Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 M 67/19

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 3. Kammer - vom 18. April 2019, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 S. 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg. Die Einwendungen rechtfertigen die begehrte Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

2

Soweit der Antragsteller unter Vorlage eines Schreibens der AOK vom 3. April 2019 vorträgt, bei der AOK bestünde ein Guthaben (i. H. v. 3,18 €) keine Verbindlichkeiten, wird damit eine entsprechende Tilgung der vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss (S. 8 Abs. 2) berücksichtigten Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen entsprechend der von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 1. April 2019 vorgelegten Aufstellung (periodisches Nachweisverfahren: 2. Mai 2018 bis 31. Januar 2019) i. H. v. 9243,65 € nicht schlüssig dargelegt.

3

Ausweislich einer Aktennotiz der Antragsgegnerin vom 23. August 2018 (Bl. 14 der Beiakte A) hat der Antragsteller bei der AOK zwei Konten unterhalten, eines für die Betriebsstätte in G-Stadt und eines für die Betriebsstätte in A-Stadt. Angaben des Antragstellers zufolge sollte die Betriebsstätte in G-Stadt geschlossen und die dortigen Angestellten nach A-Stadt übernommen werden. Die von der Antragsgegnerin vorgelegte Aufstellung bezieht sich auf die Betriebsstätte A-Straße in A-Stadt; das Schreiben der AOK vom 3. April 2019 ist an die Adresse des Antragstellers in G-Stadt gerichtet.

4

Im Übrigen erwiese sich ein Wegfall der Verbindlichkeiten bei der AOK angesichts der Steuerschulden in Höhe von zuletzt (Stand 15. Januar 2019, vgl. Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 24. Februar 2019, S. 2 Abs. 3) 158.241,76 € nicht als entscheidungserheblich. Ein (bislang fehlendes) tragfähiges Sanierungskonzept wird damit ebenso wenig nachvollziehbar dargelegt wie ein Wiederaufleben der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers, deren Nichtvorhandensein sich u. a. in der Ablehnung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse noch im März 2018 gezeigt hat.

5

Weiter trägt die Beschwerde vor, die Steuerrückstände aus Vermietung und Verpachtung ließen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinen Rückschluss darauf zu, ob der Antragsteller zuverlässig hinsichtlich der Ausübung seines hier streitgegenständlichen Gewerbes sei. Soweit das Verwaltungsgericht auf die Umstände der Entstehung der Abgabe- schulden verweise, seien diese Umstände nicht dargelegt worden bzw. wäre zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen gewesen, dass die Steuerschuld vor vielen Jahren und in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum aufgelaufen sei.

6

Dieser Vortrag greift nicht durch. Auch Steuerschulden, die nicht gewerbespezifischer Natur sind, stellen - wie bei jeder Verletzung von steuerlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten - unzuverlässigkeitsbegründende Tatsachen dar, die zu einer ungünstigen Prognose hinsichtlich des gewerblichen Wirkens der betreffenden Person Anlass geben (so BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 - 1 C 52.78 -, juris Rn. 17; Beschluss vom 1. Februar 1994 - 1 B 9.94 -, juris).

7

Das Finanzamt (…) hat der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 6. November 2018 (Bl. 30 der Beiakte A) mitgeteilt, dass der Antragsteller Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2009 bis 2017 bisher nicht eingereicht habe und die für die Jahre 2009 bis 2015 erfolgten Schätzungen bestandskräftig geworden sowie Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2009 bis 2011 und 2013 bis 2016 verspätet, teilweise erst nach Schätzung sowie für die Jahre 2012 und 2017 bisher nicht eingereicht worden seien. Ein solcher, sich über fast 10 Jahre hinziehender Umgang mit steuerlichen Erklärungs- und Mitwirkungspflichten gibt erheblichen Anlass zu einer ungünstigen Prognose hinsichtlich des gewerblichen Wirkens des Antragstellers. Es kann auch keine Rede davon sein, dass die Steuerforderungen für den Zeitraum 2009 bis 2015 lange zurückliegen und verhältnismäßig kurzfristig aufgelaufen seien.

8

Soweit die Beschwerde vorträgt, zu Gunsten des Antragstellers sei zu berücksichtigen, dass „alle aktuellen inkl. 2017 Steuererklärungen abgegeben sind“, handelt es sich um eine bloße, durch nichts belegte Behauptung. Im Übrigen rechtfertigt ein „kurzfristiges Wohlverhalten“ unter dem Druck des laufenden Gewerbeuntersagungsverfahrens nicht schon die Annahme einer dauerhaften Verhaltensänderung, der es angesichts der langjährigen Missachtung steuerlicher Erklärungspflichten vorliegend bedürfte.

9

Es erweist sich auch nicht als entscheidungserheblich, dass sich der Antragsteller nur durch seine gewerbliche Tätigkeit in der Lage sieht, seine Schulden zu tilgen. Das Untersagungsverfahren dient ausschließlich dem Ziel, Gewerbetreibende vom Wirtschaftsverkehr fernzuhalten, die wegen der Besorgnis einer nicht ordnungsgemäßen Gewerbeausübung eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er zur Vermeidung der Gläubigerbenachteiligung bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Auf den Grund für die Entstehung der Schulden und für die Unfähigkeit zur Erfüllung der Zahlungspflicht kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass ein vernünftig urteilender und um eine ordnungsgemäße Betriebsführung bemühter Gewerbetreibender in der Situation des Antragstellers den Gewerbebetrieb nicht fortführen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982, a. a. O., Rn. 17, 18).

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

11

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 2 GKG und entspricht der erstinstanzlichen Wertfestsetzung.

12

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 S. 5 i. V. m. 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen