Beschluss vom Sächsisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 M 114/18

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen eine naturschutzrechtliche Anordnung des Antragsgegners, mit der ihm die Pflanzung von Bäumen und Strauchreihen sowie die Leistung von Ausgleichsmaßnahmen aufgegeben wird.

2

Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke der Gemarkung W., Flur A, Flurstücke 583 und 581 sowie Flur B, Flurstücke 198/1, 196/1, 194/1, 192/1, 190/1 und 188/1 (W. Schachtsee), auf denen ein Campingplatz betrieben wird, sowie des östlich angrenzenden Grundstücks der Gemarkung W., Flur A, Flurstück 563, auf dem sich eine Parkfläche befindet. Nach einem Bürgerhinweis stellte der Antragsgegner bei einer am 17.11.2017 durchgeführten Ortsbesichtigung fest, dass auf diesen Flächen eine Vielzahl von Bäumen (Pappeln) sowie Strauchreihen beseitigt worden waren.

3

Mit Bescheid vom 29.05.2018 gab der Antragsgegner dem Antragsteller auf, im Bereich des Geländes W. Schachtsee eine Pflanzung von 36 Bäumen, davon mindestens zwei Baumreihen mit einem Mindestbaumbestand von jeweils 10 zusammenhängenden Bäumen, und von 4 Strauchreihen mit einem Gesamtumfang von insgesamt 150 m² anzulegen (Ziffer 1) sowie auf der angrenzenden Parkfläche 12 weitere Bäume zu pflanzen (Ziffer 2). Darüber hinaus ordnete der Antragsgegner an, dass als Kompensation des durch die Fällungen entstandenen Naturschadens weitere Ausgleichsmaßnahmen durch den Antragsteller zu leisten sind, dabei insgesamt 23.860 Biotopwertpunkte auszugleichen sind und der unteren Naturschutzbehörde bis zum 30.09.2018 ein landschaftspflegerischer Begleitplan mit konkreten Ausgleichsmaßnahmen zu Entscheidung vorzulegen ist (Ziffer 3). Zugleich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Verfügung an (Ziffer 4). Für den Fall, dass der Antragsteller den Anordnungspunkten 1 und 2 nicht nachkomme, drohte er ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 € an (Ziffer 5), und für den Fall, dass er dem Anordnungspunkt 3 nicht nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 € (Ziffer 6). Der Anordnung war u.a. die Nebenbestimmung Nr. 6 beigefügt, wonach die Aufwuchs- und Entwicklungspflege der Gehölze fünf Jahre beträgt und ausgefallene Gehölze in der jeweils darauffolgenden Pflanzperiode zu ersetzen sind.

4

Hiergegen erhob der Antragsteller am 27.06.2018 Widerspruch, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.

5

Auf den vom Antragsteller ebenfalls am 27.06.2018 gestellten Antrag hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich Ziffer 5 der Verfügung angeordnet, den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs im Übrigen aber abgelehnt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, der angefochtene Bescheid unterliege – bis auf die nicht hinreichend bestimmte Zwangsgeldandrohung in Ziffer 5 – nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung keinen rechtlichen Bedenken.

6

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG für eine Wiederherstellungsanordnung seien erfüllt. Die vom Antragsteller vorgenommene Beseitigung von insgesamt 51 Bäumen und vier Strauchreihen stelle nach summarischer Prüfung einen Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 BNatSchG dar, der nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG auszugleichen oder zu ersetzen sei. Die Gestalt der Grundfläche des Schachtseegeländes sei derart verändert worden, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes nicht ausgeschlossen werden könne. Wie sich auch den im Verwaltungsvorgang enthaltenen Lichtbildern entnehmen lasse, habe die Entfernung der großen Anzahl von Bäumen dazu geführt, dass der an den Campingplatz angrenzende Schachtsee auf großer Fläche einsehbar sei. Auch als Sichtschutz dienende große Bäume seien großflächig nicht mehr vorhanden. Auf der Luftbildaufnahme sei zu erkennen, dass der Bereich 1, der sich am Eingangsbereich des Campingplatzes befinde und die Grundstücksgrenze mit Bäumen verdeutliche, beseitigt worden sei, so dass ein freier Blick auf das Gelände gegeben sei. Für den Durchschnittsbeobachter stelle sich die den Schachtsee auf Höhe des Campingplatzes umgebende Landschaft als bedeutend weniger von Pflanzen, insbesondere Bäumen, bewachsenes Gebiet dar, als vor den vorgenommenen Veränderungen, insbesondere weil die Landschaft von den hochgewachsenen Bäumen geprägt gewesen sei. Wie den Bildern in der Akte entnommen werden könne, seien die beseitigten Bäume von einiger Höhe gewesen und hätten das sich für den Menschen ergebende Landschaftsbild maßgeblich beeinflusst, weshalb die mit den Rodungen einhergehende Veränderung des Landschaftsbildes nicht nur einem sich für Natur und Landschaft interessierenden Durchschnittsbetrachter unmittelbar auffalle und als negative Veränderung qualifiziert werde.

7

Diese sich optisch aufdrängende negative Veränderung des Landschaftsbildes habe auch erheblichen Einfluss auf das Funktionieren des Naturhaushalts. Insbesondere Rodungen oder auch die Beseitigung von Hecken beeinträchtigten das – aus den Faktoren Boden, Wasser, Luft, Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer vielfältigen Wechselwirkungen gebildete – ökologische Wirkungsgefüge einer Grundfläche, wenn – wie hier – einzelne dieser Faktoren oder ihr ökologisches Zusammenwirken Störungen unterlägen, die nach ökologischen Maßstäben als Verschlechterung zu bewerten seien. Dass das sich auf dem maßgeblichen Gelände entwickelte Wirkungsgefüge hier erheblich beeinträchtigt sei, dürfte in Anbetracht des Ausmaßes der Fällungen, das aufgrund des Stammumfangs ersichtlich höheren Alters der Bäume und daher der Intensität der Beseitigungen nicht in Frage zu stellen sein.

8

Ein rechtmäßiger Zustand könne auch nicht anders als durch Wiederherstellung des früheren Zustandes geschaffen werden (§ 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG), insbesondere nicht durch Zulassung des Eingriffs. Der für die Behebung des Verstoßes gegen die formelle Genehmigungspflicht erforderliche Antrag auf Zulassung nach § 17 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG bzw. die nachträgliche Anzeige des Vorhabens lägen bereits nicht vor. Ungeachtet dessen seien auch die Anforderungen des § 15 BNatSchG nicht erfüllt, die Voraussetzung für eine nachträgliche Zulassung des Eingriffs wären (§ 17 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG).

9

Es bestünden auch keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der unter Ziffer 3 der Verfügung angeordneten Verpflichtung zur Erstellung eines landschaftspflegerischen Begleitplans. Die mit einem solchen Plan aufzuzeigenden weiteren Maßnahmen sollten der Kompensation der Beeinträchtigungen dienen, die auch nach den unter Ziffern 1 und 2 angeordneten Ersatzpflanzungen noch nicht beseitigt seien. Zweifel an der Berechnung der auszugleichenden Biotopwertpunkte, die der Antragsgegner auf der Grundlage der Richtlinie über die Bewertung und Bilanzierung von Eingriffen im Land Sachsen-Anhalt (Bewertungsmodell Sachsen-Anhalt) in der Fassung des Runderlasses des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt vom 12.03.2009 vorgenommen habe, bestünden bei Anlegung des summarischen Prüfungsmaßstabes nicht.

II.

10

A. Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht.

11

1. Der Antragsteller wendet ein, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 8 BNatSchG seien nicht erfüllt. Ein Eingriff in Natur und Landschaft liege nicht vor. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes könne ausgeschlossen werden. Das Landschaftsbild habe sich durch die Entfernung der Bäume und Sträucher nicht wesentlich verändert. Das großflächige Landschaftsgebiet um den Schachtsee sei offen und flach. Die vornehmlich von Wiesen und Ackerflächen geprägte Landschaft werde nur sporadisch von Baumansiedlungen und Sträuchern unterbrochen. Eine zusammenhängende Vegetation von Bäumen und Sträuchern bestehe nicht. Eine Beeinträchtigung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit (des Naturhaushalts) könne ausgeschlossen werden. Nachdem nunmehr seit Beseitigung der Bäume und Sträucher ca. ein Jahr vergangen sei, lasse das Gebiet keine negativen Veränderungen erkennen. Vielmehr sei die Entfernung der witterungsbedingt stark beschädigten Gehölze für die Entwicklung der nahen Vegetation förderlich. Die bloße denktheoretische Annahme von Veränderungen reiche nicht aus. Weder Bodenschicht noch Grundwasser zeigten Veränderungen. Die Annahme einer Nutzungsänderung der Grundfläche könne auch nicht über die zweckgerichtete menschliche Nutzung herbeigeführt werden. Das Gelände sei im Allgemeinen in der Vergangenheit als Campingplatz genutzt worden. Die weiteren Naturbestandteile und -flächen ergänzten den Campingplatz zu diesem Zweck weiterhin.

12

Mit diesen Einwänden vermag der Antragsteller die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Beseitigung der Bäume und Strauchreihen einen Eingriff im Sinne der §§ 17 Abs. 8, 14 Abs. 1 BNatSchG darstelle, nicht in Frage zu stellen.

13

Nach § 14 Abs. 1 BNatSchG sind Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können.

14

In der Beseitigung der Bäume und Strauchreihen ist jedenfalls eine Veränderung der Gestalt von Grundflächen im Sinne von § 14 Abs. 1 Alt. 1 BNatSchG zu sehen, so dass die Frage, ob darin auch eine Veränderung der Nutzung der Flächen zu sehen ist, offen bleiben kann.

15

Mit der Gestalt von Grundflächen ist deren äußeres Erscheinungsbild angesprochen, das durch geomorphologische Erscheinungen wie Berge, Hügel, Täler, fließende oder stehende Gewässer, aber auch durch seine charakteristischen Pflanzenbestände geprägt wird (vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. II, BNatSchG, § 14 RdNr. 5, m.w.N.). Handlungen, Vorhaben und Maßnahmen, die eine Grundfläche in ihrem äußeren Erscheinungsbild – wie hier - verändern, sind als relevante Veränderungen im Sinne des § 14 Abs. 1 BNatSchG zu erachten (Gellermann, a.a.O., § 14 RdNr. 10; Mühlbauer, in: Lorz/Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, BNatSchG, 3. Aufl., § 14 RdNr. 14, jew. m.w.N.).

16

Ob durch die vom Antragsteller vorgenommene Veränderung des Baum- und Strauchbestandes auf seinen Grundstücken das Landschaftsbild in Anbetracht der die Umgebung prägenden Flächennutzung erheblich beeinträchtigt werden kann, d.h. die Veränderung bei der gebotenen großräumigen Betrachtungsweise (vgl. dazu OVG NW, Urt. v. 18.11.2004 – 7 A 3329/01 –, juris, RdNr. 46; Urt. v. 05.07.1993 – 11 A 2122/90 –, NVwZ-RR 1994, 260; BayVGH, Urt. v. 01.10.2007 – 15 B 06.2356 –, juris, RdNr. 22; Gellermann, a.a.O. RdNr. 18; Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg [Hrsg.], BNatSchG, § 14 RdNr. 48; Lütkes, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 14 RdNr. 20) von einem gegenüber den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter als nachteilig und störend empfunden wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.01.2016 – BVerwG 4 A 5.14 –, juris, RdNr. 146, m.w.N.), kann dahingestellt bleiben.

17

Die in der Beschwerde vorgetragenen Erwägungen des Antragstellers vermögen jedenfalls die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage zu stellen, dass die vom Antragsteller vorgenommene Beseitigung von ca. 50 Bäumen und 4 Strauchreihen die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts erheblich beeinträchtigen kann.

18

Der Naturhaushalt umfasst das aus den Faktoren Boden, Wasser, Luft, Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer vielfältigen Wechselwirkungen gebildete (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) und räumlich abgrenzbare Wirkungsgefüge; seine Leistungs- und Funktionsfähigkeit meint zunächst den aktuellen Zustand dieses Wirkungsgefüges, geht darüber aber insoweit hinaus, als der Begriff der "Fähigkeit" vorhandene, derzeit aber noch nicht aktualisierte Potenziale einschließt. Eine Beeinträchtigung erfährt die Leistungs- und Funktionsfähigkeit dieses Wirkungsgefüges, wenn einzelne seiner Faktoren oder ihr ökologisches Zusammenwirken in einer Weise gestört werden, die sich nach ökologischen Maßstäben als Verschlechterung darstellt. Da die Anzahl der Tier- und Pflanzenarten für das ungestörte Funktionieren des Ökosystems und seine Stabilität von entscheidender Bedeutung ist, kann eine Beeinträchtigung insbesondere dann angenommen werden, wenn Populationen von Tier- und Pflanzenarten die Lebensgrundlage entzogen wird, die Artenvielfalt abnimmt oder sich die Individuenzahl der Arten verringert. Auch wenn die biologische Vielfalt als nach der neu formulierten Zielstellung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG einen eigenen Schutzgegenstand darstellt, während sie früher gemäß § 2 Nr. 8 BNatSchG a.F. als Bestandteil zur Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts gehörte, bleibt sie im Hinblick auf die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts nicht außer Betracht; eine gewisse Einschränkung der Eingriffsdefinition ergibt sich allerdings daraus, dass die Veränderung die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts beeinträchtigen können muss (zum Ganzen: Urt. d. Senats v. 31.01.2018 – 2 L 56/16 –, juris, RdNr. 70, m.w.N).

19

Um den Tatbestand des § 14 Abs. 1 BNatSchG zu erfüllen, reicht – ganz im Sinne eines vorsorgenden Umweltschutzes – schon die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung aus. Eine Beeinträchtigung ist erheblich, wenn sie nach Art, Umfang und Schwere im Verhältnis zur ökologischen Qualität des betroffenen Naturhaushalts von Gewicht ist. Dabei ist insbesondere auf das Schutzwürdigkeitsprofil der betroffenen Naturgüter und das Gefährdungsprofil des Eingriffs abzustellen. Berücksichtigt werden sowohl formell ausgewiesene Schutzgebiete, die wegen des flächendeckenden Charakters der Eingriffsregelung nicht betroffen zu sein brauchen, als auch tatsächlich vorkommende Typen schutzwürdiger Lebensräume und Landschaftsstrukturen. Die Bestimmung des Gefährdungsprofils orientiert sich u.a. an der Dimension des Projekts und seinen wesentlichen Wirkungsparametern. Im Ergebnis muss es sich um eine Beeinträchtigung von spürbarem Gewicht oder zumindest um eine nach Art, Umfang und Schwere des Eingriffs nicht völlig unwesentliche Beeinträchtigung handeln. Erheblich sind Beeinträchtigungen des Naturhaushalts dann, wenn sie nicht von geringer Bedeutung und mit den in § 1 BNatSchG bezeichneten Zielen (und früher auch den Grund-sätzen des § 2 BNatSchG a.F.) unvereinbar sind. Die Intensitätsschwelle ist im Hinblick auf die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts umso eher überschritten, je empfindlicher das jeweilige Ökosystem und je schutzwürdiger die betroffenen Bestandteile des Naturhaushalts sind (zum Ganzen: Urt. d. Senats v. 31.01.2018, a.a.O., RdNr. 71, m.w.N.). Negative Einwirkungen liegen z.B. vor, wenn einzelne Elemente des Naturhaushalts wie Tiere und Pflanzen in ihrer Anzahl reduziert werden (vgl. Lütkes, a.a.O., RdNr. 16). Soweit Kleintiere und Vögel in einem Baumbestand günstigere Lebensbedingungen als auf einer Fläche ohne Baumbestand vorfinden, ist seine Bedeutung für die Tierwelt umso höher zu veranschlagen, je weniger Bäume und Sträucher in Folge intensiv betriebener Landwirtschaft in seiner Nähe sind (vgl. HessVGH, Beschl. v. 30.11.1992 – 3 TH 1789/92 –, juris, RdNr. 17).

