Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (8. Senat) - 8 A 10120/21

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 25. November 2020 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

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Der Berufungszulassungsantrag hat keinen Erfolg.

2

Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – liegen nicht vor.

I.

3

Der Kläger ist Pächter des gemeinschaftlichen Jagdbezirks R. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der er die Feststellung begehrt, dass die von ihm begonnene und in einem Fall auch abgeschlossene Errichtung zweier Hochsitze keiner Genehmigung bedürfe, abgewiesen. Denn – so die Vorinstanz – diese Vorhaben bedürften einer Baugenehmigung, andernfalls zumindest aber einer naturschutzrechtlichen Genehmigung. Die Hochsitze von über 6 m Höhe sollen in Stahlbauweise auf massiven Betonfundamenten errichtet werden und über Ansitzkanzeln von unter 4 m² Grundfläche verfügen.

4

Eine Ausnahme nach § 62 Abs. 1 Nr. 7d Landesbauordnung – LBauO – liege nicht vor. Zur Nutzfläche im Sinne von § 62 Abs. 1 Nr. 7d LBauO zählten auch die massiven und ca. 9 m² großen Betonfundamente der Hochsitze. Die von der Ausnahmeregelung des § 62 LBauO erfassten Baumaßnahmen beträfen Vorhaben von geringer baurechtlicher bzw. bodenrechtlicher Relevanz, weshalb auf eine präventive Verwaltungskontrolle in einem förmlichen Genehmigungsverfahren verzichtet werde. Dementsprechend sei der Begriff „Nutzfläche“ in § 62 Abs. 1 Nr. 7d LBauO dahin zu verstehen, dass er das Maß der baurechtlichen bzw. bodenrechtlichen Relevanz des jeweiligen Hochsitzes widerspiegeln solle; daher könne nicht in jedem Fall bei der Berechnung dieser Nutzfläche nur auf die Größe der Fläche der Ansitzkanzel abgestellt werden, weil auch anderen, für die Nutzung als Hochsitz erforderlichen Teilen maßgebliche Bedeutung bei der Bewertung der bau- bzw. bodenrechtlichen Relevanz dieser baulichen Anlage zukommen könne. Auf Grundlage dieses Verständnisses von § 62 Abs. 1 Nr. 7d LBauO seien die Betonfundamente zu berücksichtigen, da diese Betonfundamente für die standfeste Errichtung und damit auch für die zweckentsprechende Nutzung der Hochsitze zwingend erforderlich seien und sie erhebliche bau- und bodenrechtliche Relevanz im Außenbereich besäßen.

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Ungeachtet dessen stellten die Hochsitze auch einen Eingriff in Natur und Landschaft dar und bedürften deshalb jedenfalls einer naturschutzrechtlichen Genehmigung nach § 17 Abs. 3 i.V.m. §§ 14, 15 Abs. 5, 17 Abs. 1 und 2 Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG –. Die Anlagen seien Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne von § 14 Abs. 1 BNatSchG, weil sie die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts bzw. das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen könnten. Nach § 1 Nr. 1a und § 2 Nr. 1a der Landesverordnung über die Bestimmung von Eingriffen in Natur und Landschaft – NatLandEingrV – liege ein solcher Eingriff in der Regel vor bei der Errichtung, Erweiterung oder wesentlichen Umgestaltung von baulichen Anlagen im Sinne der LBauO, ein Eingriff sei bei Ansitzeinrichtungen (nur) im Falle eines landschaftsangepassten und einfachen Hochsitzes zu verneinen. Bei den beiden Hochsitzen des Klägers handele es sich aber nicht um landschaftsangepasste, einfache Hochsitze. Dies folge daraus, dass die beiden Stahlkonstruktionen aus statischen Gründen jeweils auf einem massiven, ca. 9 m² großen Betonfundament errichtet worden seien, was der Annahme von einfachen und landschaftsangepassten Hochsitzen entgegenstehe. Zudem seien die Hochsitze nicht auf das beschränkt, was unter größtmöglicher Schonung des Außenbereichs zu einer ordnungsgemäßen Jagdausübung konkret erforderlich sei.

II.

6

1. An der Richtigkeit dieses Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –). Denn es lässt sich bereits jetzt feststellen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts der rechtlichen Überprüfung standhält, ohne dass die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich wäre. In diesem Fall scheidet auch die Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aus (vgl. hierzu Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 108). Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die streitgegenständlichen Bauvorhaben nicht genehmigungsfrei errichtet werden dürfen.

