografie konsumieren. Ausgehend von der näher dargestellten Datengrundlage hat es weiter keinen Anlass gesehen, die Einschätzung der Antragsgegnerin zu beanstanden, wonach es hinreichend wahrscheinlich sei, dass zumindest diejenigen Kinder und Jugendlichen, die gezielt Pornografie konsumierten, jedenfalls auch das Angebot der Antragstellerin – das diese selbst als soziales Netzwerk für Erwachsene mit der weltweit größten Amateurcommunity mit gut einer halben Millionen Videos und knapp fünf Millionen Bildern bezeichne – in Anspruch nähmen. Schließlich hat es angenommen, der Einschätzung einer ernsthaften und schwerwiegenden Gefahr dürfte auch nicht entgegenstehen, dass wissenschaftlich teilweise umstritten sei, welcher tatsächliche Schaden für Kinder und Jugendliche infolge des Konsums unzulässiger Pornografie entstehen könne. In Bezug auf Gesundheitsgefahren, die gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 TMG a. F. ebenfalls Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip begründen könnten, betone der EuGH u. a. im Kontext mit Gefahren für die sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung regelmäßig, dass ein Mitgliedstaat, wenn eine Ungewissheit hinsichtlich des Vorliegens oder der Bedeutung der Gefahren für die menschliche Gesundheit bleibe, Schutzmaßnahmen treffen könne, ohne warten zu müssen, bis der Beweis für das tatsächliche Bestehen dieser Gefahren vollständig erbracht sei. Demnach müsse weder der deutsche Gesetzgeber noch die Antragsgegnerin warten, bis nachweislich in erheblichem Umfang Schädigungen bei jungen Erwachsenen auf den Konsum unzulässiger Pornografie in ihrer Kindheit und Jugend wissenschaftlich zurückgeführt werden könnten. Zusammengefasst geht das Verwaltungsgericht also davon aus, dass die Gefahr für das mit hohem Stellenwert ausgestattete Schutzgut des Jugendschutzes mithin in der zu erwartenden Kenntnisnahme unzulässiger Pornografie durch Kinder und Jugendliche in unüberschaubarer Vielzahl (und der damit verbundenen möglichen Schäden für Kinder und Jugendliche und deren Entwicklung) besteht.
151Mit dieser tragenden Erwägung und den ausführlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts dazu setzt sich die Antragstellerin nicht in der nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen Weise auseinander. Der bloße Hinweis, das Verwaltungsgericht habe eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr nicht definiert, lässt die nötige inhaltliche Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung vermissen.
152Vgl. hierzu Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 146, Rn. 76.
153Diese fehlt ebenfalls, soweit die Antragstellerin behauptet, auch die vom Verwaltungsgericht angeführten Studien und Daten könnten keine konkrete, sondern allenfalls eine abstrakte und damit keine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr begründen. Insbesondere legt die Antragstellerin ihrerseits nicht dar, dass der Konsum pornografischer Inhalte keine konkrete Gefahr für Kinder und Jugendliche darstellt. Insoweit setzt sich die Antragstellerin weder mit den vom Verwaltungsgericht angeführten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union auseinander, noch legt sie selbst Studien oder sonstige Erkenntnisse vor, aus denen sich ergibt, dass eine Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch den Konsum pornografischer Inhalte vernünftigerweise ausgeschlossen werden kann. Dies folgt insbesondere nicht aus dem Zitat des Professors für Psychologie und Sexualwissenschaft Weller aus der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.
154Abrufbar unter
155https://www.waz.de/politik/landespolitik/nrws-langerkampf-gegen-sexfilm-portale-wie-youporn-oder-xhamster-id231176316.html.
156Vielmehr gibt dieser darin an, dass eine Studie aus Münster 2017 zu dem Schluss gekommen sei, dass ein Drittel der befragten 14- bis 15-Jährigen bereits online einen Hardcore-Porno gesehen habe. Zu den Folgen des Konsums pornografischer Inhalte verhält er sich im Weiteren nicht. Genauso wenig legt die Antragstellerin Nachweise oder Ähnliches für ihre durch nichts weiter substantiierte Behauptung vor, dass Jugendliche ihre Website nicht oder kaum konsumieren würden. Auch an dieser Stelle ist allein der Hinweis darauf, dass ihr Angebot seitens der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert wurde, unzureichend.
157b. Anders als die Antragstellerin meint, stehen die angegriffenen Maßnahmen auch in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel des Jugendschutzes.
158Nach der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union decken sich die Voraussetzungen der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gemäß des durch § 3 Abs. 5 TMG a. F. umgesetzten Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der E-Commerce-RL weitgehend mit denen, die für jede Beschränkung der durch die Art. 34 und 56 AEUV garantierten Grundfreiheiten gelten. Deshalb ist bei der Beurteilung der Unionsrechtmäßigkeit der in Rede stehenden innerstaatlichen Regelung die zu diesen Vorschriften des AEU-Vertrags ergangene Rechtsprechung zu berücksichtigen.
159Vgl. EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - C-649/18 -, juris, Rn. 64.
160Danach muss die in Rede stehende Beschränkung der durch Art. 56 AUEV garantierten Dienstleistungsfreiheit geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten (vgl. hierzu unter aa.), und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. unter bb.). Ferner müssen die auferlegten Belastungen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (vgl. unter cc.).
161Vgl. EuGH, Urteile vom 3. Februar 2021 - C-555/19 -, juris, Rn. 107, vom 28. Januar 2016 - C-375/14 -, juris, Rn. 37, und vom 8. September 2009 - C-42/07 -, juris, Rn. 60, sowie allgemein zur Verhältnismäßigkeitsprüfung EuGH, Urteil vom 11. Juli 1989 ‑ 265/87 -, juris, Rn. 21; Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 56, Rn. 109.
162aa. Die gegenüber der Antragstellerin ausgesprochene Beanstandung und Untersagung der Verbreitung pornografischer Inhalte ohne die Einrichtung einer geschlossenen Benutzergruppe i. S. d. § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV stellt ein geeignetes Mittel zur Erreichung des Schutzziels des Jugendschutzes dar.
163Die Eignung liegt nur dann vor, wenn durch die Maßnahme das geltend gemachte zwingende Allgemeininteresse in kohärenter und systematischer Weise erreicht wird.
164Vgl. EuGH, Urteile vom 10. März 2009 - C-169/07 -, juris, Rn. 55, und vom 30. Juni 2011 - C-212/08 -, juris, Rn. 57; Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 56 AEUV, Rn. 110 m. w. N.; zum nationalen Recht vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 -, juris, Rn. 41.
165Das ist hier der Fall. Die von der Antragsgegnerin geforderte Einrichtung einer geschlossenen Benutzergruppe, durch die die Antragstellerin anders als bislang sicherstellt, das nur Erwachsene Zugang zu den pornografischen Inhalten erhalten, ist geeignet, das gesetzgeberische Ziel zu erreichen, einen Zugriff von Kindern und Jugendlichen auf pornografische Inhalte zu verhindern oder zumindest zu verringern.
166Vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - I ZR 102/05 -, juris, Rn. 31.
167Die Antragstellerin dringt nicht mit ihrem Vortrag durch, im Internet seien zahlreiche pornografische Angebote zugänglich, die über keinerlei Jugendschutzmaßnahmen verfügten und daher die Entwicklung oder Erziehung von Kindern und Jugendlichen stärker beeinträchtigen oder gefährden würden. Allein die Existenz weiterer Sachverhalte, die ein behördliches Einschreiten erfordern, kann einer Maßnahme nicht die Eignung absprechen. Eine Untersagungsverfügung kann trotz des grenzüberschreitenden Charakters des Internets und des hierdurch eintretenden möglichen Vollzugsdefizits geeignet sein, die mit dieser Maßnahme verfolgten Ziele zu erreichen.
168Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 4. Januar 2012 - 4 K 262/11 -, juris, Rn. 78, unter Verweis auf die Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts zum Glücksspielrecht: BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 8 C 5.10 -, juris, Rn. 35.
169Soweit die Antragstellerin – außerhalb der einmonatigen Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO – vorträgt, eine Untersagung ihr gegenüber würde zu einer Verdrängung der Nutzer in Richtung der zahlreichen anderen pornografischen Internetangebote führen, die überhaupt keine Mechanismen für den Jugendschutz vorsähen, legt sie – auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass ihr Angebot seitens der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert wurde – schon nicht dar, dass das Jugendschutzziel hierdurch nicht mehr in kohärenter und systematischer Weise erreicht wird. Da Kinder und Jugendliche gleichwohl noch auf ihr Videoportal – auch außerhalb von Suchmaschinen – zugreifen können, ist jedenfalls weiterhin nicht ausgeschlossen, dass durch die Einrichtung einer geschlossenen Benutzergruppe dieser Zugriff verringert werden kann.
170Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2009 ‑ 1 BvR 1231/04 -, juris, Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B 2567/02 -, juris, Rn. 70; Bay. VGH, Beschluss vom 26. November 2020 - 7 ZB 18.708 -, juris, Rn. 23; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 14 K 4086/07 -, juris, Rn. 76; vgl. zudem auch EuGH, Urteil vom 10. Juli 1980 - C-152/78-, juris, Rn. 17, der es ausreichen lässt, dass eine Regelung dem Gesundheitsschutz – zumindest – in gewissem Umfang dient.
171bb. Zudem sind die angegriffenen Maßnahmen auch erforderlich.
172Eine Maßnahme darf nicht über das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche hinausgehen; das gleiche Ergebnis darf mit anderen Worten nicht durch weniger einschneidende Regelungen erreichbar sein.
173Vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 1991 - C-288/89 -, juris, Rn. 15, m. w. N.; Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 56, AEUV Rn. 111; zum nationalen Recht vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 -, juris, Rn. 44, m w. N.
174Ein milderes, gleich wirksames Mittel, um den Jugendschutz zu gewährleisten, steht nicht zur Verfügung. Die gegenüber der Antragstellerin ausgesprochene Beanstandung, durch die die Antragsgegnerin den Verstoß der Antragstellerin gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV förmlich festgestellt und missbilligt hat,
175vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2014 ‑ 6 B 3.14 -, juris, Rn. 20; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2015 - 13 A 1215/17 -, juris, Rn. 32 m. w. N.,
176stellt bereits das mildeste förmliche Mittel der behördlichen Medienaufsicht dar.
177Vgl. VG Berlin, Urteil vom 21. Mai 2019 ‑ 27 K 93.16 -, juris, Rn. 113; VG Würzburg, Urteil vom 23. Februar 2017 - W 3 K 16.1292 -, juris, Rn. 125, m. w. N.; VG Hamburg, Urteil vom 4. Januar 2012 ‑ 4 K 262/11 -, juris, Rn. 76; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 14 K 4086/07 -, juris, Rn. 74.
178Die Antragsgegnerin musste es auch nicht bei einer Beanstandung belassen, sondern konnte diese mit der Untersagung der Verbreitung des Angebots in der beanstandeten Form verbinden, um weitergehende Verstöße der Antragstellerin gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag möglichst wirksam zu unterbinden. Indem die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Möglichkeit eröffnet hat, ihrer Verpflichtung zur Einhaltung der Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags auch dadurch nachzukommen, dass sie die Inhalte nur einer geschlossenen Benutzergruppe zugänglich macht, weist sie zudem auf eine gegenüber der Untersagung weniger einschneidende Möglichkeit hin.
179Vgl. auch VG Cottbus, Urteil vom 15. Oktober 2020 ‑ 8 K 2831/17 -, juris, Rn. 57.
180Insbesondere hätte das Ziel Jugendschutz nicht gleich wirksam erreicht werden können durch ein Abwarten bis zur (ungewissen) Umsetzung einheitlicher Jugendschutzvorschriften in Zypern. Der Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV hätte bis dahin weiterhin fortgedauert.
181Soweit die Antragstellerin rügt, dass das von ihr verwendete RTA-Label ein milderes Mittel gegenüber einem Altersverifikationssystem darstelle, legt sie schon nicht dar, dass es gleichermaßen zum Jugendschutz geeignet ist wie die Einrichtung einer geschlossenen Benutzergruppe. Dies ist aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen gerade nicht der Fall.
182Andere mildere, aber gleich geeignete Maßnahmen legt die Antragstellerin schon nicht in der gebotenen Weise dar. Diese sind auch sonst nicht erkennbar. Insbesondere würde durch die – wohl ohnehin eingriffsintensivere – Verpflichtung der Antragstellerin, pornografische Inhalte generell nur zu einer bestimmten Uhrzeit anzubieten, keine geschlossene Benutzergruppe eingerichtet.
