Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 8 F 144/19

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Weigerung der Beklagten, einen vollständigen, keine Auslassungen bzw. Schwärzungen enthaltenden Abdruck des 41-seitigen mit der Beigeladenen zu 1. am 30.5.2000 abgeschlossenen Grundlagenvertrages vorzulegen, rechtmäßig ist.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt in dem dem vorliegenden Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren (Az.: 1 K 916/18) die Verpflichtung der Beklagten, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 30.6.2017 Informationszugang zu dem Grundlagenvertrag der Beigeladenen zu 2. mit der Beigeladenen zu 1. zu gewähren. Gegenstand dieses Grundlagenvertrags ist die Verpachtung der der Beklagten gehörenden Parkierungsanlagen an die Beigeladene zu 1.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 30.6.2017 den von der Klägerin begehrten Informationszugang zu dem Grundlagenvertrag der Beigeladenen zu 2. mit der Beigeladenen zu 1. - jeweils in Rechtsnachfolge - ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, nach den Angaben beider Vertragsparteien enthalte dieser Vertrag Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Die jeweiligen Geschäftsführungen hätten auf Befragen in einen Informationszugang nicht eingewilligt.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 21.7.2017 Widerspruch ein, über den bislang nicht entschieden worden ist.

Am 26.6.2018 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben, mit der sie den Zugang zu dem bezeichneten Grundlagenvertrag beansprucht. Eine Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sei nicht substantiiert dargelegt worden. Die lediglich pauschale Behauptung, durch die Zugangsgewährung seien Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gefährdet, reiche nicht aus, um sich auf die Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 2 IFG berufen zu können. Um dem voraussetzungslosen Anspruch aus § 1 Abs. 1 IFG gerecht zu werden, wäre jedenfalls eine Schwärzung der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse beinhaltenden Stellen angezeigt. Eine vollständige Versagung des Zugangs sei daher auch im Falle tatsächlich bestehender Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihrem Anspruch auf Informationsfreiheit.

Die Beklagte hat nach Anforderung durch das Verwaltungsgericht lediglich die bei dem Stadtrechtsausschuss entstandene Ausgangsakte des Widerspruchsverfahrens ohne den streitgegenständlichen Grundlagenvertrag vorgelegt. Im Hinblick darauf hat sie sich auf die verweigerte Zustimmung zu einem Informationszugang durch die Beigeladenen zu 1. und 2. berufen.

Auf den Antrag der Klägerin, die Beklagte aufzufordern, die vollständigen Verwaltungsakten vorzulegen, hat das Verwaltungsgericht der Beklagten mit Verfügung vom 24.9.2018 aufgegeben, eine Kopie des Grundlagenvertrages ohne Anlagen vorzulegen, aus der der Inhalt ersichtlich ist, der keine auf das Unternehmen der Beigeladenen zu 1. bezogenen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthält. Mit Schreiben vom 5.11.2018 legte die Beklagte der gerichtlichen Verfügung entsprechend eine geschwärzte und mit Auslassungen versehene Fassung des Grundlagenvertrages zwischen den Beigeladenen zu 1. und 2. dem Verwaltungsgericht vor.(vgl. Blatt 79 -119 der Gerichtsakte)

Mit Beschluss vom 20.11.2018 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte aufgefordert, einen vollständigen - keine Auslassungen bzw. Schwärzungen beinhaltenden - Abdruck des 41-seitigen zwischen den Beigeladenen zu 1. und 2. am 30.5.2000 abgeschlossenen Grundlagenvertrags (ohne Anlagen) vorzulegen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Überprüfung des Vorliegens des von der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. geltend gemachten Ausschlussgrundes nach § 6 S. 2 IFG sei allein auf der Grundlage des bisherigen Vorbringens der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. sowie des bisher vorgelegten, mit umfangreichen Schwärzungen bzw. Auslassungen versehenen Vertragsexemplars nicht möglich, erfordere vielmehr nach derzeitigem Sachstand die Vorlage des vollständigen 41-seitigen Textes.

