Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 Ws 338/19

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) wird der Beschluss der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 3. September 2019 aufgehoben.

2. Gegen den Verfolgten wird der in Anlage befindliche Europäische Haftbefehl ausgestellt.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verfolgte.

Gründe

I.

1

Gegen den Verfolgten wird aufgrund des Urteils des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 7. November 2016 seit dem 22. Juni 2017 eine Maßregel nach § 63 StGB vollzogen. Am 12. August 2018 ist der Verfolgte von einem genehmigten Ausgang nicht in die Unterbringungseinrichtung zurückgekehrt. Nach den vorhandenen Informationen hält er sich derzeit in Rumänien auf. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) hat am 15. August 2018 einen Haftbefehl zum Zwecke der (weiteren) Vollstreckung der Maßregel erlassen und den Verfolgten zur Festnahme ausgeschrieben. Am 20. August 2018 hat die Staatsanwaltschaft zudem einen Europäischen Haftbefehl ausgestellt. Aufgrund dessen ist der Verfolgte am 4. September 2018 in Rumänien festgenommen worden. Mit Urteil vom 19. November 2018 hat das Berufungsgericht in Oradea/Rumänien den „Antrag (...) auf Vollziehung des Europäischen Haftbefehls (...) als unbegründet ab[gelehnt]“, weil der Verfolgte rumänischer Staatsangehöriger sei, seinen gesetzlichen Wohnsitz ununterbrochen seit mindestens fünf Jahren auf dem Gebiet Rumäniens habe und ausdrücklich erklärt habe, dass er es ablehne, die Sicherungsmaßnahme in Deutschland zu vollziehen. Nach zwischenzeitlicher Löschung der Fahndung wurde im Februar 2019 die internationale Fahndung nach dem Verfolgten, ausgenommen den Fahndungsraum Rumänien, erneut aktiviert. Mit Verfügung vom 31. Mai 2019 hat die Staatsanwaltschaft bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz unter Hinweis auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-508/18 und C82/19 PPU vom 27. Mai 2019 den Erlass eines Europäischen Haftbefehls beantragt. Die Große Strafvollstreckungskammer hat zunächst mit Beschluss vom 16. Juli 2019 die Fortdauer der Unterbringung des Verfolgten in einem psychiatrischen Krankenhaus beschlossen und sodann mit Beschluss vom 3. September 2019 den Antrag auf Erlass eines Europäischen Haftbefehls zurückgewiesen, da dieser insbesondere mit Blick auf den im Zeitpunkt der Entweichung gegebenen Erprobungsstand und den Aufenthalt des Verfolgten in seinem Heimatland unverhältnismäßig sei. Gegen den Beschluss vom 3. September 2019 richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die vorbezeichneten gerichtlichen Entscheidungen Bezug genommen.

II.

2

Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

1.

3

Eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für den Erlass des beantragten Europäischen Haftbefehls ergibt sich aus §§ 131 Abs. 1, 457 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2, 462a Abs. 1, 463 Abs. 1 StPO i.V.m. § 77 Abs. 1 IRG (vgl. Senat, Beschluss vom 11.07.2019 – 1 Ws 203/19, juris Rn. 2 ff.).

2.

4

Der Erlass eines Europäischen Haftbefehls ist entgegen der Wertung des Landgerichts nicht unverhältnismäßig.

5

Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Maßregelvollzug aufgrund der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 16. Juli 2019 fortdauert. Der Europäische Haftbefehl stellt ein EU-weites Fahndungsinstrument, verbunden mit dem Ersuchen um Auslieferung im Falle einer Festnahme, dar, welches unmittelbar der Sicherung des Vollzugs einer freiheitsentziehenden Maßnahme dient (vgl. Senat aaO. Rn. 3, juris). Ist die (weitere) Vollstreckung einer mit Freiheitsentzug verbundenen gerichtlichen Entscheidung nicht unverhältnismäßig (geworden), muss dies in gleicher Weise für die vom Gesetz vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen gelten. Die Rechtmäßigkeit der den Vollzug sichernden Fahndungsmaßnahmen kann nicht losgelöst von der Rechtmäßigkeit der Maßregelvollstreckung selbst betrachtet werden. Solange der Maßregelvollzug (formell) andauert, die Unterbringung insbesondere nicht zur Bewährung ausgesetzt ist, impliziert dies die Verhältnismäßigkeit der für die Sicherung des Vollzugs erforderlichen Maßnahmen. Ob die Fortdauer des Maßregelvollzugs angesichts der von der Strafvollstreckungskammer in dem angegriffenen Beschluss aufgeführten Besonderheiten gerechtfertigt ist oder ob namentlich mit Blick auf die „faktisch eingetretene Wiedereingliederung in sein heimatliches Umfeld in Rumänien“ eine Bewährungsaussetzung angezeigt wäre, ist im Verfahren nach § 67e Abs. 1 StGB zu prüfen und nicht Gegenstand dieser Entscheidung. Im Übrigen steht der Aufenthalt des Verfolgten in seinem Heimatland dem Erlass der beantragten Entscheidung schon deshalb nicht entgegen, weil Rumänien aus der Fahndung ausgenommen bleiben soll. Zutreffend weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass bei einem Verlassen des Heimatlandes und einer Festnahme in einem Drittland der stabilisierende Heimat-Faktor offenkundig in Wegfall geraten wäre.

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