Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 MB 4/20
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt.
Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 20. Januar 2020 ist unwirksam.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.527,60 Euro festgesetzt.
Gründe
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Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit mit Schriftsätzen vom 2. und 29. April 2020 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Zur Klarstellung ist zugleich auszusprechen, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Januar 2020 unwirksam ist (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
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Über die Kosten des Verfahrens hat das Gericht - hier nach § 87a Abs. 1 und 3 VwGO durch die Berichterstatterin – gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Dabei entspricht es zwar regelmäßig billigem Ermessen, demjenigen die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich unterlegen wäre, wobei es im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten nicht Aufgabe des Gerichts ist, bei rechtlich und tatsächlich schwierigen Streitfällen eine abschließende Prüfung der aufgetretenen Zweifelsfragen vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 24. September 2009 - 20 F 6.09 -, juris Rn. 3 und Beschluss vom 24. Juni 2008 - 3 C 5.07 -, juris Rn. 2, jeweils m. w. N.).
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Allerdings ist es hier ermessensgerecht, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen aufzuerlegen, und zwar ohne eine solche an den voraussichtlichen Erfolgsaussichten orientierte Prüfung der vom Antragsteller am 6. Februar 2020 gegen den ihm am 27. Januar 2020 zugestellten erstinstanzlichen Beschluss eingelegten und am 17. Februar 2020 begründeten Beschwerde. Diese Sachprüfung hat der Antragsgegner gerade durch die vorzeitige Aushändigung der Ernennungsurkunden verhindert und damit zugleich den nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG gebotenen Rechtsschutz vereitelt (vgl. zum Konkurrentenverfahren: BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 – 2 C 16.09 – juris, Rn. 35 f. mit Verweis auf die Rspr. des BVerfG).
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Der Antragsgegner hat alle 50 für den Vorbereitungsdienst einzustellenden Polizeiobermeisteranwärterinnen und Polizeiobermeisteranwärter am 3. und 4. Februar 2020 ernannt, obwohl das vom Antragsteller dagegen angestrengte vorläufige Rechtsschutzverfahren noch nicht rechtskräftig - die Frist zur Einlegung der Beschwerde ist erst am 10. Februar 2020 abgelaufen – abgeschlossen war und damit die Erledigung der Hauptsache bewirkt.
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Dadurch hat er dem Antragssteller die Möglichkeit genommen, die vorläufige Freihaltung der Anwärterstelle im Beschwerdeverfahren zu erstreiten. Zugleich hat der Antragsgegner die inhaltliche Prüfung der Beschwerde verhindert, wenn er - wie hier - bereits weit vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Beschwerde und damit auch vor Ablauf der Frist zu ihrer Begründung (hier bis zum 27. Februar 2020) durch die Ernennung aller 50 Polizeiobermeisteranwärterinnen und Polizeiobermeisteranwärter zu Beamten auf Widerruf die Erledigung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens herbeiführt (vgl. zum Konkurrentenverfahren: OVG Münster, Beschluss vom 11. Mai 2010 - 6 B 412/10 -, juris, Ls 1 und Rn. 2 ff.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. Dezember 2003 - 2 ME 368/03 -, juris, Rn. 6; Clausing in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 161, Rn. 24). Denn der Senat ist bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der Beschwerde gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe beschränkt.
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An dieser auf Billigkeitserwägungen beruhenden Kostentragung zu Lasten des Antragsgegners ändert sich auch nichts, weil der Beschwerde bereits vor ihrer Erhebung am 6. Februar 2020 das Rechtschutzbedürfnis fehlte und sie damit von Anfang an unzulässig war. Insoweit war durch die Besetzung aller Anwärterstellen am 4. Februar 2020 eine sogenannte Erledigung zwischen den Instanzen eingetreten.
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Denn zum einen gelten auch dafür die oben angestellten Ermessenserwägungen, ohne dass es darauf ankommt, ob bei einem Eintritt der Erledigung zwischen den Instanzen ein Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens allein zur Herbeiführung einer günstigeren Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO überhaupt besteht (vgl. zum Streitstand nur: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2016 - 12 S 37.16 -, juris, Rn. 2 mwN.). Zum anderen hat der Antragsteller die Beschwerde eben nicht in Kenntnis des erledigenden Ereignisses mit dem Ziel, eine günstigere Kostenentscheidung zu erstreiten, eingelegt. Vielmehr ist die Erledigung erst im Beschwerdeverfahren ermittelt worden. Der Antragsgegner hat auf die Aufforderung der Berichterstatterin mit Schriftsätzen vom 23. März 2020, 2. April 2020 und 27. April 2020 mitgeteilt, dass alle 50 Anwärterstellen besetzt worden seien, d. h. die Ernennungsurkunden am 3. und 4. Februar 2020 ausgehändigt worden, Nachbesetzungen seitdem nicht erfolgt und die Dienstposten derzeit alle besetzt seien sowie weitere Planstellen nicht zur Verfügung stünden.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 6 Nr. 2 GKG (Anwärtergrundbetrag Polizeiobermeisteranwärter/ -innen, Stand: 1. Januar 2020 iHv. monatlich 1.254,60 Euro brutto).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 158 Abs. 2 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
- § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- VwGO § 158 1x
- § 52 Abs. 6 Nr. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 92 1x
- VwGO § 146 1x
- ZPO § 269 Klagerücknahme 1x
- 6 B 412/10 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 161 2x
- VwGO § 87a 1x
- VwGO § 173 1x
- 2 ME 368/03 1x (nicht zugeordnet)