Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (10. Senat) - 10 A 11109/19

Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 5. Juni 2019 zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.715,86 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – bestehen und auch sonst kein Zulassungsgrund vorliegt.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Entlassungsbescheid der Beklagten vom 14. Mai 2018 zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verweist der Senat zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils. Im Übrigen stellt das Zulassungsvorbringen, auf welches sich die Prüfung des Senats nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt, die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht mit gewichtigen Gesichtspunkten in Frage (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, Rn. 7 zu § 124 Abs. 1). Vielmehr ist das Verwaltungsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger durch seine auf religiösen Gründen beruhende Weigerung, Frauen die Hand zu geben, gegen die sich aus § 8 Soldatengesetz – SG – ergebende Pflicht zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie gegen die aus § 17 Abs. 2 SG folgende Verpflichtung zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten schuldhaft verstoßen hat. Beide Pflichten sind dem militärischen Kernbereich zuzuordnen, da sie unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr betreffen. Deshalb liegen – ohne dass es insoweit auf eine Nachahmungsgefahr ankommt - auch die übrigen Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG für die Entlassung des Klägers aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit vor, nämlich eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung und des Ansehens der Bundeswehr im Falle seines Verbleibens in seinem Dienstverhältnis.

3

Dass der Kläger sich aus religiösen Gründen weigert, Frauen die Hand zu geben, wird nicht durch sein Vorbringen in Frage gestellt, er respektiere Frauen, habe mit ihnen problemlos zusammengearbeitet und gebe aus hygienischen Gründen auch anderen Menschen nur in Ausnahmefällen die Hand. Vielmehr bestätigt dies gerade die ausnahmslose Weigerung, Frauen die Hand zu geben, zumal der Hinweis des Klägers auf mögliche andere Gründe für sein Verhalten gegenüber Frauen angesichts seiner konsequenten Hinwendung zum Islam als bloße Schutzbehauptung anzusehen ist. Hiervon ausgehend ist das Verwaltungsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die hinter der Verweigerung des Handschlages gegenüber Frauen stehende Einstellung des Klägers der grundgesetzlich angeordneten Gleichstellung von Mann und Frau nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG - und damit der Werteordnung sowie dem Menschenbild der Verfassung widerspricht und diese zugleich eine Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des § 8 SG darstellt. Auch ist darin ein Verstoß gegen die Verpflichtung zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Sinne des § 17 Abs. 2 SG zu sehen. Unabhängig davon, dass keine Vorschrift eine Begrüßung per Handschlag gebietet, rechtfertigt das Verhalten des Klägers die Annahme, dass er Kameradinnen nicht ausreichend respektiert und dadurch den militärischen Zusammenhalt sowie die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr gefährdet. Insofern hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Weigerung, Frauen die Hand zu geben, die Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrags der Streitkräfte und die Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebes beeinträchtigt. Entsprechendes gilt für die vom Verwaltungsgericht zutreffend festgestellte Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr, denn ein vernünftiger, objektiv wertender Dritter wird darin, dass ein Soldat aus religiösen Gründen Soldatinnen nicht die Hand gibt, ohne Weiteres erhebliche Zweifel haben, ob dieser bereit und in der Lage ist, den Auftrag der Bundeswehr zu erfüllen und dabei insbesondere auch für Soldatinnen einzustehen. Dies reicht angesichts der Gesamtumstände des vorliegenden Falles für die Feststellung einer Dienstpflichtverletzung aus, auch wenn der Kläger hinsichtlich seines Einsatzwillens das Gegenteil geltend macht.

4

Beruht demnach die rechtlich nicht zu beanstandende Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe militärische Kernpflichten bereits durch seine Weigerung, Soldatinnen die Hand zu geben, verletzt und sei deshalb gemäß § 55 Abs. 5 SG aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zu entlassen, kommt es auf die (unzutreffende) Behauptung des Klägers nicht an, das angefochtene Urteil werde auf eine Vorverurteilung von Personen muslimischen Glaubens und damit auf deren bloße Religionsausübung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gestützt. Gleiches gilt für den Hinweis, die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung betreffe andere, nämlich offensichtlich verfassungsfeindliche Verhaltensweisen. Denn das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung nicht darauf gestützt, dass der Kläger die geltend gemachte Verfassungsordnung angreift, bekämpft und diffamiert.

5

Schließlich unterliegt die Angabe des Klägers bei seiner Befragung durch das BAMAD am 13. Februar 2018, seinen Glauben nicht mit dem Dienst in der Bundeswehr vereinbaren zu können, keinem Beweisverwertungsverbot. Vielmehr liegt es auf der Hand, dass bei einer förmlichen Befragung in einem Verwaltungsverfahren die dabei gemachten Aussagen berechtigterweise festgehalten werden, sei es in Form einer Mitschrift oder einer Tonbandaufzeichnung. Hierin ist deshalb keine Verletzung von Rechten des Klägers zu sehen. Insbesondere ist das angeblich heimliche Mitschneiden der Befragung des Klägers im Hinblick auf die Grundrechtsbetroffenheit von vornherein nicht mit dem heimlichen Mithören eines Telefongesprächs (vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. Oktober 2015 – 12 ZB 15.239 –, juris) vergleichbar.

6

Es kann offenbleiben, ob der Kläger einen Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend gerügt hat. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung eine unzulässige Überraschungsentscheidung darstellt. Denn die Weigerung des Klägers, Frauen eine Hand zu geben, war sowohl Gegenstand des Verwaltungsverfahrens als auch des erstinstanzlichen Verfahrens. Deshalb kommt es nicht darauf an, was Schwerpunkt der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung war, zumal der Kläger selbst vorträgt, die Frage des Handgebens sei „beiläufig“ auch in der mündlichen Verhandlung angesprochen worden.

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

8

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.

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