Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 MB 9/20

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 9. Kammer, Einzelrichter - vom 7. Februar 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.047,62 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. Februar 2020 ist unbegründet.

2

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen ihre mit Bescheiden der Antragsgegnerin vom 7. September 2018 für den Ausbau der Dahlmannstraße erfolgte Heranziehung zu Ausbaubeiträgen in Höhe von € 5177,33 (Kassenzeichen …), € 1514,31 (Kassenzeichen …), € 1882,66 (Kassenzeichen …) und € 81,85 (Kassenzeichen …). Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 7. Februar 2020 teilweise die aufschiebende Wirkung der gegen die Bescheide erhobenen Klage angeordnet und zur Begründung unter anderem ausgeführt, dass das Grundstück der Antragstellerin zwar in die Verteilung mit einzubeziehen sei, entgegen der Berechnung der Beklagten jedoch gemäß § 7 Abs. 1 der Satzung der Landeshauptstadt Kiel über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung, den Aus- und Umbau und die Erneuerung öffentlicher Straßen, Wege und Plätze (Ausbaubeitragssatzung – ABS –) nur mit einem Faktor von 1,5 zu gewichten sei, da lediglich eine dreigeschossige und keine viergeschossige Bebauung vorliege. Im Übrigen würden sich die streitgegenständlichen Bescheide jedoch aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen.

3

Die zur Begründung der Beschwerde dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

4

Die von der Antragstellerin begehrte Anordnung hat zu erfolgen, wenn ihre Klage keine aufschiebende Wirkung entfaltet – was angesichts des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO der Fall ist – und eine Interessenabwägung ergibt, dass ihr Aussetzungsinteresse das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Var. VwGO). Im Rahmen dieser Abwägung finden vor allem die Erfolgs-aussichten in der Hauptsache bei einer summarischen Prüfung Berücksichtigung. Ist der Bescheid offensichtlich rechtswidrig beziehungsweise bestehen in Anlehnung an § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, so überwiegt in der Regel das Aussetzungsinteresse. Ist der Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in der Regel das Vollziehungsinteresse. Ernstliche Zweifel liegen dabei bereits dann vor, wenn der Erfolg einer Klage oder eines Rechtsmittels zumindest ebenso wahrscheinlich wie ihr Misserfolg ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Juni 1998 – 2 M 7/98 –, Juris Rn. 20 und vom 21. Juli 2016 – 2 MB 12/16 –, Juris Rn. 4). Ernstliche Zweifel in diesem Sinne legt das Beschwerdevorbringen indes nicht dar.

5

Soweit die Antragstellerin zunächst geltend macht, die aufschiebende Wirkung der gegen die streitgegenständlichen Bescheide erhobenen Klage sei bereits deshalb in vollem Umfang anzuordnen, da die Antragsgegnerin die – aufgrund der unzutreffenden Einordnung der Bebauung – unstreitig um 6 % überhöhte Inanspruchnahme der Antragstellerin lediglich im Rahmen fiktiver Bescheide anerkannt habe, verfängt dies nicht. Die im Eilverfahren nur mögliche summarische Überprüfung der Abgabenerhebung beschränkt sich im Wesentlichen darauf, ob der angefochtene Bescheid auf einer wirksamen Rechtsgrundlage beruht, ob die (vorläufig) abgerechnete Maßnahme beitragsfähig und das herangezogene Grundstück beitragspflichtig sind und ob sich die Höhe des geforderten Beitrages nach den konkreten Umständen in etwa in einer Größenordnung bewegt, die auch bei einer abschließenden Prüfung im Hauptsacheverfahren erwartet werden kann . Deshalb führen Bedenken des Abgabenpflichtigen, die allenfalls Auswirkungen auf die Höhe der angeforderten Abgabe in geringerer Höhe haben können, nicht zur vollständigen, sondern ggfs. zur teilweisen Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. September 2019 – 6 B 11122/19 –, Juris Rn. 5-6, wonach bei geringfügigen Auswirkungen auf die Höhe der Abgabe eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch nur in diesem Umfang nicht angezeigt sei).

