Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (7. Senat) - 7 B 10747/19
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 23. April 2019 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 € festgesetzt.
Gründe
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Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.
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Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag, der unter Berufung auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG darauf gerichtet ist, der Antragstellerin eine bis zum 21. Dezember 2019 befristete Genehmigung zur Ausübung des Gelegenheitsverkehrs mit Taxen zu erteilen, hilfsweise eine bis zu diesem Zeitpunkt befristete Genehmigungsurkunde auszuhändigen, zu Recht abgelehnt. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verweist der Senat zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen, auf welches sich die Prüfung des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, wird ergänzend ausgeführt:
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In Bezug auf die vorliegend entscheidungserhebliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens ist die Beibringung der in § 2 der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr – PBZugV – aufgeführten Unterlagen erforderlich, damit ein i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG vollständiger Antrag auf Genehmigung eines Gelegenheitsverkehrs mit Kraftfahrzeugen vorliegt (BVerwG, Urteil vom 8. November 2018 – 3 C 26/16 –, juris, Rn. 23). Aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 PBZugV und den dort in den Sätzen 1 bis 3 getroffenen Regelungen ergibt sich, dass maßgebend für die Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit entweder der Jahresabschluss oder ersatzweise die Vermögensübersicht ist (Fielitz/Grätz, Personenbeförderungsgesetz, Stand Dezember 2012, § 2 PBZugV Rn. 5). Das gesetzlich mindestens geforderte Eigenkapital in Höhe von hier 2.250,00 € für ein genutztes Fahrzeug (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 PBZugV i.V.m. Artikel 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009) ist daher nicht irgendwie, sondern mit den in § 2 PBZugV im Einzelnen aufgeführten Unterlagen nachzuweisen. Im Fall der Antragstellerin ist dies die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 PBZugV geforderte Vermögensübersicht. Unternehmen des Taxen- und Mietwagenverkehrs, die wie die Antragstellerin keinen Jahresabschluss vorlegen können, sind nach dieser Regelung ausdrücklich verpflichtet, solch eine detaillierte Vermögensaufstellung vorzulegen, aus der sich nicht nur die Höhe des Eigenkapitals ergibt, sondern darüber hinaus nachvollziehen lässt, aus welchen Vermögenswerten und diesen mitunter in Abzug zu bringenden Verbindlichkeiten sich das Eigenkapital im Einzelnen zusammensetzt.
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Die Vorschrift ist auf die Antragstellerin, die erstmals eine Taxikonzession beantragt, anwendbar. Ein Unternehmen in diesem Sinne liegt nicht erst dann vor, wenn eine Genehmigung erteilt und der Betrieb aufgenommen wurde. Wie auch das gesamte Personenbeförderungsgesetz Neuunternehmer und Erstantragsteller miteinschließt (vgl. hierzu nur § 3 Abs. 1 PBefG), so bezieht sich auch die in der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr verwendete Begrifflichkeit des Unternehmens auf diese. Die Formulierung „Unternehmen des Taxen- und Mietwagenverkehrs“ dient erkennbar allein der Abgrenzung von den Unternehmen des übrigen Personenbeförderungsverkehrs (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 PBefG).
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Dass es für die Eigenkapitalbescheinigung eines Jahresabschlusses bedarf, wird jenseits des schon eindeutigen Wortlauts der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Sätze 1 bis 3 PBZugV getroffenen Regelungen auch aus Artikel 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 deutlich, auf dessen Grundlage das nachzuweisende Eigenkapital und die Reserven beim Verkehr mit Taxen und Mietwagen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 PBZugV zu bestimmen sind. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 weist das Unternehmen seine finanzielle Leistungsfähigkeit anhand der von einem Rechnungsprüfer oder einer ordnungsgemäß akkreditierten Person geprüften Jahresabschlüsse nach, dass es jedes Jahr über ein Eigenkapital und Reserven in Höhe von mindestens 9.000 € für nur ein genutztes Fahrzeug und 5.000 € für jedes weitere genutzte Fahrzeug verfügt. Solch ein Nachweis ist der Antragstellerin wegen ihrer erstmaligen Betriebsaufnahme nicht möglich, so dass auch eine Eigenkapitalbescheinigung nach dem von dem Verordnungsgeber vorgegebenen Muster 1 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 PBZugV nicht sinnvoll und damit zugleich nach der mit diesem Formular offen zutage getretenen Vorstellung des Verordnungsgebers nicht hinreichend aussagekräftig ausgefüllt werden kann. Denn dies setzt erkennbar voraus, dass auch Angaben über die weiteren in dem Formular abgefragten Positionen wie beispielsweise Kapital- und Gewinnrücklagen sowie Gewinnvortrag und Jahresabschluss getroffen werden (können). Nur auf dieser Grundlage kann die Genehmigungsbehörde auch in der Sache zuverlässig überprüfen, ob die zur Aufnahme und ordnungsgemäßen Betriebsführung erforderlichen finanziellen Mittel (weiterhin) verfügbar sind.