183Die Antragstellerin dringt schließlich auch nicht mit ihrer – erneut außerhalb der Begründungsfrist angebrachten und damit nicht mehr zu berücksichtigenden – Rüge durch, ein Austausch zwischen den Beteiligten zur Erzielung einer konsensualen Lösung stelle eine mildere Maßnahme dar. Unabhängig davon, ob dies rechtlich geboten war, hat zwischen den Beteiligten am 26. März 2020 per Videokonferenz ein solcher Austausch stattgefunden, ohne dass eine einvernehmliche Lösung gefunden werden konnte. Vielmehr teilte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 9. April 2020 ihre abweichenden rechtlichen Ansichten mit. Im Übrigen lässt die Antragstellerin, soweit sie auf die seitens der Antragsgegnerin mit ihrem Konkurrenten y. geführten Gespräche abstellt,
184vgl. https://www.berliner-zeitung.de/news/pornos-so-will-xhamster-den-jugendschutz-verbessern-li.250381,
185unerwähnt, dass – wie sich auch aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ergibt (Beschlussabdruck, S. 23) – gegen diesen ebenfalls eine Beanstandungs- und Untersagungsverfügung wegen des Anbietens pornografische Telemedieninhalte ergangen war.
186cc. Schließlich stehen die Maßnahmen auch in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen.
187Vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 11. Juli 1989 - 265/87 -, juris, Rn. 21.
188Dies erfordert eine Abwägung zwischen dem Schweregrad der Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit und dem Grad und der Gewichtigkeit des Zielgewinns unter Einbeziehung sämtlicher relevanter Gesichtspunkte.
189Vgl. Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV 3. Auflage 2018, Art. 56, AEUV, Rn. 115, m. w. N.; zum nationalen Recht vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Oktober 1990 - 1 BvR 283/85 -, juris, Rn. 74 m. w. N.
190Offen bleiben kann, ob sich dies – wie vom Verwaltungsgericht angenommen (Beschlussabdruck, S. 33 ff.) – bereits aus der im entscheidungserheblichen Zeitpunkt noch nicht umgesetzten AVMD-Richtlinie 2018 ergibt.
191Zur Anwendungsabgrenzung vgl. Liesching, Das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie und seine Auswirkung auf die aktuelle Mediengesetzgebung in Deutschland, 2020, S. 28, abrufbar unter
192https://library.oapen.org/bitstream/id/375c872a-962d-44ae-a946-a47d71d12d85/CG_978-3-941159-47-1.pdf.
193Denn auch ohne Berücksichtigung der Regelungen und Erwägungen der AVMD-Richtlinie 2018 steht die Beschränkung der Antragstellerin in ihrer Berufsfreiheit sowie ihrer Dienstleistungsfreiheit nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel des Jugendschutzes.
194Der Schutz der Rechte des Kindes ist durch verschiedene internationale Verträge anerkannt, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind, so durch den am 19. Dezember 1966 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommenen und am 23. März 1976 in Kraft getretenen Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und durch das am 20. November 1989 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommene und am 2. September 1990 in Kraft getretene Übereinkommen über die Rechte des Kindes.
195Vgl. EuGH, Urteile vom 14. Februar 2008 - C-244/06 -, juris, Rn. 39, und vom 27. Juni 2006 - C-540/03 -, juris, Rn. 37.
196Der Schutz des Kindes wird auch durch im Rahmen der Europäischen Union ausgearbeitete Rechtstexte gewährleistet, so durch die am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierte Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1), nach deren Art. 24 Abs. 1 Kinder Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge haben, die für ihr Wohlergehen notwendig sind.
197Vgl. EuGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - C-244/06 -, juris, Rn. 41; zum Verfassungsrang des Kinder- und Jugendschutzes vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 -, juris, Rn. 33; BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1998 - 1 B 5.98 -, juris, Rn. 5.
198Im Hinblick auf den hohen Stellenwert des Jugendschutzes müssen die Beeinträchtigungen der Antragstellerin in ihrer durch Art. 56 f. AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit zurücktreten. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin die Verbreitung des beanstandeten Angebots nicht vollständig untersagt, sondern dessen Verbreitung nur von der Einrichtung einer geschlossenen Benutzergruppe abhängig gemacht hat. Etwaige finanzielle Einbußen, die aus der Beschränkung der Benutzergruppe bzw. dem Vorsehen einer technischen Alterskennzeichnung folgen könnten, hier jedoch in keiner Weise dargelegt wurden, sind angesichts der herausragenden Bedeutung des Jugendschutzes hinzunehmen.
199So auch VG Cottbus, Urteil vom 15. Oktober 2020 ‑ 8 K 2831/17 -, juris, Rn. 58; VG Hamburg, Urteil vom 4. Januar 2012 - 4 K 262/11 -, juris, Rn. 80; VG Minden, Urteil vom 18. August 2010 - 7 K 721/10 -, juris, Rn. 39.