6

Das Beschwerdevorbringen, auch hinsichtlich weiterer Grundstücke im Abrechnungsgebiet sei mit der Folge, dass die Summe der Beitragsflächen und damit auch der fiktiv errechnete Beitragssatz weiterhin fehlerhaft sei, eine unzutreffende Bebauung zugrunde gelegt worden, greift ebenfalls nicht durch. Sollte dies – wie die Antragsgegnerin zwar selbst erstinstanzlich in den Raum gestellt hat (vgl. Bl. 79 d. GA) – bei weiteren Grundstücken der Fall sein, und deshalb eine unzutreffende Bebauung und damit ein geringerer Faktor mit der Folge einer sich weiter verringernden Gesamtbeitragsfläche anzunehmen sein, streitet dies zumindest nicht für die Antragstellerin. Dieser Umstand – als zutreffend unterstellt – kann allenfalls zur Folge haben, dass sich aufgrund einer geringeren Gesamtbeitragsfläche ein höherer Beitragssatz je Quadratmeter ergibt. Eine weitere Reduzierung der Beitragslast der Antragstellerin kann dies jedoch gerade nicht zur Folge haben.

7

Die weitere Rüge, Motivation der Baumaßnahme sei nicht die Sanierung der Straße und der Einbau einer Frostschutzschicht, sondern die Verlegung einer neuen Fernwärmeleitung gewesen, weshalb zumindest eine geschätzte Ersparnis der Antragsgegnerin in die Aufwandsermittlung habe eingestellt werden müssen, kann der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Insoweit hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend dargestellt, dass es keines straßenausbaubeitragsrechtlichen Ausgleichs dafür bedarf, dass sich eine Wiederherstellung der (alten) Fahrbahn aus Anlass etwa einer Kanalbaumaßnahme wegen der gleichzeitigen Erneuerung der Fahrbahn erübrigt und die Kanalbaumaßnahme damit kostengünstiger ausfallen kann. Eine teilweise in der Rechtsprechung für erforderlich gehaltene schätzungsweise Veranschlagung der fiktiven Kosten einer Wiederherstellung der alten Fahrbahn nach anderweitigen Erfahrungssätzen der Gemeinde und eine nach dem Verhältnis der durch die Baumaßnahmen betroffenen Flächen von Kanal und Straße zu bemessende Aufteilung einer geschätzten Ersparnis (vgl. hierzu etwa OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Juli 2010 – 15 A 1189/10 –, Juris Rn. 32; Hessischer VGH, Beschluss vom 18. August 2010 – 5 B 1254/10 –, Juris Rn. 5; OVG Saarland, Urteil vom 29. September 2005 – 1 R 9/05 –, Juris Rn. 45) würde ohne Not und rechtliche Veranlassung einen Fremdkörper in die Grundsätze der straßenausbaubeitragsrechtlichen Aufwandsermittlung einführen, der im Übrigen mit erheblichem Aufwand sowie gesteigerter Fehleranfälligkeit und Rechtsunsicherheit für die Gemeinden verbunden wäre und zudem konsequenterweise im Hinblick auf jede andere Maßnahme – wie etwa die Verlegung von Versorgungsleitungen – betrieben werden müsste, die nicht direkt den Straßenausbau betrifft (vgl. OVG für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 10. August 2012 – 4 LB 3/12 –, Juris Rn. 55; Habermann in: Habermann/ Arndt, Kommentar zum Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein , § 8 Rn 304; Thiem/Böttcher, Kommunalabgabengesetz Kommentar <24. Lieferung / Stand 2019>, § 8 Rn. 447a ff.). Die Motivationslage dafür, weshalb zu welchem Zeitpunkt eine Straßenausbaumaßnahme vorgenommen wird, stellt sich vielmehr als irrelevant dar, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung eines Ausbaubeitrages insgesamt vorliegen. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend bejaht und wird vom Beschwerdevorbringen auch nicht angegriffen.

