Urteil vom Sozialgericht Aachen - S 14 KR 455/17
Tenor
Der Bescheid vom 05.01.2017 in der Fassung des Bescheides vom 06.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2017 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Klägerin im Zeitraum von Januar 2013 bis einschließlich 07.02.2017 in der Familienversicherung gesetzlich krankenversichert war. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Zugehörigkeit der Klägerin zur gesetzlichen Familienkrankenversicherung im Zeitraum von Januar 2013 bis 07.02.2017.
3Der Ehemann der Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich kranken– und pflegeversichert. Er zahlte über den streitgegenständlichen Zeiträume Beiträge nach der Beitragsbemessungsgrenze. Das Ehepaar lebt in Gütertrennung. Die Eheleute sind Miteigentümer mehrerer Immobilien mit Mietwohnungen. Die Mietverträge schloss/schließt allein der Ehemann der Klägerin. Ihm oblag/obliegt die Verwaltung der Gebäude. Die Mietzahlungen werden und wurden auch im streitgegenständlichen Zeitraum auf ein Konto gezahlt, dessen Inhaber allein der Ehemann der Klägerin war/ist.
4Die im Jahr 1960 geborene Klägerin war bei der Beklagten (seit Eheschließung im Februar 1989) in der Familienversicherung gesetzlich kranken – und pflegeversichert, ohne dass dies durch Verwaltungsakt festgestellt worden wäre. Seit dem 08.02.2017 ist sie als Rentenantragstellerin bzw. Rentenbezieherin bei der Beklagten kranken – (und pflegeversichert (Bescheide vom 6. Juni und 07.06.2017). Über die Höhe der Beiträge als Rentenantragstellerin wird in dem sozialgerichtlichen Verfahren mit dem Aktenzeichen S 15 KR 23/18 gestritten, in dem darüber hinaus die Beitragsfestsetzungen für den hier streitgegenständlichen Zeitraum Streitgegenstand sind.
5Im Oktober 2015 begann die Beklagte das Fortbestehen der Voraussetzungen für die Familienversicherung der Klägerin zu überprüfen. Mit Schreiben vom 06.10.2015 wies sie darauf hin, dass im Falle einer eingetragenen Gütergemeinschaft die erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Vermietung und Verpachtung jedem Ehegatten zur Hälfte zuzurechnen seien. Im Rahmen der Prüfung erklärte der Ehemann der Klägerin unter dem 04.10.2014, die Klägerin erziele keine Einkünfte. Vorgelegt wurde der an die Klägerin und deren Ehemann gemeinsam gerichtete Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 vom 21.10.2015. Aus dem Bescheid gingen Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung bebauter Grundstücke i.H.v. 28.268 EUR hervor.
6Mit Schreiben vom 03.11.2016 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass nach den im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einnahmen die beitragsfreie Familienversicherung beendet werden müsse, soweit die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nicht aus einem gemeinsam bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betrieb resultierten.
7Unter dem 14.11.2016 führte der Ehemann der Klägerin aus, seine Ehefrau habe während der gesamten Ehezeit niemals eigene Einnahmen gehabt. Sie sei ausschließlich Hausfrau und Mutter. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung habe lediglich er selbst. Er alleine habe alle Immobilien der Familie erwirtschaftet und verwalte und vermiete diese. Die Einnahmen flössen sämtlich ausschließlich an ihn. Sofern die Klägerin Miteigentümerin von Immobilien geworden sei, sei dies nicht ausschlaggebend dafür, wem die Einnahmen aus Vermietung zuflössen.
8Mit Schreiben vom 22.11.2016 hörte die Beklagte auf die Klägerin zur Absicht der Beendigung der Familienversicherung aufgrund des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) mit Wirkung zum 01.11.2015 an. Das Bundessozialgericht habe entschieden, dass auch im Bereich der Familienversicherung von den Einkünften auszugehen sei, die nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften ermittelt worden seien. Entscheidend sei insofern das im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Einkommen.
9Mit Schreiben vom 06.12.2016 bezog sich die Klägerin auf das Schreiben ihres Ehemannes vom 14.11.2016. Es sei stetige Rechtsprechung der Sozial – und Finanzgerichte, dass Mieteinkünfte der Person zuzuordnen seien, die die Vermietertätigkeit ausübe.
10Mit Bescheid vom 05.01.2017 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin das Ende der Familienversicherung zum 31.10.2015 fest. Anlass für diese Beendigung sei die Überschreitung der für die Familienversicherung maßgebenden monatlichen Einkommensgrenze (2015:415 EUR, 2016:415 EUR, 2017:425 EUR). Bei der Feststellung des Gesamteinkommens seien die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 2.355,67 EUR (monatlich) berücksichtigt worden. Maßgebend seien die Einkünfte, die im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 vom 21.10.2015 ausgewiesen seien.
11Hiergegen legte die Klägerin anwaltlich vertreten am 20.01.2017 Widerspruch ein. Zwar sei die Klägerin Miteigentümerin zweier Immobilien und habe hierdurch den entsprechenden Teil der Mieteinnahmen zu versteuern, sie habe diese jedoch nicht "erzielt". Solche Einkünfte erziele nur derjenige, der die rechtliche oder tatsächliche Macht habe, eines der in § 21 Abs. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) genannten Wirtschaftsgüter anderen entgeltlich zu überlassen.
12Nach Beiziehung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011-2014 vom Finanzamt der Stadt B. und entsprechender Anhörung vom 06.06.2017 "berichtigte" die Beklagte mit Bescheid vom 06.07.2017 ihren Bescheid vom 05.01.2017 auf die Feststellung des Endes der Familienversicherung zum 31.12.2012 unter Hinweis auf § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Die Klägerin habe bei den jährlichen Überprüfungen der Familienversicherung seit 2012 das Vorhandensein von Einkommen verneint. Die Nicht – Anzeige der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sei zumindest als grob fahrlässig zu werten.
13Mit Bescheid vom 28.09.2017 teilte die Beklagte mit, die Klägerin werde für die Zeit vom 01.01.2013 bis 07.02.2017 als freiwilliges Mitglied geführt und setzte die Beiträge zur gesetzlichen Kranken – und Pflegeversicherung fest. Mit weiterem Bescheid vom 13.11.2017 forderte die Beklagte von der Klägerin Beiträge für den Zeitraum von Januar 2013 bis einschließlich Dezember 2016 in Höhe von knapp 20.000 EUR. Ein auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des hiergegen eingelegten Widerspruches gerichtetes Eilverfahren beim Sozialgericht Aachen (Aktenzeichen S 15 KR 45/18 ER) verlief für die Klägerin erfolglos (ablehnender Beschluss vom 18.05.2018).
14Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2017 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.01.2017 in der Fassung des Bescheides vom 06.07.2017 als unbegründet zurück. Der Einkommensbegriff aus § 10 Absatz 1 S. 1 Nr. 5 SGB V stelle nach Rechtsprechung des BSG über §§ 15 und 16 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) volle Parallelität von steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Einkommensermittlung her. Im Rahmen des – hinsichtlich der Rücknahme des Bescheides vom 05.01.2017 – auszuübenden Ermessens, werde den Interessen der Versicherungsgemeinschaft höheres Gewicht beigemessen.
15Hiergegen hat die Klägerin über ihre Bevollmächtigte am 25.10.2017 Klage erhoben.
16Unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruches hat die Klägerin korrigierte Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2012-2014 vom 22.11.2017 vorgelegt, nach denen sie keine Einkünfte hatte. Sämtliche Mieteinnahmen sind hiernach dem Ehemann der Klägerin zugeordnet.
17Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, 1.den Bescheid vom 05.01.2017 in der Fassung des Bescheides vom 06.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2017 aufzuheben. 2.festzustellen, dass die Klägerin im Zeitraum von Januar 2013 bis einschließlich 07.02.2017 in der Familienversicherung gesetzlich krankenversichert war.
18Der Vertreter der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.
19Die Beklagte ist der Ansicht, die geänderten Einkommensteuerbescheide vom 22.11.2017 könnten frühestens ab Beginn des auf den Erlass folgenden Monates für die über das Einkommen der Klägerin anzustellende Prognose herangezogen werden, also ab dem 01.12.2017.
20Die Beteiligten haben sich hinsichtlich des Bestehens der Familienversicherung der Klägerin in der Pflegeversicherung im streitgegenständlichen Zeitraum dem Ergebnis des vorliegenden Verfahrens unterworfen. Zudem haben sie sich hinsichtlich der Streitgegenstände im Verfahren S 15 KR 23/18 – hinsichtlich der Frage, ob Beiträge aufgrund eines Einkommens der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung zu entrichten bleiben – dem Ergebnis des vorliegenden Verfahrens unterworfen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach – und Streitverhältnisses wird auf die die Gerichtsakte und die beigezogenen Akten der Beklagten, des Finanzamtes H. und des Eilverfahrens beim Sozialgericht Aachen mit dem Aktenzeichen S 15 KR 45/18 ER verwiesen.
22Entscheidungsgründe:
23A. Streitgegenstand des Verfahrens ist allein die Frage der Zugehörigkeit der Klägerin der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 07. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R -, Rn, juris, Rn. 11; BSG, Urteil vom 29. Juni 2016 – B 12 KR 1/15 R –, SozR 4-2500 § 10 Nr 12, Rn. 11).
24B. Die im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) verfolgten Klagebegehren sind zulässig. Die Statthaftigkeit des Anfechtungsbegehrens folgt aus § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG. Der Klageantrag zu 2) ist als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Eine Verpflichtungsklage ist nicht vorrangig. Zwar hat der Familienversicherte einen Anspruch auf Feststellung der Familienversicherung gegenüber der Krankenkasse. Um die Ablehnung eines entsprechenden Antrages geht es jedoch vorliegend nicht. Zudem besteht die Familienversicherung kraft Gesetzes (Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 10 SGB V, Rn. 7). Einer konstitutiven Entscheidung der Krankenversicherung bedarf es nicht. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist bereits deshalb anzuerkennen, weil davon abhängt, ob - bei Nichtbestehen der beitragsfreien Familienversicherung - die (beitragspflichtige) freiwillige Versicherung (vgl. § 188 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) aufrechterhalten wird und die festgesetzten Beiträge zu entrichten bleiben. Diesbezüglich (Streitgegenstand im Verfahren S 15 KR 23/18) haben sich die Beteiligten dem Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreites unterworfen (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 1993 – 12 RK 48/91 –, BSGE 72, 292-297, SozR 3-2500 § 10 Nr 2, Rn. 14; BSG, Urteil vom 29. Juni 2016 – B 12 KR 1/15 R –, SozR 4-2500 § 10 Nr 12, Rn. 11; BSG, Urteil vom 29. Juli 2003 – B 12 KR 16/02 R –, BSGE 91, 190-197, SozR 4-2500 § 10 Nr 3, Rn. 15; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Oktober 2009 – L 5 KR 109/08 –, juris).
25C. I. Die Klägerin, an die die streitgegenständlichen Bescheide zutreffend gerichtet waren, ist Rechtsinhaberin der Familienversicherung (Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 10 SGB V, Rn. 7). Eine Notwendigkeit ihren Ehemann gemäß § 75 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 SGG als Stammversicherten beizuladen bestand insofern nicht (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R –, Rn. 12, juris), da er gerade keine eigenen Rechte und Pflichten aus dem streitigen öffentlich-rechtlichen Verhältnis zwischen den Beteiligten hat. In seine Rechtssphäre wird nicht eingegriffen (vgl. Gall in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 75 SGG, Rn. 40, 45 m.w.N.) (a. A.: BSG, Urteil vom 18. März 1999 – B 12 KR 8/98 R –, SozR 3-1500 § 78 Nr 3, SozR 3-2500 § 10 Nr 15, Rn. 20; Felix a.a.O, Rn. 56).
26II. Die Klagen sind begründet. Der Bescheid vom 05.01.2017 in der Fassung des Bescheides vom 06.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2017 ist rechtswidrig. Im streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2013 bis 07.02.2017 bestand für die Klägerin die Familienversicherung der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 10 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
27Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) gilt für die Familienversicherung § 10 des Fünften Sozialgesetzbuches entsprechend.
28Nach § 10 Abs. 1 S. 1 SGB V sind in der Familienversicherung versichert, u. a. der Ehegatte eines Mitgliedes der Krankenversicherung, wenn er seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (Nr. 1), nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 2 Buchst. a, 3-8, 11-12 oder nicht freiwillig versichert ist (Nr. 2), er nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit ist; dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 außer Betracht (Nr. 3), nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist (Nr. 4) und kein Gesamteinkommen hat, das regelmäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches überschreitet (Nr. 5 1. HS).
29III. Während die Voraussetzungen der Nr. 1-4 bei der Klägerin – deren Ehemann (auch) im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert war – nicht im Zweifel stehen, ist die zwischen den Beteiligten streitige Erfüllung des Negativtatbestandes des § 10 Absatz 1 S. 1 Nr. 5 1. HS SGB V im Sinne der Klägerin zu beantworten.
30Die Klägerin hatte kein Gesamteinkommen, das regelmäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften über die Sozialversicherung (SGB IV) überschritt. Sie hatte vielmehr kein Einkommen, da die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Wohnungen in im Miteigentum der Klägerin stehender Immobilien allein Einkommen ihres Ehemannes darstellten.
31Mit dem Begriff des Gesamteinkommens knüpft § 10 Absatz 1 S. 1 Nr. 5 1. HS SGB V an die Definition in § 16 SGB IV. Danach ist das Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommenssteuerrechts (BSG vom 25. Januar 2006, B 12 KR 2/05 R = SozR 4-2500 § 10 Nr. 6; Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 10, Rn. 134 m.w.Nachw.; Klattenhoff, in: Hauck/Noftz, SGB IV, § 16 Rn. 8). Hierzu gehören gemäß § 2 Nr. 6, 21 Einkommenssteuergesetz (EStG) insbesondere auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
32Wird die maßgebliche Einkommensgrenze überschritten, so ist die Krankenkasse berechtigt, festzustellen, dass ab einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt eine Familienversicherung nicht mehr bestanden hat (BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R –, Rn. 25, juris; Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 10 SGB V, Rn. 44 1 m.w.N.).