200Die Antragstellerin dringt schließlich auch nicht mit ihrem Vortrag durch, dass in anderen Mitgliedstaaten weniger strenge Vorgaben an die Einrichtung einer geschlossenen Benutzergruppe gestellt werden. Denn allein der Umstand, dass sich ein Mitgliedstaat für andere Schutzmodalitäten als ein anderer Mitgliedstaat entschieden hat, kann keinen Einfluss auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der in diesem Bereich erlassenen nationalen Bestimmungen haben. Vielmehr kommt den Mitgliedstaaten – nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts – ein Wertungsspielraum zu, auf welchem Niveau sie den Jugendschutz gewährleisten wollen.
201Für den Bereich des Gesundheitsschutzes vgl. EuGH, Urteile vom 1. Oktober 2020 - C-649/18 -, juris, Rn. 71, und vom 18. September 2019 - C-222/18 -, juris, Rn. 71; zum Prüfverfahren zum Schutz des Kindes vor Informationen und Material vgl. zudem EuGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - C-244/06 -, juris, Rn. 49.
202Dass dieser vorliegend überschritten wurde, legt die Antragstellerin weder dar, noch ist dies mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen sonst erkennbar.
203c. Das Beschwerdevorbringen vermag auch nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts zu erschüttern, die Antragsgegnerin habe die ihr nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b E-Commerce-RL (i. V. m. § 3 Abs. 5 Satz 2 TMG a. F.) obliegenden Konsultations- und Informationspflichten erfüllt. Danach hat der Mitgliedstaat, der Maßnahmen im Anwendungsbereich der Richtlinie ergreifen möchte, zuvor
204- den Mitgliedstaat, in dem der Anbieter niedergelassen ist, aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, und
205- dieser hat dem nicht Folge geleistet oder die von ihm getroffenen Maßnahmen sind unzulänglich;
206- die Kommission und den Mitgliedstaat, in dem der Anbieter niedergelassen ist, über seine Absicht, derartige Maßnahmen zu ergreifen, unterrichtet.
207Die erste Voraussetzung bedeutet, dass der Mitgliedstaat, in dem der Anbieter niedergelassen ist, zuvor über die Schwierigkeiten unterrichtet worden sein und die Möglichkeit gehabt haben muss, selbst eine Lösung zu finden. Die zweite Voraussetzung besagt, dass die getroffenen Maßnahmen nach Auffassung des Bestimmungsmitgliedstaats unzureichend sein müssen. Gemäß der dritten Voraussetzung ist sowohl die Kommission als auch der Herkunftsmitgliedstaat vor dem Ergreifen von Maßnahmen zu informieren. So kann die Kommission ihre Aufgaben nach Absatz 6 ausüben. In der Richtlinie ist keine Frist vorgesehen, innerhalb derer der Staat des Anbieters auf die Unterrichtung durch den Bestimmungsmitgliedstaat des Anbieters reagieren muss. Doch haben die Mitgliedstaaten dem Amtshilfe- und Auskunftsbegehren anderer Mitgliedstaaten oder der Kommission nach Artikel 19 Abs. 3 der Richtlinie „so rasch wie möglich“ nachzukommen.
208Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und die Europäische Zentralbank, Anwendung von Art. 3 Abs. 4 - 6 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr auf Finanzdienstleistungen, KOM(2003) 259 endg. vom 14. Mai 2003, S. 7,
209abrufbar unter
210https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2003:0259:FIN:DE:PDF.
211Die Unterrichtungspflicht dient dazu, einen Eingriff eines Mitgliedstaats in die grundsätzliche Zuständigkeit des Mitgliedstaats des Sitzes des betreffenden Anbieters des Dienstes der Informationsgesellschaft zu verhindern.
212Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 - C-390/18 -, juris, Rn. 95.
213Ein Verstoß eines Mitgliedstaats gegen seine in Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der E-Commerce-RL vorgesehene Pflicht zur Unterrichtung über eine Maßnahme, die den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft beschränkt, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Anbieter erbracht werden, führt daher dazu, dass diese Maßnahme dem Einzelnen nicht entgegengehalten werden kann.
214Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 ‑ C-390/18 -, juris, Rn. 96.
