Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (7. Senat) - 7 E 11947/17

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Tenor

Die Beschwerde des Vollstreckungsschuldners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz vom 4. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

Der Vollstreckungsschuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde des Vollstreckungsschuldners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz vom 4. Dezember 2017 hat keinen Erfolg.

2

Gemäß § 146 Abs. 1 VwGO ist die Beschwerde – vorbehaltlich der Ausschlüsse in § 146 Abs. 2 VwGO und anderer spezieller Regelungen – gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts statthaft, die nicht in Urteilsform ergehen. Mithin setzt die Beschwerde eine vorangehende Entscheidung der Vorinstanz über das Antragsbegehren voraus. Statthafter Streitgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet danach allein der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2017, mit dem inhaltlich dem Vollstreckungsgläubiger eine befristete Durchsuchungs- und Betretenserlaubnis erteilt wurde. Nicht Streitgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist hingegen die Art und Weise der Vollstreckung. Dementsprechend wird mit der Beschwerde hierzu auch nichts vorgetragen. Für die Frage der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Durchsuchungsbeschlusses kommt es nicht darauf an, ob die auf Grundlage des Beschlusses sodann durchgeführte Vollstreckungsmaßnahme ihrerseits rechtmäßig erfolgt ist.

3

Die Beschwerde ist unbegründet. Die angegriffene Durchsuchungs- und Betretenserlaubnis ist rechtmäßig. Zur Begründung verweist der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Entgegen dem Vorbringen des Vollstreckungsschuldners im Beschwerdeverfahren ist der Erlass der Durchsuchungs- und Betretenserlaubnis insbesondere auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie sich auf eine Jugendwohneinrichtung des Internationalen Bundes bezieht, in der der volljährige Vollstreckungsschuldner seinerzeit gewohnt hat.

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Der mit der Beschwerde erhobene Einwand, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es sich im vorliegenden Fall um die Durchsuchung einer Jugendwohneinrichtung des Internationalen Bundes handelte, ist ausweislich des Tenors und der Gründe der angefochtenen Entscheidung nicht zutreffend. Dort findet die genannte Jugendwohneinrichtung ausdrücklich Erwähnung. In den Gründen wird überdies erläutert, dass aufgrund fehlender konkreter Kenntnisse hinsichtlich der Aufgliederung des Wohngebäudes betreffend Wohngruppen und Gemeinschaftsräume und darüber, wo genau der Vollstreckungsschuldner sich innerhalb des Gebäudes aufhalte, die Erlaubnis für „die Räume der Jugendwohneinrichtung des Internationalen Bundes (IB), in der der Vollstreckungsschuldner wohnt [...]“ erteilt worden sei.

5

Aus dem Hinweis des Vollstreckungsschuldners auf die Weisung der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport, wonach Abschiebungen aus Jugendhilfeeinrichtungen, zu denen auch die hier betroffene Jugendwohneinrichtung zähle, unzulässig sind, ergibt sich ebenfalls keine Unverhältnismäßigkeit der Durchsuchungsanordnung. Eine entsprechende Weisungs- oder Erlasslage für Rheinland-Pfalz wird mit der Beschwerde nicht geltend gemacht und ist dem Senat auch nicht bekannt.

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Gleichzeitig ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kein generelles Gebot, von Durchsuchungen zum Zweck der Abschiebung in Jugendhilfeeinrichtungen abzusehen. Den besonders zu berücksichtigenden Belangen des heranwachsenden Vollstreckungsschuldners und anderen (minderjährigen) Bewohnern der Jugendhilfeeinrichtung kann und ist auf der Ebene der Durchführung der Maßnahme Rechnung zu tragen. Hierfür bedarf es in Abwägung mit dem staatlichen Interesse, eine vollziehbare Ausreispflicht auch gegen einen Bewohner einer Jugendhilfeeinrichtung effektiv durchsetzen zu können, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit keines generellen Ausschlusses von der Möglichkeit, die Vollstreckung mit Hilfe einer Durchsuchungsanordnung für eine Jugendhilfeeinrichtung durchzuführen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die zu gewährleistende Verhältnismäßigkeit – vor allem in Hinblick auf minderjährige Bewohner der Einrichtung – bei der Durchführung der Maßnahme von vorneherein nicht gewährleistet werden könnte und nicht gewährleistet wird. Allein die mit der Beschwerde geäußerte Befürchtung, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei Vollzug der Abschiebungsmaßnahme auch andere Bewohner der Jugendwohneinrichtung verängstigt und traumatisiert und in ihrem Recht auf Privatsphäre verletzt würden, genügt nicht, um eine Unverhältnismäßigkeit der Durchsuchungsanordnung zu begründen. Diesen Belangen ist vielmehr im Rahmen der ebenfalls am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messenden Durchführung der Maßnahme Rechnung zu tragen, wenn anhand der sich konkret darstellenden Situation die Belange im Einzelnen auch identifiziert und in die Abwägung einbezogen werden können.