331. Weitgehende Einigkeit besteht zu Recht zunächst insoweit, dass – auch bei einer in die Vergangenheit greifenden Feststellung des (Nicht)bestehens der Familienversicherung – wie bei Statusentscheidungen im Versicherungsrecht generell – bei der Einkommensermittlung eine vorausschauende Betrachtungsweise geboten ist. Der Betreffende muss beim Entfallen der Familienversicherung für eine anderweitige Versicherung sorgen können und bei plötzlich auftretender Krankheit zuverlässig wissen, wie und wo er versichert ist. Dies erfordert eine Prognose unter Einbeziehung der mit hinreichender Sicherheit zu erwartenden Veränderungen. Die auf dieser Grundlage zu treffende Statusentscheidung bleibt auch dann verbindlich, wenn die Entwicklung später anders verläuft als angenommen. Die entsprechende Änderung (i. S. d. § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz- SGB X) kann dann Anlass für eine neue Prüfung und – wiederum vorausschauende – Beurteilung sein. Hinsichtlich in die Vergangenheit zurückwirkender Entscheidungen bedeutet dies, dass für solche Zeiträume keine Familienversicherung bestand, zu deren Beginn – gegebenenfalls anhand durchschnittlicher Verhältnisse der noch davor liegenden Zeit – bereits absehbar war, dass die insoweit geltenden Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt würden (so BSG, Urteil vom 07. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R –, SozR 3-2500 § 10 Nr 19, SozR 3-2400 § 15 Nr 8, Rn. 29 f. m.w.Nachw.; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05. September 2016 – L 1 KR 288/14 –, Rn. 19; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. September 2016 – L 5 KR 52/16 –, Rn. 24, juris; a. A. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2013 – L 11 KR 1983/12 –, Rn. 30, juris).
342. Zu der Frage, anhand welcher Nachweise das Einkommen (aus Vermietung und Verpachtung) im Rahmen des § 10 Absatz 1 S. 1 Nr. 5 1. HS SGB V zu ermitteln ist, werden in der Instanzrechtsprechung jedoch unterschiedliche Auffassungen vertreten, die voneinander kaum Notiz nehmen.
35a) Zum Teil wird vertreten, das im Rahmen der Feststellung der Familienversicherung zu ermittelnde Gesamteinkommen könne nur mit dem amtlichen Einkommensteuerbescheid nachgewiesen werden. Zur Begründung wird die Rechtsprechung des allein für Angelegenheiten des Beitragsrechts und Mitgliedschaftsrechts der Kranken- und Pflegeversicherung zuständigen Zwölften Senates des Bundessozialgerichts zur Ermittlung des der Beitragsbemessung freiwillig hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger zu Grunde zu legenden Einkommens bzw. zur Ermittlung der der Beitragsfestsetzung zu Grunde zu legenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätiger freiwillig Versicherter aufgegriffen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05. September 2016 – L 1 KR 288/14 –, Rn. 20, 21, juris m.w.Nachw. aus der eigenen Rechtsprechung; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27. April 2016 – L 5 KR 3462/15 –, Rn. 30 ff., juris; Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 28. Juli 2015 – L 6 KR 212/13 –, Rn. 29, juris).
36b) Nach anderer – aus Sicht der erkennenden Kammer vorzugswürdiger - Ansicht besteht für eine derartige Praxis der Krankenkassen keine rechtliche Grundlage (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. September 2016 – L 5 KR 52/16 –, Rn. 24, juris; SG Karlsruhe, Urteil vom 03. Juni 2008 – S 7 KR 2483/07 –, juris; SG Dresden, Urteil vom 25. Oktober 2017 – S 25 KR 293/14 –, Rn. 22, juris; SG Chemnitz, Urteil vom 15. Juni 2017 – S 10 KR 294/16 –, Rn. 25, juris; vgl. auch SG Aachen, Urteil vom 14. April 2011 – S 2 KR 271/10 –, Rn. 18 ff., juris). Die Kommentarliteratur schließt sich – soweit zur Frage Stellung bezogen wird – dieser Ansicht an (Zieglmaier, Kass-Komm, SGB V, § 15, Rn. 31 m.w.Nachw.; Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 10 SGB V, Rn. 42 1; vgl. auch die Ausführungen bei Gerlach, Hauck-Noftz, SGB V, § 10, Rn. 137 ff.).
37c) Die Praxis der gesetzlichen Krankenkassen erscheint ebenso mäandernd wie die Auffassung des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung. Nachdem das Bundesversicherungsamt im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Tätigkeit festgestellte, dass die Krankenkassen (jedenfalls bei) der Ermittlung des Arbeitseinkommens von selbstständig Tätigen bei Anwendung des § 10 Absatz 1 S. 1 Nr. 5 SGB V und § 10 Abs. 3 SGB V unterschiedlich verfahre, hat es den GKV – Spitzenverband hierzu um eine Positionierung gebeten und unter Hinweis auf Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit angeregt darüber nachzudenken, ob der Nachweis des Arbeitseinkommens (Gewinn aus selbständiger Tätigkeit; § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV) in bestimmten Fallkonstellationen auch außerhalb des Einkommensteuerbescheides geführt werden könne. Die Fachkonferenz Beiträge hat mit Ergebnisniederschrift vom 08.04.2014 (TOP 4) festgehalten, dass zur Bestimmung des Arbeitseinkommens im Zusammenhang mit der Feststellung des Gesamteinkommens nach § 10 Absatz 1 S. 1 Nr. 5 und Abs. 3 SGB V auf den letzten (aktuellen) Einkommenssteuerbescheid zurückzugreifen sei und die daraus hervorgehenden Angaben vom Beginn des auf das Bescheiddatum folgenden Monats Wirkung entfalteten. Es werde (in Anlehnung an § 6 Abs. 3 Buchst. a der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge – Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler in der bis zum 31.12.2017 gültigen Fassung) für sachgerecht erachtet, hiervon Ausnahmen zu machen, wenn das aktuell nachgewiesene Arbeitseinkommen um mehr als ¼ des über den Einkommensteuerbescheid des zuletzt festgestellten Arbeitseinkommens reduziert sei. Diesbezüglich komme ein Vorauszahlungsbescheid oder ein anderer geeigneter Nachweis des Finanzamtes infrage. Inwieweit dieses Prozedere auch für andere Einkommensarten gelten- und wie gegebenenfalls die unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt werden soll, bleibt offen. Jedenfalls für Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit – das ebenso vom Begriff des Gesamteinkommens nach § 16 SGB IV erfasst wird – ist der Kammer bekannt, dass die Krankenkassen (auch) auf Gehaltsabrechnungen o. Ä. zurückgreifen.
38Aus einem Gemeinsamen Rundschreiben vom 24.10.2008 geht demgegenüber die Auffassung der Krankenkassen hervor, dass die Gewinnermittlung bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit im Rahmen des Gesamteinkommens nach § 16 SGB IV offenbar den Kassen selbst obliegen soll (abgedruckt in: Hauck/Noftz, SGB V, Anhang III K § 10).
