Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (3. Senat) - 3 B 11113/21

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 6. August 2021 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

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Die nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Landesdisziplinargesetz – LDG – statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

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Das Verwaltungsgericht hat den vom Antragsteller auf der Grundlage von § 80 Abs. 1 LDG gestellten Antrag, mit dem dieser sich im Wege der Antragshäufung (§ 21 LDG i.V.m. § 44 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –) gegen die vorläufige Dienstenthebung sowie die Einbehaltung von 50 % seiner Dienstbezüge wendet, zu Recht abgelehnt. Denn an der Rechtmäßigkeit der Anordnung des Antragsgegners vom 15. Januar 2021, durch die der Antragsteller gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 LDG des Dienstes enthoben worden ist, bestehen ebenso wenig ernstliche Zweifel im Sinne von § 80 Abs. 1 LDG wie an der weiteren Verfügung des Antragsgegners vom 11. Februar 2021, mit der gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 LDG ein Teil der Dienstbezüge des Antragstellers (in Höhe von 50 v. H.) einbehalten wurden. Dabei tritt der Antragsteller der Höhe der einbehaltenen Bezüge mit seiner Beschwerde schon nicht substantiiert entgegen, so dass diese auch vom Senat als zutreffend zugrunde zu legen ist.

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1. Ernstliche Zweifel im Sinne von § 80 Abs. 1 LDG sind gegeben, wenn im Aussetzungsverfahren bei einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die zur Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen führen. Es ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit der Anordnung nach § 45 LDG sprechenden Gründe überwiegen; der Erfolg des Antrags muss nicht wahrscheinlicher sein als der Misserfolg. Es reicht aus, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg (vgl. zu der inhaltsgleichen bundesrechtlichen Vorschrift [§ 63 Bundesdisziplinargesetz
– BDG –]: BVerwG, Beschluss vom 28. November 2019 – 2 VR 3.19 –, juris Rn. 22; Beschluss vom 12. August 2021 – 2 VR 6.21 –, juris Rn. 10; sowie OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. Mai 2005 – 3 ZD 1/05 –, juris Rn. 4; HessVGH, Beschluss vom 24. März 2016 – 28 A 2764/15.D –, juris Rn. 32). Von einem solchen Grad an Wahrscheinlichkeit kann jedoch vorliegend nicht ausgegangen werden.

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Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 LDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren wegen eines endgültigen Vertrauensverlustes des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 LDG) voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Unter denselben Voraussetzungen kann die Behörde nach § 45 Abs. 2 Satz 1 BDG auch anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 % der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden.

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Die in § 45 LDG für den Dienstherrn eines Beamten zur Verfügung stehenden Anordnungen stehen grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Disziplinarbehörde (vgl. Urban, in: Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl. 2017, § 38 Rn. 28). Die gerichtliche Prüfung ist deshalb gemäß § 21 LDG i.V.m. § 114 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, ob der Antragsgegner die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. Urban, a.a.O., § 63 Rn. 16). Vorliegend ist jedoch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit in Zweifel zu ziehen, dass gegen den Antragsteller im weiteren Disziplinarverfahren voraussichtlich die schärfste disziplinarrechtliche Sanktion verhängt werden wird. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand sprechen – im Gegenteil – hinreichend gewichtige Gründe für eine Vertretbarkeit der dahingehenden Erwartung des Antragsgegners.

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Das Merkmal „voraussichtlich“ in § 45 Abs. 1 Satz 1 LDG verlangt nicht, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgesprochen werden wird. Für die Entscheidung über einen Aussetzungsantrag ist es vor allem nicht erforderlich, dass das dem Beamten vorgeworfene Dienstvergehen zum Zeitpunkt der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienstbezügen bereits in vollem Umfang nachgewiesen und aufgeklärt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. November 2019 – 2 VR 3.19 –, juris Rn. 21; Urban, a.a.O., § 38 Rn. 14). Da im Zusammenhang mit verwaltungsgerichtlichen Überprüfungen von Maßnahmen nach § 45 LDG für eingehende Beweiserhebungen kein Raum ist, beschränkt sich die Prüfung des Sachverhalts auf die Frage, ob anhand des bisherigen Ermittlungsergebnisses unter Berücksichtigung der vorhandenen Beweismittel und von Rückschlüssen, die durch die allgemeine Lebenserfahrung gerechtfertigt sind, zumindest der hinreichend begründete Verdacht eines Dienstvergehens besteht, das mit einem ausreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit zur Entfernung des Beamten aus dem Dienst führen wird (vgl. OVG RP, Beschlüsse vom 18. Mai 2007 – 3 B 10324/07.OVG – BeckRS 2007, 148373; und vom 27. Mai 2010 – 3 B 10571/10.OVG –, ESOVGRP; Gansen, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Loseblattkommentar, Stand April 2021, § 63 BDG Rn. 13).