8

Der Verweis der Antragstellerin, die vor der Ausbaumaßnahme vorhandenen Granitgroßpflastersteine seien von der Antragsgegnerin gut zu gebrauchen gewesen und ihr Wert sei deshalb aufwandsmindernd zu berücksichtigen, ist ebenfalls nicht geeignet eine Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide zu begründen. Ein solcher (fiktiver) Wert der aufgenommenen Granitgroßpflastersteine war – wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend annimmt – bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes nicht mindernd zu berücksichtigen, weil für den Aufwand nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KAG allein die tatsächlich entstandenen Kosten maßgeblich sind und die Aufnahme von (wenn auch werthaltigem) Altmaterial nicht mit einem Wertzufluss an die Gemeinde, die nach wie vor Eigentümerin des vormals in die Straße verbauten Materials bleibt, verbunden ist (vgl. OVG für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 10. August 2012 – a.a.O. –, Juris Rn.. 57 mwN.; Habermann in: Habermann/ Arndt, Kommentar zum Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein , § 8 Rn 307; a.A. OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 L 207/10 –, Juris Rn. 7 mwN.). Dies gilt auch für den Fall, dass die aufgenommenen Steine im Rahmen einer anderen Straßenbaumaßnahme wiederverwendet werden. Zwar entstehen der Gemeinde dort dann keine (erneuten) tatsächlichen Materialkosten. Die Wiederverwertung bleibt jedoch kostenneutral (vgl. Urteil des Senats vom 30. April 2003 – 2 LB 105/02 –, NordÖR 2003, Seite 424; a.A. unter Bezugnahme auf überholte Rechtsprechung des Senats wohl Thiem/Böttcher, Kommunalabgabengesetz Kommentar <24. Lieferung / Stand 2019>, § 8 Rn. 440 mwN.). Letztlich sieht die Ausbaubeitragssatzung der Antragsgegnerin hier auch keine Verpflichtung zur Gegenrechnung des Wertes des aufgenommenen Altmaterials vor (vgl. zu dieser Möglichkeit Habermann in: Habermann/ Arndt, Kommentar zum Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein , § 8 Rn 307).

9

Zuletzt vermag auch das Beschwerdevorbringen, die Antragstellerin sei nicht als Anliegerin der Dahlmannstraße, sondern des Philosophengangs, der eine eigenständige Einrichtung darstelle, anzusehen, keine ernstlichen Zweifel an dem Ergebnis des erstinstanzlichen Beschlusses darzulegen. Die Einrichtung iSd. § 8 Abs. 1 KAG ist zwar regelmäßig die im Gemeindegebiet verlaufende Straße in ihrer gesamten Ausdehnung. Für die Feststellung der räumlichen Ausdehnung der Einrichtung iSd. § 8 Abs. 1 KAG ist dabei jedoch, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise und ungeachtet einer etwa wechselnden Straßenbezeichnung, auf das Erscheinungsbild eines Straßenzuges (z.B. die Straßenführung, Straßenbreite und -länge, Straßenausstattung, Zahl der „erschlossenen“ Grundstücke), seine Verkehrsfunktion sowie auf vorhandene Abgrenzungen (Kreuzungen, Einmündungen), die eine Verkehrsfläche augenfällig als eigenständiges Element des Straßennetzes erscheinen lassen, abzustellen. Maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht (stRspr. des Senats, vgl. Urteil vom 21. Oktober 2009 – 2 LB 15/09 –, Juris Rn. 52 m.w.N.).

10

Das Verwaltungsgericht hat danach zurecht zugrunde gelegt, dass die Antragstellerin (zumindest) Anliegerin des ausgebauten Teilbereiches der Dahlmannstraße ist. Die dies begründenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Beschlussabdruck Seite 9 f.) teilt der Senat – auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens – uneingeschränkt. Das Verwaltungsgericht geht insoweit zutreffend davon aus, dass durch die Neugestaltung der Dahlmannstraße und dabei insbesondere des Kreuzungsbereiches zum Philosophengang nicht (mehr) von zwei eigenständigen Einrichtungen auszugehen ist, sondern der Teilbereich der Dahlmannstraße vom Lorentzendamm kommend bis zur Einmündung zum Philosophengang, sowie der Philosophengang selbst nunmehr eine einheitliche Einrichtung darstellen. In Ansehung der neu geschaffenen beidseitigen Führung der Gehwege von dem ersten Teilbereich der Dahlmannstraße um die Kurve in den Philosophengang, stellt dies – wie auch vom Verwaltungsgericht angenommen – jetzt den natürlichen Verlauf der Einrichtung dar. Der nach Auffassung der Antragstellerin auch nach Abschluss der Maßnahme fortbestehende unterschiedliche Ausbauzustand des Philosophenganges und der Dahlmannstraße insbesondere in Bezug auf Straßenbelag und Gehwege (vgl. auch die entsprechenden Lichtbilder, Beiakte A Bl. 178-183), ist nach Auffassung des Senats nicht derart gravierend, dass trotz der Umgestaltung des Einmündungsbereiches der Eindruck fortbesteht eine neue Einrichtung zu betreten. Die Unterschiede treten bei natürlicher Betrachtungsweise in der Gesamtschau vielmehr zurück, sodass ihnen keine Zäsurwirkung zukommt.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

12

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen