Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 L 111/12

Gründe

1

Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 26. September 2012 hat keinen Erfolg.

2

Die gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

3

„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (OVG LSA, Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris [m. w. N.]). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33).

4

Das Antragsvorbringen begründet im vorbezeichneten Sinne keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit - des Ergebnisses - der angefochtenen Entscheidung.

5

Soweit sich das Antragsvorbringen gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtes wendet, für die vorliegend begehrte Beihilfeleistung seien die BhV und nicht die BBhV maßgeblich, stellt dies das Urteilsergebnis nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Nach - dem bis zum 1. Februar 2010 geltenden - § 88a Abs. 1 BG LSA erhielten Beamte sowie Versorgungsempfänger in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen sowie bei Empfängnisregelung, nicht rechtswidrigem Schwangerschaftsabbruch und nicht rechtswidriger Sterilisation Beihilfen nach den für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes jeweils geltenden Vorschriften. Nichts Anderes galt im Übrigen nach § 120 Abs. 8 LBG LSA und gilt seit dem 1. April 2011 nach dem nunmehr maßgeblichen § 3 Abs. 8 BesVersEG LSA, da die nach § 120 Abs. 7 LBG LSA bzw. § 3 Abs. 7 BesVersEG LSA vorgesehene Verordnung bislang nicht erlassen ist (siehe zum Vorstehenden: OVG LSA, Beschluss vom 24. November 2010 - 1 L 146/10 -, juris).

6

Insoweit spricht zwar mit dem Antragsvorbringen hier Überwiegendes dafür, dass die klägerischen Aufwendungen für die in der Zeit vom 3. November 2008 bis 5. Dezember 2008 erbrachten, aber erst mit Rechnung vom 11. März 2009 abgerechneten zahnärztlichen Leistungen der bereits am 14. Februar 2009 in Kraft getretenen BBhV unterfallen. Denn gemäß § 58 Abs. 1 BBhV ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen vom 1. November 2001 (GMBl S. 919), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verwaltungsvorschrift vom 30. Januar 2004 (GMBl S. 379) - BhV -, nur noch auf Aufwendungen weiter anzuwenden, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung entstanden sind. „Entstanden“ dürften die Aufwendungen indes erst mit der In-Rechnung-Stellung sein, da der Aufwand bzw. dessen Höhe ab diesem Zeitpunkt bekannt sind und geltend gemacht werden können (vgl. hierzu auch: OVG Niederachsen, Beschlüsse vom 4. Januar 2012 - 5 LA 176/10 und 5 LA 82/11 -, jeweils juris).

7

Die dynamische Verweisung in § 88a Abs. 1 BG LSA, § 120 Abs. 8 LBG LSA (a. F.) und § 3 Abs. 8 BesVersEG LSA führt dazu, dass im streitgegenständlichen Zeitraum der Inhalt der Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar 2009, insbesondere auch der § 17 Abs. 9 BhV nachgebildete § 54 Abs. 1 BBhV zum Bestandteil der jeweiligen landesrechtlichen Verweisungsnorm und insoweit zum partiellen Landesrecht geworden ist, und zwar „mangels gegenteiliger Anzeichen“ im Rang einer Verordnung (vgl.: BVerwG; Urteil vom 19. Juli 2012 - 5 C 1.12 -, juris).

8

Gleichwohl führt die Anwendung der BBhV zu keinem anderen Urteilsergebnis, da - wie die Antrags(begründungs)schrift selbst ausführt - nicht anders als gemäß § 17 Abs. 9 BhV auch nach § 54 Abs. 1 Satz 1 BBhV Beihilfe nur gewährt wird, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Rechnungsdatum beantragt wird. Dies hat der Kläger indes unbestrittenermaßen verabsäumt.

