Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 LB 8/21

Tenor

Die Berufung des Klägers wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

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Die Berufung ist unzulässig und daher nach Anhörung der Beteiligten zu verwerfen (§ 124a Abs. 3 Satz 5, § 125 Abs. 2 Sätze 1 und 3 VwGO). Sie ist zwar fristgerecht eingelegt und begründet worden, doch genügt ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Begründung der Berufung muss sowohl einen bestimmten Antrag als auch die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung enthalten.

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1. Dass die Begründung keinen Antrag enthält, schadet nicht. Ausreichend ist es, dass ein Antrag bereits bei Einlegung der Berufung formuliert wird und sich das klägerische Begehr im Übrigen ausreichend deutlich aus der Begründung ergibt (Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 25 m.w.N.). So liegt es hier. Nach dem schon bei Einlegung der Berufung formulierten Rechtsmittelantrag soll das Urteil des Verwaltungsgerichts uneingeschränkt aufgehoben werden. Anhaltspunkte dafür, dass der zugleich gestellte Sachantrag gegenüber dem erstinstanzlich gestellten Verpflichtungsantrag beschränkt werden soll, ergeben sich aus den Gründen nicht. Dass der Sachantrag („dem Kläger einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen“) in dieser Form nicht statthaft ist, weil das Begehren weder auf eine Verurteilung noch auf eine Verpflichtung des Beklagten gerichtet ist, sondern sich seinem Wortlaut nach direkt an das Gericht wendet, steht dem nicht entgegen. Er könnte – wiederum in Anwendung des § 88 VwGO – als Verpflichtungsantrag ausgelegt werden, ohne über das erkennbare Begehren des Klägers hinauszugehen.

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2. Die Begründung der Berufung enthält allerdings keine im Einzelnen angeführten Gründe der Urteilsanfechtung i.S.d. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO.

4

Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass an die Begründung einer Berufung keine überhöhten Anforderungen zu stellen sind (Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 106). Auch begnügte sich das Bundesverwaltungsgericht in dem von ihm zitierten Urteil am Ende damit, dass „weder Zweifel am Willen des Klägers, das Berufungsverfahren durchzuführen, noch an seiner Begründung und am Ziel des Verfahrens“ bestanden (BVerwG, Urt. v. 08.03.2004 - 4 C 6.03 -, juris Rn. 22). Dies bedeutet jedoch nicht, dass es ausreicht, dass überhaupt eine Begründung erkennbar ist. In diesem Urteil wird auch auf den Zweck der Begründungspflicht hingewiesen, der darin besteht, dass der Berufungskläger eindeutig klarstellt, dass er die Berufung durchführen will und weshalb er sie für begründet hält (BVerwG, a.a.O., Rn. 21, 22). Maßgebend ist deshalb, dass die Berufungsbegründung auch ihre Funktion erfüllt, die übrigen Beteiligten und das Berufungsgericht über die das Berufungsbegehren maßgeblich stützenden Gründe zu unterrichten. Hierfür ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auszuführen, weshalb das angefochtene Urteil nach der Auffassung des Berufungsführers unrichtig ist und geändert werden muss (BVerwG, Beschl. v. 09.07.2019 - 9 B 29.18 -, juris Rn. 3 m.w.N.; Beschl. des Senats v. 04.10.2019 - 4 LB 13/18 -, juris Rn. 28).Ohne die Offenlegung des Ergebnisses einer sachlichen Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils fehlt es an der Grundlage, die der Gesetzgeber mit der Einführung der Begründungspflicht dem Berufungsverfahren hat geben wollen (VGH München, Beschl. v. 22.02.1999 - 10 B 98.1620 -, juris Rn. 1).

5

Der Berufungskläger muss zumindest eine bestimmte tatsächliche Feststellung, eine rechtliche Sachverhaltswürdigung oder eine allgemeine Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die dessen Urteil tragen, angreifen. Seine Darlegungen müssen aus sich heraus verständlich sein (BVerwG, Beschl. v. 17.12.2015 - 6 B 24.15 -, juris Rn. 7 m.w.N.). Sie müssen zwar rechtlich nicht zutreffen, da dies erst eine Frage der Begründetheit ist, doch müssen sie – im Falle ihrer Berechtigung – geeignet sein, das Urteil im Ergebnis infrage zu stellen (Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 109). So genügt etwa der Hinweis auf eine anderslautende Entscheidung nicht aus, solange nicht Angaben zum Sachverhalt und den tragenden rechtlichen Erwägungen der anderslautenden Entscheidung gemacht werden und die Gründe damit vollständig im Dunkeln bleiben (BVerwG, a.a.O., Rn. 8).

6

Dies alles gilt unabhängig davon, ob die Berufung vom Verwaltungsgericht oder auf einen Antrag hin vom Oberverwaltungsgericht zugelassen worden ist (s. § 124a Abs. 3 Satz 4 und Abs. 6 Satz 3 VwGO). Welche Mindestanforderungen in Anwendung dieser Grundsätze an die Berufungsbegründung zu stellen sind, hängt im Übrigen wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab (BVerwG, Beschl. v. 23.09.1999 - 9 B 372.99 -, juris Rn. 5; Beschl. v. 04.08.2016 - 1 B 69.16 -, juris Rn. 3). Die Möglichkeit einer Bezugnahme auf die Begründung eines erfolgreichen Zulassungsantrags und des Zulassungsbeschlusses entfällt naturgemäß, wenn – wie hier – die Zulassung schon durch das Verwaltungsgericht erfolgt ist.

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a. Hiervon ausgehend vermag der Senat anhand des Begründungsschriftsatzes nicht zu erkennen, weshalb das angefochtene Urteil unrichtig sein sollte und geändert werden müsste oder auch nur könnte. Rechtliche Gründe, die gegen die Richtigkeit des angegriffenen Urteils sprechen, macht der Kläger ausdrücklich nicht geltend. Insbesondere die Anforderungen, die das Verwaltungsgericht an die Glaubhaftmachung einer Unzumutbarkeit der Unterzeichnung der von der eritreischen Botschaft geforderten Reueerklärung und damit an die Glaubhaftmachung eines Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht stellt, um einen Eingriff in die Passhoheit eines anderen Staates verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, hinterfragt er nicht.

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b. Eine kritische Auseinandersetzung mit der gerichtlichen Beweiswürdigung, wie sie der Kläger im Nachhinein in die Berufungsbegründung hineininterpretiert, vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen. Vielmehr wird das bisherige, vom Verwaltungsgericht bereits gewürdigte Vorbringen zunächst nur wiederholt. Dass dieses, so der Kläger im Nachhinein, in einer Gesamtschau gerade individuelle Beweggründe belegt, mithin die Bewertung durch das Verwaltungsgericht als zu pauschal nicht geteilt werden könne, ergibt sich daraus gerade nicht. Entsprechendes gilt für den Verweis auf die klägerischen Darlegungen im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dass diese vom Verwaltungsgericht nicht gewürdigt worden sind, wird nicht in der Berufungsbegründung gerügt, sondern erst auf die Anhörung zu der vom Senat beabsichtigten Verfahrensweise und außerhalb der Begründungsfrist.

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Eine zusätzliche Argumentation, die vom Berufungsgericht zu prüfen sein würde, ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis, dass es keine Pflicht gebe, persönlich Angaben zu machen. Eine solche Pflicht hat das Verwaltungsgericht nicht postuliert. Ebenso wenig hat es deshalb an den persönlichen Motiven des Klägers gezweifelt, weil er nur über seinen Prozessbevollmächtigten vortragen lassen hat. Eine andere Frage ist, welche Anforderungen das Gericht an die Überzeugungsbildung stellt, wenn der Kläger trotz gerichtlichen Hinweises und gegenteiliger Ankündigung zur mündlichen Verhandlung persönlich nicht erscheint und eine zielgerichtete Befragung zu seinen persönlichen Beweggründen dadurch nicht möglich ist. Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten ist deshalb nicht verworfen, sondern als für die Überzeugungsbildung unzureichend gewürdigt worden.

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c. Weiter macht der Kläger geltend, dass seine Meinung zu Eritrea, der dortigen Regierung und den Lebensumständen bereits aus seinen verschiedenen – auch persönlichen – Erklärungen ausreichend ableitbar sei. Damit benennt er noch keinen Grund, aus dem die angegriffene Entscheidung nach seiner Auffassung im Ergebnis unrichtig sein sollte. Denn für das Verwaltungsgericht kam es nicht auf diese Meinung an, sondern auf die Frage, ob er sich aus Gründen der Wahrung seiner persönlichen Integrität und Werte weigert, die Reueerklärung zu unterzeichnen.

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Soweit er eine detaillierte Darstellung nunmehr für die Berufungsverhandlung ankündigt und geltend macht, dass das Verwaltungsgericht ihm den begehrten Reiseausweis zugesprochen hätte, wenn er im Rahmen der mündlichen Verhandlung „persönlich zu seinen Motiven ausgesagt hätte“, benennt er keine Gründe, die diese Behauptung stützen und die für die Unrichtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechen könnten. Dass eine persönliche Anhörung des Klägers durch das Gericht zu einem anderen Ergebnis führen würde, wird nicht weiter unterlegt. Denn der Kläger führt in der Berufungsbegründung noch nicht einmal in Ansätzen aus, welchen über den bisherigen Vortrag hinausgehenden Inhalt die persönliche Darstellung haben sollte. Vergleichbar den Anforderungen an eine Begründung, die die Berufung auf neues, vom Oberverwaltungsgericht ebenfalls zu berücksichtigendes (§ 128 Satz 2 VwGO) Vorbringen stützt, muss dessen Inhalt in der Begründung auch gebracht und dargelegt werden, dass es unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu einer anderen Beurteilung des Klagebegehrens führen kann (Rudisile in: Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 124a Rn. 54; Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 108 m.w.N.).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

14

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs.2 GKG.


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