Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (5. Senat) - 5 MB 42/21
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 6. Kammer - vom 18. Oktober 2021 geändert:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Antragsteller wendet sich gegen eine abfallrechtliche Ordnungsverfügung.
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Der Antragsteller ist Eigentümer des Wohngrundstücks … in …; beim … handelt es sich um eine Sackgasse. Das Wohngrundstück des Antragstellers ist 333,6 m von der nächstgelegenen Hauptstraße, dem …, entfernt (vgl. das Luftbild auf Bl. 67 Beiakte A).
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Am 20. Mai 2021 (Bl. 19R Beiakte A) teilte die Berufsgenossenschaft Verkehr dem Antragsgegner mit, dass am 7. Mai 2021 eine Straßenbegehung durchgeführt worden sei. Die Abfallsammlung im … mit 3-achsigen Abfallsammelfahrzeugen sei zurzeit nicht möglich. Die Straße sei augenscheinlich vor 1979 gewidmet und erstellt worden, so dass unter Beachtung zusätzlicher Maßnahmen ein Rückwärtsfahren bis zu 150 m zulässig sei. Die bisherige Vorgehensweise der Entsorgungsunternehmen sei die Nutzung einer unbefestigten Zufahrt zu einer Wiese, gegenüber Hausnummer 35, als Wendehammer gewesen. Die Zufahrt habe sich im Rahmen der Straßenbegehung als nicht geeignet herausgestellt, da diese nicht befestigt und auf gleichem Niveau wie der … sei. Um die sichere Entsorgung der Abfälle mit Sammelfahrzeugen zu ermöglich seien folgende Varianten möglich:
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- Erstellen einer geeigneten Wendeanlage in Höhe der Hausnummer 35 im …
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- Erstellen einer geeigneten Wendeanlage im Verlauf des …, vor Hausnummer 35, und das Einrichten eines Sammelplatzes im Bereich der Wendeanlage für die Anwohner im weiteren Verlauf des …
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- Erstellen einer Sammelstelle für Abfallsammelbehälter an der nächsten für die Sammelfahrzeuge befahrbaren Straße, dem … …
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- Einrichten eines Sammelplatzes maximal 150 m von der Einmündung zum … … und Absprache/Klärung mit den Entsorgungsunternehmen, ob ein Rückwärtsfahren bis zum Sammelplatz möglich ist
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Der Antragsgegner unterrichtete den Antragsteller unter dem 1. Juni 2021, dass die Überprüfung ergeben habe, dass das Grundstück … nicht mehr von Sammelfahrzeugen angefahren werden dürfe. Der Antragsteller wurde darum gebeten, ab dem 1. Juli 2021 die Abfallbehälter am gekennzeichneten Sammelplatz 150 m von der Einmündung … … bereitzustellen. Das Rückwärtsfahren sei bis maximal 150m erlaubt, da der … vor 1979 errichtet worden sei. Der Antragsteller wandte sich hiergegen mit Schreiben vom 8. Juni 2021.
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Mit Ordnungsverfügung vom 14. Juni 2021 ordnete der Antragsgegner an, dass der Antragsteller die angemeldeten Abfallbehälter ab dem 1. Juli 2021 an den Sammelplatz ca. 150 Meter von der Einmündung vom … … in eigener Verantwortung und auf eigene Kosten zur jeweiligen Abfuhr bereit zu stellen hat. Zugleich ordnete der Antragsgegner den Sofortvollzug an.
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Gegen die Ordnungsverfügung legte der Antragsteller am 29. Juni 2021 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO. Die Entscheidung gehe von falschen Tatsachen aus. Die Entsorgungsfahrzeuge beführen den … schon heute vorwärts. Am Ende des Weges sei es ohne größere Probleme möglich zu wenden, so dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich sei. Sein Interesse liege darin, seine Abfallbehälter nicht regelmäßig zu dem rund 200 Meter entfernten Sammelplatz zu verbringen. Er sei auch gehbehindert und der … weise eine nicht unerhebliche Steigung in Richtung … … auf.
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Den Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO lehnte der Antragsgegner am 1. Juli 2021 ab. Über den Widerspruch wurde noch nicht entschieden.
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Am 16. August 2021 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
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Ausweislich einer internen E-Mail des Antragsgegners vom 18. August 2021 (Bl. 105 Beiakte A) laufe die Müllentsorgung im … aktuell dergestalt ab, dass die Müllfahrzeuge 150 m rückwärts von der Einmündung …. … in den … fahren, um dort an der befestigten Sammelstelle die bereitgestellten Abfallbehälter für die hinteren Grundstücke zu entleeren.
