Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 M 100/17
Gründe
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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwände, auf deren Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung keinen Anlass.
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I. Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 10. April 2017 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. April 2017 zu Recht abgelehnt. Die streitgegenständliche Verfügung, mit der der Antragstellerin die Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, B, L, M und S unter Anordnung des Sofortvollzugs (Ziffer 2.) entzogen und die unverzügliche Abgabe des Führerscheins aufgegeben (Ziffer 1.) sowie die Ersatzvornahme für den Fall angedroht worden ist, dass sie den Führerschein nicht fristgerecht abgibt (Ziffer 4.), erweist sich bei der im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein veranlassten überschlägigen Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig. Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.
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Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine andere Einschätzung:
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Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. März 2017 (BGBl I S. 399), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Dezember 2016 (BGBl I S. 3083), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die körperlichen und geistigen Anforderungen für Fahrerlaubnisbewerber und -inhaber sind insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird (§ 11 Abs. 1 Satz 2 FeV). Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und dem Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber - wie hier - mindestens einmal sogenannte harte Drogen konsumiert hat (st. Rspr., z. B. Beschluss vom 7. März 2016 - 3 M 73/16 - n. v.; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 24. April 2017 - 11 CS 17.601 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2015 - 16 B 656/15 -, juris m.w.N.). Der Fahrerlaubnisbehörde ist insoweit kein Ermessen eingeräumt.
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Die Regelvermutung entfaltet strikte Bindungswirkung, solange keine Umstände des Einzelfalls vorliegen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen. Durch die entsprechende Regelung in der Vorbemerkung 3 zur Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung, wonach die Bewertungen der Fahrerlaubnis-Verordnung nur für den Regelfall gelten, wird dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch den Verordnungsgeber genüge getan. Es obliegt insoweit jedoch dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen, wie etwa die unwissentliche und unwillentliche Aufnahme der nachgewiesenen Drogen (OVG BB, Beschluss vom 22. Juli 2004 - 4 B 37/04 -, juris).
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Die Antragstellerin hat am (...). August 2015 unter dem Einfluss von Drogen, namentlich Amphetamin, ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt und dabei einen Verkehrsunfall verursacht. Soweit die Antragstellerin meint, es könne „dahingestellt bleiben“, ob sie ein Fahrzeug unter Drogeneinfluss im Straßenverkehr geführt habe, so hat sie jedenfalls den nachgewiesenen Konsum nicht substantiiert bestritten. Damit hat sie sich als ungeeignet zum Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr erwiesen.
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Der Antragsgegner durfte die Annahme der fehlenden Eignung auf die der Antragstellerin am (...). August 2015 entnommenen Blutprobe stützen. Weder die Umstände der Blutentnahme noch die inzwischen vergangene Zeit hindern die Verwertung der mit der Blutprobe gewonnenen Erkenntnisse.
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Die Verwertung des Ergebnisses der am (...). August 2015 entnommenen Blutprobe war nicht rechtswidrig, weil möglicherweise zuvor keine richterliche Anordnung nach § 81a Abs. 1 und 2 StPO eingeholt wurde. Gemäß § 81a Abs. 1 StPO darf eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. § 81a Abs. 2 StPO bestimmt, dass die Anordnung dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 GVG) zusteht.
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Der vorgelegte Verwaltungsvorgang des Beklagten enthält keine Angaben dazu, wer die Entnahme der Blutprobe angeordnet hat. Die Antragstellerin selbst gibt in ihrer eidesstattlichen Versicherung nur an, „nach ihrem Wissensstand“ sei die Blutentnahme ohne richterliche Anordnung erfolgt. Allerdings wurde die Antragstellerin bei dem von ihr verursachten Verkehrsunfall so schwer verletzt, dass sie sofort in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Auch wenn der Verwaltungsvorgang keine ausdrückliche Dokumentation zur Eilbedürftigkeit der Maßnahme wegen Gefährdung des Untersuchungserfolges enthält, kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die Anordnung der Blutentnahme im Hinblick auf die Aufnahme der Antragstellerin im Krankenhaus, wo ihr möglicherweise weitere (fahrerlaubnisrelevante) Medikamente verabreicht würden, den Anforderungen des § 81a Abs. 2 StPO genügte. Denn aus dem dann entstehenden "Medikamentencocktail" ließe sich der Nachweis einer Fahrt unter Einfluss einer bestimmten Droge nicht mehr erbringen. Die Antragstellerin behauptet zwar, dass keine Gefahr im Verzug vorlag und auch keine sonstigen sachlichen Rechtfertigungsgründe gegeben gewesen seien und auch das Amtsgericht dies angenommen habe. Das lässt sich allerdings den von ihr vorgelegten Unterlagen nicht entnehmen. Es ist jedenfalls angesichts des Verdachts auf Drogenkonsum, der unter Umständen bereits nach kurzer Zeit nicht mehr zuverlässig nachzuweisen gewesen wäre, nicht ausgeschlossen.
