Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 M 124/10
Gründe
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Die zulässige Beschwerde ist begründet.
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Das Verwaltungsgericht hat den geltend gemachten Anordnungsanspruch zu Unrecht verneint.
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Der Antragsteller rügt zu Recht, dass der für morgen, den 18.08.2010 beabsichtigten Abschiebung die Vorschrift des § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG entgegensteht. Danach ist, wenn die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt ist, die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen. Auch wenn in der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 16/5065, S. 188) davon die Rede ist, dass (nur) die Ausländer, die aufgrund eines Widerrufs „des Aufenthaltstitels ausreisepflichtig wurden“, privilegiert werden, da ihre Ausreisepflicht nicht von vorn herein ersichtlich war, kann es unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik und des mit der Vorschrift verfolgten Zwecks nur um den Widerruf der Duldung zur Durchsetzung der Ausreisepflicht gehen (vgl. Zühlcke, ZAR 2007, 361 [363]). In Satz 2 des § 60a Abs. 5 AufenthG wird der Widerruf der Duldung als Rechtsfolge bei Wegfall der der Abschiebung entgegenstehenden Gründe genannt. Ferner will die Regelung des § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG den Ausländer in seinem Interesse schützen, sich in seinen Lebensverhältnissen auf die bevorstehende Abschiebung einstellen zu können. Dies ist nicht nur beim Widerruf eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 4 AufenthG von Belang, sondern gerade auch dann, wenn der Ausländer bereits langjährig geduldet ist.
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Die Antragsgegnerin hat die dem Antragsteller erteilte und noch bis zum 15.09.2010 gültige Aussetzung der Abschiebung (Duldung) zwar nicht widerrufen; vielmehr ist sie aufgrund der in der Duldung enthaltenen Nebenbestimmung „mit der Bekanntgabe des Rückführungstermins“ erloschen. Aber auch auf diesen Fall ist, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, die Vorschrift des § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG (entsprechend) anzuwenden. Dabei kann der Senat offen lassen, ob die Ausländerbehörde die Abschiebung immer anzukündigen hat, wenn eine Duldung durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung erlischt. Sie ist es jedenfalls dann, wenn sie es aufgrund der Formulierung der Nebenbestimmung letztlich selbst in der Hand hat, den Eintritt der auflösenden Bedingung herbeizuführen und tatsächlich auch herbeiführt. Ein solches Vorgehen kommt einem Widerruf der Duldung gleich. Durch die Beifügung der Nebenbestimmung, dass die Duldung mit der Bekanntgabe des Rückführungstermins erlischt, hat es die Antragsgegnerin hier in der Hand gehabt, das Erlöschen der Duldung durch bloße Bekanntgabe des Rückführungstermins anstelle eines Widerrufs herbeizuführen.
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Entgegen der Annahme der Vorinstanz erfüllt das Schreiben der Antragsgegnerin vom 09.02.2010 nicht die Voraussetzungen, die § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG an eine Ankündigung der Abschiebung stellt; denn zu diesem Zeitpunkt war noch völlig offen, wann eine Abschiebung des Antragstellers möglich sein würde. Zwar muss in einer Abschiebungsankündigung nicht zwingend ein ganz bestimmtes Datum oder ein bestimmter Zeitraum, nach dessen Ablauf abgeschoben werden wird, benannt werden. Für den Ausländer muss sich jedoch hinreichend deutlich ergeben, wann in etwa mit einer Abschiebung zu rechnen ist. Andernfalls vermag die Ankündigung ihren Zweck nicht zu erfüllen. Deshalb darf eine Ankündigung erst erfolgen, wenn eine Abschiebung tatsächlich konkret vorbereitet und demgemäß unmittelbar vollzogen werden kann (vgl. zum Ganzen: Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, II - § 60a RdNr. 254, m. w. Nachw.). Die Abschiebungsankündigung darf nicht ohne jeden Anlass, gewissermaßen „auf Vorrat" ergehen. Es liegt kein Sinn darin, die Betroffenen, nur um dem Gesetz Genüge zu tun, in regelmäßigen Abständen zu veranlassen, ihre Ausreise vorzubereiten. Eine Ankündigung, die nicht in dem Sinne ernst gemeint ist, dass ihre Umsetzung auch tatsächlich im zeitlichen Zusammenhang zu erwarten ist, läuft Gefahr, auch nicht ernst genommen zu werden (OVG MV, Beschl. v. 13.09.2006 - 2 M 84/06 -, Juris).
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Im Zeitpunkt der „Abschiebungsankündigung“ vom 09.02.2010 lagen weder ein gültiger Pass noch ein gültiges Passersatzpapier vor, so dass weiterhin eine Abschiebung aus tatsächlichen Gründen bis auf weiteres nicht möglich war. Daran ändert auch nichts, dass der Antragsteller, der nach den Feststellungen in diesem Schreiben bereits seit dem 15.04.2000 vollziehbar ausreisepflichtig ist, aufgefordert wurde, diese Dokumente beizubringen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 47; 52 Abs. 2; 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.
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Referenzen
- § 4 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG 4x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 60a Abs. 5 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 M 84/06 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 47; 52 Abs. 2; 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG 3x (nicht zugeordnet)