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Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 18. Oktober 2021 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung vom 14. Juni 2021 wiederhergestellt. Die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren seien zumindest offen. Es ergäben sich indes ernstliche Hinweise auf die Unverhältnismäßigkeit der Ordnungsverfügung; die zurückzulegende Wegstrecke mit den Abfallbehältern könnte unzumutbar sein. Der festgelegte Sammelplatz sei ca. 184 m vom Wohnhaus des Antragstellers entfernt, womit ein erhebliches Überschreiten der als grundsätzlich zumutbar angesehenen 100 m Wegstrecke vorliege. Der Antragsgegner habe auch eine andere Lösung außer der Anordnung zum Transport an den Sammelplatz offensichtlich nicht in Erwägung gezogen. Der Antragsgegner habe den Betroffenen nicht die Möglichkeit geboten, dass die Abfallbehälter vom Abfallbeseitigungsunternehmen gegen ein erhöhtes Entgelt an den Sammelplatz verbracht werden. Der Antragsgegner habe auch nicht gewürdigt, dass der Antragsteller schwerbehindert (eingeschränkte Gehmöglichkeit) sei. Die anzustellende Folgenabwägung gehe zu Lasten des Antragsgegners aus. Die Folgen für den Antragsteller, die daraus resultierten, bis zur endgültigen Entscheidung, seine Abfallbehälter eine unzumutbar lange Wegstrecke transportieren zu müssen, wögen schwerer als die Folgen für den Antragsteller, möglicherweise zu Unrecht bis dahin für die Verbringung der Abfallbehälter zum Sammelplatz selbst sorgen zu müssen. Auch ein besonderes Vollzugsinteresse sei daher nicht erkennbar.
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Der Antragsgegner hat am 27. Oktober 2021 Beschwerde eingelegt und diese am 15. November 2021 begründet.
II.
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Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2021 ist nach Maßgabe der dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) begründet.
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Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs hat zu erfolgen, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners überwiegt. Im Rahmen dieser Abwägung finden vor allem die Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei einer summarischen Prüfung Berücksichtigung. Ist der angegriffene Bescheid offensichtlich rechtswidrig, überwiegt in der Regel das Aussetzungsinteresse, ist sie hingegen offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in der Regel das Vollziehungsinteresse. Lässt sich bei der Prüfung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides feststellen, bedarf es zur Entscheidung einer weiteren Interessenabwägung. Diese Abwägung zwischen Aussetzungs- und Vollziehungsinteresse erfordert eine Gegenüberstellung der Folgen, die eintreten, wenn die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes versagt würde, das Verfahren in der Hauptsache hingegen Erfolg hätte. Diese Auswirkungen sind zu vergleichen mit den Nachteilen, die entstünden, wenn die aufschiebende Wirkung angeordnet würde, dem Rechtsbehelf in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (OVG Schleswig, Beschl. v. 02.04.2020 – 3 MB 8/20 –, juris Rn. 24).
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Vorliegend überwiegt das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners. Bei einer summarischen Prüfung wird der Widerspruch des Antragstellers nicht erfolgreich sein. Die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 14. Juni 2021 erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig.
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Rechtsgrundlage für die Ordnungsverfügung vom 14. Juni 2021 ist § 4 Abs. 4 der Satzung über die Abfallwirtschaft im Kreis Pinneberg (Abfallwirtschaftssatzung). Die nach § 3 Abs. 3 Verpflichteten haben die Abfallbehälter sowie sperrige Abfälle und Elektroschrott an eine durch Sammelfahrzeuge erreichbare Stelle zu bringen, wenn Abfuhrbezirke, Straßenzüge, Straßenteile und Wohnwege mit den Sammelfahrzeugen nicht befahrbar sind oder Grundstücke nur mit unverhältnismäßigem Aufwand angefahren werden können (§ 4 Abs. 4 Satz 1 Abfallwirtschaftssatzung). Dies gilt insbesondere für Straßen und Wege mit weniger als 3,5 m Breite, Sackgassen und Stichstraßen ohne ausreichende Wendemöglichkeiten (§ 4 Abs. 4 Satz 2 Abfallwirtschaftssatzung). Im Einzelfall ist der Kreis berechtigt, eine andere geeignete Form der Abfallentsorgung festzulegen (§ 4 Abs. 4 Satz 3 Abfallwirtschaftssatzung).
