Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 M 116/13

Gründe

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Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 4. Kammer - vom 10. Oktober 2013, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg. Die Einwendungen des Antragstellers rechtfertigen die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

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Die Beschwerdebegründungsschrift führt aus, das Verwaltungsgericht habe nicht allein auf Grund der strafrechtlichen Verurteilung des Antragstellers auf dessen Unzuverlässigkeit im Sinn des § 34d Abs. 2 Nr. 1 GewO schließen dürfen, sondern im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Verhaltens des Gewerbetreibenden berücksichtigen müssen, dass die verhängte Geldstrafe keine besondere Schwere der Tat ausweise, ein Abweichen von der Regelvermutung insbesondere in Betracht komme, wenn neben der strafrechtlichen Verurteilung keine weiteren Unzuverlässigkeitstatbestände vorlägen und in vergleichbaren Fällen selbst bei einer Ersttäterschaft Freiheitsstrafen und nicht lediglich Geldstrafen verhängt worden seien.

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Eine Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses ergibt sich hieraus nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Verwirklichung des Regeltatbestandes des § 34d Abs. 2 Nr. 1 GewO nicht allein auf das Vorliegen einer hiernach einschlägigen strafrechtlichen Verurteilung des Antragstellers wegen Betruges gestützt, sondern auch die der Verurteilung zu Grunde liegenden Tatsachen auf der Grundlage der Feststellungen des Strafgerichtes daraufhin in den Blick genommen, ob sie die Annahme einer die Regelvermutung widerlegenden Atypik im Einzelfall rechtfertigen und dies verneint. Die Feststellung des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Beschluss, dass es nach der Intension des Gesetzgebers für die Verwirklichung des Regeltatbestandes des § 34d Abs. 2 Nr. 1 GewO nicht auf eine durch eine Mindeststrafe zum Ausdruck kommende Schwere der Tat ankomme, stellt die Beschwerdebegründungsschrift nicht schlüssig in Frage. Die vom Antragsteller zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Augsburg vom 1. März 2012 (- Au 5 K 11.774 -, juris) enthält nicht die Feststellung, dass ein Abweichen von der Regelvermutung insbesondere dann in Betracht komme, wenn neben der strafrechtlichen Verurteilung keine weiteren Unzuverlässigkeitstatbestände vorliegen. Vielmehr konstatiert das Gericht:

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„Da beim Kläger außer der einmaligen strafgerichtlichen Verurteilung keinerlei Unzuverlässigkeitstatbestände vorliegen, kommt es für die Beurteilung seiner Zuverlässigkeit ausschließlich auf die gewerberechtliche Bedeutung der verwirklichten Straftat an.“

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Es trifft auch nicht zu, dass die Gerichte die Verwirklichung des o. g. Regeltatbestandes nur bei Verhängung von Freiheitsstrafen, nicht dagegen bei Geldstrafen annehmen würden. Dem steht schon entgegen, dass die Annahme einer die Regelvermutung widerlegenden Atypik stets eine Einzelfallentscheidung ist. Die von der Beschwerdebegründungsschrift zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Köln vom 4. August 2011 (- 1 K 1572/11 -, juris) bejaht im Übrigen die Unzuverlässigkeit des dortigen Klägers, der wegen Betruges in drei Fällen (der Antragsteller in mindestens zehn Fällen) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen (der Antragsteller zu 210 Tagessätzen) verurteilt worden ist. Auch den vom Antragsteller angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes Bayreuth (Beschluss vom 22. Dezember 2003 - B 2 S 03.1620 -, juris) und des Verwaltungsgerichtes Regensburg (Beschluss vom 11. August 2011 - RN 5 S 11.1123 -, juris) ist nicht zu entnehmen, dass die dortigen Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe (statt Geldstrafe) für die Verwirklichung der Regelvermutung rechtlich von Relevanz waren. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass einer Straftat ordnungs- und sicherheitsrechtlich größeres Gewicht zukommen kann als in strafrechtlicher Hinsicht. Selbst wenn im Einzelfall die Schuld im strafrechtlichen Sinn als gering anzusehen ist, bedeutet dies nicht zugleich, dass die Verfehlung ordnungsrechtlich, d. h. im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit, nicht zur fehlenden Zuverlässigkeit führen kann (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 29. Juli 2013 - 21 ZB 13.415 -, juris).

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Soweit die Beschwerdebegründungsschrift darauf verweist, dass im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau zu berücksichtigen sei, dass neben der maßgeblichen Verurteilung keine weiteren strafrechtlichen Sanktionen gegen den Antragsteller verhängt worden seien, erschließt sich nicht, inwiefern dieser Umstand eine die Regelvermutung des § 34d Abs. 2 Nr. 1 GewO widerlegende Atypik der Fallgestaltung begründen soll.