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Scheidet aber diese Nachweismöglichkeit so wie vorliegend schon aus tatsächlichen Gründen aus, ist das mindestens geforderte Eigenkapital anhand einer mit weiteren Angaben zu versehenden und dann auch weit aussagekräftigeren Vermögensübersicht nachzuweisen. Die zwingende Notwendigkeit hierfür zeigt sich auch im Fall der Antragstellerin anschaulich daran, dass das ohne Erläuterung bescheinigte Eigenkapital mit 2.300,00 € nur knapp über dem gesetzlich geforderten Mindestmaß liegt, dem aber schon nach Aktenlage u. a. ein Darlehensvertrag über einen Betrag in Höhe von 30.541,32 € gegenüber steht und ansonsten keinerlei Informationen über die Zusammensetzung des Eigenkapitals vorliegen. Bei einem Erstantragsteller ist die Feststellung der finanziellen Leistungsfähigkeit für die Genehmigungsbehörde wegen der fehlenden Erfahrungen mit diesem und dem ihr nicht möglichen Vergleich mit einer bisherigen finanziellen Entwicklung des Unternehmens mit einer bloßen Bestätigung darüber, dass ein Eigenkapital in ausreichender Höhe vorliege, nicht zuverlässig möglich.
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Dem steht die von der Antragstellerin in der Beschwerde genannte amtliche Begründung zu § 2 PBZugV nicht entgegen. Soweit dort ausgeführt wird, die in Abs. 2 Nr. 2 erforderte Eigenkapitalbescheinigung sei für den häufig als Kleingewerbebetrieb durchgeführten Taxen- und Mietwagenverkehr nicht möglich, weshalb in diesen Fällen eine bestätigte Vermögensübersicht genüge (BR-Drucks. 257/00, S. 25), bestätigt dies nur das auch hier gefundene Ergebnis, wonach eine – vollständig ausgefüllte – Eigenkapitalbescheinigung und Vermögensübersicht grundsätzlich zum Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit ausreichen. Eine darüber hinausgehende Aussage lässt sich dieser Begründung für die hier entscheidungserhebliche Situation nicht entnehmen, insbesondere nicht die von der Antragstellerin gewünschte, einer Eigenkapitalbescheinigung werde von dem Verordnungsgeber immer – so auch in ihrem Fall bei unvollständiger und nicht einmal sinnvoll möglicher Ausfüllung – eine höhere Aussagekraft als einer Vermögensübersicht beigemessen.
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Es trifft auch nicht zu, dass die Genehmigungsbehörde grundsätzlich und gleichfalls in jedem Fall den Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit durch Vorlage einer Eigenkapitalbescheinigung zu akzeptieren hat. Dies gilt nur für die Fälle, in denen es sich bei dieser auch um den gesetzlich geforderten Nachweis handelt, der zudem vollständig und im Übrigen auch plausibel ausgefüllt worden ist. Nichts anderes ergibt sich aus der in der Beschwerde genannten Kommentierung zu § 2 PBZugV und dem damit in Bezug genommenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 8. August 2005 – Bs 200/05 –. So wird dort gerade in diesem Sinne auch ausgeführt, im Zweifelsfall könne die Behörde nach § 2 Abs. 4 PBZugV verlangen, dass der Antragsteller ihr diejenigen Unterlagen vorlege, aufgrund derer die Eigenkapitalbescheinigung oder die Vermögensübersicht i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 PBZugV erstellt worden sei (HambOVG, Beschluss vom 8. August 2005 – 1 Bs 200/05 –, juris, Rn. 3).
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Aus ihren weiteren Angaben zu dem Ablauf des Verwaltungsverfahrens bei der Antragsgegnerin lassen sich für die vorliegend zu beurteilende Genehmigungsfiktion keinerlei Rechtswirkungen zugunsten der Antragstellerin ableiten. Eine Pflicht der Genehmigungsbehörde, die eingereichten Unterlagen innerhalb der Entscheidungsfrist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen, besteht nicht.