9

Soweit der Kläger mit seinem Antragsvorbringen erstmals geltend macht, er sei aus gesundheitlichen Gründen zu einer rechtzeitigen Antragstellung nicht in der Lage gewesen, handelt es sich zum Einen schon um eine bloße Behauptung. Zum Anderen ist das Vorbringen auch nicht schlüssig, da der Kläger bereits am 6. Februar 2010 wieder in der Lage gewesen sein will, einen - hier nicht streitgegenständlichen - Beihilfeantrag zu stellen. Mit Recht geht das Verwaltungsgericht daher davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt dem Kläger die Beantragung der Beihilfegewährung für die unter dem 11. März 2009 in Rechnung gestellten zahnärztlichen Leistungen möglich und zumutbar gewesen waren. Gegenteiliges ist weder ersichtlich noch durch das Antragsvorbringen (schlüssig) dargelegt. Dies gilt insbesondere, soweit der Kläger auf eine zwischenzeitlich erfolgte negative Bescheidung eines anderweitigen Beihilfeantrages und die hierzu ergangene Rechtsprechung verweist. Es bleibt im Verantwortungsbereich des Klägers, ob, wann und in welchem Umfang er hiernach weitere Beihilfeansprüche gegenüber der Beklagten geltend machen will. Ungeachtet dessen verkennt das Antragsvorbringen in Gänze, dass die zwischen den auch hier Beteiligten ergangene Senatsentscheidung vom 15. März 2012 in dem Verfahren 1 L 10/12 gerade nicht die Frage zu beantworten hatte, ob § 10 Abs. 2 BBhV wirksam ist, da es auf diese Fragestellung in dem dortigen Verfahren nicht entscheidungserheblich angekommen ist.

10

Schließlich mangelt es dem Antragsvorbringen auch an schlüssigem Vorbringen insofern, als die Unwirksamkeit von § 54 Abs. 1 BBhV geltend gemacht wird. Die Antrags(begründungs)schrift erschöpft sich in der bloßen Behauptung der Unwirksamkeit der vorbezeichneten Norm. Daran vermag die schlichte Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Juli 2012 in dem Verfahren 5 C 1.12 (a. a. O.) und der Hinweis, hier gelte gleichsam dasselbe, nichts zu ändern. Das vorgenannte Urteil befasst sich weder mit § 54 Abs. 1 BBhV, noch wird darin die Unwirksamkeit der BBhV als Ganzes festgestellt. Vielmehr ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Juli 2012, dass § 54 Abs. 1 BBhV als - wie oben ausgeführt - Landesrecht im Range einer Verordnung nicht unwirksam ist, insbesondere nicht gegen den vom Bundesverwaltungsgericht insoweit herangezogenen Vorbehalt des Gesetzes verstößt.

11

Wegen des Vorbehaltes des Gesetzes muss der Gesetzgeber die tragenden Strukturprinzipien und wesentliche Einschränkungen des Beihilfesystems festlegen. Zu den tragenden Strukturprinzipien des Beihilferechts gehören insbesondere die Bestimmung des Leistungssystems, das dem Beamten und seiner Familie Schutz im Fall von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet, die Festlegung der Risiken, die abgedeckt werden, des Personenkreises, der Leistungen beanspruchen kann, der Grundsätze, nach denen Leistungen erbracht, bemessen oder ausgeschlossen werden und die Anordnung, welche zweckidentischen Leistungen und Berechtigungen Vorrang haben. Ferner muss der parlamentarische Gesetzgeber die Verantwortung für Beihilfekürzungen in Form von Selbstbeteiligungen übernehmen, wenn sie die Schwelle der Geringfügigkeit überschreiten (so: BVerwG; Urteil vom 19. Juli 2012, a. a. O.). Der Gesetzgeber kann der Notwendigkeit einer von ihm zu verantwortenden Entscheidung grundsätzlich dadurch Rechnung tragen, dass er - hier mittels einer landesgesetzlichen Verweisung auf Verordnungsrecht des Bundes - den Beihilfeausschluss durch Landesverordnung regelt. Hierfür ist erforderlich, dass das Landesgesetz eine gemessen an dem auch von dem Landesgesetzgeber zu beachtenden Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend konkrete Verordnungsermächtigung enthält, die den betreffenden Leistungsausschluss inhaltlich deckt (siehe: BVerwG, a. a. O.). Dies ist in Bezug auf das Land Sachsen-Anhalt und damit für das hier streitgegenständliche Verfahren der Fall.