215Ausgehend von diesen Maßstäben, die auch das Verwaltungsgericht zu Grunde gelegt hat (Beschlussabdruck, S. 36 f.), zeigt die Antragstellerin nicht auf, dass die Antragsgegnerin ihren Konsultations- und Informationspflichten nicht nachgekommen ist. Zwar hat die Antragsgegnerin die zypriotischen Behörden nicht ausdrücklich dazu aufgefordert, Maßnahmen gegen die Antragstellerin zu ergreifen. Vielmehr hat sie „lediglich“ bei der Medienbehörde CRTA angefragt, ob es rechtliche Schritte gebe, die die CRTA einleiten könne, woraufhin die CRTA – die Annahme der Antragsgegnerin – bestätigt hat, dass sie nur für Radio und Fernsehen zuständig sei, aber keine Kompetenz für Video-Sharing Dienste habe. Nach dieser Auskunft wäre die Aufforderung an die zypriotischen Behörden, Maßnahmen zu ergreifen, in Ermangelung einer entsprechender Rechtsgrundlage allerdings von vornherein aussichtslos – und damit bloße Frömmelei – gewesen. Vor dem Hintergrund des vorstehend dargestellten Sinn und Zwecks der Unterrichtungspflicht wurden die Anforderungen des Art. 3 Abs. 4 Buchst. b E-Commerce-RL (i. V. m. § 3 Abs. 5 Satz 2 TMG a. F.) durch die mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 erfolgte Information der CRTA, dass beabsichtigt sei, gegenüber der Antragstellerin formale Maßnahmen zu ergreifen, hinreichend gewahrt. Hierdurch wurde den zypriotischen Behörden die Möglichkeit eingeräumt, selbst Maßnahmen zu ergreifen. Spätestens mit der Mitteilung der CRTA vom 29. Oktober 2019 an die Antragsgegnerin, dass keine Vorbehalte gegen das beabsichtigte Vorgehen gegen die Antragstellerin bestünden, hat sie eindeutig zu verstehen gegeben, dass sie selbst nicht beabsichtigt, Maßnahmen gegen die Antragstellerin zu ergreifen.
216Soweit die Antragstellerin beanstandet, dass die CRTA den ITS als zuständige Behörde benannt habe, setzt sie sich nicht in der gebotenen Weise mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auseinander, das davon ausgegangen ist (Beschlussabdruck, S. 39), dass die CRTA lediglich mitgeteilt habe, dass der ITS für die Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie zuständig sei. Im Übrigen berücksichtigt sie nicht, dass die Antragsgegnerin sich mit E-Mail vom 30. April 2020 an den ITS im zypriotischen Ministerium für Energie, Handel und Industrie zwecks Information über das beabsichtigte Vorgehen gegen die Antragstellerin gewandt und auch bei dieser Stelle angefragt hatte, ob Bedenken gegen ein Einschreiten durch die Antragsgegnerin bestünden. Hierdurch hat sie Zypern ein weiteres Mal die Möglichkeit eingeräumt, selbst Maßnahmen zu ergreifen, die es aufgrund der weiterhin fehlenden Rechtsgrundlage aber nicht hat ergreifen können.
217Ein weiteres Zuwarten bis zur Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie – wie von der Antragstellerin im Schriftsatz vom 28. Juni 2022 gefordert – war schon deshalb nicht geboten, weil der ITS weder mitgeteilt hatte, für wann die Umsetzung geplant gewesen ist, noch gebeten hatte, bis dahin von Maßnahmen abzusehen. Insoweit vermag auch nicht die Annahme der Antragstellerin, die Konsultationspflichten kämen immer erst dann zum Tragen, wenn ein Mitgliedstaat nationales Recht anzuwenden beabsichtige, das über das nationale Recht des Niederlassungsstaates hinausgehe, zu überzeugen. Vielmehr liegt der Unterrichtungspflicht der Gedanke zu Grunde, dass der Mitgliedstaat, in dem der Anbieter niedergelassen ist, überhaupt die Möglichkeit hat, eigene Maßnahmen zu ergreifen.
218B. Die im Hinblick auf etwaige verbleibende Unsicherheiten lediglich ergänzend vorzunehmende Folgenabwägung ergibt ebenfalls, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung von Ziffern 1 und 2 der angefochtenen Ordnungsverfügung das private Interesse der Antragstellerin, von Vollziehungsmaßnahmen vorläufig verschont zu bleiben, überwiegt. Das – nicht weiter substantiierte – wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der unveränderten Fortsetzung der ihr – in der aktuellen Form – untersagten Tätigkeit muss hinter dem öffentlichen Interesse, die von dieser Tätigkeit ausgehenden ernsthaften und schwerwiegenden Gefahren von Beeinträchtigungen für den Jugendschutz zu unterbinden, zurücktreten.
219Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
220Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
221Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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