20

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, das auf dem maßgeblichen Gelände entwickelte Wirkungsgefüge sei hier in Anbetracht des Ausmaßes der Fällungen und des Alters der beseitigten Bäume beeinträchtigt. Der Antragsteller vermag dies nicht mit dem Argument in Frage zu stellen, dass er keine negativen Veränderungen habe erkennen können. Um die Schwelle der Erheblichkeit im Sinne von § 14 Abs. 1 BNatSchG zu überschreiten ist es mit Blick auf den Naturhaushalt nicht erforderlich, dass die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in eine "ohne weiteres feststellbaren Weise" herabgesetzt zu werden droht (Gellermann, a.a.O., RdNr. 17, m.w.N.).

21

Mit der Behauptung, die entfernten Gehölze seien witterungsbedingt stark beschädigt gewesen, vermag der Antragsteller die Eingriffsqualität der von ihm durchgeführten Maßnahmen nicht in Frage zu stellen. Insbesondere ist nicht näher dargelegt, inwieweit die (vollständige) Beseitigung beschädigter Bäume für die übrige Vegetation förderlich sein soll. Auch (stark) beschädigte Bäume eignen sich als Lebensräume für Tiere, insbesondere Vögel. Soweit von den beseitigten Bäumen eine Gefahr für Dritte, insbesondere Camper ausgegangen sein sollte, betrifft dies vielmehr die Frage, ob dem Antragsteller – auf entsprechenden Antrag – eine Genehmigung des Eingriffs nach § 17 Abs. 3 i.V.m. § 15 BNatSchG hätte erteilt werden müssen.

22

Unabhängig davon lassen die Darlegungen des Antragstellers und die von ihm eingereichten Unterlagen nicht erkennen, dass die beseitigten Gehölze witterungsbedingt so stark beschädigt waren, dass nur ihre (vollständige) Beseitigung in Betracht kam. Allein der Umstand, dass im Zeitraum von September bis Ende Oktober 2017 insbesondere auch das Land Sachsen-Anhalt von Unwetter-Stürmen betroffen war und dort erhebliche Sach- und Personenschäden entstanden, belegt dies nicht. Der – erstmals im Beschwerdeverfahren vorgetragene – Einwand, die genauere Betrachtung des Baumbestandes habe ergeben, dass viele Bäume bereits schief gewachsen oder abgeknickt waren oder sich bedenklich zur Seite neigten, ist nicht durch aussagekräftige Unterlagen untersetzt. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass eine sachverständige Begutachtung stattfand. Auch eine Dokumentation der geltend gemachten Sturmschäden hat der Antragsteller offenbar nicht vorgenommen. In seinem Widerspruch sowie im erstinstanzlichen Verfahren hat der Antragsteller lediglich vorgetragen, in den letzten Jahren seien gleich mehrere Bäume abgestorben bzw. umsturzgefährdet gewesen; diese seien nicht mehr zu retten gewesen und hätten aus Gründen der Sicherheit entfernt werden können. Auch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass (auch) benachbarte, mit Bäumen bewachsene Flächen um den Schachtsee von Sturmschäden in dem vom Antragsteller geltend gemachten Ausmaß betroffen waren. Dadurch dass der Antragsteller die vom Antragsgegner erfassten Bäume ohne die erforderliche naturschutzrechtliche Genehmigung beseitigt hat, hat er sich der Möglichkeit begeben, die geltend gemachten (Sturm-)Schäden an den fraglichen Bäumen feststellen zu lassen. Der Vortrag, die Durchführung eines naturschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens hätte nicht so zeitnah abgeschlossen werden können, dass eine Gefährdung der Campingplatzbesucher hätte ausgeschlossen werden können, vermag nicht zu überzeugen. Soweit tatsächlich bei "genauerer Betrachtung" eine Gefahr von Bäumen ausgegangen sein sollte, ist nicht ersichtlich, weshalb der Antragsgegner dem Antragsteller nicht auf entsprechenden Antrag kurzfristig eine Genehmigung erteilt hätte, um die Gefahrensituation zu beseitigen. Soweit der Antragsteller unter Bezugnahme auf eine Erklärung der Platzmeisterin geltend macht, eine Dauercamperin sei auf dem in Rede stehenden Campingplatz durch einen umstürzenden Baum lebensgefährlich verletzt und ihre Unterkunft fast vollständig zerstört worden, ist dem entgegen zu halten, dass auch dies nicht belegt, dass sämtliche oder zumindest eine Vielzahl der vom Antragsteller beseitigten Gehölze so beschädigt waren, dass auch von ihnen eine entsprechende Gefahr ausging.

