Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 MB 12/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Antragsteller begehrt die Zuerkennung des Status eines Betroffenen des Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der 19. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat mit Beschluss vom 23. Februar 2018 (vgl. PlPr 19/24, S. 1631 <1642> sowie dazu den Antrag vom 20.02.2018, Landtags-Drucksache 19/520 <neu> 2. Fassung, und die Konkretisierung und Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes gemäß § 3 Abs. 2 des Untersuchungsausschussgesetzes vom 22.02.2018, Landtags-Drucksache 19/551 <neu>) den Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages eingesetzt. Gegenstand des Untersuchungsausschusses sind im Wesentlichen die Hintergründe der in den Medien ab Mai 2017 berichteten Vorwürfe gegen die Landespolizei wegen Unterdrückung möglicher entlastender Hinweise in einem Strafverfahren, Mobbinghandlungen zum Nachteil von zwei ehemaligen Ermittlungsbeamten der SoKo „Rocker“ beim Landeskriminalamt (LKA) Schleswig-Holstein durch Vorgesetzte, Bildung eines „Netzwerkes“ im Bereich der Führung der Landespolizei zur Einflussnahme auf Personalentscheidungen sowie Mängel in der Personalführungskultur in der Landespolizei (vgl. Landtags-Drucksache 19/520 <neu> 2. Fassung, Seite 1, sowie in weiteren Details Seite 1-5 und Landtags-Drucksache 19/551 <neu>, Seite 1-2) . In dem Beschluss werden neun Komplexe sowie diesbezügliche Einzelfragen konkretisiert (vgl. Landtags-Drucksache 19/520 <neu> 2. Fassung, Seite 6-18, sowie Landtags-Drucksache 19/551 <neu>, Seite 2-4).
- 3
Der Antragsteller war bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2016 Beamter im Dienst des Landes Schleswig-Holstein, zuletzt als stellvertretender Leiter der Polizeiabteilung des Innenministeriums sowie Leiter deren Referat „Recht der Polizei“.
- 4
In seiner Sitzung am 12. November 2018 beschloss der Antragsgegner, den Antragsteller zu den Komplexen 1 bis 6 als Auskunftsperson zu vernehmen.
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Mit Schreiben vom 4. April 2019 beantragte der Antragsteller die Einstufung als Betroffener. Der Bericht des Sonderbeauftragten Buß gehe in mindestens zwei Kapiteln Mobbingvorwürfen gegen ihn, den Antragsteller, nach. Die Unterfrage 5.2 sei maßgeblich durch ihn und in seinem Entscheidungsbereich getroffene Entscheidungen zu beantworten. Er habe als Justiziar die Konkurrenz zwischen Verfolgung identischer Vorwürfe mittels Klagen vor dem Verwaltungsgericht einerseits und vor dem verwaltungsinternen Mobbing-Gremium andererseits aufzulösen gehabt, die Frage habe daher zentral sein Handeln im Fokus.
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In seiner Sitzung am 29. April 2019 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Die Untersuchung richte sich deren Gegenstand nach nicht gegen den Antragsteller. Es handele sich um eine Sach-Enquete, nicht um eine personenbezogene Enquete. Er, der Antragsgegner, untersuche einen möglichen Missstand, einen Systemfehler, nicht die Verantwortlichkeit einzelner Beamter. Irrelevant seien sowohl Einzeläußerungen als auch Presseäußerungen und Einschätzungen aus dem Innenministerium, einschließlich des dortigen Sonderbeauftragten Buß. Allein der Zusammenhang mit dem dienstlichen Wirken des Antragstellers führe nicht ohne Weiteres zu einer Betroffenenstellung.
- 7
Am 3. November 2020 beantragte der Antragsteller vor dem Hintergrund der Entscheidung des Senats vom 8. September 2020 (Beschl. d. Senats v. 08.09.2020 - 3 MB 29/20 -, juris) betreffend den ehemaligen Direktor des Landespolizeiamts (LPA) erneut die Einstufung als Betroffener. Dies lehnte der Antragsgegner am 23. November 2020 ab.
