Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (6. Senat) - 6 A 11212/21
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2021 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 16,97 € festgesetzt.
Gründe
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I. Der zulässige Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, da der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – nicht vorliegt.
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Zur Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO muss ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung in dem angefochtenen Urteil mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. zuletzt BVerfG, Beschlüsse vom 7. Oktober 2020 – 2 BvR 2426/17 –, juris Rn. 34, m.w.N., und vom 22. Juli 2020 – 1 BvR 561/19 –, juris Rn. 16, m.w.N.; OVG RP, Beschluss vom 21. Januar 2020 – 6 A 10583/19.OVG –, juris Rn. 4). Der Rechtsmittelführer muss hierzu darlegen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis unzutreffend ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 23. September 2021 – 7 A 10337/21.OVG –, juris Rn. 2; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
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1. Allein der Hinweis auf die – nur auszugsweise vorgelegte – „Verwaltungsanordnung ‚Gebühren und Auslagen Bereich Straßenverkehr 2017‘“, die Rechtsgrundlage für die Erhebung der „Gebühr Kostenbescheid“ sei, genügt den vorgenannten Darlegungsanforderungen nicht. Die Beklagte hat nicht ausgeführt, wer diese Verwaltungsanordnung erlassen hat, welche Rechtsqualität sie besitzt und auf welchem Wege sie zustande gekommen ist. Es spricht indes vieles dafür, die Verwaltungsanordnung als ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift anzusehen, durch die insbesondere der im Rahmen der Anwendung von § 8 Abs. 2 der Kostenordnung zum Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVGKostO) vom 11. Dezember 2001, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 3. Juni 2020 (GVBl. S. 209), eröffnete Gebührenrahmen für die zur Ausführung der Ersatzvornahme nach § 63 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes – LVwVG – und § 57 Abs. 1 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes – POG – i.V.m. § 63 LVwVG erforderlichen Amtshandlungen sowie für die mit der Ersatzvornahme im Zusammenhang stehenden Amtshandlungen von mindestens 25,00 € und höchstens 5.110,00 € ausgefüllt werden soll. Dementsprechend handelt es sich allerdings nicht um die Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung, da eine solche Verwaltungsvorschrift kein Gesetz im Sinne des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes – GG – darstellt (vgl. Sachs, Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 107, 118, jeweils m.w.N.). Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung bleibt demgegenüber allenfalls § 8 Abs. 2 LVwVGKostO.
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Zudem fehlt es an der erforderlichen Darlegung auch deshalb, weil das Verwaltungsgericht nicht nur ausgeführt hat, es gebe keine Rechtsgrundlage für die Erhebung der „Gebühr Kostenbescheid“, sondern auch darauf abgestellt hat, die Aufwendungen für die Erstellung des Kostenbescheids seien von der Verwaltungsgebühr umfasst (UA S. 12). Hierzu verhält sich die Beklagte indes nicht.
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2. Darüber hinaus bestehen die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung auch inhaltlich nicht.
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a) Durch die Normierung einer Verwaltungsgebühr für eine spezielle Amtshandlung hat der rheinland-pfälzische Verordnungsgeber hinreichend zu erkennen gegeben, dass die mit der Amtshandlung anfallenden Verwaltungsaufgaben – auf die das Verwaltungsgericht auch die Aufwendungen für den Erlass des Kostenbescheids erstreckt hat – regelmäßig als abgegolten gelten. Denn der mit der Amtshandlung verbundene – gewissermaßen übliche – Verwaltungsaufwand ist regelmäßig bereits bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 29. April 2021 – 6 A 11511/20.OVG –, juris Rn. 22). Eine Verwaltungsgebühr hat die Beklagte in Ausfüllung des von § 8 Abs. 2 LVwVGKostO vorgesehenen Rahmens bereits in Höhe von 51,00 € festgesetzt und auch als solche deklariert. Für eine über die Verwaltungsgebühr hinausgehende Ansetzung einer „Gebühr Kostenbescheid“ ist weder ein praktischer Bedarf noch eine im vorliegenden Einzelfall einschlägige gesetzliche Ermächtigung ersichtlich. Dementsprechend wäre dieser Aufwand in das Ermessen über die Festsetzung der Verwaltungsgebühr einzustellen gewesen. Für eine einheitliche Handhabung spricht insoweit auch der Wortlaut der maßgeblichen Rechtsgrundlage. So sieht § 8 Abs. 2 LVwVGKostO vor, für die zur Ausführung der Ersatzvornahme erforderlichen Amtshandlungen sowie für die mit der Ersatzvornahme im Zusammenhang stehenden Amtshandlungen werde eine Gebühr von mindestens 25,00 € und höchstens 5.110,00 € erhoben.
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b) Ernstliche Zweifel sind überdies deshalb nicht gerechtfertigt, weil auch die „Verwaltungsanordnung‚ Gebühren und Auslagen Bereich Straßenverkehr 2017‘“ nicht die Schlüsse zulässt, die die Beklagte aus ihr zieht. So sieht die Regelung zwar vor, falls ein Kostenbescheid erforderlich sei, werde zusätzlich eine Gebühr von 17,00 € erhoben; allerdings gehört diese Gebührenregelung erkennbar zu Ziffer 2.1.1.3, ist damit dem Tatbestand der „Umsetzung auf Gelände A***strasse [sic!]“ zugeordnet und offensichtlich nur für solche Fälle anwendbar. Dem hier maßgeblichen Gebührentatbestand zu Ziffer 2.1.1.1 („Leerfahrt“) ist eine solche Regelung nicht zugeordnet worden. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, die Gebührenregelung für die Notwendigkeit zum Erlass eines Kostenbescheids gelte für sämtliche Gebührentatbestände der Ziffern 2.1.1.1 bis 2.1.1.3. Hiergegen spricht bereits die nachfolgende Gebührenregelung „Standgebühr für die Verwahrung sichergestellter Kfz.je Tag“, die auf gleicher Ebene wie die Gebühr für den Kostenbescheid angesiedelt ist und denknotwendig nicht bei Leerfahrten Platz greifen kann.
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II. Der Antrag war nach alledem mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen.
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III. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes – GKG – und ergibt sich aus der Differenz zwischen der ursprünglichen Kostenhöhe in den angegriffenen Bescheiden (180,75 €) und dem im Urteilstenor der erstinstanzlichen Entscheidung genannten Betrag (163,78 €), über den die Kostenbelastung nicht hinausgehen darf.
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Referenzen
- VwGO § 124a 1x
- VwGO § 124 1x
- 2 BvR 2426/17 1x (nicht zugeordnet)
- § 8 Abs. 2 LVwVGKostO 3x (nicht zugeordnet)
- 7 A 10337/21 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 561/19 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 63 LVwVG 1x (nicht zugeordnet)
- 6 A 11511/20 1x (nicht zugeordnet)
- 6 A 10583/19 1x (nicht zugeordnet)