39Auch die auf Grundlage des § 10 Abs. 6 S. 2 SGB V beruhenden Einheitlichen Grundsätze zum Meldeverfahren bei Durchführung der Familienversicherung (Fami-Meldegrundsätze) des GKV- Spitzenverbandes vom 28.06.2011 in der Fassung vom 02.12.2015 korrespondieren dem Ergebnis der Fachkonferenz Beiträge des GKV- Spitzenverbandes vom 08.04.2014 nicht. Zur Prüfung der Voraussetzungen des Bestehens einer Familienversicherung sind nach den Vorschriften der Fami-Meldegrundsätze Vordrucke nach deren Anlagen zu verwenden. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 der Fami-Grundsätze statuiert, dass bei Ehegatten eine Erklärung auf dem Vordruck der Anl. 1 oder Anl. 2 als Nachweis in Betracht kommt. In Anl. 1 (für die Prüfung der Aufnahme in die Familienversicherung) wird – für die verschiedenen Einkommensarten einheitlich – nach den aktuellen monatlichen Verhältnissen bzw. seit (potentiellem) Beginn der Familienversicherung gefragt; Anl. 2 (zur Überprüfung der Familienversicherung) fordert – wiederum für alle Einkommensarten gleichermaßen – zur Angabe des monatlichen Einkommens ab dem überprüften Zeitpunkt auf. Nach Abs. 3 des § 5 ist das "Gesamteinkommen" (nach § 10 Abs. 3 SGB V) durch "geeignete Nachweise zu belegen". Bei Zweifeln, ob die Voraussetzung für die Durchführung der Familienversicherung vorliegen, hat die Krankenkasse gemäß § 5 Abs. 6 Fami-Meldegrundsätze weitere Beweismittel anzufordern. Als solche kommen insbesondere Einkommensnachweise oder sonstige Unterlagen oder Belege in Betracht. Insofern wird eine Beschränkung des Nachweises des Gesamteinkommens im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 HS 1, Abs. 3 SGB V i.V.m. § 16 IV allein durch den letzten Einkommensteuerbescheid gerade nicht statuiert. Das gilt für Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und Einkommen aus Vermietung und Verpachtung ebenso wie für andere Einkommensarten.
40d) Für die Ansicht, das im Rahmen der Feststellung der Familienversicherung zu ermittelnde Gesamteinkommen (aus Vermietung und Verpachtung/ Arbeitseinkommen) könne nur mit dem amtlichen Einkommensteuerbescheid nachgewiesen werden, spricht prima facie die Rechtsprechung des Zwölften Senates des BSG zur Feststellung des Arbeits- bzw. Gesamteinkommens für die Beitragsfestsetzung selbstständig Erwerbstätiger bzw. bei Vermietern und Verpächtern.
41aa) Mit Urteil vom 02. September 2009 (B 12 KR 21/08 R –, BSGE 104, 153-160, SozR 4-2500 § 240 Nr 12, Rn. 15 ff.) entschied der Zwölfte Senat des BSG, dass bei der Beitragsbemessung Selbstständiger, die Anknüpfung des § 240 Abs. 4 S. 2 SGB V (in der bis zum 31.12.2017 gültigen Fassung) über den Begriff des Arbeitseinkommens aus § 15 SGB IV an das Steuerrecht es nahe lege, auch hinsichtlich der Frage, wie die Höhe dieser Einnahmen nachgewiesen und in welchem Umfang Änderungen bei bereits verbindlich festgestellten Einnahmen Rechnung getragen werden könne, möglichst weitgehend mit den Gegebenheiten des Einkommensteuerrechts sowie mit dem Verwaltungsverfahren der Finanzverwaltung und dessen Ergebnissen in Übereinstimmung zu bringen. Dies diene auch der kostensparenden Verwaltungsvereinfachung der Krankenkassen (grds.). Die Notwendigkeit, den Einkommensteuerbescheid zugrundezulegen, folge hinsichtlich des Nachweises der Höhe der Einnahmen schon aus den Besonderheiten bei der Ermittlung des Gewinns als beitragspflichtiger Einnahme. Bei hauptberuflich Selbstständigen könnten die tatsächlich erzielten Einnahmen und insbesondere der Gewinn, anders als bei Arbeitnehmern, in der Regel nur zeitversetzt zugrunde gelegt werden. Erst mit diesem Zeitpunkt stünden den Krankenversicherungsträgern, die über keine eigenen Ermittlungs- und Feststellungsmöglichkeiten verfügten, Daten zur Verfügung, auf deren Grundlage sie gegebenenfalls am Beginn der Berufslaufbahn zunächst vorläufig festgesetzte Beträge endgültig feststellen könnten und auf die ausgehend von einer ihrerseits auf einer verlässlichen Grundlage basierenden Prognose im Regelfall eine endgültige Beitragsfestsetzung für die Zukunft zulässig gestützt werden könne. Dann könne für den Nachweis einer Änderung des Gewinns als Grundlage der Beitragsbemessung nichts anderes gelten. Auch eine Änderung sei erst nachgewiesen, wenn sie aufgrund eines neuen Einkommensteuerbescheides feststehe. Vorauszahlungsbescheide könnten im Beitragsrecht der Sozialversicherung keine Berücksichtigung finden. Seine frühere Rechtsprechung, wonach auch von einem Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater aufgestellte Gewinn- und Verlustrechnungen oder Bilanzen zur Nachweisführung ausgereicht hatten (BSG, Urteil vom 09. Februar 1993 – 12 RK 69/92 –, SozR 3-2500 § 240 Nr 14, Rn. 19; BSG, Urteil vom 27. November 1984 – 12 RK 70/82 –, BSGE 57, 240-247, SozR 2200 § 180 Nr 20, Rn. 36) gab der Zwölfte Senat des BSG auf. Diese seien im Ergebnis nichts anderes als Schätzungen, die allenfalls vorläufige Beitragsfestsetzungen zuließen, die später aufgrund neuer Erkenntnisse wiederholt werden müssten (BSG Urteil vom 02. September 2009 (B 12 KR 21/08 R –, BSGE 104, 153-160, SozR 4-2500 § 240 Nr 12, Rn. 17). Soweit der Erste Senat für das Leistungsrecht des Krankengeldes (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 11/06 R –, BSGE 98, 43-48, SozR 4-2500 § 47 Nr 7, Rn. 11 ff.) einerseits nach den Vorgaben des § 47 Abs. 4 S. 2 SGB V entschieden habe, dass das für die Leistungsbemessung maßgebliche Regelentgelt bei freiwillig versicherten Selbstständigen grundsätzlich und in aller Regel der zuletzt maßgeblichen Beitragsbemessungsgrundlage entspreche, deren Höhe "verwaltungspraktikabel" durch den Steuerbescheid nachgewiesen werde, andererseits Ausnahmefälle, bei denen es konkrete Anhaltspunkte dafür gebe, dass der zuletzt der Beitragsbemessung zugrunde liegende Betrag erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entspreche und insofern die Heranziehung weiterer Beweismittel in Erwägung ziehe, betreffe dies nur das Leistungsrecht der Krankenversicherung und nicht deren eigenständiges Beitragsrecht (BSG Urteil vom 02. September 2009 (B 12 KR 21/08 R –, BSGE 104, 153-160, SozR 4-2500 § 240 Nr 12, Rn. 18).
42Bei einer konsequenten Orientierung an dieser Rechtsprechung verstießen die Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst entrichteten Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) (in der bis 31.12.2017 gültigen Fassung; für die Zeit ab.01.01.2018 siehe die Siebte Änderung der Beitrags Verfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 15.11.2017) - ohne dass dies vertreten würde - insoweit gegen formelles Recht, als dort Ausnahmen (zu Gunsten des Versicherten) bei "unverhältnismäßigen Belastungen" zugelassen wurden (§ 7 Abs. 7a i.V.m. § 6 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 3a).
