Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 OLG 2 Ss 70/19

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Kaiserlautern vom 17. Juni 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht – Strafrichter - Rockenhausen hat den Angeklagten am 13. August 2018 des Betruges schuldig gesprochen und ihn zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

2

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen mit Beschluss des Amtsgerichts vom 27. März 2018 bestellten Pflichtverteidiger am 14. August 2018 zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt. In der Berufungshauptverhandlung vom 17. Juni 2019 ist der Angeklagte nicht erschienen. Auf Antrag des in der Hauptverhandlung erschienen Pflichtverteidigers hat das Berufungsgericht beschlossen, dass es aufgrund einer ausreichenden Vertretung durch den Verteidiger die Anwesenheit des Angeklagten für nicht erforderlich hält und die Hauptverhandlung ohne diesen durchgeführt werden solle. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung hat der Pflichtverteidiger das Rechtsmittel mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf die Entscheidung über das Strafmaß beschränkt. Im Folgenden hat das Landgericht die Berufung verworfen. Die Kammer hat dabei die Rechtsmittelbeschränkung als wirksam erachtet. Es hat daher die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils zur Tat als bindend angesehen und ausweislich der schriftlichen Urteilsgründe eine Beweisaufnahme insoweit nicht durchgeführt.

3

Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision.

II.

4

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet und führt zu einem (vorläufigen) Erfolg. Die vom Senat von Amts wegen vorzunehmende Prüfung von Verfahrenshindernissen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 08.03.2000 – 1 Ss 5/00, juris Rn. 4) ergibt, dass das Berufungsgericht zu Unrecht eine Teilrechtskraft des angefochtenen Urteils angenommen und deshalb den Umfang des ihm zur Überprüfung gestellten Prozessgegenstandes verkannt hat.

1.

5

Der Verteidiger bedarf gem. § 302 Abs. 2 StPO zur - auch teilweisen - Zurücknahme eines Rechtsmittels einer ausdrücklichen Ermächtigung durch den Angeklagten. Wird vom Verteidiger ein Teilverzicht oder eine Teilrücknahme ohne eine ausdrückliche Ermächtigung erklärt, hat dies die Unwirksamkeit dieser Erklärung zur Folge (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 302 Rn. 31a mwN.). Dies gilt im Berufungsrechtszug (jedenfalls) dann, wenn – wie hier – die Erklärung nach Ablauf der Frist des § 317 StPO abgegeben wird (OLG Hamm, Beschluss vom 12.02.2008 – 3 Ss 514/07, juris Rn. 7; OLG Koblenz aaO. Rn. 7; demgegenüber generell eine Anwendung von § 302 Abs. 2 StPO bei Teilrücknahme bejahend: OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.10.2010 – 2 Ss 618/10, juris Rn. 10).

2.

6

Der Pflichtverteidiger war, wie er auf Nachfrage durch den Senat bestätigt hat, nicht mit einer ausdrücklichen Ermächtigung des Angeklagten zur teilweisen Rücknahme der Berufung ausgestattet. Gegenteilige Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus dem Inhalt des Protokolls der Berufungshauptverhandlung, den schriftlichen Urteilsgründen oder dem übrigen Akteninhalt. Der Angeklagte war bei Abgabe der Erklärung in der Hauptverhandlung auch nicht zugegen, weshalb auch nicht von einer zumindest konkludent erteilten Zustimmung ausgegangen werden kann (vgl. hierzu: OLG Koblenz aaO. Rn. 10 mwN.). Selbst wenn der Pflichtverteidiger zunächst als Wahlverteidiger des Angeklagten tätig geworden sein sollte, wäre eine in diesem Zusammenhang gegebene Vollmacht mit seiner Bestellung hinfällig geworden (OLG Hamm, Beschluss vom 28.06.2016 – III-1 RVs 46/16, juris Rn. 8).

3.

7

Die Berufung des Angeklagten war daher nicht wirksam durch den Pflichtverteidiger auf die Entscheidung über das Strafmaß beschränkt worden. Das Landgericht wäre sonach gehalten gewesen, das angefochtene Urteil umfassend zu prüfen und Feststellungen auch zum Schuldspruch zu treffen. Dies bedingt die Aufhebung seiner Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache.

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