Die Beigeladene zu 3. hat insoweit am 24.1.2019, eingegangen am 7.2.2019, eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO abgegeben.

Hiergegen richtet sich der mit Schriftsatz vom 29.3.2019 gestellte Antrag nach § 99 Abs. 2 S. 1 VwGO, mit dem die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Weigerung der Beklagten, einen vollständigen, keine Auslassungen bzw. Schwärzungen enthaltenden Abdruck des 41-seitigen am 30.5.2000 abgeschlossenen Grundlagenvertrags ohne Anlagen vorzulegen, begehrt.

In dem Zwischenverfahren hat der Beigeladene zu 3. am 2.5.2019 dem Fachsenat eine Kopie des vollständigen, ungeschwärzten und keine Auslassungen beinhaltenden Grundlagenvertrages vom 30.5.2000 ohne Anlagen vorgelegt.

II.

Der (sinngemäße) Antrag der Klägerin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung vom 24.1.2019 bleibt ohne Erfolg.

Soweit sich das Begehren der Klägerin im Zwischenverfahren (auch) auf die Vorlage der Anlagen zu dem Grundlagenvertrag vom 30.5.2000 bezieht, ist der Antrag unzulässig, denn die von der Klägerin angestrebte Vorlage der Anlagen des Grundlagenvertrags ist nicht Gegenstand des vorliegenden Zwischenverfahrens. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts in der Hauptsache zur Vorlage der Unterlagen vom 20.11.2018 (1 K 916/18) beschränkt sich nur auf den am 30.5.2000 abgeschlossenen Grundlagenvertrag, da die Anlagen zu diesem Vertrag ausdrücklich ausgeklammert werden („ohne Anlagen“) und begrenzt damit auch den Prüfungsumfang des Fachsenats. Der Antrag auf Entscheidung des nach § 189 VwGO zuständigen Fachsenats im selbständigen Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts(Beschluss vom 2.11.2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233; vom 21.1.2014 - 20 F 1.13 - ; juris; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.4.2019 - 14 PS 4/19 -; zitiert nach juris.) grundsätzlich eine förmliche Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache voraus, dass es die von der obersten Aufsichtsbehörde zurückgehaltenen Akten, Unterlagen oder Dokumente für die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts benötigt. Das Gericht der Hauptsache muss dabei durch Angabe des Beweisthemas deutlich machen, dass es die Unterlagen oder Dokumente als erheblich ansieht. Eine diesen Anforderungen genügende förmliche Verlautbarung zur rechtlichen Erheblichkeit des geschwärzten Inhaltes des Grundlagenvertrages für die Entscheidung des Rechtsstreits hat das Verwaltungsgericht in dem Beschluss vom 20.11.2018 getroffen, indem es die Entscheidungserheblichkeit ausdrücklich nur für den am 30.5.2000 abgeschlossenen Grundlagenvertrag - ohne Anlagen - bejaht hat. An den Inhalt dieses Beschlusses des Verwaltungsgerichts ist der Fachsenat insoweit gebunden und kann den Gegenstand im Zwischenverfahren nicht erweitern.(OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.4.2019 - 14 PS 4/19 -; zitiert nach juris) Der Fachsenat entscheidet gem. § 99 Abs. 2 S. 1 VwGO nur darüber, ob die Verweigerung der Aktenvorlage durch die oberste Aufsichtsbehörde rechtmäßig ist oder nicht. Eine weitergehende Entscheidungszuständigkeit steht ihm nicht zu. Die Entscheidung über den Klageanspruch verbleibt bei dem Gericht der Hauptsache. Dies gilt auch dann, wenn - wie vorliegend - die Vorlage des Vertrages selbst Gegenstand des Rechtsstreites ist, weil derartige Fälle von der Geltung des § 99 Abs. 2 VwGO nicht ausgenommen sind.(vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.2.2008 - 20 F 2.07 - ; juris) Eine andere Beurteilung durch den Fachsenat kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist.(BVerwG, Beschluss vom 21.2.2008, a. a. O.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.4.2019 - 14 PS 4/19 - ; juris) Dafür bestehen indessen vorliegend keine Anhaltspunkte. Da das Verwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit hinsichtlich der Anlagen des Grundlagenvertrages in dem erwähnten Beschluss nicht bejaht hat, beschränkt sich der Prüfungsumfang des Fachsenats nur auf den 41-seitigen Grundlagenvertrag.

Der in diesem Umfang zulässige Antrag der Klägerin nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist unbegründet. Die Sperrerklärung des Beigeladenen zu 3. vom 24.1.2019 ist rechtmäßig. Die geltend gemachten Geheimhaltungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind gegeben.

Nach der Grundregel des § 99 Abs. 1 S. 1 VwGO obliegt den Behörden eine Verpflichtung zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zur Erteilung von Auskünften. Nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Akten verweigern, wenn das Bekanntwerden ihres Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Wird der Auskunftsanspruch (hier: nach § 1 des Saarländischen Informationsfreiheitsgesetzes - SIFG - i. V. m. dem für entsprechend anwendbar erklärten Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, im Folgenden: IFG) vor dem Verwaltungsgericht geltend gemacht, werden die Vorgaben und Entscheidungskriterien nach dem Fachgesetz durch die gem. § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO gebotenen Ermessensgesichtspunkte verdrängt. Die oberste Aufsichtsbehörde hat zusätzlich in den Blick zu nehmen, dass das angerufene Gericht auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist, um zu einer sachgerechten Entscheidung zu kommen. § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO überlässt der obersten Aufsichtsbehörde die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um des effektiven Rechtsschutzes willen absieht. Insofern ist die Vorschrift des § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO im Verhältnis zu den fachgesetzlich geregelten Auskunftsansprüchen eine prozessrechtliche Spezialnorm. Dies bedeutet, dass der obersten Aufsichtsbehörde auch in den Fällen Ermessen zugebilligt ist, in denen das Fachgesetz der zuständigen Fachbehörde kein Ermessen einräumt.(vgl. Beschluss des Senats vom 1.7.2015 m. w. N. zur Rechtsprechung) Die Ermessensbetätigung im Rahmen des § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO erfordert eine Berücksichtigung und Abwägung der betroffenen Belange. Die Gründe, die eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO rechtfertigen können, sind dabei von denjenigen Gründen zu unterscheiden, die im Verfahren der Hauptsache zur Verweigerung zur Aktenvorlage angeführt werden, soweit die Aktenvorlage auch Gegenstand des Rechtsstreits selbst ist. Die Gründe können, müssen aber nicht deckungsgleich sein. Da die Sperrerklärung als Erklärung des Prozessrechts auf die Prozesslage abgestimmt sein muss, in der sie abgegeben wird, genügt es grundsätzlich nicht, in ihr lediglich auf die die Sachentscheidung tragenden Gründen des - je nach Fachgesetz im einzelnen normierten - Geheimnisschutzes zu verweisen.(vgl. Beschluss des Senats vom 1.7.2015, a. a. O., m. Nachweis zur Rechtsprechung)