43bb) Mit Urteil vom 30.10.2013 (B 12 KR 21/11 R –, SozR 4-2500 § 240 Nr 19, Rn. 21 ff.) erstreckte der Zwölfte Senat seine Auffassung auf die Beitragsbemessung bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (nicht hauptberuflich Selbstständiger). Dem stehe die Hervorhebung der Nachweispflicht für hauptberuflich selbstständig tätige Versicherte in § 240 Abs. 4 S. 6 i.V.m. S. 2 SGB V (in der bis 31.12.2017 gültigen Fassung) nicht entgegen. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung seien dadurch gekennzeichnet, dass sie – ähnlich wie dies bei Einnahmen selbstständig Tätiger der Fall sei - erheblichen Schwankungen unterliegen könnten. Ob, in welchem Umfang und welcher Person Miet- und Pachteinkünfte einschließlich darauf bezogener einkommensmindernder Aufwendungen zuzurechnen seien, sei für Zwecke der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter zuverlässig allein dem die Person des Versicherten betreffenden Einkommensteuerbescheid zu entnehmen. Im Falle gemeinsam veranlagter Ehegatten ergäben sich nur aus dem Einkommensteuerbescheid die jeweils maßgeblichen Beträge. Den Krankenkassen fehle das Instrumentarium zur Ermittlung des für die Beitragsbemessung maßgeblichen Einkommens freiwillig Versicherter, welches verwaltungsmäßig rechtssicher und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung tragend durchführbar wäre und welches ohne unzumutbare Benachteiligung des Personenkreises verwirklicht werden könnte. Die alleinige Maßgeblichkeit des Einkommensteuerbescheides zum Nachweis des aus Vermietung und Verpachtung folgenden Gewinns ergebe sich auch aus der im Gesetz angelegten Parallelität von sozialversicherungs– und steuerrechtlicher Einkommensermittlung. In den Gesetzesmaterialien zu § 15 Abs. 1 S. 2 SGB IV werde betont, dass der Gewinn unverändert aus dem Steuerbescheid zu entnehmen sei, um so eine Verwaltungsvereinfachung zu erreichen (vgl. BT-Drs.- 12/5700, S. 92; während BT-Drs- 12/3937; S. 17 zu § 240 SGB V wo zum Nachweis des Arbeitseinkommens Selbstständiger die Vorlage eines Einkommensteuerbescheides lediglich als ein Beispiel angeführt wird: Dies habe nach BSG, a.a.O., Rn. 18 jedoch keinen Niederschlag im Gesetz gefunden). In Bezug auf das Gesamteinkommen im Sinne des § 16 SGB IV könne nichts anderes gelten als hinsichtlich des Arbeitseinkommens im Sinne des § 15 (Abs. 1) SGB IV. Der Nachweis des Gesamteinkommens bzw. jedenfalls der darin enthaltenen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung über den letzten Einkommensteuerbescheid gewährleiste letztlich auch, dass verheiratete Versicherte sich die im Gegensatz zum Sozialversicherungsrecht mögliche Zusammenveranlagung mit der Möglichkeit eines interpersonellen Verlustausgleiches nicht dort zum Vorteil machten, ohne hier die Nachteile zu tragen. Ein beitragsrechtlich unzulässiger vertikaler Verlustausgleich läge vor, ließe man es zu, die bereits beim Ehemann einer Versicherten in dessen Gewerbebetrieb anlässlich der Hausmodernisierung anfallenden und bei ihm steuerrechtlich – denkbar sogar bereits im Rahmen der Bemessung seiner eigenen Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung – einkommensmindernd berücksichtigten Aufwendungen anschließend "umzubewerten" und beitragsrechtlich bei der Versicherten als Aufwendungen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mindernd in Ansatz zu bringen.
44Nachdem der Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.01.2018 für die Festsetzung von Beiträgen aus Arbeitseinkommen (Gewinn aus selbständigen Tätigkeit) und Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in § 240 Abs. 4 Buchst. a S. 1 HS 1, S. 3, 6 SGB V festgelegt hat, dass zunächst eine vorläufige Entscheidung auf Grundlage des letzten Einkommensteuerbescheides zu erfolgen hat, bevor eine endgültige Festsetzung für das Kalenderjahr auf Grundlage des für das Jahr erlassenen Einkommensteuerbescheides vorzunehmen ist (vgl. BT-Drs. 18/11205, S. 71-73), verliert diese Rechtsprechung zukünftig Relevanz und ist die Tatbestandswirkung des Einkommenssteuerbescheides für die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit und Vermietung und Verpachtung freiwillig Versicherter im Beitragsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung gesetzlich angeordnet. Allerdings gilt § 240 Abs. 4 Buchst. a S. 1 SGB V gem. § 46 KVLG in der Krankenversicherung der Landwirte nicht.
45e) Auch wenn die Argumentation – ausgehend vom auch im Rahmen des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 (und Abs. 3) SGB V verwendeten Begriff des Gesamteinkommens (i.S.d. § 16 SGB IV) - zunächst dogmatisch übertragbar scheint, ist jedoch festzustellen, dass das BSG – auch der Zwölfte Senat - bezogen auf die Feststellung der Familienversicherung gerade abweichend verfahren ist. Anders ist nicht zu erklären, dass das BSG rückwirkende Feststellungen des Entfalles der Familienversicherung auch insoweit akzeptiert hat, als die Feststellung Zeiträume betraf, für die ein Einkommenssteuerbescheid vorgelegt wurde und hierbei eine Auswirkung des vorgelegten Einkommensteuerbescheides – trotz der für erforderlich gehaltenen prognostischen Betrachtung - jedoch nicht erst für die Zukunft angenommen hat, sondern für das jeweilig beschiedene Kalenderjahr (BSG, Urteil vom 07. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R –, SozR 3-2500 § 10 Nr 19, SozR 3-2400 § 15 Nr 8, Rn. 2 und 12 (Einkommen aus Kapitalvermögen); BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R –, Rn. 17, juris (Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit); vgl. auch: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2013 – L 11 KR 1983/12 –, Rn. 2-4, 30, juris; Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 10 SGB V, Rn. 42 mit Fußnote 123).
46Soweit die Entscheidungen des BSG weder einen Sachverhalt mit Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit noch aus Vermietung und Verpachtung betrafen, zeigt die fehlende Aufgabe dieser Rechtsprechung mit den Entscheidungen des Zwölften Senates vom 02.09.2009 und 30.10.2013 (a.a.O.) gleichwohl zutreffend, dass die Verbindung der Begriffe des Arbeitseikommens bzw. des Gesamteinkommens über §§ 15 Abs. 1 S. 1, 16 Halbsatz 1 SGB IV mit dem Einkommensteuerrecht eben nicht zwingend dem vom Finanzamt insoweit bereits festgesetzten Einkommen gleichsteht und der Nachweis des prognostischen Arbeits- bzw. Gesamteinkommens nicht notwendigerweise nur über den letzten Einkommensteuerbescheid möglich sein kann (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Oktober 2009 – L 5 KR 109/08 –, Rn. 22, juris). Dies lässt sich insbesondere am Wortlaut des § 16 SGB IV erkennen, wonach das Gesamteinkommen schlicht als die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts definiert wird, dass neben dem Arbeitseinkommen (als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit – vgl. § 15 SGB IV) gleichermaßen insbesondere auch Arbeitsentgelt, also Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit (§ 14 SGB IV) umschließt. Eine rechtsdogmatische Unterscheidung des Arbeitseinkommens bzw. des ebenfalls erfassten Einkommens aus Vermietung und Verpachtung einerseits und des Arbeitsentgeltes o.ä. andererseits, die eine Unterscheidung bei der Ermittlung der Höhe gebietet, besteht insofern nicht.
47§ 16 SGB IV nimmt eine Verweisung auf das im Einkommenssteuergesetz (EStG) definierte und damit umschriebene Einkommen vor. Damit sind die Einkunftsarten beschrieben und deren steuerliche Behandlung, einschließlich steuerlicher Vergünstigungen (BSG, Urteil vom 22. Mai 2003, B 12 KR 13/02 R = SozR 4-2500 § 10 Nr. 2). Dies führt dazu, dass für das Sozialversicherungsrecht kein neuer Einkommensbegriff definiert werden muss, sondern dass im Steuerrecht und im Sozialversicherungsrecht ein einheitlicher Einkommensbegriff zugrunde gelegt wird (Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 16 SGB IV, Rn. 13, 17). Die Regelung führt dazu, dass hinsichtlich der Bedeutung des Einkommens für die Sozialversicherungspflicht, die Familienversicherung oder die Beitragshöhe keine eigenständige sozialversicherungsrechtliche Betrachtung vorzunehmen ist, sondern dass insoweit das Einkommenssteuerrecht und das Sozialversicherungsrecht parallel kalibriert sind. Die Art und die Höhe der Einkünfte leiten sich aus dem Steuerrecht ab und sollen für die Frage der Familienversicherung nicht neu ermittelt werden (BT-Drucks. 12/ 5700 Seite 92 zu Art. 3 Nr. 2 für das Arbeitseinkommen nach § 15 SGB IV).
48Diese Parallelität zwischen Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht geht jedoch nicht so weit, dass die Festsetzungen der Finanzbehörden für die Tatbestände der Sozialversicherung ohne ausdrückliche Anordnung verbindlich wären (BSG, Urteil vom 6. August 1997, 3 RK 25/86, SozR 2200 § 205 Nr. 63; Zieglmaier, Kass-Komm, SGB V, § 15, Rn. 30 ff.). Vielmehr ist § 16 SGB IV lediglich eine Begriffsdefinition, die die Einkunftsarten und deren Umfang umschreibt, nicht aber eine konkrete Zuordnung vornimmt. Eine derartige Zuordnung ist weder vom Gesetzgeber gewollt gewesen (BT-Drucks. 7/4122, S. 32 zum Gesetzentwurf zum SGB IV vom 23. Dezember 1976) noch ließe sie sich rechtsdogmatisch konstruieren. Denn sie hätte zur Voraussetzung, dass die steuerliche Festsetzung eine Tatbestandswirkung für die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen – hier den Anspruch auf Familienversicherung – entfaltet. Eine derartige Tatbestandswirkung muss jedoch – auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung - im Gesetz selbst angelegt sein (BSG, Urteil vom 30. September 1997 – 4 RA 122/95, NZS 1998, S. 182 (183); Zieglmaier, Kass-Komm, SGB V, § 15, Rn. 31 m.w.Nachw.). Dies ist bei § 16 SGB IV (und § 15 SGB IV) nicht der Fall. Allein die Aussage, dass das Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommenssteuerrechts ist, sagt nichts darüber aus, dass den Festsetzungen des Finanzamtes hinsichtlich der Höhe oder der personellen Zuordnung des ermittelten Einkommens vergangener Zeiträume im sozialversicherungsrechtlichen Zusammenhang Feststellungswirkung für eine zukünftige Prognose zukäme (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Oktober 2009 – L 5 KR 109/08 –, Rn. 22, juris; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. September 2016 – L 5 KR 52/16 –, Rn. 24, juris; SG Aachen, Urteil vom 14. April 2011 – S 2 KR 271/10 –, Rn. 18 ff., juris; SG Karlsruhe, Urteil vom 03. Juni 2008 – S 7 KR 2483/07 –, Rn. 21, juris; Zieglmaier, a.a.O.). Dies zeigt sich – wie dargelegt – auch in der Rechtsprechung des Zwölften Senates des BSG (a.a.O.).
49Dies stellt nicht in Abrede, dass den Einkommenssteuerbescheiden eine herausragende Indizwirkung (aber eben keine Tatbestandswirkung) zukäme. Soweit keine Anhaltspunkte für eine Änderung der (wirtschaftlichen) Verhältnisse bestehen bzw. dem Versicherten eine von der letzten Feststellung im Einkommensteuerbescheid konkret nachvollziehbar abweichende Prognose nicht gelingt, ist es nicht zu beanstanden, die Erfassung zukünftigen Arbeitseinkommens bzw. Einkommens aus Vermietung und Verpachtung (auch) bei Statusentscheidungen auf den letzten Einkommensteuerbescheid zu stützen (in diesem Sinne BSG, Urteil vom 04. Juni 1981 – 3 RK 5/80 –, SozR 2200 § 205 Nr 41, Rn. 30 f.; BSG, Urteil vom 30. September 1997 – 4 RA 122/95, NZS 1998, S. 182 (183); Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 15 SGB IV, Rn. 55; Zieglmaier, a.a.O., Rn. 33). Je älter der letzte Einkommensteuerbescheid indes ist, desto mehr wird seine Indizkraft dabei abnehmen.
50f) Soweit die Zugehörigkeit des Arbeitsentgeltes und des Arbeitseinkommens (im Sinne des § 15 SGB IV) ohne Differenzierung hinsichtlich der Ermittlung dem Gesamteinkommen zugeschrieben werden, hinsichtlich des Arbeitsentgeltes (§ 14 SGB IV) eine Tatbestandswirkung des letzten Einkommensteuerbescheid aber nicht vertreten wird (vgl. nochmals beispielhaft BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R –, Rn. 17, juris), wird in diesem Sinne verdeutlicht, dass keine rechtsdogmatischen, sondern im Kern praktische Gesichtspunkte für das (strikte) Abstellen auf den letzten Einkommensteuerbescheid bei der Festsetzung und personellen Zuordnung der Beiträge aus Arbeitseinkommen und Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sprechen und die oben dargestellte Rechtsprechung des Zwölften Senates tragen; eine Feststellungswirkung des letzten Einkommensteuerbescheides für das prognostische Arbeits– oder Gesamteinkommen besteht nicht.
51aa) Praktische Gesichtspunkte können zwar für die Rechtsanwendung insoweit bedeutsam werden, als eine Umsetzung des Rechts möglich bleiben muss, damit es Geltung entfalten kann (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 27. Juni 2018 – 1 BvR 100/15 –, Rn. 17, juris m.w.N. vgl. auch BSG 30.10.2013 - B 12 KR 21/11 R –, SozR 4-2500 § 240 Nr 19, Rn. 23). Bei der Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit und Vermietung und Verpachtung bei der Festsetzung von Beiträgen nach § 240 SGB V (in der bis zum 31.12.2017 gültigen Fassung) einerseits und bei Statusfeststellungen (nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 3 SGB V) bestehen insoweit jedoch bedeutsame Unterschiede. Der Zwölfte Senat des BSG hat seine oben dargelegte (d) Rechtsprechung insofern ausdrücklich auf das Beitragsrecht begrenzt (Urteil vom 02. September 2009 - B 12 KR 21/08 R –, BSGE 104, 153-160, SozR 4-2500 § 240 Nr 12, Rn. 18).