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Zur Begründung kann auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen werden (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend wird auch im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen ausgeführt:

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a) Zunächst ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die beiden Hochsitze keine genehmigungsfreien Vorhaben nach § 62 Abs. 1 Nr. 7d LBauO sind. Die Vorschrift erfasst „Hochsitze mit einer Nutzfläche bis zu 4 m²“.

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Es kann dahingestellt bleiben, ob unter „Nutzfläche“ auch die Fläche der Fundamente zu verstehen ist, wie das Verwaltungsgericht ausführt. Denn jedenfalls beschränkt sich die Genehmigungsfreiheit nach § 62 Abs. 1 Nr. 7d LBauO auf solche Hochsitze, die herkömmlicher Bauweise entsprechen, in der Regel aus einer einfachen Holzkonstruktion mit Sitzeinrichtung, Gerüst und Leiter bestehen und üblicherweise eine Grundfläche von nicht mehr als 4 m² aufweisen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Norm.

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Dieses Verständnis von einem Hochsitz im Sinne der Vorschrift ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. auch Erläuterung zur Wortbedeutung im Online-Wörterbuch des Dudenverlags: „in gewisser Höhe auf Pfählen gebauter oder auf einem Baum angebrachter Beobachtungsstand des Jägers“). Dem entspricht auch, dass die von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als bundesweite Trägerin der landwirtschaftlichen Sozialversicherung herausgegebene Handreichung „Sichere Hochsitzkonstruktionen“ (Stand 7/2019) ausschließlich Holzkonstruktionen bei Hochsitzen vorsieht.

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Auch im Hinblick auf die Normfunktion des § 62 LBauO, der Vorhaben mit geringer bau- und bodenrechtlicher Relevanz festlegt, bei denen zugunsten von Verwaltungsvereinfachung auf eine präventive Kontrolle verzichtet werden kann, ist es geboten, die Genehmigungsfreiheit nur dann ausschließlich an der Höchstnutzfläche der Ansitzkanzel von 4 m² festzumachen, wenn ein herkömmlicher Hochsitz mit einfacher Holzkonstruktion vorliegt. Wenn jedoch – wie etwa hier bei der aufwändigen Stahlkonstruktion mit Zwischenpodesten auf flächigem Betonfundament – eine grundlegend andere Konstruktion oder anderes – nicht naturbelassenes – Material gewählt wird, hat dies in aller Regel eine größere bau- und bodenrechtliche Relevanz des Hochsitzes zur Folge und bedarf es der präventiven Kontrolle der baurechtlichen Zulässigkeit in einem Genehmigungsverfahren.

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Die hier gefundene Auslegung ist auch im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Katalogvorschrift des § 62 Abs. 1 Nr. 7d LBauO geboten. Der Wille des Gesetzgebers war nämlich nur auf eine Genehmigungsbefreiung für Hochsitze in allgemein üblicher Bauweise und innerhalb der zusätzlichen Flächenvorgabe gerichtet. So weist die Begründung zum Gesetzesentwurf (LT-Drucks. 13/3040, S. 61) – die auch das Verwaltungsgericht herangezogen hat – aus, dass nur eine Klarstellung der Einstufung der Hochsitze als unbedeutende bauliche Anlagen erfolgen sollte. Dies erfolgte im Hinblick darauf, dass bis zu dieser Neuregelung im Jahr 1999 Hochsitze in der allgemeinen Praxis als „unbedeutende bauliche Anlagen“ im Sinne des (Auffang-)Befreiungstatbestands des § 61 Abs. 1 Nr. 43 LBauO a.F. angesehen wurden. Dieser Auffangtatbestand wiederum nannte als Regelbeispiele für unbedeutende bauliche Anlagen Vorhaben kleinerer Größenordnung oder zur vorübergehenden Nutzung, wie etwa nicht überdachte Terrassen, zu Straßenfesten und ähnlichen Veranstaltungen kurzfristig errichtete bauliche Anlagen, die keine fliegenden Bauten sind, Kleintierställe bis 5 m³ umbauten Raums, Fahnen- oder Teppichstangen sowie Markisen außerhalb öffentlicher Verkehrsflächen. Die Anknüpfung des Gesetzgebers an diese Auffangvorschrift im Rahmen der klarstellenden Regelung für Hochsitze zeigt, dass der Gesetzgeber nur Hochsitze von geringer bau- und bodenrechtlicher Relevanz von der Genehmigungspflicht freistellen wollte. Bestätigt wird dieses Verständnis durch die Vollzugshinweise im Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 3. Februar 1999 (MinBl. S. 90). Darin heißt es in Bezug auf § 62 Abs. 1 Nr. 7d LBauO sogar ausdrücklich, mit der neuen Regelung werde klargestellt, dass „herkömmliche Hochsitze als unbedeutende bauliche Anlagen genehmigungsfrei“ seien; damit würden Rechtsunsicherheiten beseitigt.