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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Bestimmungen einer Abfallsatzung, die vorsehen, dass die Überlassungspflichtigen die Abfallbehältnisse unter bestimmten Voraussetzungen an einen grundstücksfernen Aufstellort verbringen müssen, rechtlich grundsätzlich unbedenklich sind. Dabei ist eine generalisierende Bestimmung der dem Überlassungspflichtigen noch zumutbaren Mitwirkung nicht möglich. Entscheidend ist vielmehr stets die konkrete örtliche Situation unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Zu den Voraussetzungen, die eine Mitwirkung des Überlassungspflichtigen durch Verbringen der Abfallbehältnisse an einen grundstücksfernen Ort erforderlich machen können, gehören tatsächliche und/oder rechtliche Hindernisse, die einem unmittelbaren Anfahren des Grundstücks entgegenstehen. Rechtliche Hindernisse folgen dabei insbesondere aus straßenverkehrsrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen (BVerwG, Beschl. v. 17.03.2011 – 7 B 4.11 –, juris Rn. 9; Urt. v. 25.08.1999 – BVerwG 7 C 27.98 –, juris Rn. 20 f.). Von Bedeutung sind daher auch die Unfallverhütungsvorschriften „Müllbeseitigung“, auf welche § 4 Abs. 2 Abfallwirtschaftssatzung für den Transport und den Standplatz von Abfallbehältern Bezug nimmt; denn dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bzw. seinen Beauftragten kann nicht abverlangt werden kann, solche Vorschriften zu missachten und dadurch Unfälle in Kauf zu nehmen oder deshalb rechtliche Risiken mit nicht abschätzbaren Folgen auf sich zu nehmen (VGH München, Beschl. v. 29.10.2018 – 20 ZB 18.957 –, juris Rn. 16).
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Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 Satz 1 Abfallwirtschaftssatzung sind gegeben.
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Der … ist nach Aktenlage mit Sammelfahrzeugen nicht befahrbar, da im Verlauf der Straße eine geeignete Wendemöglichkeit nicht vorhanden ist. Nach der Mitteilung der BG Verkehr an den Antragsgegner vom 20. Mai 2021 sei nach der durchgeführten Straßenbegehung am 7. Mai 2021 die bisherige Vorgehensweise der Entsorgungsunternehmen, die Nutzung einer unbefestigten Zufahrt zu einer Wiese (gegenüber vom Grundstück A-Straße) als Wendehammer, nicht zulässig. Diese Zufahrt sei nicht befestigt und auf gleichem Niveau wie der … und daher nicht als Wendemöglichkeit für Abfallsammelfahrzeuge geeignet.
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Das vom … … 333,6 m entfernt gelegene Grundstück des Antragstellers kann von den Abfallsammelfahrzeugen auch nicht rückwärts angefahren werden.
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Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 16 Nr. 1 der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) Vorschrift 43 „Müllbeseitigung“ vom 1. Oktober 1979 in der Fassung vom 1. Januar 1997, wonach Müll nur abgeholt werden darf, wenn die Zufahrt zu Müllbehälterstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist. § 16 Nr. 1 DGUV Vorschrift 43 gilt nämlich nur für Einrichtungen, die nach Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Oktober 1979 errichtet worden sind; der … wurde aber – so die Mitteilung des Antragsgegners an den Antragsteller vom 1. Juni 2021 – vor dem Jahre 1979 errichtet.
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Aus straßenverkehrs- und arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften ergibt sich indes, dass sich der Fahrzeugführer beim Rückwärtsfahren so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, aber auch sonstiger anderer Dritter – z.B. spielender Kinder oder aus den Grundstücken heraustretender Personen – ausgeschlossen ist (§ 9 Abs. 5 Halbsatz 1, § 1 Abs. 1 und 2 StVO, § 7 Abs. 1 DGUV Vorschrift 43). Auch der Einsatz eines Einweisers im Sinne des § 9 Abs. 5 Halbsatz 2 StVO schließt nicht aus, dass der mit dem Müllfahrzeug rückwärtsfahrende Müllwerker nicht die erforderliche „äußerste Sorgfalt“ zu erbringen vermag, wenn die tatsächlichen Verhältnisse dem entgegenstehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.02.2016 – OVG 9 N 179.13 –, juris Rn. 16). Beim Rückwärtsfahren und Rangieren von Abfallsammelfahrzeugen können u.a. Personen erfasst, überrollt oder zwischen dem Fahrzeug und Hindernissen eingequetscht werden, was zu schweren und tödlichen Verletzungen führen kann. Gefährdet sind neben den Beschäftigten der Entsorgungsunternehmen vor allem Radfahrer, Kinder sowie ältere und behinderte Personen. Das Rückwärtsfahren und das Zurücksetzen von Abfallsammelfahrzeugen stellen so gefährliche Verkehrsvorgänge dar, dass sie nach Möglichkeit zu vermeiden sind (vgl. die DGUV Branchenregel 114-601 „Abfallwirtschaft“, Teil: 1 Abfallsammlung, Oktober 2016, Kap. 3.8; DGUV Information 214-033 „Sicherheitstechnische Anforderungen an Straßen und Fahrwege für die Sammlung von Abfällen“, September 2021, Kap. 5). Ausgehend von den mit dem Rückwärtsfahren verbundenen Gefahren ist die Annahme des Antragsgegners in der Ordnungsverfügung vom 14. Juni 2021 – dieser stützt sich insoweit auf die fachliche Einschätzung der BG Verkehr und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. DGUV Information 214-033, Kap.5.3; DGUV Branchenregel 114-601, Kap. 3.8) –, dass die zurückzulegende Strecke beim Rückwärtsfahren mit Abfallsammelfahrzeugen maximal 150 m betragen soll, nicht zu beanstanden.
