Beschluss vom Sächsisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 L 44/19
Gründe
- 1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 6. Kammer - vom 20. November 2018 hat keinen Erfolg.
- 2
I. Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich nicht wegen der gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
- 3
„Grundsätzliche Bedeutung“ im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 28. April 2014 - 1 L 75/13 -, juris Rn. 39 [m. w. N.]). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zudem im Zulassungsantrag darzulegen. Hiernach ist es zunächst erforderlich, dass in der Antragsschrift eine konkrete - entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige - rechtliche oder tatsächliche Frage „aufgeworfen und ausformuliert” wird. Darüber hinaus obliegt es dem Rechtsschutzsuchenden, im Einzelnen darzulegen, inwiefern die aufgeworfene Frage im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinaus einer fallübergreifenden Klärung bedarf und im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Hierbei sind - neben der Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes, welche die Begründung erkennen lassen muss - die genannten Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels in der Weise unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung, der einschlägigen Rechtsprechung sowie unter Angabe der maßgeblichen tatsächlichen und/oder rechtlichen Überlegungen zu erläutern und aufzuarbeiten, dass das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt wird, anhand der Antragsschrift darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels gerechtfertigt ist (OVG LSA, Beschluss vom 28. April 2014, a. a. O.).
- 4
In Anlegung dieser Maßstäbe ist eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden.
- 5
Das Verwaltungsgericht hat die auf Bereitstellung und Finanzierung eines Schriftdolmetschers gerichtete Klage der Klägerin, die infolge einer Erkrankung eine Spätertaubung erlitten hat und deshalb anerkannt schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 ist, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
- 6
Der geltend gemachte Anspruch stehe der Klägerin auf der Grundlage des Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt - BGG LSA) nicht zu. Insbesondere folge ein solcher Anspruch nicht aus § 8 Abs. 2 BGG LSA, wonach Menschen mit Behinderungen Anspruch auf die Verhinderung und die Beseitigung von benachteiligenden Maßnahmen und Regelungen hätten. Zwar liege gemäß § 4 BGG LSA eine Benachteiligung vor, wenn Menschen mit und ohne Behinderungen ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt würden und dadurch Menschen mit Behinderungen in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt würden. Hierbei umfasse die behinderungsbedingte Diskriminierung auch die Verweigerung angemessener Vorkehrungen. Als „angemessene Vorkehrungen“ seien allerdings nur notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen anzusehen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellten und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich seien, vorgenommen würden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit Menschen ohne Behinderungen am Leben in der Gesellschaft teilhaben und von ihren Grundfreiheiten Gebrauch machen könnten. Eine entsprechende Regelung finde sich in § 7 des (Bundes-)Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG). Der (Bundes-)Gesetzgeber habe mit dieser Regelung keine neuen Verpflichtungen für die Träger öffentlicher Gewalt begründen wollen. § 7 BGG sei lediglich aus Gründen der Rechtsklarheit deklaratorisch an die Vorgaben des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) und des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention - UN-BRK) vom 13. Dezember 2006 (Gesetz vom 21. Dezember 2008, BGBl. II 2008, S. 1419) angepasst worden.
- 7
Die von der Klägerin begehrte Maßnahme sei zwar eine derartige Vorkehrung im Sinne des § 4 BGG LSA. Sie sei im konkreten Fall jedoch nicht angemessen im Sinne des § 4 Satz 3 BGG LSA, da sie die Beklagte unverhältnismäßig belaste. Wann eine Vorkehrung als unverhältnismäßig anzusehen sei, definierten weder das BGG noch das BGG LSA. Nach Art. 2 UN-BRK bedeuteten „angemessene Vorkehrungen“ notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellten und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich seien, vorgenommen würden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben könnten. Auch § 4 Satz 3 BGG LSA definiere den Begriff dahingehend, dass die angemessenen Vorkehrungen keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen dürfen.
- 8
Der Begriff der „Unverhältnismäßigkeit“ werde auch in Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABI. L 303 vom 2. Dezember 2000, S. 16) nicht definiert. Allerdings lasse sich dieser Bestimmung entnehmen, dass Kompensationen, die der Verpflichtete von anderen Stellen erhalte, zu berücksichtigen seien. Eine derartige Kompensation erhalte die Beklagte vom Land Sachsen-Anhalt jedoch nicht. Die Beklagte halte jährlich 30.000 € für Assistenten bereit, für die ihr das Land Sachsen-Anhalt allerdings keine gesonderten Haushaltsmittel zur Verfügung stellen würde. Diese Mittel müsse sie in ihrer Finanzplanung vielmehr selbst berücksichtigen.
- 9
Dies - so das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung weiter - bedeute allerdings nicht, dass der Träger öffentlicher Gewalt keinen Aufwand betreiben müsse. Er habe vielmehr zu prüfen, welche Maßnahmen in Betracht kämen. Hierbei habe er sein Ermessen pflichtgemäß auszuüben. Den Gesetzesmaterialien zum BGG lasse sich entnehmen, dass das Beweislastrisiko für den Versagensgrund der unverhältnismäßigen oder unbilligen Belastung beim Träger öffentlicher Gewalt liege.
- 10
Im vorliegenden Fall sei die Beklagte ihren danach bestehenden Pflichten nachgekommen, indem sie der Klägerin zumindest Assistenzkräfte zur Verfügung gestellt habe. Würde die Beklagte dem Wunsch der Klägerin entsprechen und Schriftdolmetscher in der erforderlichen Anzahl einstellen, wären die ihr zur Verfügung stehenden Mittel (jährlich 30.000 €) bereits durch die Klägerin aufgebraucht. Denn die begehrte Zurverfügungstellung von (tatsächlich erforderlichen) zwei Schriftdolmetschern würde für die Beklagte eine finanzielle Belastung von ca. 30.000 € pro Semester bedeuten. Eine solche Belastung müsse als unverhältnismäßig angesehen werden.
- 11
Die Klägerin wirft mit der Zulassungsschrift demgegenüber die folgende Frage auf:
- 12
„Kann sich eine Hochschule im Rahmen ihrer Verpflichtung zu ‚angemessenen Vorkehrungen gegenüber behinderten Studierenden auf ‚Unverhältnismäßigkeit‘ der Maßnahme, Änderung oder Anpassung im Sinne von § 4 Satz 3 BGG LSA auch dann mit dem Argument berufen, dass sie nach dem Haushaltsplan des Landes keine finanziellen Mittel zur inklusiven bzw. barrierefreien Gestaltung der Studienbedingungen für Studierende mit Behinderung erhalte, wenn sie tatsachlich - wiederholt - am Ende eines Haushaltsjahres nicht verausgabte frei verfügbare Finanzmittel in zweistelliger Millionenhöhe hat, die in das Folgejahr übertragen werden?“
- 13
Für den Fall, dass es bei der Beurteilung der „Unverhältnismäßigkeit“ nach der zuvor aufgeworfenen Frage nach Auffassung des erkennenden Senats nicht auf die tatsächliche Finanzlage der Hochschule ankomme, hält die Klägerin die folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
- 14
„Kann sich eine Hochschule auf die ‚Unverhältnismäßigkeit‘ im Sinne von § 4 Satz 3 BGG LSA mit der Begründung berufen, dass sie nach dem Haushaltplan keine Finanzmittel zur Verfügung stehen habe, wenn seit dem Inkrafttreten des BGG LSA unter dem 28.12.2010 die Hochschulleitung bzw. ihre Repräsentanten (ehemalige und gegenwärtige Rektoren, Kanzler) in Kenntnis der umfassenden rechtlichen Verpflichtungen zur inklusiven Gestaltung der Studienbedingungen nach dem BGG LSA keine (ausreichenden) Finanzmittel gegenüber der Landesregierung des Landes Sachsen-Anhalt wiederholt und nachdrücklich geltend gemacht haben, um ihre Verpflichtung nach dem BGG LSA, die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Studierender durch inklusive Gestaltung der Studienbedingungen zu gewährleisten, zu erfüllen?“
- 15
Hinsichtlich dieser Fragen erfüllt die Zulassungsschrift die Darlegungsanforderungen nicht. Es fehlt jedenfalls an der Erläuterung und Aufarbeitung der maßgeblichen rechtlichen Überlegungen, so dass das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt würde, anhand der Antragsschrift darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels gerechtfertigt ist (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 28. April 2014, a. a. O., Rn. 39 [m. w. N.]). Die Antragsschrift beschränkt sich insoweit auf die Feststellung, dass die aufgeworfenen Fragen „durch die höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung bislang nicht geklärt“ seien. Es hätten „keine Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts oder des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt gefunden werden [können], die zur Auslegung und Anwendung der einzelnen Merkmale, insbesondere des unbestimmten Rechtsbegriffs der ‚verhältnismäßigen Belastung‘ bzw. ‚unverhältnismäßigen Belastung‘ bei der Verpflichtung zu angemessenen Vorkehrungen im Sinne von § 4 Satz 3 BGG LSA, oder zu vergleichbaren Regelungen wie in § 7 Abs. 2 Satz 2 BGG (des Bundes) Stellung nehmen“. Insoweit trage die zu erwartende Entscheidung des Senats „zur Weiterentwicklung des Rechts“ bei.
- 16
Den an die Darlegung des Zulassungsgrundes zu stellenden Anforderungen wird dieser Vortrag nicht gerecht. Die Klägerin hat noch nicht einmal den Versuch unternommen, Inhalt und Reichweite des § 4 Satz 3 BGG LSA oder des als vergleichbar angesehenen § 7 Abs. 2 Satz 2 BGG mit Hilfe der anerkannten Methoden der Rechtsfindung zu ergründen.
- 17
Das Verwaltungsgericht hat sich zur Ermittlung des Inhalts der Regelungen in § 4 BGG LSA und § 7 BGG auf die Begriffsbestimmung in Art. 2 UN-BRK bezogen. Es hat auf einschlägige Literatur (Neumann/Pahlen/Winkler/Jabben, SGB IX, 13. Aufl. 2018, § 6 BGG), die Rechtsprechung des EGMR (Urteil vom 23. Februar 2016, Çam/Türkei, Az.: 51500/08, NZS 2017, 299) und die Gesetzesmaterialien zum BGG (BT-Drs. 18/7824) hingewiesen. Daneben hat es die europarechtliche Bestimmung des Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG in den Blick genommen. Auf all dies geht die Zulassungsschrift nicht ansatzweise ein.
- 18
Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGStG LSA) vom 10. März 2010 knüpft die Aufnahme des Begriffs der „angemessenen Vorkehrungen“ in § 4 BGG LSA an „Art. 2 Abs. 3 der UN-BRK“ an (LT-Drs. 5/2488, S. 25). Hiermit ist die Begriffsbestimmung der „angemessenen Vorkehrungen“ („reasonable accommodation“) in Art. 2 Unterabsatz 4 UN-BRK gemeint. Danach dürfen die angemessenen Vorkehrungen keine „unverhältnismäßige oder unbillige Belastung“ darstellen („not imposing a disproportionate or undue burden“). Die zu dieser Bestimmung verfügbare Literatur stellt fest, dass die Einzelheiten dieser Begrifflichkeiten noch weitestgehend ungeklärt seien, und empfiehlt einen Blick auf die entsprechenden US-amerikanischen Regelungsvorbilder (Kreutz/Lachwitz/Trenk-Hinterberger, Die UN-Behindertenrechtskonvention in der Praxis, 2013, Art. 2 Rn. 8 ff.).
- 19
Weiterführende Hinweise zum Inhalt des Gebots angemessener Vorkehrungen liefert ein im Internet allgemein zugängliches Forschungsgutachten, das durch die Autoren Welti/Frankenstein/Hlava für die Schlichtungsstelle nach dem Behindertengleichstellungsgesetz erstellt wurde („Angemessene Vorkehrungen und Sozialrecht“, Juli 2018, zu finden etwa unter www.felix-welti.de/veranstaltungsdokumentation). Es setzt sich mit den einschlägigen Rechtsquellen auseinander (UN-BRK; EMRK; GG; BGG; AGG) und nimmt Bezug auf die Auslegungshinweise des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Committee on the Rights of Persons with Disabilities - CRPD; ebenda, S. 50 ff.). Die Autoren führen in diesem Gutachten u.a. aus, es sei mittlerweile anerkannt, dass die Begriffe „unverhältnismäßig“ („disproportionate“) und „unbillige Belastung“ („undue burden“) einheitlich zu verstehen seien und sie gemeinsam die Obergrenze der Pflicht zur Bereitstellung angemessener Vorkehrungen festlegten. Beide Begriffe sollten insofern als Synonyme betrachtet werden, als sie sich auf denselben Gedankengang beziehen: angemessene Vorkehrungen seien im Hinblick auf übermäßige oder nicht zu rechtfertigende Belastungen des Vertragsstaats zu begrenzen (ebenda, S. 51 [m. w. N.]). Im Übrigen unterscheide sich die Beurteilung, was im Einzelfall als unverhältnismäßig im Sinne des Art. 2 Unterabsatz 4 UN-BRK zu gelten habe, in Abhängigkeit zum Kontext und Sachverhalt. Bei der Beurteilung habe der Vertragsstaat einen gewissen Spielraum in Hinblick auf die Bewertung des Sachverhalts, solange diese Beurteilung nicht evident willkürlich sei oder eine Rechtsverweigerung darstelle. Es habe eine Prüfung von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu erfolgen, die alle relevanten Aspekte des Sachverhalts zugrunde zu legen und umfassend anhand objektiver und nachvollziehbarer Kriterien zu erfolgen habe. Eine Abwägung müsse alle Aspekte des Einzelfalls berücksichtigen und sei einer schematischen Lösung nicht zugänglich. Welche Faktoren neben dem Ausmaß der Diskriminierung in die Abwägung einzustellen seien, sei im Einzelfall zu klären. Zu den abwägungsrelevanten Faktoren gehörten regelmäßig die verfügbaren Ressourcen und die Auswirkungen der Anpassung auf die Beteiligten, auch im Verhältnis zu Dritten. Soweit finanzielle Ressourcen einzusetzen seien, seien diese ins Verhältnis zum Gesamtetat einer Organisationseinheit zu bringen und entsprechend zu gewichten (ebenda, S. 53 [m. w. N.]).
- 20
Mit diesen oder anderen Auslegungshinweisen zu Art. 2 Unterabsatz 4 UN-BRK, die für die Bestimmung des Inhalts von § 4 Satz 3 BGG LSA von Relevanz sind, beschäftigt sich die Zulassungsschrift nicht. Fehlt es der Zulassungsschrift mithin in rechtlicher Hinsicht an einer Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes, sind die Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht erfüllt.
- 21
Die Ausführungen der Zulassungsschrift auf Seite 5 (letzter Absatz) bis Seite 7 (erster Absatz) beschränken sich auf tatsächliche Überlegungen zur Haushaltslage des Beklagten und zur Möglichkeit einer Mittelzuweisung durch das Land Sachsen-Anhalt. Rechtliche Überlegungen zur Reichweite des § 4 Satz 3 BGG LSA enthält dieser Teil der Zulassungsschrift nicht. Soweit ein vereinzelter „Gedanke der Inklusion nach dem BGG LSA in Verbindung mit der völkerrechtskonformen Auslegung der UN-BRK“ geäußert wird, bleibt dieser Gedanke inhaltlich unausgefüllt. Es ist auch nicht Aufgabe des Senats, bruchstückhaftes Vorbringen des Rechtsmittelführers durch eigene rechtliche Überlegungen „schlüssig zu machen“ und dem Rechtsmittel auf diese Weise zum Erfolg zu verhelfen.
- 22
Sollte es im Übrigen für die Beurteilung, was als unverhältnismäßig im Sinne des § 4 Satz 3 BGG LSA anzusehen ist, unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen maßgeblich auf die Würdigung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles ankommen, wäre zudem zweifelhaft, ob sich die aufgeworfenen Fragen überhaupt in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten lassen. Letztlich mag dies aber dahinstehen. Denn die Zulassungsschrift wird den Darlegungsanforderungen bereits aus den vorstehenden Gründen nicht gerecht.
- 23
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 VwGO gerichtskostenfrei. Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich vorliegend um eine Angelegenheit der Fürsorge im Sinne von § 188 VwGO handelt. Fürsorge im Sinne des § 188 Satz 1 VwGO ist in einem umfassenden Sinne zu verstehen und betrifft Sachgebiete, in denen Leistungen mit primär fürsorgerischer Zwecksetzung vorgesehen sind (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 188 Rn. 2 [m. w. N.]). Die (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das BGG beruht auf dem Kompetenztitel der „öffentlichen Fürsorge“ nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (vgl. BT-Drs. 18/7824, S. 23). Es erscheint damit sachgerecht, bei einer Klage, die sich gegen die Versagung angemessener Vorkehrungen im Sinne des § 4 BGG LSA wendet, von einer fürsorgerechtlichen Angelegenheit auszugehen.
- 24
III. Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VwGO § 124 2x
- VwGO § 152 1x
- VwGO § 188 3x
- VwGO § 124a 2x
- § 4 Satz 3 BGG 9x (nicht zugeordnet)
- § 8 Abs. 2 BGG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 7 BGG 2x (nicht zugeordnet)
- § 4 BGG 5x (nicht zugeordnet)
- § 7 Abs. 2 Satz 2 BGG 2x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 L 75/13 1x
- § 6 BGG 1x (nicht zugeordnet)