- 8
Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 22. Dezember 2020, der sinngemäß darauf gerichtet gewesen ist, den Antragsgegner im Sinne einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, zu Gunsten des Antragstellers die Eigenschaft als Betroffener im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 Untersuchungsausschussgesetz festzustellen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. März 2021 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsteller sei kein Betroffener im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 UAG. Weder der durch den Einsetzungsbeschluss umrissene Untersuchungsgegenstand selbst noch der den Untersuchungsgegenstand ergänzende Fragenkatalog ließen erkennen, dass sich die hier streitgegenständliche Untersuchung (auch) gegen die Person des Antragstellers richte. Der Antragsteller werde im Untersuchungsgegenstand weder namentlich genannt noch würden explizit ihm gegenüber Vorwürfe erhoben, die straf- oder disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnten. Auch ließen eine Zusammenschau des Untersuchungsgegenstandes sowie der dazugehörigen Fragen keine Rückschlüsse auf die Person des Antragstellers erkennen. Der Untersuchungsgegenstand diene vielmehr losgelöst von der Person des Antragstellers und dessen damaliger Funktion als stellvertretender Polizeiabteilungsleiter und Leiter des Referats „Recht der Polizei“ im Innenministerium vordergründig der Aufarbeitung eines umfassenden Sachverhalts sowie der Aufdeckung von Missständen bei der schleswig-holsteinischen Landespolizei, um ggf. Schlussfolgerungen für ihren Zustand für die Zukunft ziehen zu können.
- 9
Der Umstand, dass der Antragsteller im maßgeblichen Untersuchungszeitraum in seiner Funktion als stellvertretender Polizeiabteilungsleiter und Referatsleiter nach eigenen – nicht näher glaubhaft gemachten – Angaben u. a. weitreichende Entscheidungen im Zusammenhang mit der Arbeit der „Mobbing-Kommission“ getroffen habe und daher mit den vom Antragsgegner zu untersuchenden Vorgängen in Berührung gekommen sein soll, führe selbst bei Wahrunterstellung nicht dazu, dass er zwingend als Betroffener einzustufen sei.
- 10
Anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des Senats im Beschluss vom 8. September 2020 (3 MB 29/20) betreffend den früheren Landespolizeidirektor. Der Antragsteller, der sich aus für das Gericht nicht nachvollziehbaren Gründen selbst zum Kreis der Polizeiführung zähle, sei auch aufgrund seiner Funktion als Referats- und stellvertretender Abteilungsleiter nicht zu dem Kreis der Vorgesetzten zu zählen, deren Verhalten im Zusammenhang mit Mobbing-Vorwürfen explizit untersucht werden solle.
- 11
Auch soweit der Bericht des Sonderbeauftragten Buß angeblich Vorwürfe gegen die Person des Antragstellers begründe – die der Antragsteller im Übrigen nicht hinreichend substantiiert darlege –, begründe dies nicht die Betroffeneneigenschaft.
- 12
Soweit der Antragsteller auf die Äußerungen eines Ausschussmitglieds in einem Artikel des Flensburger Tageblatts – der dem Gericht nicht vorliege – hinweise und auf diese Weise seine Eigenschaft als Betroffener herzuleiten versuche, begründeten bloß nachteilige Auswirkungen auf das Ansehen sowie eine negative Presseberichterstattung und öffentliche Äußerungen von Ausschussmitgliedern ebenfalls keine Betroffeneneigenschaft.
- 13
Im Übrigen seien die rechtlichen Interessen des Antragstellers durch die ihm in seiner Eigenschaft als Auskunftsperson zustehenden Rechte hinreichend geschützt. Er könne gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 UAG Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Es bestehe daher kein Bedürfnis, ihn darüber hinaus als Betroffenen anzuerkennen, da der Untersuchungsgegenstand sich jedenfalls zum Entscheidungszeitpunkt nicht unmittelbar gegen seine Person richte. Dies schließe die spätere Zuerkennung nicht aus, falls sich die Betroffeneneigenschaft erst im Verlauf der Untersuchung ergeben sollte.
- 14
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 9. April 2021 Beschwerde eingelegt.
- 15
Er macht geltend, die Untersuchung des Antragsgegners erfolge (auch) ad personam. Der Untersuchungsgegenstand sei auf Fernziele gerichtet, die gegebenenfalls Organisationsstrukturen und Systemoptimierungen in der Landespolizei beträfen. Ob es derer bedürfe, hänge von der Klärung von Fehlverhaltensweisen in der Landespolizei ab, die daher notwendiges Zwischenziel des Antragsgegners seien.
- 16
Er sei als stellvertretender Polizeiabteilungsleiter nach dem Geschäftsverteilungsplan des Innenministeriums im Vertretungsfall Dienst- und Fachvorgesetzter der Leitung des LKA sowie des LPA gewesen. Vertretungsfall sei fortlaufend gewesen, nicht nur bei Urlaubs-, Fortbildungs-, oder Krankheitszeiten, sondern bei jeder anderweitigen Inanspruchnahme des Polizeiabteilungsleiters.
- 17
In dieser Eigenschaft habe er als amtierender Abteilungsleiter dem Mobbing-Gremium das Mandat genommen, die Mobbingvorwürfe des Herrn D. weiter zu bearbeiten, nachdem dieser nach Vorkorrespondenz mit seinen wechselnden Anwälten Klagen vor das Verwaltungsgericht getragen habe, die denselben Gegenstand gehabt hätten wie derjenige, mit dem sich der Mobbingausschuss beschäftigen solle. Der Antragsgegner könne sich schlecht mit dem Vorgehen im Mobbingausschuss beschäftigen, ohne sich mit der Verfahrensweichenstellung des Antragstellers auseinanderzusetzen. Das Schreiben mit den Mobbingvorwürfen sei der Ausgangspunkt für den gesamten angeblichen Polizeiskandal und die Vorwürfe des Mobbings, der Strafvereitelung, der Freiheitsberaubung im Amt eines Inhaftierten und der Aktenunterdrückung, später für die Auswechselung der Polizeispitze, später für die Einsetzung des Sonderbeauftragten Buß und später für den Untersuchungsauftrag des Landtages gewesen.
- 18
Der Antragsgegner habe auch die Berichte des vom damaligen Innenminister beauftragten Sonderbeauftragten Buß sowie einer auf dessen Grundlage tätigen Arbeitsgruppe seiner Arbeit zugrunde gelegt. Beide Berichte seien ohne die Gewährung rechtlichen Gehörs zustande gekommen.
- 19
Das Interview des Abgeordneten und Ausschussmitglieds E. mit dem Flensburger Tageblatt beziehe sich auf einen mehrseitigen Ergebnisvermerk eines Gesprächs, das er, der Antragsteller, als stellvertretender Abteilungsleiter mit der Leitung der Staatsanwaltschaft F-Stadt geführt habe gleich im Anschluss an den Eingang des Schreibens, mit dem die Mobbing- und Aktenmanipulationsvorwürfe des Polizisten D. ans Innenministerium herangetragen worden seien. Der Vermerk habe mit einer To-Do-Liste mit Aufträgen an das Landeskriminalamt und das Mobbinggremium geendet. Im Bericht des Sonderbeauftragten Buß seien an vielen Stellen Mobbing-Vorwürfe des Herrn D. gegen ihn, den Antragsteller, explizit abgearbeitet. Diese seien anschließend im Innenministerium in einer Arbeitsgruppe ausführlich auf disziplinäre Konsequenzen untersucht worden. Es gebe einen Abschlussbericht der Arbeitsgruppe, der ihm, dem Antragsteller, mit auf ihn bezogenen Auszügen bekannt gemacht worden sei. Der Antragsgegner sei öffentliche Gewalt und müsse sich auch undiszipliniertes Verhalten seiner Mitglieder außerhalb seiner Sitzungen zurechnen lassen.
- 20
Der Antragsteller beantragt,
- 21
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schleswig - 6. Kammer - vom 24. März 2021 aufzuheben und ihn im Wege der einstweiligen Anordnung als Betroffenen nach § 18 UAG einzustufen.
- 22
Der Antragsgegner beantragt,
- 23
die Beschwerde zurückzuweisen.
- 24
Der Untersuchungsgegenstand richte sich nicht gegen den Antragsteller. Dass die Untersuchungen auch Handlungen und Entscheidungen von Personen berührten, um dem erteilten Auftrag entsprechend Erkenntnisse zu systemischen und generellen Missständen zu erlangen, bedeute nicht, dass alle Personen, die im Rahmen der behandelten Geschehnisse aktiv gewesen seien, zum Kern der Untersuchungen zählten und als Betroffene einzustufen seien.
- 25
Ob ministerielle Entscheidungen, die der Antragsteller vorbereitet haben möge, auch vom Antragsteller zu verantworten seien, könne ungeklärt bleiben. Für die Entscheidung des Gerichtes im vorliegenden Verfahren sei die abstrakte Rolle des Antragstellers und die genaue Definition von Führungs- oder Spitzenkreisen letztlich ohne Bedeutung. Entscheidend sei allein, ob der Untersuchungsgegenstand ihm, dem Antragsgegner, vorgebe, zentral gegen diese Person zu ermitteln und Vorwürfe ihr gegenüber aufzuklären. Konkrete Anhaltspunkte für Vorwürfe oder gebotene Ermittlungen gegen den Antragsteller seien im Untersuchungsauftrag nicht zu finden.
- 26
Es sei irrelevant, ob die Vorwürfe gegenüber dem Antragsteller im Bericht des Sonderbeauftragten Buß zutreffend wiedergegeben worden seien, weil dieser Bericht weder den Auftrag noch die Ergebnisse der Untersuchung vorgebe oder auch nur beeinflusse. Er, der Antragsgegner, habe zwar die Beauftragung und die Entstehung des Berichtes des Sonderbeauftragten zu würdigen, nicht aber dessen Inhalt, was sich allein schon daraus ergebe, dass die Fertigstellung des Berichtes außerhalb des vorgegebenen Untersuchungszeitraumes liege. Wenn der Antragsteller sich durch die Beauftragung, das Vorgehen oder die Ergebnisse des Sonderbeauftragten benachteiligt fühle, sei er, der Antragsgegner, der falsche Adressat, um sich dagegen zu wehren.
- 27
Darüber hinaus könne aus der Beiziehung einzelner Unterlagen nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, ob und wenn ja in welcher Form und welchem Umfang diese von ihm, dem Antragsgegner, zur Beantwortung der ihm gestellten Untersuchungsfragen verwertet würden.
II.
- 28
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 24. März 2021 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.
- 29
Der Antragsteller hat auch unter Berücksichtigung seines Beschwerdevorbringens das Vorliegen eines Anordnungsanspruches auf Anerkennung als Betroffener im Verfahren des Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der 19. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages nicht glaubhaft gemacht.
- 30
Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse (Untersuchungsausschussgesetz – UAG) vom 17. April 1993 (GVOBl. S. 145) in der Fassung vom 12. ;November 2014 (GVOBl. S. 328) sind Betroffene natürliche und juristische Personen, gegen die sich nach dem Sinn des Untersuchungsgegenstandes die Untersuchung richtet. Die Vorschrift – wie das Untersuchungsausschussgesetz als Ganzes – beruht auf Art. 24 Abs. 6 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung vom 2. Dezember 2014 (GVOBl. S. 344) (zuletzt geändert mit Gesetz vom 20.04.2021 <GVOBl. S. 438> – LV). Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 LV hat der Landtag das Recht und auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder die Pflicht, zur Aufklärung von Tatbeständen im öffentlichen Interesse einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ist von großer Bedeutung für das parlamentarische Regierungssystem, das grundlegend durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt ist. Auch wenn der Akt der Einsetzung zunächst lediglich parlamentsinterne Wirkung entfaltet, können aufgrund der hohen Publizitätswirkung des Einsetzungsbeschlusses im Einzelfall nicht nur unerhebliche Grundrechtsbeeinträchtigungen hiervon ausgehen. Ein Eingriff in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht liegt vor, wenn sich der Untersuchungsauftrag ausdrücklich gegen bestimmte Personen richtet – das Untersuchungsausschussgesetz des Landes Schleswig-Holstein räumt diesen Personen den rechtlichen Status sogenannter Betroffener gemäß § 18 UAG ein (vgl. dazu Beschl. d. Senats v. 08.09.2020 - 3 MB 29/20 -, juris Rn. 20-21 m.w.N.).
- 31
Beim Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages handelt es sich zwar nicht um eine rein sachbezogene Enquete, sondern um eine auch personenbezogene Missstandsenquete (vgl. Beschl. d. Senats v. 08.09.2020, a.a.O., juris Rn. 22). Diese richtet sich jedoch nicht gegen den Antragsteller.
- 32
In der Parlamentspraxis hat sich neben der Sachstandsenquete die Missstandsenquete zunehmend in den Vordergrund geschoben. Als Hauptaufgabe hat sich im Verlauf dieser Entwicklung ergeben, Sachverhalte, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt, zu untersuchen und dem Parlament darüber Bericht zu erstatten. Die Untersuchung zielt regelmäßig nicht nur auf die Aufklärung von Geschehnissen, sondern zugleich auf die Aufklärung der Verantwortlichkeit einer Person für die Geschehnisse. Beim Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages handelt es sich um eine Missstandsenquete. Der Untersuchungsauftrag ist dahingehend zu verstehen, dass Untersuchungsgegenstand nicht lediglich strukturelle Probleme, sondern auch die Rolle der Verantwortlichen sein sollen. Denn nach dem Untersuchungsauftrag des Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses geht es darum, Missständen und Mobbing-Vorwürfen im Bereich der Landespolizei nachzugehen und dabei auch die personelle Führungsebene in den Blick zu nehmen. Insoweit spricht der Untersuchungsauftrag unter anderem von „Mobbinghandlungen zum Nachteil von zwei ehemaligen Ermittlungsbeamten der SoKo ‚Rocker‘ beim LKA Schleswig-Holstein durch Vorgesetzte, Bildung eines ‚Netzwerkes‘ im Bereich der Führung der Landespolizei zur Einflussnahme auf Personalentscheidungen sowie Mängel in der Personalführungskultur in der Landespolizei“. Die näheren Ausführungen zum Untersuchungsgegenstand bestätigen diese Einschätzung, wenn dort etwa die Rede davon ist, dass „der Ausschuss des Weiteren die Entwicklung der Personalführungskultur in der Landespolizei in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2017 untersuchen wird. Hierbei soll der interne Umgang mit Kritik an Führungsverhalten und ermittlungstaktischen Entscheidungen betrachtet werden. In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, ob es in diesem Zeitraum im Bereich der Führung der Landespolizei ein ‚Netzwerk‘ gab, das Einfluss auf Entscheidungen zugunsten oder zum Nachteil von anderen Angehörigen der Landespolizei genommen hat“. Außerdem ergibt sich aus dem Landtagsprotokoll der 24. Sitzung vom 23. Februar 2018 zum Tagesordnungspunkt 31 (Einsetzung des Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der 19. Wahlperiode), dass die den Einsetzungsbeschluss initiierende SPD-Landtagsfraktion sich vorrangig Aufklärung darüber erhofft, „ob innerhalb der Landespolizei, vor allem seitens der jeweiligen Vorgesetzten und aller Führungsebenen, korrekt mit kritischen Polizeibeamten umgegangen wird …“ (Abg. Dr. Kai Dolgner, PlPr 19/24 S. 1631 <1633>) (vgl. dazu Beschl. d. Senats v. 08.09.2020 - 3 MB 29/20 -, juris Rn. 23-25 m.w.N.).
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Die Untersuchung richtet sich jedoch nicht gegen den Antragsteller.
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Aus dem Wortlaut des Untersuchungsauftrages ergibt sich keine Verknüpfung mit der Person des Antragstellers. Dieser ist weder namentlich noch anderweitig benannt.
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Eine Betroffenheit des Antragstellers im Sinne von §§ 18 Abs. 1 Satz 1 UAG ergibt sich auch nicht aufgrund der vormaligen Amtsstellung des Antragstellers. Zwar hatte er aufgrund seines Amtes als stellvertretender Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium zumindest in einem Teil des Untersuchungszeitraums Führungsverantwortung in Bezug auf die Landespolizei inne. Der Untersuchungsauftrag richtet sich jedoch nicht gegen jegliche Personen mit Personalverantwortung in Bezug auf die Landespolizei im Zeitraum des Untersuchungsgegenstandes. Vielmehr ist die Untersuchung zunächst darauf gerichtet, Missständen und Mobbing-Vorwürfen in der Landespolizei nachzugehen und in diesem Zusammenhang dann die Rolle von möglichen Verantwortlichen zu untersuchen.
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Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass sich die Untersuchung aufgrund seiner konkreten Tätigkeit im Untersuchungszeitraum gegen ihn richtet.
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Soweit er geltend macht, die Unterfrage 5.2 („Welche rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten der Sachaufklärung standen der Mobbing Kommission zur Verfügung, wer bestimmte den Kreis der Mitglieder, welche Berichtspflichten bestanden gegenüber Institutionen der Landespolizei und des Innenministeriums, in welcher Weise wurde die Arbeit der Kommission, die Erstellung ihrer Arbeitsergebnisse oder die Vorlage von Berichten durch Dienststellen der Landespolizei oder des Innenministeriums beeinflusst?“) habe zentral sein Handeln im Fokus, ergibt sich daraus nicht, dass der Untersuchungsgegenstand sich gegen den Antragsteller richtet. Denn allein der Umstand, dass die Untersuchung Handlungen oder die Rechtsposition einer Person betrifft, führt nicht dazu, dass sich die Untersuchung gegen diese richtet und sie daher als Betroffene bzw. Betroffener anzuerkennen ist.
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§ 18 Abs. 1 Satz 1 UAG vermittelt die besondere Rechtsstellung eines Betroffenen nur Personen, gegen die sich nach dem Sinn des Untersuchungsgegenstandes die Untersuchung richtet. Ihnen ist Gelegenheit zu geben, zeitlich vor den Auskunftspersonen eine zusammenhängende Sachdarstellung zu geben. Sie haben das Recht auf Anwesenheit bei der Beweisaufnahme sowie ein Beweisanregungs- und Fragerecht. Betroffene können sich zur Wahrnehmung ihrer Rechte eines Rechtsbeistandes bedienen und Auskunftspersonen benennen. Von der nichtöffentlichen Beweisaufnahme können Betroffene nur ausgeschlossen werden, wenn überragende Interessen der Allgemeinheit oder überwiegende Interessen einzelner ihrer Anwesenheit entgegenstehen oder wenn dies zur Erlangung einer wahrheitsgemäßen Aussage erforderlich erscheint. Die oder der Vorsitzende hat ihnen nach Wiederzulassung zur Beweisaufnahme den wesentlichen Inhalt der in ihrer Abwesenheit erfolgten Beweisaufnahme sowie sie betreffende Beschlüsse mitzuteilen, soweit nicht überragende Interessen der Allgemeinheit oder überwiegende Interessen einzelner dem entgegenstehen,§ 18 Abs. 2, 5, 6 UAG. Soweit der Untersuchungsausschuss die Vernehmung eines oder einer Betroffenen als Auskunftsperson für erforderlich hält, finden die Regelungen der § 11 UAG sowie der Auskunftspersonen betreffende § 14 UAG Anwendung, § 18 Abs. 3 UAG.
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Darüber hinaus gibt es die auch dem Antragsteller zukommende Rechtsstellung der Auskunftsperson. Dass auch deren Handlungen Gegenstand der Untersuchung sein können, zeigt bereits die Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 UAG, nach der Auskunftspersonen die Auskunft auf solche Fragen verweigern können, deren Beantwortung sie der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
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Unabhängig von diesen formalen Rechtsstellungen gewährt zudem § 25 Abs. 1 Personen, die durch die Veröffentlichung des Abschlussberichtes in ihren Rechten erheblich beeinträchtigt werden können, das Recht auf rechtliches Gehör.
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Dass sich hier die Missstandsenquete insbesondere in Bezug auf die Frage des Umgangs mit den Mobbing-Vorwürfen auch zu einer gegen den Antragsteller gerichteten Untersuchung verdichtet hätte, ergibt sich für den Senat aus dem Vortrag des Antragstellers vor dem Verwaltungsgericht sowie im Beschwerdeverfahren nicht. Der Antragsteller macht insofern zum einen geltend, dass er als Justiziar die Konkurrenz zwischen Verfolgung identischer Vorwürfe mittels Klagen vor dem Verwaltungsgericht einerseits und vor dem verwaltungsinternen Mobbing-Gremium andererseits aufzulösen gehabt habe. Er habe in seiner Eigenschaft als amtierender Abteilungsleiter dem Mobbing-Gremium das Mandat genommen, die Mobbingvorwürfe des Herrn D. weiter zu bearbeiten, nachdem dieser nach Vorkorrespondenz mit seinen wechselnden Anwälten Klagen vor das Verwaltungsgericht getragen habe, die denselben Gegenstand gehabt haben wie derjenige, mit dem sich der Mobbingausschuss beschäftigen solle. Er, der Antragsteller, habe nach dem Eingang eines Schreibens des Polizisten D. ans Innenministerium, mit dem dieser Mobbing- und Aktenmanipulationsvorwürfe erhoben habe, ein Gespräch mit der Leitung der Staatsanwaltschaft F-Stadt geführt. Dazu habe er im Anschluss einen Vermerk erstellt, der mit Aufträgen an das LKA und das Mobbinggremium geendet habe. Zu diesem Vermerk habe sich auch das Ausschussmitglied E. gegenüber der Presse geäußert.
- 42
Aus diesem Vorbringen lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass sich der Untersuchungsauftrag auch gegen den Antragsteller richtet. Zwar umfasst der Auftrag unter anderem die Aufarbeitung von Mobbing-Vorwürfen eines ehemaligen Ermittlungsbeamten der SoKo „Rocker“ beim LKA Schleswig-Holstein gegen seine Vorgesetzten durch die Mobbing-Kommission der Polizei Schleswig-Holstein in der Zeit vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. Dezember 2017, sowie den generellen und institutionalisierten Umgang mit Mobbing-Vorwürfen innerhalb der Landespolizei (vgl. Landtags-Drucksache 19/520 <neu> 2. Fassung, S. 2). Insofern wird auch der frühere Tätigkeitsbereich des Antragstellers, der nach seiner Darstellung insbesondere an der konkreten Bearbeitung der benannten Mobbing-Vorwürfe beteiligt war, berührt. Gleichwohl ergibt sich für den Senat nicht, dass sich die Untersuchung derzeit neben der Ermittlung eines möglichen Missstandes beim Umgang mit Mobbing-Vorwürfen gegen den Antragsteller als einen der möglichen konkret dafür Verantwortlichen richtet.
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Zum anderen verweist der Antragsteller darauf, der Antragsgegner habe sich mit dem sogenannten Buß-Bericht beschäftigt, in dem an vielen Stellen Mobbing-Vorwürfe des Herrn D. gegen ihn, den Antragsteller, explizit abgearbeitet worden seien. Auch daraus ergibt sich nicht, dass sich die Untersuchung gegen den Antragsteller richtet. Der Untersuchungsauftrag umfasst im Komplex 8 (Aufarbeitung der Vorwürfe gegen die Führungsebene der Landespolizei durch die Landesregierung ab Kenntnis bis zum 20.02.2018) ausdrücklich auch die Fragen (8.1b und 8.1c), welchen konkreten Arbeitsauftrag der Sonderbeauftragte durch den Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration erhalten, sowie welche Maßnahmen dieser zu Erfüllung seines Auftrages bis Ende des Untersuchungszeitraums unternommen habe (vgl. Landtags-Drucksache 19/551, Punkt 4 sowie Punkt 5 a. E.). Insofern hat sich der Antragsgegner mit der Einsetzung und einem Teil der Arbeit des Sonderbeauftragten zu beschäftigen. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sich die Untersuchung des Antragsgegners gegen alle Personen, die in dem nicht öffentlich zugänglichen und dem Senat insofern auch nicht vorliegenden Bericht des Sonderbeauftragten namentlich benannt werden, richtet und diesen damit die Rechtsstellung eines Betroffenen im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 UAG zuzuerkennen wäre.
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Schließlich sind auch Äußerungen einzelner Ausschussmitglieder gegenüber der Presse nicht geeignet, eine Änderung des vom Landtag erteilten Untersuchungsauftrags herbeizuführen, so dass der Inhalt des dem Senat nicht vorliegenden Interviews des Abgeordneten E. im Flensburger Tageblatt dahinstehen kann.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
- 46
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
- 47
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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