23

2. Der Vortrag des Antragstellers, die unter Ziffer 1 aufgeführten Punkte seien bei der Prognoseentscheidung über die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer erheblichen Beeinträchtigung nicht genügend berücksichtigt worden und eine Prognose dürfe nicht ohne belastbaren Vortrag "ins Blaue hinein" getroffen werden, bleibt unsubstantiiert. Der Antragsteller zeigt auch an dieser Stelle nicht auf, weshalb die im Rahmen der summarischen Prüfung gewonnene Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die Beseitigung der ca. 50 Bäume und vier Strauchreihen in Anbetracht des Ausmaßes der Fällungen die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts beeinträchtigen kann und deshalb einen Eingriff im Sinne des § 14 Abs. 1 BNatSchG darstellt, fehlerhaft ist.

24

3. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Antragstellers, unter Beachtung des bisherigen Vortrages lägen die Voraussetzungen für eine nachträgliche Genehmigung seines Vorhabens vor. Mit der Erwägung des Verwaltungsgerichts, der für die Behebung des Verstoßes gegen die formelle Genehmigungspflicht erforderliche Antrag auf Zulassung nach § 17 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG bzw. die nachträgliche Anzeige des Vorhabens lägen bereits nicht vor, setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Sie verhält sich auch nicht zu der Auffassung der Vorinstanz, die Anforderungen des § 15 BNatSchG, die Voraussetzung für eine nachträgliche Zulassung des Eingriffs wären, seien nicht erfüllt.

25

4. Der Antragsteller wendet ein, die Anordnung zur Erstellung eines landschaftspflegerischen Begleitplans stelle eine unzumutbare Belastung dar, die zu den konkreten Pflanzanordnungen hinzutrete. Spätestens nach der angeordneten Pflege- und Begleitzeit von fünf Jahren sollte der landschaftliche und natürliche Wert der Gehölze und Sträucher einen weiteren Begleitplan entbehrlich machen. Die Durchführung beider Maßnahmen parallel werte den Biotopwert des entsprechenden Naturgebiets auf. Er, der Antragsteller, habe jedoch in keinem Fall ein positives Schadensinteresse zu ersetzen oder sogar für die Förderung des Naturhaushalts in diesem Maß zu sorgen. Damit vermag der Antragsteller nicht durchzudringen.

