Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 M 73/16

Gründe

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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

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Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

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Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG bei dem Antragsteller nicht vorliegen.

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Es ist bereits zweifelhaft, ob der Antragsteller zu dem durch diese Vorschrift begünstigten Personenkreis zählt. Der Wortlaut des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bezieht sich ausdrücklich auf jugendliche oder heranwachsende geduldete Ausländer (vgl. BT-Drs. 17/5093, S. 15). Dies könnte dafür sprechen, dass es unzulässig ist, die Vorschrift auf Ausländer anzuwenden, denen bereits eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist (vgl. Wunderle, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 25a AufenthG RdNr. 10, unter Hinweis auf VGH BW, Beschl. v. 30.09.2008 – 11 S 2088/08 –, juris RdNr. 6 § 104a Abs. 1 AufenthG>). Dies bedarf indessen keiner Vertiefung, denn der Antragsteller erfüllt jedenfalls die Erteilungsvoraussetzung des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht. Hiernach setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer im Bundesgebiet in der Regel seit vier Jahren erfolgreich eine Schule besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat. Selbst wenn man die Vorschrift – mit dem Antragsteller – so liest, dass hiernach kein ununterbrochener Schulbesuch notwendig, sondern auch eine Unterbrechung des Schulbesuchs (von mehr als 2 Jahren) grundsätzlich unschädlich ist, fehlt es jedenfalls an einem erfolgreichen Schulbesuch. Ein erfolgreicher Schulbesuch liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass der Schüler die Schule mindestens mit einem Hauptschulabschluss beenden wird. Maßgeblich für die Prognose sind die bisherigen schulischen Leistungen, die Regelmäßigkeit des Schulbesuchs, die Versetzung in die nächste Klassenstufe sowie das Arbeits- und Sozialverhalten (vgl. NdsOVG, Urt. v. 19.03.2012 – 8 LB 5/11 –, juris RdNr. 72; Wunderle, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., § 25a AufenthG RdNr. 12; ferner BT-Drs. 17/5093, S. 15 sowie BT-Drs. 18/4097, S. 42). Gemessen daran ist ein erfolgreicher Schulbesuch des Antragstellers nicht erkennbar. Am Ende der 8. Klasse, die er am (...)-Gymnasium in A-Stadt besuchte, wurde er ausweislich des Zeugnisses vom 20.07.2012 nicht in die nächste Klassenstufe versetzt, nachdem bereits im Zeugnis vom 03.02.2012 bemerkt worden war, die Versetzung sei gefährdet. Ausweislich des Abgangszeugnisses der Sekundarschule "(L.)" in A-Stadt vom 18.07.2014 wurde er aus dem 9. Schuljahrgang ohne Schulabschluss entlassen, wobei die Noten in drei Fächern (Physik, Geographie und Wirtschaft) "ungenügend" und in neun Fächern (Deutsch, Mathematik, Biologie, Chemie, Geschichte, Sozialkunde, Ethik, Musik und Französisch) "mangelhaft" lauteten. Zudem wurden sowohl sein Sozialverhalten als auch sein Lernverhalten mit "mangelhaft" bewertet. Zwar besucht der Antragsteller inzwischen ausweislich der Schulbescheinigung vom 26.08.2016 seit dem 11.08.2016 die Abendsekundarschule "(L.)" in A-Stadt. Angesichts der bisherigen Schullaufbahn des Antragstellers ist die Prognose, er werde diese erfolgreich besuchen und seinen Schulabschluss nachholen, jedoch nicht gerechtfertigt, zumal er bislang keine Schulzeugnisse oder fachkundige Stellungnahmen der Schule vorgelegt hat, die eine derartige positive Prognose stützen würden.

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Darüber hinaus erfüllt der Antragsteller auch die Erteilungsvoraussetzung des § 25a Abs. 1 Nr. 4 AufenthG nicht. Hiernach muss gewährleistet erscheinen, dass der Ausländer sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Die Vorschrift erfordert eine positive Integrationsprognose. Diese kann gestellt werden, wenn die begründete Erwartung besteht, dass der ausländische Jugendliche oder Heranwachsende sich in sozialer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Geboten ist eine die konkreten individuellen Lebensumstände des ausländischen Jugendlichen oder Heranwachsenden berücksichtigende Gesamtbetrachtung, etwa der Kenntnisse der deutschen Sprache, des Vorhandenseins eines festen Wohnsitzes und enger persönlicher Beziehungen zu dritten Personen außerhalb der eigenen Familie, des Schulbesuchs und des Bemühens um eine Berufsausbildung und Erwerbstätigkeiten, des sozialen und bürgerschaftlichen Engagements sowie der Akzeptanz der hiesigen Rechts- und Gesellschaftsordnung (vgl. NdsOVG, Urt. v. 19.03.2012 – 8 LB 5/11 –, a.a.O. RdNr. 74; Wunderle, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., § 25a AufenthG RdNr. 14). Bei straffällig gewordenen Jugendlichen oder Heranwachsenden kann in aller Regel nicht von einer positiven Integrationsprognose ausgegangen werden (vgl. BT-Drs. 17/5093, S. 15). Hiernach erscheint nicht gewährleistet, dass der Antragsteller sich in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Er wurde mit Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 15.06.2016 – 23 Ls 339 Js 884/15 (206/15) – wegen versuchter gemeinschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung und gemeinschaftlichen schweren Raubes schuldig gesprochen, wobei gegen ihn eine Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren verhängt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. In der Gesamtschau mit dem bislang erfolglosen Schulbesuch des Antragstellers und seiner nur geringen Erwerbstätigkeit erscheint eine positive Integrationsprognose nicht gerechtfertigt.

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Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG nicht vorliegen. Auch insoweit ist fraglich, ob der Antragsteller zu dem begünstigten Personenkreis zählt, da sich der Wortlaut des § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf geduldete Ausländer bezieht. Der Antragsteller erfüllt jedenfalls die Erteilungsvoraussetzung des § 25b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nicht. Hiernach setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis regelmäßig voraus, dass der Ausländer seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichert oder bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt im Sinne von § 2 Absatz 3 sichern wird, wobei der Bezug von Wohngeld unschädlich ist. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, es sei weder ersichtlich, dass sich der Antragsteller derzeit in einem Arbeitsverhältnis befinde, noch könne derzeit eine günstige Prognose hinsichtlich der künftigen Lebensunterhaltssicherung erstellt werden. Das Argument des Antragstellers, aus den mitgeteilten Arbeitsverträgen, die sich zwar nur auf das Jahr 2015 bezogen hätten, lasse sich ohne weiteres der Schluss ableiten, dass bei fortgeltender Aufenthaltserlaubnis auch in Zukunft eine Unterhaltssicherung hinreichend wahrscheinlich sei, überzeugt nicht. Bereits das Verwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit des Antragstellers bei der (R.)-Gastronomie GmbH erst nach Ablauf der zuletzt bis zum 13.08.2014 befristeten Aufenthaltserlaubnis aufgenommen wurde.

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Dem Verwaltungsgericht ist schließlich auch zu folgen, soweit es angenommen hat, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Zutreffend hat es festgestellt, dass der Antragsteller in der Bundesrepublik nicht hinreichend verwurzelt sei, da es an einer hinreichenden belegten wirtschaftlichen und sozialen Integration fehle. Auch hat es zu Recht angenommen, dass der Antragsteller in seinem Heimatland nicht entwurzelt sei, zumal er zwischenzeitlich mehrmals dort Zeit verbracht und als Zwölfjähriger auch für etwa drei Monate dort gelebt habe.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

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Rechtsmittelbelehrung

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


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