Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (7. Senat) - 7 A 10740/18

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 9. Mai 2018 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 113,00 € festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

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Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Abweichung (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegen nicht vor.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Rundfunkbeitragsbescheid des Beklagten vom 2. Mai 2017 zu Recht abgewiesen.

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Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. –, juris, entschieden, dass das System der Rundfunkbeitragserhebung im Wesentlichen – bis auf die Heranziehung von Inhabern mehrerer Wohnungen – verfassungsmäßig ist. Soweit die Verfassungsmäßigkeit bejaht wurde, stimmt das Urteil mit der bisher ergangenen Rechtsprechung einschließlich des Bundesverwaltungsgerichts, des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz, des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz überein.

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Die Klägerin beruft sich mit ihrem Zulassungsantrag auf eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und Art. 1 Abs. 1 GG.

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Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten Entscheidung einen Verstoß gegen das Recht auf negative Informationsfreiheit bzw. auf die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verneint (juris, Rn. 135). Denn die Rundfunkbeitragspflicht begründet – so das Bundesverfassungsgericht – keinen Zwang zur Konfrontation mit dem über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreiteten Informationen, so dass es jedenfalls an einem Eingriff fehlt. Es wird weder unmittelbar noch mittelbar Zwang ausgeübt, die Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten anzusehen oder anzuhören. Der von der Klägerin angesprochene Finanzierungszwang ändert daran nichts.

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Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 24. Juli 2015 – 7 A 10454/15.OVG – und Beschluss vom 16. November 2015 – 7 A 10455/15.OVG –, juris) verstößt die Erhebung des Rundfunkbeitrags nicht gegen die in Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistete Glaubens- und Gewissensfreiheit. Ein Eingriff in den Schutzbereich mit Blick auf aus religiösen Gründen abgelehnte Programme und Programminhalte ist nicht gegeben.

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Die Klägerin beruft sich vorliegend auf die weltanschauliche Bekenntnisfreiheit, die Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet.

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Eine Verletzung dieses Freiheitsrechts sieht sie nicht in einzelnen Programmen und Programminhalten. Vielmehr geht sie davon aus, dass es sich bei dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk um eine Weltanschauungsgemeinschaft handelt, deren zwangsweise Finanzierung automatisch ein Bekenntnis zu dieser Weltanschauungsgemeinschaft bedeuten würde. Hintergrund ihres Anliegens sei die (im Grunde anarchische) Sichtweise der Negation sämtlicher staatlicher und gesellschaftstheoretischer Prämissen, in denen stets ein Aspekt „Gewalt“ gesehen werde. Diese Auffassung wurzele in der Sichtweise der „Negativen Dialektik“, wie sie Theodor W. Adorno in seinem Hauptwerk entwerfe. Sie lehne nicht nur einzelne Programminhalte ab, sondern den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als solchen, dessen Grundversorgungsauftrag und die durch ihn angebotene Meinungsvielfalt. Sie lehne das Prinzip der Verbreitungen von Meinungen generell ab. In ihrem Schriftsatz vom 21. August 2018 führt sie aus, es handele sich bei dem Beklagten um eine Institution, die einen bestimmten Meinungspluralismus verbreite. Da der Begriff von „Pluralität“ grundsätzlich relativ sei – erst recht bei staatlichen Medien und Medieninstituten, bei denen es immer auch um Meinungshoheit und Einflussnahme, kurz: um „kulturelle Hegemonie“ gehe – müsse es mithin möglich sein, eine eigene antiplurale (identitäre) Weltanschauung zu vertreten, die Schutz vor dem Zwang zur Unterstützung von Institutionen genieße, die explizit ein pluralistisches Weltbild verbreiteten.

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Es kann offen bleiben, ob die schriftsätzlich vorgetragenen Überzeugungen der Klägerin tatsächlich so gegeben sind; es kann des Weiteren offen bleiben, ob diese als Weltanschauung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG zu verstehen sind (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19. Februar 1992 – 6 C 5.91 –, BVerwGE 89, 368 = juris, Rn. 20 ff.). Selbst wenn man einen Eingriff in ihre Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses nach Art. 4 Abs. 1 annehmen sollte, ist ihre Heranziehung zu einem Rundfunkbeitrag nicht verfassungswidrig. Zwar unterliegt das Grundrecht keinem Gesetzesvorbehalt. Grenzen können den Freiheiten des Art. 4 GG nach dem Grundsatz der Einheit der Verfassung jedoch durch andere Bestimmungen des Grundgesetzes gezogen werden. Insbesondere findet die Freiheit des Bekenntnisses dort ihre Grenzen, wo die Ausübung dieses Grundrechts durch einen Grundrechtsträger auf die kollidierenden Grundrechte anderer trifft (st. Rpsr. des BVerfG, u.a. Beschluss vom 16. Oktober 1979 – 1 BvR 647/70, 1 BvR 7/74 –, BVerfGE 52, 223 = juris, Rn. 65). In diesem Sinne stellt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, der die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk, also die Rundfunkfreiheit, gewährleistet, kollidierendes Verfassungsrecht dar. Die von der Klägerin abgelehnte Vielfalt an Meinungen lässt sich demnach aus der Verfassung selbst ableiten und genießt wie die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses in Art. 4 Abs. 1 GG ebenfalls verfassungsrechtlichen Schutz.