52Im Rahmen des Beitragsrechtes war/ist nach § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitgliedes berücksichtigt. Entsprechend hat der Zwölfte Senat seine Auffassung, dass das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit bei der Beitragsbemessung nur anhand des letzten Einkommensteuerbescheides festgesetzt werden kann damit begründet, dass Gewinn – und Verlustrechnungen, Bilanzen oder Vorauszahlungsbescheide letztlich nichts anderes als Schätzungen seien, die allenfalls eine vorläufige Beitragsfestsetzung zuließen (BSG, Urteil vom 02. September 2009 – B 12 KR 21/08 R –, BSGE 104, 153-160, SozR 4-2500 § 240 Nr 12, Rn. 17). Hierzu in praktischem Spannungsverhältnis stand die zur Rechtslage bis zum 31.12.2017 vertretene Auffassung, dass das Gesetz (§ 240 Abs. 4 S. 5 SGB V in der bis zum 31.12.2017 gültigen Fassung) davon ausgehe, dass Beitragsfestsetzungen zukunftsbezogen endgültig waren (vgl. BSG, a.a.O.). Denn sind prospektive Entwicklungen gerade beim Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit und Einkommen aus Vermietung und Verpachtung einerseits in besonderem Maße von Unsicherheiten geprägt, ist die (exakte) Erfassung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit andererseits nicht möglich. Dem Gesetzesauftrag des § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V konnte/kann insoweit ohnehin nur zeitversetzt Rechnung getragen werden (vgl. BSG a.a.O., Rn. 16). Dem trägt § 240 Abs. 4 Buchst. a SGB V in der seit 01.01.2018 gültigen Fassung nunmehr durch eine vorläufige Beitragsbemessung Rechnung. Dann aber lag es bereits vor der seit Januar 2018 gültigen Rechtslage zur praktikablen Auflösung des Spannungsverhältnisses nahe, sich in Bezug auf die zu bildenden Zeitabschnitte an den Ermittlungen und Entscheidungen der Finanzämter zu orientieren und so einen doppelten Verwaltungsaufwand (so BSG, a.a.O., Rn. 17) zu vermeiden.
53Bei Feststellung der Familienversicherung als Statusentscheidung ist dem kontrastierend de lege lata gerade eine Prognose zu treffen (BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R –, Rn. 25; vgl. hierzu III. 1. m.w.N.). Eine exakte Bestimmung des Gesamteinkommens (wie bei § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V) durch die Krankenkassen ist hiernach von vorne herein nicht zu verlangen. Unter praktischen Gesichtspunkten weiterhin bedeutsam ist, dass selbst die Abschätzung des Gesamteinkommens auf keinen konkreten Betrag zu validieren ist, weil es allein um die Überschreitung eines Grenzwertes geht. In einer großen Zahl der Fälle - auch im vorliegenden (siehe hierzu 3.) - wird das Ergebnis offensichtlich sein (zur absoluten Zahl der Familienversicherten: Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 16 SGB IV, Rn. 14). Im Falle des § 10 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 SGB V konkret ist allein die prognostische Überschreitung einer überschaubaren Einkommensgrenze nötig. Der Verwaltungsaufwand – gesteuert durch die Ermittlungsregelungen der Fami-Meldegrundsätze und unter Rückgriff auf die Festsetzungen der letzten Einkommenssteuerbescheide als gewichtigem Indiz – ist danach in keiner Weise mit der Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit und Vermietung und Verpachtung im Beitragsrecht (auf Grundlage der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung des § 240 Abs. 4 SGB V) zu vergleichen.
54bb) Die Unzulässigkeit eines vertikalen Verlustausgleiches (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 21/11 R –, SozR 4-2500 § 240 Nr 19, Rn. 28; BSG, Urteil vom 23. Februar 1995 – 12 RK 66/93 –, BSGE 76, 34-39, SozR 3-2500 § 240 Nr 19, Rn. 14) kann bei der anzustellenden Prognose ohne weiteres berücksichtigt werden. Die Gefahr der vertikalen "Umbewertung" von einkommensmindernd zu berücksichtigen Aufwendungen bei Ehegatten besteht insoweit nicht, wie – auch im Falle der gemeinsamen Veranlagung nach § 26 Buchst. b EStG - der Grundsatz der Individualbesteuerung unberührt bleibt und das Einkommen insofern grds. zunächst für jeden Ehegatten gesondert ermittelt wird. Dies verlangt im Ausgangspunkt eine feststehende personelle Zuordnung von einkommensmindernd zu berücksichtigenden Aufwendungen (BFH v. 5.8.1986 - IX R 13/81, BStBl. II 1987, 297 (300) = FR 1987, 268; Seiler in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 26b EStG, Rn. 3 f. m.w.N. zu Einzelfällen der Möglichkeit zu interpersonellen horizontalen und vertikalen Verlustausgleichen; vgl. Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 152. Lieferung 04.2018, § 149 AO, Rn. 6; Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 15 SGB IV, Rn. 72). Die Gefahr, dass eine Ungerechtigkeit entstünde, weil das beitragspflichtige Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und/oder Einkommen aus Vermietung und Verpachtung bei dem freiwillig gesetzlich Versicherten dem Einkommensteuerbescheid trotz personell falscher Zuordnung zum Ehegatten zu entnehmen ist, der sich andererseits im Rahmen der Feststellung der Voraussetzungen für die Familienversicherung von der Tatbestandswirkung des Einkommenssteuerbescheides lossagen könnte, spricht nicht generell gegen die – spätestens seit Januar 2018 im Gesetz angelegte - Tatbestandswirkung hier und ihr Fehlen dort. Die Gefahr einer Ungerechtigkeit im Sinne einer nicht vollständigen Erfassung der Leistungsfähigkeit des Hauptversicherten beruht nicht auf der zutreffenden Beurteilung des Einkommens des Familienmitgliedes im Rahmen der Feststellung der Familienversicherung, sondern ist der Gefahr einer falschen, zu niedrigen Feststellung des Einkommens durch die Finanzbehörden immanent. Sie kann sich – ganz unabhängig vom Vorhandensein eines (potentiell) Familienversicherten – realisieren. Für den vorliegenden Fall konkret entsteht eine Beitragsungerechtigkeit (auf Seiten des Ehemannes der Klägerin) schon deshalb nicht, weil der Ehemann der Klägerin auch unter Annahme des hälftigen Einkommens aus Vermietung und Verpachtung Beiträge zur gesetzlichen Kranken – und Pflegeversicherung nach der Beitragsbemessungsgrenze entrichtet hat. Auf der anderen Seite wäre bei von vornherein zutreffender Beurteilung der Einkommenszuordnung durch das Finanzamt (siehe hierzu sogleich 3.) zwischen den Beteiligten nicht in Streit geraten, dass die Klägerin familienversichert war.
55Wollte man umgekehrt dem zum Zeitpunkt der Überprüfung aktuellsten Einkommensteuerbescheid Tatbestandswirkung für die Beurteilung der Familienversicherung beimessen, stünde es den Versicherten frei, die Dauer des Bestehens der Familienversicherung durch ihre Mitwirkung im Verfahren der Steuerbescheidung zu beeinflussen. So kann der Familienversicherte schon die Fristen zur Steuererklärung gemäß § 149 Abs. 1, 3 Abgabenordnung (AO) – die mit Wirkung zum Steuerjahr 2018 (durch BestVModG v. 18.7.2016, BGBl. I 2016, 1679 [1694]) verlängert worden sind – ausschöpfen und durch eine ggfs. weiterhin erforderliche Mitwirkung weiter in die Länge ziehen, soweit er weiß, dass das Einkommen des Veranlagungsjahres nunmehr die Einkommensgrenzen für die Familienversicherung übersteigen wird, während er im umgekehrten Fall seine Steuererklärung möglichst frühzeitig und vollständig einreichen wird. Durch die prospektive Beurteilung der Familienversicherung als Statusentscheidung steht dem – im Gegensatz zum Verfahren nach § 240 Abs. 4 Buchst. a SGB V in der seit Januar 2018 gültigen Fassung – keine Möglichkeit der Korrektur im Rahmen einer endgültigen Entscheidung gegenüber. Ohnedies ist die Abbildung der Aktualität der Einkommensverhältnisse von den erheblich divergierenden Bearbeitungszeiten der Finanzämter abhängig.