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Im Hinblick auf den vorstehend dargestellten Grad von Wahrscheinlichkeit bestehen Besonderheiten, wenn bereits ein den Disziplinarvorwurf bestätigendes strafgerichtliches Urteil vorliegt. Da in einem solchen Fall die Disziplinargerichte im Hauptsacheverfahren an die tatsächlichen Feststellungen gebunden sind (vgl. § 16 Abs. 1 LDG), kann dies auch in einem Aussetzungsverfahren nach § 80 LDG, das gesetzlich als Eilverfahren ausgestaltet ist, nicht anders gehandhabt werden (vgl. Gansen, a.a.O., § 63 BDG Rn. 14).

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Gleiches gilt, wenn die Dienstbehörde einen Beamten vorläufig des Dienstes enthebt, nachdem dieser vom Verwaltungsgericht aus dem Dienst entfernt worden ist. Der dann erstmals beim Oberverwaltungsgericht gestellte Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung hat ebenso das Vorliegen eines erstinstanzlichen Urteils zu berücksichtigen, das tatsächliche und rechtliche Feststellungen enthält, die mit den Mitteln des abschließenden Erkenntnisverfahrens gewonnen wurden. Dies führt in aller Regel dazu, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Bestätigung der Verhängung der höchsten Disziplinarmaßnahme anzunehmen (vgl. für die frühere Rechtslage zu § 95 Abs. 3 Bundesdisziplinarordnung: BVerwG, Beschluss vom 14. Oktober 1998 – 1 D 65.98 –, juris Rn. 6; Baunack, in: Köhler/Baunack, BDG, 7. Aufl. 2020 § 38 Rn. 6). Werden in einem solchen Fall vom Beamten gegen die disziplinarrechtlichen Erwägungen der Dienstbehörde tatsächliche oder rechtliche Bedenken erhoben, so muss dieser sich deshalb im Einzelnen mit den tragenden Erwägungen der Vorinstanz auseinandersetzen, um einem beim Oberverwaltungsgericht gestellten Eilantrag nach § 80 LDG doch noch zum Erfolg zu verhelfen. Nicht ausreichend ist es dagegen, im Hinblick auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts bloß einen abweichenden Sachverhalt als möglich vorzutragen oder nur allgemein gehaltene rechtliche Erwägungen anzustellen, ohne die ernstlichen Zweifel in konkreter Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts im Einzelnen darzulegen.

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Abgesehen von diesem – hier nicht vorliegenden – Fall sind die Voraussetzungen des § 80 LDG aber auch in einem zweitinstanzlichen Beschwerdeverfahren an den tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts auszurichten. Auch hier muss sich die Beschwerde mit den tragenden Gründen der angefochtenen Eilentscheidung im Einzelnen auseinandersetzen. An einer solchen Befassung mangelt es der Beschwerde des Antragstellers. Vielmehr sind ernstliche Zweifel an der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung der Dienstbezüge nach den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts Trier in dem angefochtenen Beschluss, die einer Überprüfung durch den Senat standhalten, nicht gegeben.