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Mit der Fiktionsregelung soll die Position des Antragstellers gegenüber einer untätigen Genehmigungsbehörde gestärkt werden. Um in schutzwürdiger Weise auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion vertrauen zu können, muss der Antragsteller jedoch seinerseits die Behörde zunächst durch das Einreichen vollständiger Unterlagen in die Lage versetzt haben, über seinen Antrag zu entscheiden. Auch die Zielrichtung des Personenbeförderungsgesetzes – der Schutz der zu befördernden Fahrgäste – spricht dafür, dass nur ein sorgfältiger Antragsteller in den Genuss der Genehmigungsfiktion kommen soll. Dagegen ist es nicht Zweck des § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG, sonstige Verfahrensvereinfachungen herbeizuführen oder materielle Genehmigungsanforderungen herabzusetzen (BVerwG, Urteil vom 8. November 2018 – 3 C 26/16 –, juris, Rn. 21).
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Ob im Einzelfall etwas anderes gelten muss und es der Genehmigungsbehörde nach Treu und Glauben verwehrt sein kann, sich auf die Unvollständigkeit eines Antrags zu berufen, wenn sie dem Antragsteller im Verfahren eindeutig zu verstehen gegeben hat, dass keine Unvollständigkeit vorliege und die Entscheidungsfrist in Lauf gesetzt worden sei (so HambOVG, Beschluss vom 18. November 2010 – 3 Bs 206/10 –, juris, Rn. 30; a.A. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 42a, Rn. 77), muss für diese Entscheidung nicht geklärt werden. Die Antragsgegnerin hat auch nach dem Vortrag der Antragstellerin innerhalb der beanspruchten Dreimonatsfrist zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, die vorgelegte Eigenkapitalbescheinigung könnte ausreichend sein. Soweit sie behauptet, später, nämlich am 1. März 2019 und damit weit jenseits der von der Antragstellerin selbst als maßgeblich erachteten Entscheidungsfrist habe ihr gegenüber der zuständige Sachbearbeiter der Antragsgegnerin anlässlich einer persönlichen Vorsprache die Vollständigkeit der Unterlagen bestätigt, kann schon allein deswegen kein entsprechender Vertrauenstatbestand geschaffen worden sein, weil bereits am 6. März 2019 die Unvollständigkeit gerügt und die Vermögensübersicht mit nachfolgendem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 8. März 2019 unter ausführlicher Begründung angefordert worden ist.
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Soweit die Antragstellerin mit der eidesstattlichen Versicherung ihres Vaters die Behauptung aufstellt, in sonstigen Fällen habe die Antragsgegnerin eine Eigenkapitalbescheinigung ausreichen lassen, verhilft auch dies ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg. Die hiermit im Zusammenhang stehenden Erklärung ihres Vaters besagt schon nicht, dass es sich bei den von ihm angesprochenen Fällen um Anträge eines Neuunternehmers gehandelt haben könnte. Unabhängig hiervon beurteilt sich die Frage, ob der Genehmigungsantrag vollständig ist und die Entscheidungsfrist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG in Lauf zu setzen vermag, nach den Maßgaben der genannten Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes und nicht nach der Genehmigungspraxis der Genehmigungsbehörde in vermeintlich oder tatsächlich gleichgelagerten Fällen.
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Losgelöst hiervon hat die Antragstellerin mit ihrem Beschwerdevortrag auch nicht dargetan, dass ein Anordnungsgrund abweichend von der verwaltungsgerichtlichen Würdigung angenommen werden könnte. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, die geltend gemachten Nachteile durch eine Vorreservierung eines Kraftfahrzeugs zum Taxibetrieb seien nicht durch entsprechende Unterlagen nachgewiesen worden. Aus dem im Beschwerdeverfahren nunmehr vorgelegten Darlehensvertrag vom 8. März 2019 über dieses vorreservierte Fahrzeug ergibt sich kein anderes Ergebnis. Denn in diesem Fall muss sich die Antragstellerin entgegenhalten lassen, einen Anordnungsgrund selbst geschaffen zu haben, indem sie im Bewusstsein der von der Antragsgegnerin angenommenen Unvollständigkeit ihrer Unterlagen trotzdem bereits diese vermögensrechtliche Verpflichtung eingegangen ist. Dass ein Vertragsabschluss schon zu diesem Zeitpunkt wegen möglicher günstigerer Konditionen oder aus sonstigen Gründen zwingend erforderlich gewesen wäre, ist weiterhin nicht glaubhaft gemacht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Nr. 47.4 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. LKRZ 2014, 169).
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- PBefG § 15 Erteilung und Versagung der Genehmigung 5x
- PBZugV § 2 Finanzielle Leistungsfähigkeit 11x
- 3 Bs 206/10 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 146 1x
- PBefG § 2 Genehmigungspflicht 1x
- 3 C 26/16 2x (nicht zugeordnet)
- 1 Bs 200/05 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 122 1x
- §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- PBefG § 3 Unternehmer 1x