13

Dieser Wille des Gesetzgebers, nur baulich unbedeutende Anlagen von der Genehmigungspflicht freizustellen, verlangt, den Anwendungsbereich von § 62 LBauO Abs. 1 Nr. 7d LBauO auf Hochsitze üblicher Bauart zu beschränken. Denn stellte man – wie der Kläger – für die Genehmigungsfreiheit ausschließlich und schematisch – unabhängig von der baulichen Gestaltung – auf die Größe der Nutzfläche der Ansitzkanzel ab, käme man zu einer deutlichen Ausdehnung der Ausnahmevorschrift gegenüber der früheren Regelung in § 61 Abs. 1 Nr. 43 LBauO a.F., die auch Hochsitze mit nicht herkömmlicher Gestaltung und großer bau- und bodenrechtlicher Relevanz erfasste. Diese Auslegung liefe jedoch dem Sinn und Zweck der Vorschrift und ihrer Entstehungsgeschichte zuwider.

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Hiernach erweisen sich die Vorhaben des Klägers nicht als genehmigungsfrei nach § 62 LBauO Abs. 1 Nr. 7d LBauO. Denn es handelt sich nicht um herkömmliche Hochsitze. Die Ausführung der Hochsitze mit durchgehenden Betonfundamenten in einer Größe von etwa 9 m² sowie einem Stahlgerüst mit Zwischenpodesten weicht ersichtlich stark von einem Hochsitz in üblicher Bauweise ab.

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Kommt es demnach für die Frage der Genehmigungsfreiheit nicht allein auf die Einhaltung der Höchstnutzfläche der Ansitzkanzel an, kann dahingestellt bleiben, ob die Bemessung der Nutzfläche i.S.d. § 62 Abs. 1 Nr. 7d LBauO – wie der Kläger meint – sich allein nach der DIN 277/2016 zu richten hat und ob danach die Nutzfläche nur derjenige Anteil der Geschossfläche ist, der entsprechend der Zweckbestimmung des Bauwerks genutzt wird. Die weiter von dem Kläger ausführlich angesprochenen Fragen, ob Konstruktion, Materialwahl, Ausstattung und Größendimension der Hochsitze wegen besonders widriger Bedingungen an beiden Standorten zwingend erforderlich sind, um eine ordnungsgemäße Jagd zu gewährleisten, und wie sich dies bejahendenfalls auf die Genehmigungsfähigkeit auswirkt, sind dem Genehmigungsverfahren selbst vorzubehalten. Für die hier allein maßgebliche und vorgelagerte Frage, ob eine Befreiung von der Genehmigungspflicht eingreift oder eine präventive Kontrolle der baurechtlichen Zulässigkeit der Vorhaben stattzufinden hat, spielen diese Erwägungen keine Rolle.

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b) Das Verwaltungsgericht hat weiter zutreffend angenommen, dass die Hochsitzanlagen im Falle der zugunsten des Klägers unterstellen Genehmigungsfreiheit nach § 62 Abs. 1 Nr. 7d LBauO jedenfalls aber gemäß §§ 17 Abs. 3, 15 Abs. 5, 14 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. §§ 1 Nr. 1a, 2 Nr. 1a NatLandEingrV einer naturschutzrechtlichen Genehmigung bedürften; somit war die auf die Genehmigungsfreiheit abzielende Feststellungsklage auch aus diesem Grunde abzuweisen. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht die Vorhaben zutreffend als jeweiligen Eingriff in Natur und Landschaft gewertet. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden. Das Vorbringen des Klägers zu der Frage, ob die widrigen Jagdbedingungen die Vorhaben in dieser Form erfordern, wird – wie oben zur Frage des Baugenehmigungsverfahrens erläutert – erst im Genehmigungsverfahren zu prüfen sein.

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2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Dies würde voraussetzen, dass die Klärung einer bislang ober- oder höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Frage aus Gründen der Einheit oder Fortentwicklung des Rechts geboten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 2015 – 4 B 24.15 –, juris Rn. 15 [zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO]; Seibert, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 124 Rn. 142). Aus den Ausführungen unter 1. ergibt sich jedoch, dass die vom Kläger aufgeworfene Frage, wie die Nutzfläche eines Hochsitzes i.S.d. § 62 Abs. 1 Nr. 7d LBauO zu bestimmen ist, bereits nicht entscheidungserheblich ist.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

19

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.

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