26

Das Verwaltungsgericht hat zunächst darauf verwiesen, dass die mit dem landschaftspflegerischen Begleitplan aufgegebenen weiteren Maßnahmen der Kompensation der Beeinträchtigungen dienen soll, die auch nach den unter Ziffer 1 und 2 der Verfügung angeordneten Ersatzpflanzungen noch nicht beseitigt sind. Für die Kompensation des durch die Fällung von 50 bis 60 Jahre alten Bäumen entstandenen Schadens reiche es nicht aus, wenn die beseitigten Bäume im Verhältnis eins zu eins ersetzt werden, weil die Neuanpflanzung unter dem Gesichtspunkt des ökologischen Ausgleichs dem gefällten Baum (zunächst) nicht gleichkomme (vgl. S. 9 des Beschlussabdrucks). Mit dem Einwand des Antragstellers, es seien die gepflanzten Gewächse nach Ablauf der Fünfjahresfrist zur Sicherstellung der Anwuchs- und Entwicklungspflege einzustellen, für die er Sorge zu tragen habe, hat sich das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss ausführlich befasst (S. 13 f. des Beschlussabdrucks). Es hat angenommen, bei der Berechnung der Wertsteigerung, die mit den dem Antragsteller aufgegebenen Ersatzpflanzungen erfolge, werde in Anwendung der Richtlinie über die Bewertung und Bilanzierung von Eingriffen im Land Sachsen-Anhalt (Bewertungsmodell Sachsen-Anhalt) in der Fassung des Runderlasses des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt vom 12.03.2009 sowie der daran anknüpfenden Anlage 1 den Kompensationsmaßnahmen ein Planwert zugeordnet, der der Inwertsetzung der zur Kompensation der Eingriffsfolgen geplanten Biotopentwicklungsmaßnahme diene. In der Regel sei der Planwert niedriger als der jeweilige Biotopwert. Je länger die Entwicklungsdauer und je höher das Wiederherstellungsrisiko des Biotoptyps seien, desto stärker weiche der Planwert vom Biotopwert ab. Beeinträchtigungen von Biotoptypen mit langer Entwicklungsdauer oder mit hohem Wiederherstellungsrisiko lösten danach grundsätzlich einen höheren Kompensationsbedarf aus (Ziffer 3.1.2.1 der Bewertungs- und Bilanzierungsrichtlinie). Daraus ergebe sich, dass bei der Festlegung des Planwerts die mit der Zeit eintretende Wertsteigerung des anzupflanzenden Gewächses bereits Berücksichtigung gefunden habe. Soweit der Antragsteller dahingehend zu verstehen sein sollte, dass für die Berechnung der mit den Ersatzpflanzungen eintretenden Kompensation nicht der Plan-, sondern der Biotopwert heranzuziehen sei, sei dem nicht zu folgen. Denn lediglich bei vorzeitig durchgeführten Maßnahmen – etwa bei bereits durchgeführten Ersatzpflanzungen – werde die anrechenbare Wertsteigerung ausschließlich über den (zum Anrechnungszeitpunkt jeweils aktuellen) Biotopwert ermittelt (Ziffer 3.1.2.2 der Bewertungs- und Bilanzierungsrichtlinie). Eine vorzeitige Durchführung der Kompensationsmaßnahme habe vorliegend jedoch nicht stattgefunden, so dass der Planwert in Ansatz zu bringen sei.

27

Mit diesen Erwägungen setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Mit dem Einwand, spätestens nach der angeordneten Pflege- und Begleitzeit von fünf Jahren machten der Wert der Gehölze einen landschaftspflegerischen Begleitplan entbehrlich, vermag der Antragsteller die Rechtmäßigkeit der Anordnung unter Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht in Frage zu stellen, weil dieser Zustand bislang noch nicht erreicht ist.

28

5. Der Antragsteller rügt schließlich, es könne nicht nachvollzogen werden, dass bei naturschutzrechtlichen Angelegenheiten eine besondere Eilbedürftigkeit bestehen solle. Verluste für das Landschaftsbild und den Naturhaushalt, wie sie der Antragsgegner überzogen dargestellt habe, seien nicht ersichtlich. Sie seien bislang nicht eingetreten und würden voraussichtlich auch nicht während des Hauptsacheverfahrens eintreten. Diese Einwände verfangen nicht.

29

Es ist anerkannt, dass das besondere Vollzugsinteresse im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO durch das einschlägige materielle Recht bereichsspezifisch vorgeprägt sein kann. So ist für bestimmte Arten von Verfügungen das Erlassinteresse mit dem Vollzugsinteresse identisch. Die Gründe, die den Erlass eines Verwaltungsaktes rechtfertigen, fordern demnach zugleich auch dessen sofortigen Vollzug. Eine starke Vorprägung durch das materielle Recht erfährt die Vollziehbarkeitsanordnung bei naturschutzrechtlichen Maßnahmen. Insoweit ist Eilbedürftigkeit gegeben, wenn es darum geht, natürliche Verhältnisse baldmöglichst wiederherzustellen und die Herbeiführung einer irreparablen Zerstörung der zu schützenden Natur und Landschaft zu verhindern. Ein besonderes Vollzugsinteresse liegt vor, wenn bei rechtswidrigen Eingriffen in ein geschütztes Biotop der Eintritt von nicht oder nur schwer rückgängig zu machenden Auswirkungen auf den Naturhaushalt verhindert werden soll. Insbesondere bei illegalen Eingriffen in die Natur durch Beseitigung von Bäumen rechtfertigt sich ein behördliches Eingreifen durch Anordnung einer sofortigen Ersatzpflanzung daraus, dass bei einer grundsätzlich gebotenen Ersatzmaßnahme, die sich oft erst nach langer Zeit zu einem gleichwertigen Ausgleich auswächst, nicht noch durch Abwarten der rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung ein zusätzlicher Zeitverlust eintritt. Zudem kann die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer naturschutzrechtlichen Maßnahme generalpräventiv auf die Gefahr einer unerwünschten Nachahmungswirkung gestützt werden. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn wirklich Zweifel an der Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Verfügung bestehen (zum Ganzen: Beschl. d. Senats v. 21.04.2016 – 2 M 93/15 –, juris, RdNr. 20, m.w.N.).

30

Gemessen daran begegnet die Anordnung der sofortigen Vollziehung der naturschutzrechtlichen Verfügung des Antragsgegners keinen rechtlichen Bedenken. Dem Einwand des Antragstellers, Verluste für den Naturhaushalt seien nicht ersichtlich, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Vortrag des Antragsgegners in der Antragserwiderung vom 13.07.2018 (S. 5), dass Lebensraum besonders streng geschützter Tierarten auf dem Gelände in erheblichem Umfang verloren gegangen sei, erscheint in Anbetracht der Anzahl der beseitigten Bäume und Strauchreihen überzeugend.

31

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

32

C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. 1.7.2 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebende Bedeutung der Sache bemisst der Senat hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 des angefochtenen Bescheids nach den voraussichtlichen Kosten für die Pflanzung von 48 Bäumen und 4 Strauchreihen sowie für die Anwuchs- und Entwicklungspflege (vgl. Beschl. d. Senats v. 08.02.2011 – 2 L 32/10 –, juris, RdNr. 13). Diese schätzt der Senat auf ca. 500,00 € je Baum und Strauchreihe, so dass sich insoweit ein Wert in Höhe von 26.000,00 € ergibt. Für die Anordnung unter Ziffer 3 des Bescheides legt der Senat wie die Vorinstanz den Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG zugrunde. Die mit der Grundverfügung verbundene und im Beschwerdeverfahren noch streitgegenständliche (unselbständige) Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,00 € hinsichtlich der Ziffer 3 der Anordnung bleibt bei der Streitwertfestsetzung außer Betracht, da auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes nicht höher ist als der für die Grundverfügung selbst zu bemessende Streitwert (vgl. Nr. 1.7.2 des Streitwertkataloges; BayVGH, Beschl. v. 16.03.2017 – 9 C 17.324 – juris, RdNr. 5; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 01.09.1992 – 1 B 163/92 –, juris, RdNr. 4). Der sich danach ergebende Gesamtbetrag von 31.000,00 € ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkataloges).

33

D. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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