7

Entgegen der Ansicht der Beschwerde stellt es in diesem Zusammenhang auch kein milderes, gleich geeignetes Mittel dar, die Leitung bzw. den Betreiber der Jugendeinrichtung zu informieren, wodurch – so das Beschwerdevorbringen – eine Belastung der übrigen Bewohner ausgeschlossen worden wäre. Denn eine dahingehende Information hätte allenfalls vorab konkretere Informationen zu den Verhältnisse vor Ort gebracht, ein Betreten der Räumlichkeiten, in denen der Vollstreckungsschuldner wohnt, mit den zu berücksichtigenden Auswirkungen auch auf die anderen Bewohner indes nicht entbehrlich gemacht. Entsprechende Informationen über den genaueren Aufenthalt des Vollstreckungsschuldners lassen sich im Rahmen der Durchführung der Maßnahme ebenfalls gewinnen. Eine Beteiligung der Leitung bzw. des Betreibers stellt danach – insbesondere auch mit Blick darauf, dass nach Einschätzung des Vollstreckungsgläubigers eine vorherige Beteiligung den Erfolg der Maßnahme gefährden würde – kein milderes, gleich geeignetes Mittel dar.

8

Soweit der Vollstreckungsschuldner die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchungsanordnung schließlich und insbesondere auf die Wirkungen für die anderen Mitgewahrsamsinhaber stützt, bei denen es sich um besonders zu schützende Kinder und Jugendliche handele, begründet dies ebenfalls keine Unverhältnismäßigkeit der getroffenen Anordnung. Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz – LVwVG – haben Personen, die an der Wohnung Mitgewahrsamen haben, die Durchsuchung zu dulden. Gleichzeitig ordnet § 9 Abs. 3 Satz 2 LVwVG ausdrücklich an, dass unbillige Härte für Mitgewahrsamsinhaber zu vermeiden sind. Das Verwaltungsgericht hat die gesetzlichen Vorgaben in seine Durchsuchungsanordnung ausdrücklich aufgenommen und damit zum einen – zu Recht – angenommen, dass die Belange der (z.T. minderjährigen) Mitgewahrsamsinhaber nicht ein generelles Absehen von der Durchsuchungsanordnung verlangen. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht damit für die Vollstreckungsbehörde bzw. die Vollstreckungsbeamten auch die bezüglich der Mitgewahrsamsinhaber bestehenden und zu beachtenden Grenzen bei der Durchführung der Vollstreckung verdeutlicht. Auch für die Frage der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die zu berücksichtigenden Belange von Mitgewahrsamsinhabern gilt danach, dass dies keine Unverhältnismäßigkeit der Durchsuchungsanordnung begründet, sondern im Rahmen der Durchführung der Maßnahme berücksichtigt werden kann und zu berücksichtigen ist.

9

Überdies kann der Vollstreckungsschuldner seine Beschwerde nicht auf eine vermeintliche Verletzung von Rechten Dritter stützen, um die es sich jedoch handelt, wenn er unbillige Härten für die anderen Bewohner der Jugendwohneinrichtung geltend macht. Insoweit ist der Vollstreckungsschuldner mangels eigener Beschwer nicht beschwerdebefugt. Ebenso wenig, wie sich der Vollstreckungsschuldner darauf berufen kann, dass eine Anordnung gegen einen mitwohnenden Dritten fehlt (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 8. April 1999 – 1 S 186/99 –, NVwZ 1999, 891; Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 758a Rn. 16), kann er eine auf die Verletzung Dritter gestützte Unverhältnismäßigkeit einwenden. Auch wenn in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Beispiel für eine Unverhältnismäßigkeit einer Durchsuchungsanordnung nicht nur eine Erkrankung des Vollstreckungsschuldners selbst, sondern auch eine Erkrankung dessen Familienangehörigen angeführt wird, geht die Entscheidung ausdrücklich davon aus, dass die „Durchsuchung der Wohnung des Schuldners für diesen eine unverhältnismäßige Härte bedeuten könnte“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 1979 – 1 BvR 994/76 –, juris, Rn. 47 = BVerfGE 51, 97; Hervorhebung nur hier). In der Begründung des Bundesrates zum Gesetzesentwurf zur Einführung des § 758a Abs. 3 ZPO, der insoweit das Vorbild für den gleichlautenden § 9 Abs. 3 LVwVG darstellt (vgl. LT-Drucks. 13/4627, S. 19), heißt es, dass „das Gericht ihm bekannte unzumutbare Härten für einen Mitbewohner im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen hat“ (BT-Drucks. 13/341, S. 18). Eine Aussage darüber, ob der Vollstreckungsschuldner eine daraus folgende Unverhältnismäßigkeit geltend machen könnte, wird damit nicht getroffen. Vielmehr wird an gleicher Stelle sogar ausgeführt, dass der Mitbewohner, wenn „er beachtliche Einwände an seiner Person für übergangen [hält], [...] er dies mit der Erinnerung [...] oder der sofortigen Beschwerde [...] geltend machen [kann]“ (BT-Drucks. 13/341, S. 18, Hervorhebung nur hier). Mithin bieten weder die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung noch die Gesetzesbegründung einen Anhalt dafür, von dem Grundsatz einer auf die Rüge einer Verletzung in eigenen Rechten beschränkten Beschwerdemöglichkeit abzuweichen. Der Vollstreckungsschuldner kann etwaige Rechtsverletzungen der Mitgewahrsamsinhaber – unabhängig davon, ob diese die Anordnung oder die Art und Weise der Durchführung betreffen – nicht geltend machen.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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