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Der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete verfassungsrechtliche Schutz der Freiheit des Rundfunks erstreckt sich auf das Recht der bestehenden Rundfunkanstalten, der ihrem Auftrag entsprechenden Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte Rechnung zu tragen (BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77 u.a. –, BVerfGE 59, 231 = juris, Rn. 55). Die Rundfunkfreiheit dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit zielt auf eine Ordnung, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk möglichst breit und vollständig Ausdruck findet (BVerfG, Urteil 25. März 2014 – 1 BvF 1/11 u.a. –, juris, Rn. 34). Die Rundfunkfreiheit vollzieht sich in einem Kommunikationsprozess, in welchem dem Rundfunk die Aufgabe eines „Mediums“ und „Faktors“ zukommt: Es obliegt ihm, in möglichster Breite und Vollständigkeit zu informieren; er gibt dem Einzelnen und den gesellschaftlichen Gruppen Gelegenheit zu meinungsbildendem Wirken und ist selbst an dem Prozess der Meinungsbildung beteiligt. Dies geschieht in einem umfassenden Sinne (BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77 u.a. –, BVerfGE 59, 231 = juris, Rn. 55; Beschluss vom 24. März 1987 – 1 BvR 147/86 u.a. –, BVerfGE 74, 297 = juris, Rn. 74; Beschluss vom 4. November 1986 – 1 BvF 1/84 –, BVerfGE 73, 118 = juris, Rn. 89).

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Die Rundfunkanstalten sind demgemäß nicht – wie die Klägerin meint – Weltanschauungsgemeinschaften, die sie entgegen ihrer eigenen Weltanschauung mit der Zahlung des Rundfunkbeitrages unterstützen müsste. Vielmehr sind es rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts mit der verfassungsrechtlichen Aufgabe, Meinungsvielfalt zu gewährleisten. Anders ausgedrückt, die von der Klägerin abgelehnte „Weltanschauung“ der Meinungsvielfalt ist bereits in der Verfassung selbst, nämlich in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG begründet und gewährleistet. Daraus folgt auch, dass eine Finanzierung erforderlich ist, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Stand setzt, die ihm zukommende Funktion im dualen System zu erfüllen. In der Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen im dualen System findet sich die Rechtfertigung für die frühere Gebührenfinanzierung und die heutige Finanzierung über Rundfunkbeiträge (u.a. vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 –, BVerfGE 90, 60 = juris, Rn. 147 f.). Das Bundesverfassungsgericht hat eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgesprochen. Diese umfasst auch die zur Erfüllung des Rundfunkauftrags benötigten finanziellen Mittel. Die Bestands- und Entwicklungsgarantie ist zugleich Finanzierungsgarantie. Ihr entspricht ein ebenfalls aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgendes Recht der Anstalten, die zur Erfüllung ihrer Funktion nötigen Mittel zu erhalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 –, BVerfGE 90, 60 = juris, Rn. 150). Im Hinblick auf die große Bedeutung, die der Rundfunkfreiheit und der damit verbundenen Meinungsvielfalt in einem demokratischen Staat zukommt, muss das Grundrecht der Klägerin auf Freiheit ihres weltanschaulichen Bekenntnisses – sofern überhaupt ein Eingriff vorliegt – zurücktreten. Dabei ist auch zu sehen, dass es ihr unbenommen bleibt, das Rundfunkangebot generell nicht zu nutzen und damit die Konfrontation mit den Programmen und Programminhalten, in denen die Meinungsvielfalt zum Ausdruck kommt, zu vermeiden. An Beeinträchtigung bleibt die Zahlung der Rundfunkbeiträge, die aus oben genannten Gründen hinzunehmen ist.

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Der von der Klägerin weiter geltend gemachte Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde ist ebenfalls nicht gegeben. Auch bei Unterstellung eines Eingriffs in die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses wird die Klägerin mit der Zahlung der Rundfunkbeiträge nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht.

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Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil verwiesen. Aus alledem folgt, dass ernstliche Zweifel gegen die Richtigkeit dieses Urteils nicht bestehen. Die sich stellenden Rechtsfragen sind anhand der Rechtsprechung, insbesondere der des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung der Rundfunkfreiheit, ohne weiteres zu beantworten, so dass die Rechtssache auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten aufweist bzw. ihr keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.

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Der Zulassungsgrund der Abweichung liegt ebenfalls nicht vor. Insoweit beruft sich die Klägerin auf die vom Verwaltungsgericht angesprochene Härtefallregelung und meint, es liege eine Abweichung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 2012 – 1 BvR 2550/12 –, juris, vor. In diesem Beschluss hatte das Bundesverfassungsgericht es nicht für von vornherein ausgeschlossen gehalten, dass der dortige Beschwerdeführer mit einem Härtefallantrag, bei dem er seine religiöse Einstellung und seine gesamten Lebensumstände darlegen könnte, eine Beitragsbefreiung erreichen könne. Abgesehen davon, dass das Bundesverfassungsgericht es lediglich nicht für von vornherein ausgeschlossen hielt, ist die Frage, ob im Fall der Klägerin ein Befreiungsantrag Erfolg haben könnte, vorliegend nicht entscheidungserheblich. Einen solchen Härtefallantrag hat die Klägerin nämlich nicht gestellt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

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