Entgegen der Ansicht der Klägerin hat der Beigeladene zu 3. seine Weigerung, die vom Verwaltungsgericht angeforderten Akten ungeschwärzt vorzulegen, mit dem Vorliegen von Geheimhaltungsgründen hinreichend plausibel dargelegt. Er hat vorgetragen, der Pachtvertrag enthalte Regelungen, die nur für die jeweiligen Vertragsparteien bestimmt seien, wie beispielsweise die Rechte und Pflichten der Vertragspartner, Regelungen über die Kostentragung, Haftungsfragen und Verkehrssicherungspflichten. Die vertragsrechtlich ausgestalteten Regelungen unterlägen einem besonderen Schutz vor anderen Wettbewerbern. Die Bekanntgabe der Informationen würde die Verhandlungspositionen und die Stellung am Markt sowohl der Beklagten als auch der Beigeladenen zu 1. mit wirtschaftlich nachteiligen Folgen schwächen. Für die Beklagte gelte dies beispielsweise unter Bezug auf künftige Vergaben des Betriebs oder der Verpachtung städtischer Parkierungsanlagen. Die Beigeladene zu 1. stehe in Konkurrenz mit anderen Bewerbern dieser Branche, so z. B. auch mit der Klägerin. Der Einwand der Klägerin, die Begründung des Beigeladenen sei zu pauschal, weil insbesondere eine konkrete präzisierende Zuordnung der geltend gemachten Weigerungsgründe zu den Schwärzungen und Auslassungen fehle, verfängt nicht, da es sich hier um ein einheitliches, gegenseitiges schuldrechtliches Vertragswerk (Pachtvertrag, § 581 Abs. 1 BGB) handelt, das als Ganzes in den Blick zu nehmen ist. Vor diesem Hintergrund war eine isolierte Einzelbetrachtung und Bewertung der zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsbestandteile durch den Beigeladenen zu 3. in dem Sperrvermerk entbehrlich.

Zu den Vorgängen, die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 ihrem Wesen nach geheim zu halten sind, gehören Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Zu den nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zählen alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig sind.(vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.3.2006 -1 BvR 2087/03 -; BVerwG, Beschlüsse vom 27.4.2016 - 20 F 13.15 - und zuletzt vom 11.10.2019 - 20 F 11.17 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.4.2019 - 14 PS 4/19 -, zitiert nach juris; Blatt in Brink/Polenz/Blatt, IFG, Kommentar, 2017, § 6 Rdnr. 39 ff.; vgl. auch § 17 UWG sowie die europäischen Parallelnormen VO (EG) Nr. 10949/2001und RL (EU) 2016/943) Neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen setzt ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen dem Marktkonkurrenten zugänglich zu machen, um so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Geschäftsgeheimnisse zielen auf den Schutz kaufmännischen Wissens; sie betreffen alle Konditionen, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens maßgeblich bestimmt werden können. Um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis geht es bereits dann, wenn die offengelegte Information lediglich Rückschlüsse auf ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis zulässt(BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 - 7 C 2.09 -, BVerwGE 135, 34; juris). Auch konkrete Vertragsgestaltungen, d.h. ein bestimmtes Vertragswerk, können als Geschäftsgeheimnis geschützt sein.(BVerwG, Beschluss vom 27.4.2016 - 20 F 13.15 - ; juris; Blatt in Brink/Polenz/Blatt, IFG, Kommentar, 2017, § 6 Rdnr. 39 ff.) Hierunter fallen auch der Inhalt und die einzelnen Vereinbarungen des zwischen der Beigeladenen zu 1. und der Beigeladenen zu 2. geschlossenen Pachtvertrages.

Schutzzweck des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ist die Verteidigung der wirtschaftlichen Stellung des Betroffenen gegenüber den Marktkonkurrenten. Erforderlich ist demnach eine Wettbewerbsrelevanz der offenzulegenden Unterlagen. Das ist im Hinblick auf den zwischen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Grundlagenvertrag vom 30.5.2000 zu bejahen, denn die von den Vertragsparteien getroffenen individuellen Vereinbarungen würden der Klägerin ein Sonderwissen vermitteln, welches geeignet wäre, ihr bei künftiger Vergabe von Parkierungsflächen durch die Beklagte Vorteile zu verschaffen. Die einzelnen in Rede stehenden Vertragsbestimmungen, die Schwärzungen bzw. Auslassungen enthalten, stehen im wechselseitigen Verhältnis und bilden in ihrer Gesamtschau das Wesen des Grundlagenvertrages. Sie sind daher nicht, wie die Klägerin meint, für sich genommen trennbar in schutzwürdige und nicht schutzwürdige Bestandteile.

Die Schwärzungen und Auslassungen in II.(2) (Anzahl der Mitarbeiter der Verpächterin, die der private Betreiber übernimmt, Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums), § 1 (1), (2) und (3) (Umfang und Inhalt des Pachtgegenstandes), § 1 (5) (Ausnahmeregelung), § 1 (5) a) (Höhe der Reduzierung des Pachtzinses bezüglich einzelner Objekte sowie von Ausnahmen hiervon), § 1 (5) c) (Rückerstattung der geleisteten Vorauszahlung), § 1 (7) a) mit Auslassung bis Seite 13 (Beschreibung der das Pachtverhältnis umfassenden Objekte und bestehende schuldrechtliche oder dingliche Belastungen), Auslassung von Seite 13 bis 15 (Objekte), § 1 (8) (Nennung des Ausnahmeobjektes), § 2 (1) (Höhe des Pachtzinses und der Pachtvorauszahlungen), § 2 (2) S. 1 (Höhe der von der Beklagten übernommenen Ausfallbürgschaft), § 2 (3) und (4), § 2 (5), § 2 (6) (Geltung der Wertsicherungsklausel), § 2 (7) (Höhe der Investitionssumme), § 2 (8) (Pachtzins), § 2 (10) (Sicherheitsleistung), § 3 (1) und (2) (Pflichten der Pächterin), § 3 (3) und (4) (Kostentragungsvereinbarungen), die Auslassungen auf Seite 20 und 21, auf Seite 24 und 25 zu § 4 (Vereinbarungen, die den Übergang der Arbeitsverhältnisse betreffen), § 5 (Verkehrssicherungspflicht), § 6 (Befugnisse der Pächterin), § 7 (Pflichten der Verpächterin), § 8 (Befugnisse der Verpächterin), § 9 (Übergang bestehender Verträge), § 10 (Gewährleistung, Haftung, Entschädigung), § 11 (Beginn und Dauer, Übergabe), § 13 (Rückabwicklung), § 14 (Steuern, Abgaben und sonstige Lasten), § 15 (Garantien, die die Verpächterin im Hinblick auf das Vertragsverhältnis gegenüber der Pächterin abgibt), § 16 (Vorpacht- und Vorkaufsrecht), § 17 (Abstimmung/Kooperation), § 18 (Sonderbestimmungen), § 21 (Vertragskosten) und in III. (Schlussbestimmungen) betreffen im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende individuelle Regelungen und Vereinbarungen der Vertragspartner, deren Kenntnis der Klägerin Rückschlüsse über kaufmännische Kalkulationen und Preisgestaltungen der Beigeladenen zu 1. und der Beklagten ermöglichen. Insbesondere die Preisvereinbarungen, Zahlungsbedingungen und eventuellen besonderen Konditionen geben Aufschluss über Betriebsführung und wirtschaftliche Lage der Beigeladenen zu 1. Die Kalkulationen und Kostenvereinbarungen sind für öffentliche Ausschreibungen vergaberelevant. Der Pachtvertrag beinhaltet daher bezüglich der Schwärzungen und Auslassungen durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG geschützte Betriebsinterna der Beigeladenen zu 1. Firmengegenstand der Klägerin ist die Projektierung und Entwicklung von Immobilien und Grundstücken, insbesondere im R. in A-Stadt(vgl. https://www.northdata.de

Gegen die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Ermessensausübung bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Durch die Ermessenseinräumung wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO regelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der mit geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen befassten Behörde zum Verwaltungsgericht, das in einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Entscheidung auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt das Gesetz die Auskunftserteilung und Aktenvorlage in das Ermessen der Behörde, lässt dieser also die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um des effektiven Rechtsschutzes willen absieht. Die oberste Aufsichtsbehörde muss in ihrer Sperrerklärung in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen, dass sie gemessen an diesem Maßstab die Folgen der Verweigerung mit Blick auf den Prozessausgang gewichtet hat.(vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.1.2011 - 20 F 18.10 -, juris) Das Ergebnis der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann in bestimmten Fallkonstellationen durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich zwingend vorgezeichnet sein.(OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.4.2019 - 14 PS 4/19 -, zitiert nach juris) Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht, das grundrechtlich geschützt ist. Das ist hier der Fall, denn es handelt sich um eine Dreieckskonstellation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass neben der Klägerin und der Beklagten auch die Beigeladene zu 1., ein privater Dritter, am Prozess beteiligt ist, deren Interessen denen der Klägerin entgegengesetzt sind. In solchen Fällen sind neben dem öffentlichen und privaten Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz auch die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden und seinen Inhalt prägenden widerstreitenden Individualinteressen in die Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen. Ergibt sich dabei, dass die auf die Aktenvorlage gerichteten und durch die genannten öffentlichen Interessen verstärkten privaten Interessen an Bedeutung hinter dem grundrechtlich gebotenen Geheimnisschutz zurückbleiben, muss sich dieser Schutz durchsetzen.

Hiervon ausgehend ist es nicht ermessensfehlerhaft, dass der Beigeladene zu 3. das Interesse der Beigeladenen zu 1. an der Geheimhaltung der von der Sperrerklärung erfassten Informationen höher gewichtet hat als das Interesse der Klägerin, ihren materiellen Anspruch auf Informationszugang verwirklichen zu können. Der Vorwurf der Klägerin, der Sperrvermerk des Beigeladenen zu 3. lasse nicht erkennen, dass dieser die rechtsschutzverkürzende Wirkung der Verweigerung der Aktenvorlage berücksichtigt habe, verfängt nicht. Der Beigeladene hat sich in der Sperrerklärung vom 24.1.2019 mit dem Konkurrenzverhältnis zwischen dem prozessualen Anspruch aus § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO und dem materiell-rechtlichen Anspruch aus § 1 SIFG i.V.m. 1 IFG der Klägerin befasst und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass - ungeachtet des Vorliegens des materiell-rechtlichen Ausschlusstatbestandes des § 6 Satz 2 IFG - die Weigerung der vollständigen Aktenvorlage zur Wahrung von Geheimhaltungsinteressen gerechtfertigt ist. Damit hat er zu erkennen gegeben, dass er unabhängig von den Vorgaben des materiell-rechtlichen Fachgesetzes sein Ermessen nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ausgeübt hat. Dies ist als ausreichend zu erachten, da sich das Prüfprogramm für die prozessuale Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO faktisch weitgehend den fachgesetzlichen Vorgaben der Hauptsache annähert.(vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21.2.2008 - 20 F 2.07 -, BVerwGE 130, 236, vom 19.1.2009 - 20 F 23.07 -, NVwZ 2009, 1114; und vom 8.2.2011 - 20 F 13.10 -, DVBl. 2011, 501; zitiert nach juris)

Die Weigerung der Beklagten, den Grundlagenvertrag vom 30.5.2000 vollständig, d.h. ohne Schwärzungen und Auslassungen vorzulegen, erweist sich daher als rechtmäßig. Der Antrag der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

Einer eigenständigen Kostenentscheidung bedarf es im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht. Denn es handelt sich im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren um einen unselbstständigen Zwischenstreit, für den das Gerichtskostengesetz einen Ansatz von Gerichtsgebühren nicht vorsieht und besondere anwaltliche Vergütungsansprüche nicht entstehen.(vgl. Beschluss des Senats vom 1.7.2015 - 8 F 95/15 - m. w.Nw. zur Rspr.) Auch ein Streitwert ist daher nicht festzusetzen.

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