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Gleiches gilt für den Verweis darauf, dass der Antragsteller ansonsten in geordneten Verhältnissen lebe. Soweit der Verweis die Vermögensverhältnisse des Antragstellers betreffen sollte, ist dies im Hinblick auf die weitere Regelvermutung des § 34d Abs. 2 Nr. 2 GewO eine Selbstverständlichkeit, um keinen weiteren Unzuverlässigkeitsgrund zu schaffen. Sollte der Hinweis des Antragstellers darauf abzielen, dass von ihm zukünftig die Begehung von Straftaten im Sinn des § 34d Abs. 2 Nr. 1 GewO nicht mehr zu erwarten sei, hat der Gesetzgeber mit der angeführten Fünfjahresfrist seit rechtkräftiger Verurteilung bereits zum Ausdruck gebracht, nach welchem Zeitraum er die gesetzliche Vermutung der Unzuverlässigkeit als widerlegt ansieht. Dies schließt zwar nicht aus, dass auf Grund atypischer Umstände eine Widerlegung der Regelvermutung schon vor Ablauf der o. g. Frist in Betracht kommt. Ein solcher Sachverhalt wird mit dem unspezifischen Verweis auf „geordnete Lebensverhältnisse“ indes nicht schlüssig dargelegt, zumal zwischen Strafbefehl (rechtskräftig seit 22. Januar 2013) und Erlass der angefochtenen Verfügung (vom 27. August 2013) ein Zeitraum von nur 7 Monaten liegt und mit Blick auf die letzte Tatbegehung am 25. Januar 2011 seit Aufnahme des Erlaubniswiderrufsverfahrens im Juli 2011 vom Antragsteller (selbstverständlich) ein Wohlverhalten erwartet werden konnte. Einem unter dem Druck eines gewerberechtlichen Widerrufsverfahrens und strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gezeigten Wohlverhalten ist indes regelmäßig keine verlässliche Aussagekraft in Bezug auf die Prognoseentscheidung künftigen Verhaltens bzw. auf atypische, die Regelvermutung widerlegende Umstände beizumessen.

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Soweit die Beschwerdebegründungsschrift einwendet, die Zweifel des Verwaltungsgerichtes an der Schuldenfreiheit des Antragstellers auf Grund der im Zusammenhang mit dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vorgelegten Bankunterlagen seien aus der Luft gegriffen, weil regelmäßig bediente Kreditverbindlichkeiten keine Zweifel an der Solvenz des Betroffenen begründen könnten, ergibt sich hieraus keine Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht, das den vom Antragsteller zu seinen Gunsten vorgebrachten Einwand der Schuldenfreiheit wegen der Angaben im Prozesskostenhilfeantrag bezweifelt hat, hat sich zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers nicht geäußert. Es ist nicht ersichtlich, dass es dem Umstand, dass der Antragsteller Kreditverbindlichkeiten und damit „Schulden“ im umgangssprachlichen Sinne hat, entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hat. Das Verwaltungsgericht hat lediglich darauf hingewiesen, dass die Richtigkeit der Angaben des Antragstellers zu seiner angeblichen „Schuldenfreiheit“ angesichts der Angaben im Prozesskostenhilfeantrag zweifelhaft ist und (schon aus diesem Grunde) kein die Regelvermutung widerlegender atypischer Umstand ist.

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Auch der Einwand, eine Gefährdung des öffentlichen Interesses ohne Widerruf im Sinn des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG sei wegen der geordneten Verhältnisse, in denen der Antragsteller lebe, nicht zu befürchten, ist nicht durchgreifend. Das Verwaltungsgericht folgt im Ergebnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (Beschluss vom 17. August 1993 - 1 B 112.93 -, juris), wonach die Unzuverlässigkeit eines Maklers die konkrete Gefährdung wichtiger Gemeinschaftsgüter indiziert und damit die Entziehung der gewerberechtlichen Erlaubnis erfordert, d. h. aus dem Fehlen erforderlicher Eignungsvoraussetzungen kann hier die Gefährdung des öffentlichen Interesses im Sinn des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG gefolgert werden (vgl. ebenso Bayerischer VGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 22 ZB 12.731 -, juris). Dass der schlichte Verweis auf „geordnete Verhältnisse“ die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit gemäß  § 34d Abs. 2 Nr. 1 GewO nicht in Frage zu stellen vermag, wurde bereits ausgeführt.

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Auch der Hinweis auf gesteigerte Anforderungen an die Voraussetzungen des Widerrufs wegen Existenzgefährdung ist nicht zielführend. Er lässt schon nicht erkennen, inwiefern hierdurch die vorliegend entscheidungserhebliche Regelvermutung des § 34d Abs. 2 Nr. 1 GewO in Frage gestellt wird. Im Übrigen handelt es sich bei dem Widerruf um die gesetzgeberisch gewollte Regelfolge der durch eigenes Fehlverhalten des Gewerbetreibenden zu Tage getretenen Unzuverlässigkeit. Ebenso wird die Feststellung des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Beschluss zur Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung durch die Antragsgegnerin nicht schlüssig in Frage gestellt.

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Soweit die Beschwerdebegründungsschrift auf erstinstanzliches Vorbringen im Eilverfahren verweist, genügt dies nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 VwGO. Eine schlichte Bezugnahme auf bestimmte frühere Anträge oder Schriftsätze, erstinstanzlich in das Verfahren eingeführte Unterlagen etc. oder gar - wie hier - ein Pauschalverweis auf das erstinstanzliche Vorbringen oder den Inhalt der Gerichtsakten bzw. Verwaltungsvorgänge ist im Hinblick auf die durch § 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO normierten besonderen Darlegungslasten und -anforderungen nämlich unzureichend, weil sich die Beschwerdeschrift mit der angefochtenen  Entscheidung  - unter substantiiertem Vorbringen - auseinander setzen muss (OVG LSA, Beschluss vom  21. April 2006 - 1 M 54/06 - [m. w. N.]; Beschluss vom 10. Januar 2011 - 1 M 2/11 -, juris).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

14

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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