Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 Ws 183/20 Vollz.

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen gegen den Beschluss der kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 7. Mai 2020 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

2. Der Antrag des Beschwerdeführers ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen wird zurückgewiesen.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller verbüßt eine Haftstrafe von 12 Jahren wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer und gefährlicher Körperverletzung in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal. Seit Anfang Sommer 2019 lernte der Antragsteller über Briefkontakt den in der Justizvollzugsanstalt Ludwigshafen inhaftierten Z kennen, der sich im Vollzug einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren 6 Monaten mit anschließender Sicherungsverwahrung wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung befindet. Die Sicherungsverwahrung wurde seit dem 29. März 2010 in der Justizvollzugsanstalt Diez vollzogen. Am 14. August 2018 wurde Z im Rahmen einer sozialtherapeutischen Behandlung in die Justizvollzugsanstalt Ludwigshafen verlegt.

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Im Rahmen des Briefkontaktes verlobten sich der Antragsteller und Z im September 2019. Der Antragsteller beantragte daraufhin über die Justizvollzugsanstalt Bruchsal eine Besuchsüberstellung in die Anstalt der Antragsgegnerin, die mit Schreiben der Justizvollzugsanstalt Bruchsal vom 30. Oktober 2019 abgelehnt wurde. Die Antragsgegnerin hatte zuvor auf entsprechende Anfrage der Justizvollzugsanstalt Bruchsal mitgeteilt, eine Besuchsüberstellung zur Antragsgegnerin werde abgelehnt, weil der rheinland-pfälzische Vollstreckungsplan nur die Aufnahme rheinland-pfälzischer Strafgefangener bzw. Untergebrachter vorsehe, bei denen eine Indikation für eine sozialtherapeutische Behandlung vorliege.

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Gegen diese Entscheidung der Justizvollzugsanstalt Bruchsal wendet sich der Antragssteller vor dem Landgericht Karlsruhe mit einem Antrag gem. § 109 StVollzG. Der Ausgang dieses Verfahrens ist offen. Zugleich hat er beim Landgericht Frankenthal (Pfalz) gem. § 109 StVollzG beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm die Besuchsüberstellung aus der JVA Bruchsal in die JVA Ludwigshafen zwecks Besuchs seines Verlobten zu gewähren bzw. der vorgenannten Besuchsüberstellung zuzustimmen, hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, über die Gewährung der Besuchsüberstellung neu zu entscheiden sowie ihm hierfür Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

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Mit Beschluss vom 7. Mai 2020 hat die kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) den Antrag im Haupt- und Hilfsantrag als unzulässig abgelehnt und die Gewährung von Prozesskostenhilfe verweigert, weil es an einer Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG fehle und eine Notwendigkeit für eine parallele Geltendmachung gegenüber der vollziehenden und der aufnehmenden Haftanstalt nicht bestehe. Ergänzend hat die Strafvollstreckungskammer ausgeführt, dass der Antrag auch unbegründet sei.

5

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde.

I.

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Die Frage, ob in der hiesigen Konstellation eines länderübergreifenden Besuchsüberstellungsantrags eines Gefangenen zu einer im Vollzug der Sicherungsverwahrung befindlichen Person, der daran scheitert, dass die Justizvollzugseinrichtung, in die die Überstellung begehrt wird, ihre Zustimmung zum Überstellungsgesuch des Antragstellers verweigert, neben einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Vollzugsanstalt der Antragstellers ein weiterer Antrag, ggf. nach § 109 StVollzG, gegen die aufnehmende Justizvollzugsanstalt eines anderen Bundesland gerichtet werden kann oder muss (dafür OLG Jena, NStZ 1997, 455; dagegen in einem ähnlichen Fall Senat, Beschluss vom 6. Januar 1983 – 1 Vollz (Ws) 37/82, Forum Strafvollzug 1983, 248; ebenso für den ausdrücklichen Fall der Überstellung Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl. 2020, 2. Kap. Aufnahme, Planung, Unterbringung D. Verlegung, Überstellung, Ausantwortung, Rn. 15; offenlassend BVerfGK 13, 487), kann hier offen bleiben. Nach den zugrunde zu legenden Feststellungen bietet die Rechtsbeschwerde keinen Anlass, sie zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen, § 116 Abs. 1 StVollzG.

II.

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1. Die Rechtsbeschwerde ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen und des Verfahrensrechts aufzustellen oder weiterzuentwickeln. Die in Rede stehende Rechtsfrage muss von praktischer Bedeutung, entscheidungserheblich und klärungsbedürftig sein, also offen, zweifelhaft oder bestritten (KG, Forum Strafvollzug 2007, 280 mwN). Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist sie zuzulassen, wenn vermieden werden soll, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung bestehen oder fortbestehen, wobei es maßgeblich darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat (BGH NJW 1971, 389). Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht in dem vorgenannten Sinn muss geboten sein, d.h. sie muss sich im konkreten Einzelfall geradezu aufdrängen und darf nicht bloß naheliegen (OLG München Forum Strafvollzug 2010, 365). Allein der Umstand, dass die angefochtene Entscheidung rechtsfehlerhaft ist, reicht für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht aus (vgl. OLG Bamberg BeckRS 2010, 20246). Die Entscheidung muss zudem auf dem zulassungsrelevanten Fehler beruhen.

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2. Diese Zulassungsgründe sind vorliegend nicht gegeben. Selbst wenn die Strafvollstreckungskammer zu Unrecht von einer Unzulässigkeit des Rechtswegs nach § 109 StVollzG für die vorliegende Konstellation ausgegangen wäre, beruhte die Entscheidung im Ergebnis nicht auf diesem – unterstellten – Fehler. Der Antragsteller hat nach den für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen keinen Anspruch auf die begehrte Entscheidung.

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a. Zum einen setzt das gerichtliche Entscheidungsverfahren gem. § 109 StVollzG voraus, dass der Antragsteller von einer Maßnahme der Antragsgegnerin betroffen sein muss, die unmittelbare Außenwirkung hat. Das ist vorliegend nicht der Fall. Vorgerichtlich ist der Antragsteller nicht an die Antragsgegnerin herangetreten und hat etwa einen Antrag auf Besuchserlaubnis nach den §§ 27 ff. LSVVollzG Rheinland-Pfalz gestellt. Eine darauf erfolgende, ggf. rechtswidrige Ablehnung eines Besuchs kann auch dem Besucher unter bestimmten Voraussetzungen den Rechtsbehelf nach § 109 StVollzG eröffnen. Es stünde insoweit auch der Weg über die Dienstaufsichtsbeschwerde nach § 92 Abs. 3 LSVVollzG offen, für die eine Bescheidungspflicht besteht einschließlich der Vorlagepflicht an die Aufsichtsbehörde für den Fall, dass der Dienstaufsichtsbeschwerde nicht abgeholfen wird.

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b. Zum anderen hat sich die Antragsgegnerin bei ihrer Mitwirkungshandlung an der Überstellungsprüfung der Justizvollzugsanstalt Bruchsal im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens gehalten. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Es besteht jedenfalls unter den Umständen des konkreten Falles kein Anspruch auf eine Besuchsüberstellung der begehrten Art.