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2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers argumentiert das Verwaltungsgericht in dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss nicht „zirkulär“ bzw. „logisch nicht nachvollziehbar“ oder „völlig verzerrt“, mit einer „rechtswidrig gewählten Argumentationskette“, „sachwidrig“, „nicht belastbar“ oder gar „willkürlich“. Die dahingehenden Rechtsbehauptungen des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 2. September 2021, aus dem sämtliche der vorstehend wörtlich zitierten Formulierungen stammen, stellen sich vielmehr durchgehend als schlicht abweichende Bewertungen der zahlreichen Indizien und aktenkundigen Erkenntnisse durch den Antragsteller dar, mit denen die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen belegt werden, ohne hierzu im Einzelnen (was erforderlich gewesen wäre) darzutun, weshalb der Vorinstanz – die sich insofern zutreffend auf die Erkenntnisse der Ermittlungsakten bezieht – in ihren Schlussfolgerungen gravierende Rechtsanwendungsfehler unterlaufen sein sollen. Solcherart pauschale und herabsetzende Äußerungen eines Antragstellers reichen in einem Verfahren nach § 80 LDG nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht ansatzweise aus, um die Argumentation eines Verwaltungsgerichts in einer Weise zu entkräften, die zu dem für den Antragsteller günstigen Ergebnis von durchgreifenden Zweifeln an der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienstbezügen führen würde. Sie werden vielmehr ohne durchgreifenden Bezug zur Aktenlage gleichsam „ins Blaue hinein“ behauptet.

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a) Soweit es um den regen Nachrichtenaustausch zwischen dem Antragsteller und dem strafrechtlich gesondert verfolgten Beschuldigten A. sowie der Kollegin K. geht, belegen die in der Disziplinarakte enthaltenen Auswertungen der Chatverläufe der verschiedenen Personen deshalb zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller tatsächlich Dienstgeheimnisse an den strafrechtlich verfolgten A. weitergegeben haben wird. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses (vgl. Beschlussabdruck, Seiten 4 bis 7). Die dort im Einzelnen aufgeführten Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichts sind entgegen der Auffassung des Antragstellers weder „zirkulär“ noch „unlogisch“ oder gar „völlig verzerrt“.

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Im Gegenteil ergibt sich aus der vollständigen Betrachtung der jeweiligen Chatverläufe, die der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 17. September 2021 – vom Antragsteller unwidersprochen – im Einzelnen auf den Seiten 3 bis 8 aufführt, mit einer für das vorliegende Eilverfahren ausreichenden Wahrscheinlichkeit, dass die dem Antragsteller vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen, die sich strafrechtlich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Verletzung von Dienstgeheimnissen und Strafvereitelung im Amt darstellen, tatsächlich vorliegen. Insofern fällt schon auf, dass der Antragsteller den Chatverlauf in einer für ihn günstigen Weise nur auszugsweise wiedergibt. Jedenfalls sind seine Erklärungs- und Umdeutungsversuche der erkennbar in konspirativer Manier in der Kommunikationsplattform „WhatsApp“ gespeicherten Äußerungen keinesfalls derart überzeugend, dass seine Beschwerde erfolgreich sein könnte.

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b) Gleiches gilt hinsichtlich des zweiten disziplinarrechtlichen Vorwurfs, wonach der Antragsteller sich bereit erklärt habe, dem Beschuldigten A. ein Kraftfahrzeugkennzeichen in den polizeilichen Datenbanken zu überprüfen. Diesem Vorwurf ist der Antragsteller schon erstinstanzlich nicht entgegengetreten. Auch mit seiner Beschwerde stellt er den Vorwurf, der sich wiederum eindeutig aus der Aktenlage ergibt, nicht mehr in Frage. Auch hierbei handelt es sich um eine schwerwiegende Dienstpflichtverletzung, die erhebliche Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers begründet.

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c) Schließlich sprechen auch überwiegende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer ungenehmigten Nebentätigkeit des Antragstellers, auch in Zeiten von zur (vollständigen) Dienstunfähigkeit führenden Erkrankungen. Auch insoweit sind die Ausführungen der Beschwerde, die dem Verwaltungsgericht vorwirft, es argumentiere mit „nicht mehr von sachlichen Erwägungen getragenen“ Feststellungen, unzutreffend. Vielmehr hat der Antragsgegner und die Vorinstanz eine ganze Reihe von Belegen herangezogen, aus denen sich ohne Weiteres der Schluss auf eine ungenehmigte Nebentätigkeit des Antragstellers als Vermittler von privaten Versicherungsverträgen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ziehen lässt.

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d) Ergänzend schließt sich der Senat den eingehenden und überzeugenden Ausführungen der Vorinstanz an und verweist auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Antragstellers in seiner Beschwerdebegründung vom 2. September 2021 in vollem Umfang auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses (§ 21 LDG i.V.m. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs. 1 LDG. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Verfahren Festgebühren erhoben werden.

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III. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 21 LDG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO).

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