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Letztlich kann dies vorliegend dahinstehen, denn das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot für Erkenntnisse, die ohne Einholung der gesetzlich vorgeschriebenen richterlichen Anordnung erlangt wurden, im Fahrerlaubnisrecht nicht besteht. Auch wenn § 81a StPO ein Beweiserhebungsverbot darstellt, bedeutet das nicht, dass das Ergebnis der unter Verstoß gegen die Vorschrift erlangten Blutprobe in jedem Fall auch nicht verwertet werden darf (Beweisverwertungsverbot). Denn nicht jeder Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot führt automatisch auch zu einem Beweisverwertungsverbot. Eine ausdrückliche Regelung, ob Beweise, die unter Verstoß gegen § 81a StPO erhoben sind, verwertet werden dürfen, fehlt im Strafprozessrecht ebenso wie im Fahrerlaubnisrecht. Ein allgemeiner Grundsatz, wonach jeder Verstoß gegen die Vorschriften über die Erhebung des Beweises das Verbot der Verwertung der so gewonnenen Erkenntnisse nach sich zieht, ist schon dem Strafverfahrensrecht fremd, so dass auch unter Verletzung strafverfahrensrechtlicher Maßstäbe gewonnene Beweismittel grundsätzlich verwendet werden dürfen (BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 2011 - 2 BvR 1596, 2346/10 -, beck online; Rebler: Die Bedeutung des § 81a II StPO im Fahrerlaubnisrecht, JA 2017, S. 59 beck-online). Erst recht gilt dies für das Fahrerlaubnisrecht.
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Selbst wenn die Blutentnahme zu Unrecht angeordnet worden wäre, weil eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs nicht zu befürchten stand, was jedenfalls im Hauptsacheverfahren zu klären wäre, ist daher ihre präventivrechtliche Verwertung im Rahmen des Verfahrens zum Entzug der Fahrerlaubnis nach ganz herrschender Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls nach einer Interessenabwägung zulässig und ein Verwertungsverbot deshalb auch nur dann anzunehmen, wenn die Voraussetzungen von Gefahr in Verzug erkennbar willkürlich angenommen, der Richtervorbehalt bewusst und gezielt umgangen bzw. ignoriert wird oder wenn die den Richtervorbehalt begründende Rechtslage in ähnlicher Weise grob verkannt bzw. fehlerhaft beurteilt wird (Rebler a. a. O.). Denn das Integritätsinteresse der Antragstellerin muss hinter dem Interesse der Allgemeinheit am Schutz vor Fahrzeugführern unter Drogeneinfluss zurückstehen (vgl. Beschluss des Senats vom 1. Juni 2017 - 3 M 60/17 - n. v.; OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2016 - 16 B 685/16 -; Sächs. OVG, Beschluss vom 6. Januar 2015 - 3 B 320714 -, beide juris).
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An diesen Grundsätzen hält der Senat weiter fest und sieht sich hieran auch nicht durch die Bedenken gehindert, die das Bundesverfassungsgericht in einem Kammerbeschluss gegen die verwaltungsgerichtliche Praxis geäußert hat, Erkenntnisse, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO gewonnen wurden, bei der Entziehung von Führerscheinen zu verwerten (BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2014 - 1 BvR 1837/12 -, juris Rn. 13). Denn der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich auf ein obiter dictum, ohne die Bedenken näher zu begründen und ohne sich mit der seit langem gefestigten Rechtsprechung auseinanderzusetzen, die u. a. von verschiedenen Obergerichten eingehend mit der allgemeinen Bedeutung von Beweisverwertungsverboten im Gefahrenabwehrrecht begründet wird (so auch OVG NRW, a. a. O., Rn. 21).
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Die Antragstellerin vermag dagegen auch nicht mit dem Verweis auf die Regelungen zur Sicherungsverwahrung zu überzeugen. Für die Sicherungsverwahrung, die für den Betroffenen im Ergebnis einer Freiheitsentziehung gleichkommt, gilt der Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG bereits kraft Verfassungsrechts. Für die Blutentnahme, mithin einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, gilt lediglich ein einfachgesetzlicher Richtervorbehalt, so dass schon die Maßstäbe, die an die jeweilige Grundrechtsbeschränkung zu stellen sind, nicht vergleichbar sind. Zudem fehlt es - anders als die Antragstellerin vorträgt - der Blutentnahme als körperlicher Untersuchung nicht an einer gesetzlichen Grundlage. Diese ist in § 81a StPO gegeben, fraglich sind allenfalls die Konsequenzen ihrer fehlerhaften Anwendung.