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(1) Aus den für das vorliegende Verfahren maßgeblichen §§ 27 ff. LSVVollzG Rheinland-Pfalz ergibt sich, dass Untergebrachte regelmäßig Besuch empfangen dürfen, § 27 Abs. 1 Satz 1 LSVVollzG. Für Besuche von Gefangenen untereinander sind nach der Rechtsprechung des Senats zum alten Vollzugsrecht (vgl. Senat, Beschluss vom 6. März 1985 – 1 Vollz (Ws) 12/84, MDR 1986, 79; vgl. für Fälle in denen sich die Gefangenen in derselben Justizvollzugsanstalt befinden HOLG Bremen, NStZ-RR 2014, 326; OLG Rostock, Beschluss vom 15. Dezember 2004 – I Vollz (Ws) 5/04, BeckRS 2010, 27373) die Besuchsregeln einschlägig. Daran ist auch unter dem neuen Recht festzuhalten. Befinden sich die Gefangenen nicht in derselben Vollzugsanstalt müssen ggf. ergänzend die Überstellungsvorschriften beachtet werden. Das gleiche gilt im hier zu beurteilenden Verhältnis des Besuchs eines Gefangenen bei einem in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten. Besuche von Angehörigen iSd. § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB, also auch von Verlobten, werden besonders unterstützt, § 27 Abs. 2 LSVVollzG. Besuche sollen zugelassen werden, wenn sie die Eingliederung des Untergebrachten unterstützen, § 27 Abs. 3 LSVVollzG. Nach Absatz 4 kann die Anstaltsleitung auch Langzeitbesuche zulassen, wenn dies der Eingliederung der Untergebrachten dient und sie hierfür geeignet sind. Nach § 28 LSVVollzG kann die Anstaltsleitung Besuche untersagen, wenn der Besuch die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden würde oder wenn es sich um Personen handelt, die keine Angehörigen sind und von denen aufgrund konkreter Tatsachen zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf den Untergebrachten haben oder die Erreichung des Vollzugsziels behindern, § 28 Nr. 1 und 2 LSVVollzG.

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Im konkreten Fall ist weiter zu berücksichtigen, dass es sich bei der Antragsgegnerin um eine Vollzugseinrichtung handelt, die ausschließlich Strafgefangene und Untergebrachte im Rahmen einer Sozialtherapie iSv. § 24 LJVollzG bzw. § 17 LSVVollzG aufnimmt und entsprechend den Bedürfnissen der gesetzlichen Grundlagen dieser Vollzugsform als therapeutische Gemeinschaft organisiert ist. In der Sicherungsverwahrung erfolgt der Vollzug in Wohngruppen, § 12 LSVVollzG. Untergebrachte und Gefangene sind dabei zu trennen, § 10 LSVVollzG und § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b) StGB.