563. Entfaltet nach diesen Grundsätzen (u. a.) die personelle Zuordnung des Einkommens des letzten Einkommenssteuerbescheides für die Zuordnung auch eines Einkommens aus Vermietung und Verpachtung keine Tatbestandswirkung für die Feststellung der Familienversicherung nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V, ist es nicht maßgeblich, dass die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011-2014 – auf Seiten der Klägerin Einkommen aus Vermietung und Verpachtung bebauter Grundstücke auswiesen, die die Einkommensgrenze deutlich überstiegen.
57Denn bei prognostischer Betrachtung auf Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse bei Beginn des und zu jedem denkbaren Beurteilungszeitpunkt des streitgegenständlichen Zeitraumes erzielte die Klägerin keine Einkünfte i. S. d. Einkommensteuerrechts (vgl. § 16 SGB IV). Dies wird durch die Korrektur der bestandskräftigen Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2012-2014 mit Bescheiden vom 22.11.2017 durch das Finanzamt bestätigt.
58a) Unerheblich ist insoweit, ob die Voraussetzungen der Ermächtigungs–/Anspruchsgrundlage nach § 173 AO tatsächlich vorlagen, oder mit der Ansicht der Beklagten dies nicht der Fall war. Gleichwohl ist anzumerken, dass die Beklagte sich widersprüchlich verhält, soweit sie einerseits – ohne gesetzliche Legitimation - den (aktuellsten) Einkommensteuerbescheiden (zukunftsgerichtet) Tatbestandswirkung für die Beurteilung des Gesamteinkommens nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V beimessen möchte, sich andererseits dazu berufen sieht, die die Voraussetzungen des § 173 AO selbst zu prüfen und Einkommenssteuerbescheiden, die auf einer – aus ihrer Sicht - unzutreffenden Anwendung des § 173 AO basieren, offenbar grundsätzlich (auch zukunftsgerichtet) die Anerkennung versagen möchte. Die inkonsistente Praxis der Krankenkassen (vgl. III 2. c) spiegelt sich im Verhalten der Beklagten zudem insofern, als sie zunächst das Verfahren der Korrektur der Steuerbescheide als entscheidungserheblich beurteilte, diese Ansicht nach Erlass der Korrekturbescheide jedoch aufgegeben hat.
59b) In den Korrekturbescheiden findet jedenfalls zutreffend Ausdruck, dass die der Klägerin zunächst zugeordneten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung einkommensteuerrechtlich tatsächlich Einnahmen ihres Ehemannes waren.
60Ehegatten, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht getrennt leben, können eine getrennte-, eine Zusammenveranlagung oder eine besondere Veranlagung wählen (§ 26 EStG). Dieses Wahlrecht besteht unabhängig von dem Güterstand der Ehegatten. Bei der Zusammenveranlagung werden die Ehegatten gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt (§ 26b EStG). Zunächst werden aber auch hier die Einkünfte für jeden der beiden Ehegatten gesondert festgestellt (s. 2. f). Für die Zuordnung der Einkünfte ist im Einzelfall entsprechend der jeweiligen Einkunftsart ggfs. zu prüfen, welche konkrete Verteilung die Ehegatten vereinbart haben (BSG, Urteil vom 10. November 1982 – 11 RK 1/82 –, BSGE 54, 173-176, SozR 5420 § 32 Nr 5 für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb) Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 15 SGB IV, Rn. 72 f.). Die Erwerbsgemeinschaft der Ehe (i.d.R. Zugewinngemeinschaft (Gütertrennung mit Zugewinnausgleich bei Beendigung des Güterstandes), vorliegend Gütertrennung) hat keine unmittelbaren Folgen für die Zurechnung der Einkünfte (Kirchhof in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 2 EStG, Rn. 75)
61Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, wer die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, die Immobilie einem anderen gegen Entgelt zur Nutzung zu überlassen und der Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag ist. Dieser "erzielt" die Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Nicht maßgebend ist, ob ein Steuerpflichtiger rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer des Mietobjekts ist und wem letztlich das wirtschaftliche Ergebnis der Vermietung zugute kommt (BFH, Urteil vom 19. Februar 2013 – IX R 31/11 –, Rn. 15, juris; BFH vom 23. September 2003 IX R 26/99, BFH/NV 2003, 476; BFH vom 15. Dezember 2009 IX R 55/08, BFH/NV 2010, 863 m.w.N.; BFH vom 29. April 2008 VIII R 98/04, BStBl II 2008, 749, 751; BFH vom 5. Juni 2008 IV R 79/05, BStBl II 2009, 15, 20; BFH, Urteil vom 30. Juni 1999 – IX R 83/95 –, BFHE 190, 82, Rn. 11; Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 K 1628/10 –, juris; Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 K 1628/10 –, Rn. 28, juris; Kirchhof in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 2 EStG, Rn. 72).
62Miteigentümer (§§ 1008 ff., 741 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) oder Mitgesellschafter (z. B. § 705 BGB) können, müssen aber hiernach nicht gemeinschaftlich Einkünfte aus Vermietung erzielen. Es bleibt entscheidend, ob mehrere Personen in ihrer gemeinschaftlichen Verbundenheit den Tatbestand der Erzielung von Einkünften verwirklichen. Es reicht nicht aus, auf das ggf. nur intern wirkende Einverständnis eines Miteigentümers mit der Verwaltung durch den anderen abzustellen; maßgeblich ist, ob mehrere Miteigentümer durch den Mietvertrag berechtigt und verpflichtet werden (BFH, Urteil vom 25. Juni 2002 – IX R 55/99 –, Rn. 9, juris). Dies hat zur Folge, dass bei Miteigentum von Ehegatten nur dann gemeinschaftlich Einkünfte erzielt werden, wenn beide als Vermieter auftreten (Mellinghoff in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 21 EStG, Rn. 28).
63Zwar waren/sind die Klägerin und ihr Ehemann Miteigentümer der Immobilien, aus denen Einnahmen resultierten, die die Beklagte – entsprechend der unkorrigierten Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2011-2014 – der Klägerin zur Hälfte zuordnete. Jedoch "erzielte" allein der Ehemann der Klägerin die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im dargelegten Sinne des § 2 Absatz 1 S. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Er allein ist Vermieter der Wohnungen in den im Miteigentum der Klägerin stehenden Immobilien. Dies ist durch Vorlage der Mietverträge im Verfahren S 15 KR 45/18 ER belegt worden und unbestritten. Zudem fließen die Mietzahlungen auf ein Konto, dessen Inhaber allein der Ehemann der Klägerin war und ist. Selbst die Verwaltung der Gebäude oblag/obliegt alleine ihm.
64C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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