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Kommt es danach für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots darauf an, ob im Rahmen einer Interessenabwägung das Interesse an der Verwertung der Blutprobe dasjenige der Antragstellerin an deren Nichtverwertung überwiegt, ist das Verwaltungsgericht zu Recht vom Überwiegen des öffentlichen Interesses ausgegangen.
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Gründe, die für ein Überwiegen ihres Interesses am Fortbestand ihrer Fahrerlaubnis sprechen, hat die Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren nicht dargelegt, insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Anordnung der Blutentnahme unter bewusster und absichtlicher Umgehung des Richtervorbehalts erging oder dass ein angerufener Richter die Anordnung der Untersuchung überwiegend wahrscheinlich verweigert hätte. Die Verwertung der Ergebnisse der Blutprobe dient der Sicherheit aller übrigen Verkehrsteilnehmer, mithin der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Die von der Antragstellerin ausgehende Gefahr der Teilnahme am Straßenverkehr in nicht verkehrstüchtigem Zustand ist auch ausreichend konkret, um ihr zum Schutze der Allgemeinheit die Fahrerlaubnis entziehen zu müssen.
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Hiergegen kann die Antragstellerin auch aus dem Zeitablauf zwischen der Fahrt unter Drogeneinfluss und dem Verwaltungsverfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis nichts zu ihren Gunsten ableiten. Die „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss vom 9. Mai 2005 (11 CS 04.2526, juris) den Regelungen der Ziffer 9.5 der Anlage 4 zur FeV entnommen hat, setzt das Vorliegen konkreter, substantiiert vorgetragener Anknüpfungspunkte für die Annahme voraus, der Drogenkonsument könnte sich inzwischen als nicht mehr ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr erwiesen haben.
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Zwar besteht die Vermutung wegen Betäubungsmittelkonsums verloren gegangener Fahreignung, aufgrund derer die Fahrerlaubnisbehörde ohne weitere Untersuchungen die Fahrerlaubnis entziehen kann, § 11 Abs. 7 FeV, nicht unbegrenzt. Dem Fahrerlaubnisinhaber ist grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt, nach einjähriger nachgewiesener Abstinenz die Fahreignung wieder zu erlangen. Der in der Regel erforderliche einjährige Abstinenzzeitraum ergibt sich dabei aus Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV, wobei der Senat offen lässt, ob Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV in den wohl überwiegenden Fällen des Drogenkonsums, in denen noch keine Abhängigkeit besteht, direkt oder analog anwendbar ist. Jedenfalls entfällt nach Ablauf eines Jahres beginnend ab dem Tag, den der Betroffene als Beginn seiner Betäubungsmittelabstinenz angibt oder von dem an unabhängig von einem solchen Vorbringen Anhaltspunkte für eine dahingehende Entwicklung vorliegen (sog. „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“), die Möglichkeit, seine dahingehenden substantiierten Einlassungen für die Annahme feststehender Fahruntauglichkeit gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Einlassung des Betroffenen zutrifft oder die auf einen Einstellungs- und Verhaltenswandel hindeutenden Umstände stichhaltig sind, steht, sobald ein Jahr seit jenem Stichtag verstrichen ist, nicht mehr im Sinne von § 11 Abs. 7 FeV fest, dass der Betroffene tatsächlich noch fahrungeeignet ist. Zwar hat die Behörde auch in Fällen, in denen ein längerer Zeitraum zwischen der Drogenfahrt und der Prüfung der Entziehung der Fahrerlaubnis liegt, trotz des in § 2 Abs. 7 Satz 1 StVG erwähnten Amtsermittlungsgrundsatzes nicht ohne konkreten Anlass zu prüfen, ob es zu einem Verhaltenswandel des Fahrerlaubnisinhabers gekommen ist. Beruft dieser sich aber gerade darauf, seit der aktenkundigen Drogenfahrt keine Drogen mehr zu nehmen und abstinent zu sein, so muss sie dies zum Anlass nehmen, den Wahrheitsgehalt der Einlassungen des Betroffenen mit geeigneten Mitteln zu prüfen (vgl. umfassend dazu: BayVGH, Beschluss vom 9. Mai 2005 - 11 CS 04.2526 -, juris; OVG LSA, Beschluss vom 14. Juni 2013 - 3 M 68/13 -, juris). Voraussetzung allerdings ist, dass rechtzeitig eine substantiierte Behauptung zu einer gesteigerten Amtsermittlungspflicht der Fahrerlaubnisbehörde geführt hat. Daran fehlt es hier.
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Zunächst ist festzustellen, dass der Antragsgegner das Verfahren zum Entzug der Fahrerlaubnis nicht etwa verzögerlich betrieben hat, sondern an einem früheren Verfahrensbeginn aufgrund des erst mit Urteil vom 7. September 2016 beendeten Strafverfahrens gehindert war und nach Übersendung der Strafakte am 11. November 2016 noch zeitnah am 6. März 2017 das Anhörungsverfahren zum Entzug der Fahrerlaubnis einleitete. Der Antragsgegner hat auch im Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis zu Recht der Antragstellerin nicht die Beibringung von Abstinenznachweisen aufgegeben. Zwar behauptet die Antragstellerin in der von ihr vorgelegten „eidesstattlichen Versicherung“, in dem Zeitraum vom 28. August 2015 bis zum 13. April 2017 weder Betäubungsmittel konsumiert noch unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln ein Fahrzeug geführt zu haben. Auch werde sie künftig weder Betäubungsmittel konsumieren noch unter deren Einfluss ein Kraftfahrzeug führen. Sie erbringt damit jedoch keinerlei objektive Nachweise für einen Drogenverzicht, geschweige denn einen grundlegenden Einstellungswandel. Die „eidesstattliche Versicherung“ genügt den Anforderungen an einen Nachweis der Drogenabstinenz im Sinne der Ziffer 9.5 der Anlage 4 zur FeV nicht, denn sie enthält keinerlei objektiv nachzuprüfende Belege, wie etwa bereits durchgeführte Drogentests. So bleibt die Aussage letztlich reine Behauptung, auch wenn davon auszugehen sein sollte, dass der Antragstellerin die Strafbarkeit einer falschen eidesstattlichen Versicherung bewusst ist. Es kommt nicht darauf an, dass „nicht auszuschließen ist, dass die Antragstellerin ihre Fahreignung wiedererlangt haben könnte“, es muss vielmehr konkrete, von der Fahrerlaubnisinhaberin substantiiert vorgebrachte Hinweise dafür geben, dass Zweifel an der weiteren Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht mehr angebracht sind.
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Zudem hat die Antragstellerin erstmals im Widerspruchsverfahren überhaupt behauptet, seit dem 28. August 2015 keine Betäubungsmittel mehr konsumiert zu haben, so dass der Antragsgegner dies im Verfahren betreffend den Entzug der Fahrerlaubnis schon nicht berücksichtigen konnte. Trotz des Hinweises des Antragsgegners im erstinstanzlichen Verfahren sowie des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss hat sie aber auch mit der Beschwerdebegründung keine substantiierten Nachweise beigebracht, die ihre Abstinenz belegen. Eine auf die bloße Behauptung der Abstinenz gestützte Prüfungspflicht besteht weder für den Antragsgegner noch für das Verwaltungsgericht (OVG LSA, Beschluss vom 14. Juni 2013 - 3 M 68/13 -, juris).
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Die Antragstellerin vermag sich auch auf ein fehlendes öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mit Erfolg zu berufen. Zunächst beschränkte sich ihr Vorbringen im Anhörungsverfahren darauf, dass im strafgerichtlichen Verfahren weder ein Drogenkonsum noch ein Drogenbesitz nachgewiesen worden sei, so dass den Antragsgegner keine weitere Prüfungspflicht hinsichtlich einer behaupteten Abstinenz traf. Darüber hinaus besteht das vom Antragsgegner zu berücksichtigende öffentliche Interesse vor allem darin, die übrigen Verkehrsteilnehmer vor den Gefährdungen zu bewahren, die durch die Verkehrsteilnahme von Drogenkonsumenten entstehen, insbesondere bei solchen Verkehrsteilnehmern wie der Antragstellerin, die nach ihren Angaben in großem Umfang am Straßenverkehr teilnimmt.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Hinsichtlich der Bestimmung des Streitwerts schließt sich der Senat den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss an.
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III. Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
- StPO § 81a Körperliche Untersuchung des Beschuldigten; Zulässigkeit körperlicher Eingriffe 9x
- StVG § 2 Fahrerlaubnis und Führerschein 1x
- VwGO § 152 1x
- §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- 3 M 73/16 1x (nicht zugeordnet)
- § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 37/04 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 M 68/13 2x
- 3 M 60/17 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 11 Abs. 7 FeV 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 146 1x
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- GVG § 152 1x
- 16 B 685/16 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1837/12 1x (nicht zugeordnet)