12

Sowohl nach § 120 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 lit. a) LBG LSA in der vom 1. Februar 2010 bis 31. März 2011 geltenden Fassung als auch nach dem inhaltsgleichen, zum 1. April 2011 in Kraft getretenen § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 lit. a) BesVersEG LSA können in der Verordnung über die Beihilfegewährung bezüglich des Verfahrens der Beihilfegewährung Bestimmungen über eine Ausschlussfrist und eine betragsmäßige Antragsgrenze für die Beantragung der Beihilfe getroffen werden. Die in dem streitgegenständlichen Zeitraum bestehende landesgesetzliche Verordnungsermächtigung trägt mithin den Ausschluss der Leistungsgewährung auf Beamte, die Beihilfe grundsätzlich nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Rechnungsdatum beantragt wird.

13

Soweit sich der Kläger gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf den Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache beruft, sind diese nicht entsprechend den Darlegungserfordernissen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO dargelegt.

14

„Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten“ der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bestehen dann, wenn die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder aufgrund der zugrunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, also das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht, mithin signifikant vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitsachen abweicht (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 6. Juni 2006 - 1 L 35/06 -, JMBl. LSA 2006, 386 [m. w. N.]). Im Hinblick auf die Darlegungsanforderungen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist es erforderlich, im Einzelnen darzulegen, hinsichtlich welcher Fragen und aus welchen Gründen aus der Sicht des Rechtsschutzsuchenden die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist (OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]), denn der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO soll eine allgemeine Fehlerkontrolle nur in solchen Fällen ermöglichen, die dazu besonderen Anlass geben (vgl.: BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senates vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163). Außerdem bedarf es Darlegungen dazu, dass die aufgeworfenen Fragen für den zu entscheidenden Rechtsstreit entscheidungserheblich sind (vgl.: BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 1. Senates vom 8. März 2001 - 1 BvR 1653/99 -, NVwZ 2001, 552). Nur wenn sich schon aus dem Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteiles ergibt, dass eine Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierig ist, genügt ein Antragsteller der ihm gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO obliegenden Darlegungslast bereits regelmäßig mit erläuternden Hinweisen auf die einschlägigen Passagen des Urteiles (vgl.: BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senates vom 23. Juni 2000, a. a. O.). Soweit der Antragsteller hingegen die Schwierigkeiten des Falles darin erblickt, dass das Gericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, hat er diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darzustellen und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel zu machen (BVerfG, a. a. O.).

15

Den vorstehenden Anforderungen wird das Vorbringen in der Antragsbegründungsschrift zum Vorliegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache nicht gerecht. Das Antragsvorbringen macht schon nicht deutlich bzw. differenziert nicht danach, worin einerseits die besonderen tatsächlichen und andererseits die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der vorliegenden Rechtssache begründet liegen sollen. Im Hinblick auf die aufgeworfenen Fragen wird überdies nicht deren Entscheidungserheblichkeit dargelegt und deren besonderer Schwierigkeitsgrad plausibel gemacht. Dass die hier maßgebliche Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, also das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht, ist im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen des Senates im Übrigen auch nicht zu erkennen. Ebenso wenig ergibt sich aus dem Begründungsaufwand des angefochtenen Urteiles, dass die Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht besonders schwierig ist. Entsprechendes wird in der Antrags(begründungs)schrift jedenfalls nicht zulassungsbegründend dargelegt.

16

Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich ferner nicht wegen der gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, denn diese ist ebenfalls nicht entsprechend den Darlegungserfordernissen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO dargelegt.

17

Soweit der Kläger nämlich die Frage aufwirft, „ob die Ermächtigungsnorm für diese Rechtsverordnung - gemeint: BBhV - (§ 80 Abs. 4 BBG) diese (s. o.) überhaupt zulassen“, kommt es auf deren Beantwortung für das vorliegende Verfahren, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen des Senates ergibt, schon nicht entscheidungserheblich an. „Grundsätzliche Bedeutung“ im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache aber nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 9. Oktober 2007 - 1 L 183/07 - [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1987 - 1 B 23.87 -, InfAuslR 1987, 278).

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

19

Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 40, 47, 52 Abs. 3 GKG.

20

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen