Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 2 W 63/04

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 12. November 2004 – 1 F 20/04 – wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 09.11.2004 unter folgenden Auflagen wiederhergestellt:

1.) Der Demonstrationszug verläuft abweichend von der beantragten Streckenführung durch die Handwerkerstraße, den Luxemburger Ring, die Neue-Brauerei-Straße und die Albrecht-Dürer-Straße anstelle der ursprünglich geplanten Streckenführung durch die Kaiser-Wilhelm-Straße.

2.) Die Abschlusskundgebung darf nur auf der öffentlichen Verkehrsfläche der Kaiser-Wilhelm-Straße zwischen der im Streit befindlichen Grünfläche, der Verkehrsinsel bei der Einmündung in den Verkehrskreisel und Haus Nummer ... (Einmündung Albrecht-Dürer-Straße) stattfinden.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Änderung der Bezeichnung des Antragsgegners im Rubrum entspricht den Vorgaben der Verordnung über die Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz i.d.F. des Gesetzes Nr. 1381 zur Kommunalisierung unterer Landesbehörden vom 27.11.1996, deren § 1 für das Saarland bestimmt, dass zuständige Behörden für die Durchführung des Versammlungsgesetzes die Landkreise, der Stadtverband Saarbrücken und die Landeshauptstadt Saarbrücken sind.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 12.11.2004 – 1 F 20/04 – hat nach Maßgabe der im Tenor verfügten Auflagen Erfolg.

Das Interesse des Antragstellers, die von ihm angemeldete Versammlung durchführen zu können, überwiegt das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Verbotsverfügung, denn das von dem Antragsgegner erlassene Versammlungsverbot ist nach der im vorliegenden Verfahren nach § 80 V VwGO vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage offensichtlich rechtswidrig.

Hinsichtlich der allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Verbotsverfügung gemäß § 15 VersG kann vorab auf die erstinstanzliche Entscheidung verwiesen werden.

Aus der Begründung der Verbotsverfügung sowie dem Vorbringen des Antragsgegners im Eilrechtsschutzverfahren ergeben sich zum Entscheidungszeitpunkt keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Demonstration unter Beachtung der Auflagen unmittelbar gefährdet wird.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Abstellen auf das Motto des geplanten Demonstrationszuges für sich genommen nicht geeignet ist, ein umfassendes Versammlungsverbot zu rechtfertigen, da der Antragsgegner vorliegend keine hinreichend konkreten Tatsachen für die Prognose vorgetragen hat, dass der Antragsteller selbst oder die Teilnehmer der geplanten Versammlung im Zuge der Veranstaltung Straftaten begehen werden. Allein der pauschale Hinweis des Antragsgegners darauf, an der Versammlung würden auch Personen teilnehmen, die seit dem Jahre 2000 durch vielfältige rechtsextremistische Aktivitäten auffällig geworden seien, legt eine hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung von Straftaten oder der Verletzung elementarer Rechtsgüter nicht konkret und plausibel dar.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ein Verbot der Versammlung als letzte Möglichkeit zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nur dann verhängt werden kann, wenn mildere Mittel, namentlich versammlungsrechtliche Auflagen, nicht ausreichen, um einen hinreichenden Rechtsgüterschutz zu gewährleisten, hat das Verwaltungsgericht gleichfalls zutreffend darauf hingewiesen, dass den Befürchtungen, die Gedenkveranstaltung der Stadt A-Stadt würde durch die Versammlung beeinträchtigt werden, in ausreichendem Maße dadurch Rechnung getragen werden kann, dass eine andere Streckenführung gewählt wird. Insoweit erscheinen Teile der im Kooperationsgespräch erörterten alternativen Streckenführung geeignet, eine räumliche Kollision mit der zeitgleich stattfindenden städtischen Gedenkveranstaltung zu vermeiden, so dass es im Übrigen bei der geplanten Streckenführung verbleiben kann.

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts rechtfertigt der in der Verfügung des Antragsgegners angeführte Gesichtspunkt, die Abschlusskundgebung könne nicht auf dem vorgesehenen Platz enden, da die konkrete Gefahr bestehe, dass Teilnehmer des Demonstrationszuges auf den dort angrenzenden Verkehrskreisel ausweichen würden, was ein Verkehrschaos und damit eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu Folge haben werde, ebenfalls nicht die Untersagung der Demonstration.

Zunächst vermag der Senat angesichts der Kürze der Zeit nicht abschließend zu entscheiden, ob entsprechend der Annahme des Antragsgegners der vor dem Denkmal gelegene Rasenplatz nicht öffentlich-rechtlich gewidmet, sondern nur im Fiskaleigentum der Stadt A-Stadt steht, jedoch spricht nach dem Erscheinungsbild der gerichtsbekannten Örtlichkeit jedenfalls einiges dafür, dass aufgrund der gärtnerischen Gestaltung der Grünfläche, diese nicht zum Betreten durch etwa 100 Versammlungsteilnehmer geeignet ist. Zur Vermeidung eines vollständigen Verbotes der Veranstaltung, die nach den Vorstellungen des Antragstellers zwingend im Bereich des Denkmals enden soll, erscheint daher – wie von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren selbst angeregt – eine Verlagerung der Abschlusskundgebung in den Bereich zwischen der Grünfläche, der Verkehrsinsel bei der Einmündung in den Verkehrskreisel und dem Haus Kaiser-Wilhelm-Straße ... möglich. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Durchführung der Abschlussveranstaltung in diesem öffentlichen Verkehrsbereich eine nicht hinnehmbare Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt, sind gleichfalls nicht ersichtlich. Verkehrsbeeinträchtigungen, die sich zwangsläufig aus der nicht verkehrsüblichen Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsflächen für Versammlungszwecke ergeben und die sich ohne Nachteile für den Veranstaltungszweck nicht vermeiden lassen, sind grundsätzlich hinzunehmen. Die bei einer Inanspruchnahme der genannten Verkehrsfläche kurzfristig erforderliche Umleitung des Verkehrsflusses durch die Albrecht-Dürer-Straße stellt sich insoweit als eine noch erträgliche Beeinträchtigung der betroffenen Verkehrsteilnehmer dar. Eine Inanspruchnahme des Verkehrskreisels durch die Versammlungsteilnehmer scheint damit weitgehend ausgeschlossen. Die Gefahr, dass vereinzelte Teilnehmer sich dennoch in den Bereich des Verkehrskreisels begeben werden, rechtfertigt jedenfalls ein Totalverbot der Veranstaltung nicht.

Bei dieser Sach- und Rechtslage sind mithin keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass den von dem Antragsgegner dargestellten Gefahren nicht durch die Erteilung von Auflagen begegnet werden kann. Von derartigen Auflagen kann das Gericht im Rahmen der ihm nach § 80 V VwGO obliegenden Ermessensentscheidung die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung angesichts der Eilbedürftigkeit der Sache abhängig machen, ohne dass hierdurch das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters bei der Entscheidung über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung missachtet wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 I 3 VwGO. Einer Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag bedurfte es aufgrund der stattgebenden Kostenentscheidung nicht.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 63 II, 53 III Nr. 1, 47, 52 II, 39 I GKG 2004.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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