Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 Ws 103/21

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Verurteilten wird die in Ziffer 3 c) des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken vom 19. März 2021 erteilte Weisung aufgehoben.

2. Die Landeskasse hat die notwendigen Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu tragen.

        

        

Gründe

I.

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Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken ordnete mit Beschluss vom 19. März 2021 an, dass nach vollständiger Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 4. September 2019 (7 Js 7100 Js 3519/19) die Führungsaufsicht nicht entfällt.

2

Die Dauer der Führungsaufsicht wurde auf fünf Jahre festgesetzt. Dem Verurteilten wurde in Ziffer 3 c) des Beschlusses folgende Weisung erteilt:

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„Der Verurteilte wird gemäß § 68b Absatz 1 StGB strafbewehrt angewiesen, keine ihm nicht ärztlich verschriebenen Betäubungsmittel zu sich zu nehmen und seine Abstinenz in den ersten beiden Jahren ab Haftentlassung durch regelmäßige Urinkontrollen, mindestens jedoch vierteljährlich im Rahmen des Substitutionsprogramms nachzuweisen. Die Kosten der Untersuchung trägt bis auf weiteres die Staatskasse (§ 68 Absatz 1 Satz 1 Nr. 10 StGB).“

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Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken wurde der Verteidigerin des Verurteilten am 25. März 2021 zugestellt. Mit Schreiben vom 30. März 2021 hat der Verurteilte zunächst sofortige Beschwerde eingelegt und mit Schriftsatz vom 31. März 2021 ausgeführt, dass das Rechtsmittel lediglich gegen einzelne Weisungen richtet. Mit weiterem Schriftsatz vom 16. April 2021 hat die Verteidigerin unter Vorlage einer schriftlichen Vollmacht mitgeteilt, dass sich die Beschwerde gegen die Weisung in Ziffer 3 c) der Entscheidung richtet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Anordnung eines Konsumverbotes bei einer unbehandelten oder nicht erfolgreich behandelten Drogensucht gegenüber einem langjährigen Suchtkranken eine unzumutbare und unzulässige Weisung darstelle.

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Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

6

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu der Beschwerde des Verurteilten mit Schreiben vom 27. April 2021 Stellung genommen und die Aufhebung der angefochtenen Weisung beantragt.

II.

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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

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1. Nachdem das Rechtsmittel wirksam auf die Anfechtung der angeordneten Weisung beschränkt wurde, handelt es sich um eine einfache Beschwerde und nicht um eine sofortige Beschwerde gegen die Anordnung der Führungsaufsicht (§§ 463 Abs. 2 i.V.m. 453 Abs. 2 Satz 1 i.V.m Abs. 1 StPO).

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2. Der Senat hat im Rahmen seiner eingeschränkten Prüfungskompetenz zu prüfen, ob die getroffene Anordnung gesetzmäßig ist (§§ 463 Abs. 2 i.V.m. 453 Abs. 2 Satz 2 StPO). Demnach kann der Senat eine Anordnung, die die Führungsaufsicht betrifft, nur aufheben, wenn sie im Gesetz keine Grundlage findet, wenn ein Ermessensfehlgebrauch durch das erstinstanzliche Gericht vorliegt oder wenn die Weisung unverhältnismäßig ist. Dies ist hier der Fall.

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a) Die vom Landgericht angeordnete Weisung, keine den Betroffenen nicht ärztlich verschriebene Betäubungsmittel zu sich zu nehmen und Urinkontrollen zum Nachweis der Suchtmittelfreiheit vorzulegen, ist im vorliegenden Fall unverhältnismäßig und daher unzulässig. Zwar kann ein Verurteilter gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB grundsätzlich angewiesen werden, während der Dauer der Führungsaufsicht keine Suchtmittel (oder andere berauschende Mittel) zu sich zu nehmen. Das Gericht darf aber nach § 68b Abs. 3 StGB an die Lebensführung einer verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen stellen. Nach diesen Maßstäben begegnet die unter Ziffer 3 c) getroffene Anordnung hier durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB darf gegen einen langjährig suchtkranken, bislang nicht erfolgreich behandelten Verurteilten im Regelfall nicht angeordnet werden (h.M. in der obergerichtlichen Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 30. März 2016 – 2 BvR 496/12, juris m.w.N.; Senat, Beschluss vom 21. September 2017 – 1 Ws 316/17, juris Rn. 10; Beschluss vom 13. Dezember 2018 - 1 Ws 279/18 [nicht veröffentlicht]; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 68b, Rn. 12 ff.; einschränkend: OLG Rostock, Beschluss vom 27. März 2012 – I Ws 90/12, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 5 Ws 342/12, juris).

11

Der Verurteilte ist, wie schon im Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 4. September 2019 festgestellt, im Tatzeitraum zwischen dem 20. Dezember 2018 und 20. März 2019 und seit mehreren Jahren Konsument von Subutex. Zu den persönlichen Feststellungen wird im Urteil weiter ausgeführt, dass der Angeklagte nach eigenen Angaben Betäubungsmittelkonsument sei, mit THC und Marihuana angefangen habe, später dann Amphetamin und Ecstasy hinzugekommen seien und er an einer Abhängigkeit von Subutex leide. Der Verurteilte wurde erstmals im Jahr 2005 durch das Amtsgericht Pforzheim wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt. Eine erste Zurückstellung der Vollstreckung der von dem Amtsgericht Landau verhängten Freiheitsstrafe gem. § 35 BtMG scheiterte am Rückfall des Verurteilten. Nach einer Mitteilung der Fachklinik Landau habe sich der Verurteilte in der Zeit vom 30. April bis zu dem 16. Juni 2020 in der Fachklinik befunden und sei disziplinarisch entlassen worden. Im Rahmen des Berichtes der Fachklinik vom 3. Juli 2020 wird ausgeführt, dass der Verurteilte im Rahmen eines Methadon- Substitutionsprogramms zuletzt auf Subutex 8mg eingestellt gewesen sei. Am 13. Juni 2020 sei er dann mit Alkohol rückfällig geworden. Nach Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme wurde der Verurteilte wieder in die Justizvollzugsanstalt Zweibrücken aufgenommen. Das Drogenscreening bei der Zuführung war positiv auf Bubrenorphin, ein betäubungsmittelpflichtiges Opioidanalgetikum. Eine weitere Zurückstellung der Strafvollstreckung scheiterte. Nach erneuter Aufnahme in die Fachklinik Landau am 7. September 2020 zu einer kombinierten Drogenentzugs- und -entwöhnungsbehandlung wurde er positiv auf das Medikament Tramal getestet. Bei einer routinemäßigen Kontrolle wurden in einer mitgebrachten Tasche sowohl Pregabalin 1000mg als auch Ibuprofen 600mg aufgefunden, was eine disziplinarische Entlassung des Verurteilten aus der Therapie des Verurteilten am 10. September 2020 zur Folge hatte. Eine vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft nach Verbüßung von mehr als 2/3 der in dieser Sache verhängten Strafe wurde durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken im Hinblick auf die ungelöste Drogenproblematik abgelehnt (vgl. den Beschluss vom 9. Oktober 2020 – 2 StVK 517/20). In dem Beschluss wird auch mitgeteilt, dass der Verurteilte zwei Drogentherapien, die im Rahmen von ihm gewährten Zurückstellungen durchgeführt werden sollten, nicht durchgestanden und aus beiden Maßnahmen disziplinarisch entlassen worden sei. Zudem habe er sich während des Zeitraums seiner Inhaftierung wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln strafbar gemacht (Tatzeit 19.11.2019), was zu einer rechtskräftigen Verurteilung durch das Amtsgericht Zweibrücken am 7. Mai 2020 geführt habe. Auch die zuständige Sozialarbeiterin geht in der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken vom 18. Januar 2021 von einer fortbestehenden Suchtmittelabhängigkeit des Verurteilten aus. Seine Betäubungsmittelproblematik sei nicht ausreichend aufgearbeitet. Trotz der Tatsache, dass sich der Verurteilte zu diesem Zeitpunkt im Substitutionsprogramm befand, konnte ihm aufgrund der unbehandelten Suchtproblematik keine positive Prognose gestellt werden. Der Verurteilte selbst hat im Rahmen der Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer am 4. März 2021 erklärt, dass er mit der Durchführung der Urinkontrollen nicht einverstanden sei, er gebe ja im Substitutionsprogramm bei dem Substitutionsarzt Urinkontrollen ab. Überdies verspüre er durch die Substitution auch keinen Suchtdruck.

12

Angesichts des Suchtverhaltens des Verurteilten in der Vergangenheit, dem multiplen Suchtmittelgebrauch, der sich nicht auf weiche Drogen beschränkt (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 13. Dezember 2018 - 1 Ws 279/18), und der disziplinarischen Entlassung aus der Fachklinik Landau trotz Einstellung in einem Substitutionsprogramm kann von einem tragbaren Willen und einer nachhaltigen Fähigkeit des Verurteilten zur Abstinenz noch nicht ausgegangen werden, zumal seine Äußerungen im Rahmen der Anhörung - nicht fernliegend - dem Bemühen geschuldet waren, Urinkontrollen zu vermeiden.

13

Die Weisung war deshalb auf die Beschwerde des Verurteilten aufzuheben.

14

Wegen des Erfolgs der Beschwerde hat die Landeskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens und gem. § 473 Abs. 3 StPO die dem Verurteilten darin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

        

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