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(2) Anders als der in Freiheit befindliche Besucher begehrt der Antragsteller keinen stundenweisen, ggf. im Rahmen eines Langzeitbesuchs (§ 27 Abs. 4 LSVVollzG) mehrstündigen, Aufenthalt bei dem Untergebrachten Reifschneider, sondern eine Überstellung, die zumindest eine zeitweise, in der Regel zumindest mehrere Tage dauernde Integration in den Anstaltsbetrieb der Antragsgegnerin erfordert, da während des Besuchs zugleich weiter der Freiheitsentzug gegen den Antragsteller vollzogen werden muss. Eine solche Besuchsform ist im LSVVollzG und soweit ersichtlich auch in anderen Strafvollzugsgesetzen der Länder nicht vorgesehen, so dass einfachgesetzlich kein dahingehendes subjektives Recht des Antragstellers besteht, dessen Verletzung er rügen kann. Den grundrechtlichen Ansprüchen aus Art. 6 Abs. 1 GG, der in gewissem Ausmaß auch auf das der Ehe vorgelagerte Verlöbnis ausstrahlt, aber verfassungsrechtlich nicht zu gleichermaßen weitgehenden Schutzmaßnahen verpflichtet (vgl. OVG Magdeburg, NZFam 2018, 620), ist im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen und u.a. für diese Zwecke ausgestalteten Besuchsrechte zur Wirkung zu verhelfen. Der Gesetzgeber des LSVVollzG war sich – wie die §§ 27 ff. LSVVollzG zeigen – der Bedeutung des Art. 6 Abs. 1 GG sowohl für die Untergebrachten als auch für die Besucher bewusst und hat solchermaßen verbundenen Personen ein privilegiertes Besuchsrecht zugestanden. Zugleich hat der Gesetzgeber mit dem LSVVollzG im Wege praktischer Konkordanz einen Ausgleich geschaffen, der auch die ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestattete Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege und ihrer Einrichtungen zur Geltung bringt (vgl. hierzu Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Vorb. zu Abschnitt I, Rn. 120 ff.). Freiheitsentzug und die notwendigen Einschränkungen von Grundrechten auf gesetzlicher Grundlage sind von der Verfassung vorgesehen (Art. 104 Abs. 1 und 2 GG, Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG, vgl. BVerfGE 33, 1 ff.). Die Verweigerung eines über die Möglichkeiten des LSVVollzG hinausgehenden Besuchs ist daher auch unter Berücksichtigung der Rechte des Antragstellers aus Art. 6 Abs. 1 GG und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zu beanstanden. Dies gilt umso mehr als es sich bei er Antragsgegnerin um eine ausschließliche sozialtherapeutische Anstalt handelt, in die nur Strafgefangene aufgenommen werden können, bei denen die Indikation für eine sozialtherapeutische Behandlung besteht. Diese besondere Vollzugsform sieht neben den therapeutischen Elementen auch höhere innervollzugliche Freiheitsgrade vor, für die der Antragsteller nach den Feststellungen nicht ausdrücklich qualifiziert ist. Das LSVVollzG sieht wegen der Unterschiedlichkeit des Vollzugs von Strafhaft und Sicherungsverwahrung ausdrücklich eine Trennung von Gefangenen und Untergebrachten vor, § 10 Abs. 1 LSVVollzG und § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b) StGB (vgl. zum sog. Abstandsgebot BVerfG, NJW 2011, 1931 Rn. 100 ff.). Einen Anspruch auf Änderung des vollzuglichen Zuschnitts der aufnehmenden Einrichtung kann dabei auch unter Berücksichtigung von Grundrechten nicht gefordert werden. Hierbei sind auch die Grundrechte anderer Untergebrachter in derselben Anstalt in den Blick zu nehmen, die durch eine Aufweichung des Abstandsgebots negativ betroffen sein können. Dem Zusammenführungswunsch des Antragstellers kann, worauf das Ministerium der Justiz in seiner Stellungnahme zum Verfahren vom 17. Juni 2020 zutreffend verweist, durch eine stundenweise Besuchsausführung des Antragstellers entsprochen werden, die eine Begegnung ermöglicht ohne die zumindest zeitweise Integration des Antragstellers in den Vollzug der Antragsgegnerin zu erfordern.

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(3) Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Überstellungsvorschriften (in Rheinland-Pfalz § 27 LJVollzG, vgl. Arloth/Krä, StVollzG, 4. Auflage 2017, § 24 Rn. 2). Danach ist eine Überstellung aus wichtigem Grund zulässig. Der Besuchskontakt mit einem Angehörigen stellt dabei regelmäßig einen wichtigen Grund im Rahmen einer zu treffenden Überstellungsentscheidung dar (vgl. grundlegend BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 2 BvR 345/17, FamRZ 2017, 1434). Unabhängig von der Frage, ob die Antragsgegnerin für einen Überstellungsantrag des Antragstellers zuständig ist, kann auch im Rahmen der Überstellungsvorschriften von einem Antragsteller aber nicht gefordert werden, dass zur Umsetzung seines Besuchswunsches eine von anderen Gefangenen derselben Anstalt abweichende Vollzugsausgestaltung inklusive der damit verbundenen personellen und räumlichen Voraussetzungen erst geschaffen wird.

III.

15

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren war zurückzuweisen, weil der Antrag keine Aussicht auf Erfolg hat.

IV.

16

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers und der Bedeutung der Sache gem. §§ 60, 52 Abs. 1 GKG auf 500 Euro festgesetzt.

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