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Die Rechtsfolge des § 4 Abs. 4 Satz 1 Abfallwirtschaftssatzung sieht vor, dass die Abfallbehälter von den nach § 3 Abs. 3 Verpflichteten an eine durch Sammelfahrzeuge erreichbare Stelle zu bringen sind, wobei der Antragsgegner nach § 4 Abs. 4 Satz 3 Abfallwirtschaftssatzung berechtigt ist, eine andere geeignete Form der Abfallentsorgung festzulegen. Das hiermit einhergehende Ermessen hat der Antragsgegner in der Ordnungsverfügung vom 14. Juni 2021 erkannt und fehlerfrei ausgeübt. Es wurden insgesamt vier Varianten in Betracht gezogen und geprüft. Angesichts des Umstandes, dass eine Wendeanlage in Höhe des Grundstücks A-Straße nicht vorhanden ist, hat sich der Antragsgegner dazu entschieden, einen Sammelplatz einzurichten, der ca. 150 m von der Einmündung vom … … entfernt ist. Die einzig weitere mögliche Variante wäre die Einrichtung einer Sammelstelle am … … gewesen, die für den Antragsteller mit einer zurückzulegenden Entfernung von 333,6 m (deutlich) ungünstiger gewesen wäre.
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Unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Situation ist es für den Antragsteller auch zumutbar, die angemeldeten Abfallbehälter an dem festgelegten Sammelplatz in einer Entfernung von ca. 184 m (333,6 m – 150 m) von seinem Wohngrundstück zur jeweiligen Abfuhr bereit zu stellen. Hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit gibt es keine starre Grenze dahingehend, dass eine Transportstrecke, die länger als 100 m ist, als unzumutbar anzusehen wäre. Vielmehr ist stets die konkrete örtliche Situation unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dafür entscheidend, welche Transportstrecke zum Bereitstellungsort noch zumutbar ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.03.2011 – 7 B 4.11 –, juris Rn. 9; Urt. v. 25.08.1999 – BVerwG 7 C 27.98 –, juris Rn. 21; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.02.2016 – OVG 9 N 179.13 –, juris Rn. 22). Auch nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 17.03.2004 – 9 ME 1/04 –, juris Rn. 8) ist eine generalisierende Festlegung der den Überlassungspflichtigen noch zumutbaren Mitwirkung nicht möglich; dafür seien die einzelnen Fallkonstellationen zu unterschiedlich gestaltet bzw. vorstellbar. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat für sich lediglich formuliert, dass ein Transport des Abfalls bis zu 100 m im Regelfall zumutbar ist.
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Sofern dem Antragsteller aufgrund seines Alters und/oder der beschriebenen Geheinschränkungen die Bereitstellung an dem festgelegten Sammelplatz Schwierigkeiten bereiten sollte, ist er notfalls gehalten, die Dienste Dritter in Anspruch zu nehmen. Einen Anspruch auf eine „individuelle Lösung“ seiner Müllentsorgung zu Lasten der anderen Entgeltzahler oder auf Aufrechterhaltung der in der Vergangenheit praktizierten Müllentsorgung hat der Antragsteller nicht (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O., juris Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., juris Rn. 22). Die vom Verwaltungsgericht geäußerte Auffassung (Beschlussabdruck S. 5), der Antragsgegner könnte dazu verpflichtet sein, den Betroffenen gegen ein höheres Entgelt anzubieten, dass die Abfallbehälter vom Entsorgungsunternehmen an den Sammelplatz verbracht werden, teilt der Senat ausdrücklich nicht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
- § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 16 Nr. 1 der DGUV 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 5 Halbsatz 2 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 4x
- § 1 Abs. 1 und 2 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 146 1x
- 9 ME 1/04 1x (nicht zugeordnet)
- § 16 Nr. 1 DGUV 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- 3 MB 8/20 1x (nicht zugeordnet)
- § 7 Abs. 1 DGUV 1x (nicht zugeordnet)