Endurteil vom Sozialgericht Augsburg - S 4 R 1365/16

Tenor

I. Der Bescheid vom 24. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2016 wird aufgehoben, soweit Beiträge und Umlagen für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom 3. September 2012 bis 30. September 2013 in Höhe von 16.786,41 Euro und Säumniszuschläge in Höhe von 2.504,00 Euro erhoben werden.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen zu 1. sind nicht zu erstatten.

III. Der Streitwert wird auf 19.290,41 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Streitig ist eine Beitragsforderung aufgrund einer Betriebsprüfung.

Die Klägerin ist eine GmbH, die Großschlachtereien betreibt und mit Fleisch handelt. Vom Stammkapital in Höhe von 85.979.691 € hält die V. N.V., eine niederländische Aktiengesellschaft, 60,66%. Durch weitere Unternehmensbeteiligungen ist die V. N.V. auch an den weiteren 39,34% des Stammkapitals beteiligt. Die V. N.V. wird von ihrem Vorstand vertreten. Der Beigeladene zu 1. war ab 21.05.2003 Vorstand der V. N.V. und ab 01.01.2010 deren alleinvertretungsberechtigter Vorstandsvorsitzender. Vorstandsbeschlüsse wurden mit der Mehrheit der Stimmen getroffen. Falls Stimmengleichheit bestand, hatte der Vorsitzende eine ausschlaggebende Stimme. Zudem hatte der Vorsitzende ein uneingeschränktes Vetorecht.

Der Beigeladene zu 1. war gleichzeitig ab 25.11.2011 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Vorsitzender der Geschäftsführung der Klägerin. Zuvor war er vom 01.07.1996 bis 24.11.2011 Mitglied des Vorstands der A. M. AG gewesen, die zum 25.11.2011 in die klägerische GmbH umgewandelt wurde. Am 06.02.2012 wurde ein Dienstvertrag zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Klägerin geschlossen.

Am 21.12.2011 beantragten die Klägerin und der Beigeladene zu 1. bei der Deutschen Rentenversicherung Bund festzustellen, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht bestehe. Der Beigeladene zu 1. sei aufgrund seiner Stellung als alleinvertretungsberechtigter Vorstand der V. N.V. Gesellschafter-Geschäftsführer. Die Deutsche Rentenversicherung Bund gab den Vorgang an die Beklagte ab, da durch letztere bereits eine Betriebsprüfung eingeleitet worden war.

Mit an den Beigeladenen zu 1. gerichteten Bescheid vom 13.8.2012 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1. als Geschäftsführer der Klägerin nicht abhängig beschäftigt sei. Als Vorstandsvorsitzender habe er im Falle einer Pattsituation innerhalb des Vorstandes die ausschlaggebende Stimme und ein uneingeschränktes Vetorecht.

Mit Schreiben vom 04.09.2012 berief die Klägerin den Beigeladenen zu 1. mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer ab und kündigte den mit ihm bestehenden Dienstvertrag ordentlich zum Ablauf des 30.06.2014, hilfsweise zum nächst zulässigen Zeitpunkt. Der Beigeladene zu 1. wurde mit sofortiger Wirkung von der Verpflichtung zur Dienstleistung unter Anrechnung auf noch bestehende Resturlaubsansprüche freigestellt. Das allgemeine Wettbewerbsverbot blieb bestehen. Dem Beigeladenen zu 1. wurde Hausverbot für alle Geschäfts- und Diensträume der Klägerin erteilt. Auch als Vorstand der V. N.V. wurde der Beigeladene zu 1. mit Schreiben vom 04.09.2012 mit sofortiger Wirkung abberufen. Der Dienstvertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. wurde einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag vom 25.09.2013 zum 30.09.2013 beendet.

Mit Schreiben vom 03.12.2015 beantragte der Beigeladene zu 1. bei der Beklagten festzustellen, dass er ab dem 03. bzw. 04.09.2012 bzw. auch schon früher bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen sei. Die Beklagte hob daraufhin mit an den Beigeladenen zu 1. gerichteten Bescheid vom 21.03.2016 den Bescheid vom 13.08.2012 teilweise auf, da eine wesentliche tatsächliche und rechtliche Änderung in den Verhältnissen, die dem Erlass des Bescheides vom 13.08.2012 zu Grunde gelegen hätten, eingetreten sei. Der Beigeladene zu 1. sei ab 03.09.2012 nicht mehr als selbstständig Tätiger zu beurteilen, sondern abhängig beschäftigt gewesen. Es bestehe ab diesem Zeitpunkt Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Die Beklagte führte am 08.03.2016 bei der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.12.2015 eine Betriebsprüfung durch. Am 11.03.2016 fand eine Schlussbesprechung statt.

Mit Bescheid vom 24.03.2016 forderte die Beklagte aufgrund der Betriebsprüfung von der Klägerin die Zahlung von 27.328,10 €. In der Forderung waren Säumniszuschläge von 3.593 € enthalten. Von der Nachforderung ohne Säumniszuschläge (23.735,10 €) entfielen 16.786,41 € auf Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen bezüglich des Beigeladenen zu 1. für die Zeit vom 03.09.2012 bis 30.09.2013 und von den Säumniszuschlägen 2.504 € auf die geänderte Statusbeurteilung bezüglich des Beigeladenen zu 1.

Ab 03.09.2012 hätten sich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse in Bezug auf die Geschäftsführerfunktion des Beigeladenen zu 1. geändert. Der Beigeladene zu 1. habe ab 03.09.2012 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Der Bescheid vom 13.08.2012 sei nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also ab 03.09.2012, aufzuheben. Bis zum 03.09.2012 habe der Beigeladene zu 1. als gleichzeitig alleinvertretungsberechtigter Vorstandsvorsitzender der V. N.V. die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der Klägerin durch seine Doppelfunktion entscheidend beeinflussen können. Mit der Abberufung als Vorstandsvorsitzender der V. N.V. und der Zurücknahme aller Vollmachten habe der Beigeladene zu 1. diese Einflussmöglichkeiten verloren. Auch der mit der Klägerin vertraglich vereinbarte Verzicht auf die Arbeitsleistung stehe einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis nicht entgegen. Es sei auch dann von einem die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis auszugehen, wenn die Vertragsparteien im gegenseitigen Einvernehmen unwiderruflich auf die vertragliche Arbeitsleistung, zum Beispiel durch Aufhebungsvertrag, verzichten. Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung liege auch dann vor, wenn Arbeitnehmer auf der Grundlage entsprechender vertraglicher Abreden von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt werden. Dies gelte selbst dann, wenn das Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zusammenfällt. Die Beklagte stellte fest, dass der Beigeladene zu 1. ab 03.09.2012 bei der Klägerin abhängig beschäftigt sei und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege. In der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe keine Versicherungspflicht, da der Beigeladene zu 1. die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreite. Die Schlussbesprechung der Betriebsprüfung gelte als Anhörung.

Am 06.04.2016 erhob die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch gegen die Statusbeurteilung des Beigeladenen zu 1. im Bescheid vom 24.03.2016 und die sich daraus ableitenden Konsequenzen. Trotz der Abberufung als Vorstandsvorsitzender der Obergesellschaften sei keine Sozialversicherungspflicht eingetreten. Bei dem Bescheid vom 13.08.2012 handle es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, zu dessen Rücknahme die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei. Vorliegend sei ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nie in Vollzug gesetzt worden. Zwar seien mit der Abberufung als Vorstandsvorsitzender der Obergesellschaften grundsätzlich Weisungen möglich geworden. Durch die gleichzeitig erfolgte unwiderrufliche Freistellung sei jedoch auch jegliche weisungsabhängige Beschäftigung verhindert worden. Eine Weisungsunterworfenheit sei damit gar nicht erst entstanden. Der Beigeladene zu 1. sei aufgrund des Hausverbotes auch nicht in den Betrieb eingegliedert gewesen. Allein ein fortbestehendes gesetzliches Wettbewerbsverbot reiche nicht aus, um ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis zu begründen. Es sei keine Änderung der Verhältnisse eingetreten, die eine Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 13.08.2012 rechtfertigen könne. Zudem sei eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit unzulässig. Die Klägerin habe nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen eine Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen verstoßen. Mit Schreiben vom 12.05.2014 sei eine Unterrichtung der Beklagten erfolgt. Die Tatsache, dass keine umgehende Unterrichtung der Beklagten erfolgt sei, begründe keine grobe Fahrlässigkeit der Klägerin. Darüber hinaus sei die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X zum Zeitpunkt der Rücknahme vom 24.03.2016 bereits verstrichen. Die Beklagte sei mit Schreiben vom 12.05.2014 vollständig über die Tatsachen informiert worden, die eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X hätten bedingen können. Die Klägerin habe unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt, da sie davon habe ausgehen dürfen, dass keine Versicherungspflicht besteht. Säumniszuschläge dürften deshalb nicht erhoben werden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2016 zurück. Fremdgeschäftsführer einer GmbH seien grundsätzlich abhängig Beschäftigte der GmbH und folglich sozialversicherungspflichtig. Der vertraglich vereinbarte Verzicht auf die Erbringung der Arbeitsleistung sowie das Hausverbot stehe einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis nicht entgegen. Ohne die Kompetenzen als Vorstandsvorsitzender der Muttergesellschaft V. N.V. habe für die Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin ein abhängiges sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen. Da der Aufhebungsvertrag bereits am 04.09.2012 geschlossen worden sei, sei die Klägerin der Pflicht zur Mitteilung relevanter Änderungen gegenüber der Beklagten nicht rechtzeitig nachgekommen. Bei derartig groben Einschnitten in den Kompetenzen, Vollmachten, Befugnissen und Einflussmöglichkeiten hätten umgehend Zweifel am sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1. auftreten müssen. Es sei angebracht gewesen, sich zeitnah mit einem Rentenversicherungsträger in Verbindung zu setzen. Der Beklagten hätten erst mit den am 03.12.2015 vom Beigeladenen zu 1. vollständig vorgelegten Dokumenten sämtliche entscheidungsrelevanten Unterlagen vorgelegen. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X finde ohnehin keine Anwendung, da die Änderung zu Gunsten des Betroffenen, des Beigeladenen zu 1., erfolgt sei. Adressat des Bescheides vom 13.08.2012 sei nur der Beigeladene zu 1. und nicht die Klägerin gewesen. Anhaltspunkte für außergewöhnliche Umstände im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X seien nicht ersichtlich, so dass der Normalfall der rückwirkenden Aufhebung vorliege. Säumniszuschläge würden schon bei leichter Fahrlässigkeit anfallen. Die Klägerin habe die Möglichkeit wahrnehmen können, die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen der Abberufung des Beigeladenen zu 1. bei den zuständigen Behörden abzuklären. Ein entschuldbarer Rechtsirrtum liege nicht vor. In schwierigen Fällen, wenn dem Arbeitgeber bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt Zweifel über die Rechtslage kommen müssten, habe er ein Statusklärungsverfahren nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) einzuleiten.

Hiergegen richtet sich die vorliegende, am 30.12.2016 erhobene Klage. Zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. habe zu keinem Zeitpunkt der fast 20 Jahre währenden vertraglichen Verbundenheit ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden. Seit seiner Abberufung als Geschäftsführer der Klägerin und Vorstandsvorsitzender der Konzernobergesellschaft sei der Beigeladene zu 1. unwiderruflich von seinen Dienstpflichten gegenüber der Klägerin freigestellt worden und er habe keinerlei Dienstleistungen geschweige denn Arbeitsleistungen erbracht. Weisungen, auch seitens der neuen Konzernspitze, seien ihm nicht erteilt worden. Eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin habe nicht stattgefunden. Ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis habe nicht entstehen können, da keine Tätigkeiten geschweige denn weisungsgebundene Tätigkeiten durch den Beigeladenen zu 1. mehr verrichtet worden seien. Das Vertragsverhältnis sei auch nicht in ein freies Mitarbeiterverhältnis umgewandelt worden. Ein sozialversicherungsrechtliches Schutzbedürfnis bestehe nicht. Eine Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers habe unter jedem erdenklichen Gesichtspunkt gefehlt. Die Klägerin sei ohne Verschulden davon ausgegangen, dass ein Beschäftigungsverhältnis auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht begründet werde. Eine Unterrichtung des Rentenversicherungsträger sei erst mit Schreiben vom 12.05.2014 erfolgt, nachdem bekannt geworden sei, dass der Beigeladene zu 1. entgegen seinen früheren Bestrebungen nunmehr die Feststellung der Sozialversicherungspflicht betrieb. Die Beklagte sei mit Schreiben vom 12.05.2014 über sämtliche relevanten Tatsachen unterrichtet worden. Ein darüber hinausgehender Informationsgehalt könne dem Schreiben des Beigeladenen zu 1. vom 03.12.2015 nicht entnommen werden. Infolgedessen sei die Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 SGB X verstrichen. Der ursprüngliche Bescheid vom 13.08.2012 sei in einem Betriebsprüfungsverfahren ergangen. Er sei auch zu Gunsten der Klägerin ergangen und bekannt gegeben worden. Er habe für die Klägerin keinen belastenden Verwaltungsakt dargestellt. Die Frage, ob ein begünstigender oder belastender Verwaltungsakt vorliege, sei nur aus der Perspektive der Klägerin zu beurteilen. Der Ausschlusstatbestand nach § 48 Abs. 4 Satz 3 SGB X, wonach § 45 Abs. 4 Satz 2 nicht im Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1. SGB X gelte, sei aus der Perspektive der Klägerin zu beurteilen. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X finde Anwendung und sei verstrichen gewesen. Die Klägerin habe jedenfalls irrtümlich ohne Verschulden gehandelt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 24.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.12.2016 aufzuheben, soweit Beiträge, Umlagen und Säumniszuschläge für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. erhoben werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene zu 1. schließt sich dem Antrag der Beklagten an.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht zum zuständigen Sozialgericht Augsburg erhobene Anfechtungsklage ist zulässig. Sie erweist sich auch in vollem Umfang als begründet, da der streitgegenständliche Bescheid vom 24.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.12.2016 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, soweit Beiträge, Umlagen und Säumniszuschläge für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. erhoben werden.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 28p Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber dem Arbeitgeber.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte zu Unrecht Sozialversicherungsbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen und Säumniszuschläge für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom 03.09.2012 bis 30.09.2013 festgesetzt. Die Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung knüpft an die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt an (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)).

Der Beigeladene zu 1. war bei der Klägerin im Zeitraum vom 03.09.2012 bis 30.09.2013 nicht abhängig beschäftigt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Die Weisungsgebundenheit kann sich bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Eine Beschäftigung setzt voraus, dass die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung ist von einer selbstständigen Tätigkeit abzugrenzen. Die selbstständige Tätigkeit ist insbesondere durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte sowie die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und -zeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, vgl. zum Beispiel Urteile des BSG vom 28.11.2011, Az.: B 12 R 17/09 R, und vom 25.04.2012, Az.: B 12 KR 24/10 R, jeweils Juris).

Vorliegend hatte die Beklagte auf Antrag der Klägerin und des Beigeladenen zu 1. mit an den Beigeladenen zu 1. gerichteten Bescheid vom 13.08.2012 festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt sei. Ob diese Feststellung zu Recht erfolgte, kann dahinstehen, da der Bescheid vom 13.08.2012 für die Zeit bis 02.09.2012 bestandskräftig ist. Für die Zeit vor dem 03.09.2012 ist keine Rücknahme des Bescheides vom 13.08.2012 erfolgt. Die Frage, ob der Beigeladene zu 1. in der Zeit bis zum 03.09.2012 bei der Klägerin abhängig beschäftigt war, ist nicht streitgegenständlich.

Die Beurteilung, dass der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin in der Zeit bis 03.09.2012 nicht abhängig beschäftigt war, beruhte auf seiner gleichzeitigen Stellung als Vorstandsvorsitzender der V. N.V., die die Mehrheit des Stammkapitals der Klägerin hält. Die Beklagte stützte ihre Beurteilung darauf, dass der Beigeladene zu 1. als Vorstandsvorsitzender der V. N.V. im Falle einer Pattsituation innerhalb des Vorstandes die ausschlaggebende Stimme habe und er über ein uneingeschränktes Vetorecht verfüge.

Der Kläger ist durch seine am 04.09.2012 erfolgte Abberufung als Vorstandsmitglied der V. N.V. und als Geschäftsführer der Klägerin nicht zu einem abhängig Beschäftigten der Klägerin geworden. Der Dienstvertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. bestand bis zur einvernehmlichen vertraglichen Aufhebung zum 30.09.2013 fort und der Beigeladene zu 1. erhielt bis zu diesem Zeitpunkt noch die vereinbarten Bezüge. Eine Arbeitsleistung für die Klägerin hat er in dieser Zeit nicht erbracht und durfte dies aufgrund der Erteilung eines Hausverbotes für alle Geschäfts- und Diensträume der Klägerin auch nicht.

Zwar besteht nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ein Beschäftigungsverhältnis auch dann bis zum Ende der arbeitsvertraglichen Beziehungen fort, wenn bei fortlaufender Zahlung des Arbeitsentgeltes der Arbeitnehmer einvernehmlich und unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt ist (siehe Urteil des BSG vom 24.09.2008, Az.: B 12 KR 22/07 R, Juris). Jedoch ist Voraussetzung hierfür, dass ein auf die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung gerichtetes Dienstverhältnis vorlag (BSG vom 11.04.1984, Az. B 12 RK 45/83, Juris).

Dies war vorliegend nach der Statusbeurteilung der Beklagten in dem an den Beigeladenen zu 1. gerichteten Bescheid vom 13.08.2012 nicht der Fall. Die Abberufung des Beigeladenen zu 1. als Geschäftsführer der Klägerin und Vorstandsvorsitzender der V. N.V. änderte nicht den Inhalt des Dienstvertrages zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. vom 06.02.2012, der auf die Leitung der Gesellschaft als Vorsitzender der Geschäftsführung gemeinsam mit den übrigen Geschäftsführern gerichtet war. Eine einvernehmliche Änderung des Dienstvertrages bzw. eine wirksame Änderungskündigung ist nicht erfolgt. Es bestand lediglich noch die einseitige Verpflichtung der Klägerin, mangels wirksamer Beendigung des Dienstvertrages die vereinbarte Vergütung weiterzuzahlen, ohne dass dafür eine Gegenleistung durch den Beigeladenen zu 1. in Form einer Dienstleistung zu erbringen war.

In einer derartigen Situation gilt der Grundsatz, dass die Nicht-Arbeit allenfalls der tatsächlichen Arbeitsleistung versicherungs- und beitragsrechtlich gleichgestellt wird, niemals aber umgekehrt erst Versicherungs- und Beitragspflicht auslöst (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 09.02.1983, Az.: L 8 KR 705/81, Juris, im Ergebnis bestätigt durch nachgehendes Urteil des BSG vom 11.04.1984, a.a.O.). Der bloße Zustand der Verhinderung einer vertraglich geschuldeten Geschäftsführung kann keine Beitragspflicht begründen.

Auch unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze ist nach der Abberufung des Beigeladenen zu 1. als Geschäftsführer kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis entstanden. Der Beigeladene zu 1. hat nach seiner Abberufung als Geschäftsführer keinerlei Tätigkeiten für die Klägerin mehr erbracht. Er hat infolgedessen auch keine Weisungen der Klägerin entgegengenommen und war nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert.

Der Beigeladene zu 1. war aufgrund seiner Spitzenposition in der Wirtschaft mit einem dementsprechenden Einkommen auch wirtschaftlich und sozial nicht schutzbedürftig. Er war in der Lage, selbst außerhalb der Sozialversicherung Vorsorge gegen die Risiken des Arbeitslebens zu treffen.

Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die für die Zeit nach Abberufung eines Vorstandsmitgliedes einer Aktiengesellschaft getroffene Entscheidung des BSG vom 11.04.1984, a.a.O., entsprechend für einen Geschäftsführer einer GmbH gilt, der aufgrund seiner Stellung als Vorstandsvorsitzender einer die Hauptanteile an der GmbH haltenden Aktiengesellschaft als versicherungsfrei eingestuft worden war. Der Beigeladene zu 1. wurde nicht allein dadurch zum versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigten der Klägerin, dass er nach seiner Abberufung als Geschäftsführer sein Gehalt bis zum Ende seines Dienstvertrages weiter bezog.

Mangels Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die dem Erlass des an den Beigeladenen zu 1. gerichteten Bescheides vom 13.08.2012 zu Grunde lagen, erfolgte deshalb die Aufhebung des genannten Bescheids nach § 48 SGB X für die Zeit ab 03.09.2012 durch an den Beigeladenen zu 1. gerichteten Bescheid vom 21.03.2016 zu Unrecht. Gegenüber der Klägerin war keine Aufhebung des Bescheids vom 13.08.2012 erforderlich, da der genannte Bescheid nur gegenüber dem Beigeladenen zu 1. erlassen worden war. Eine Aufhebung nach § 48 SGB X wäre, wie oben dargestellt wurde, mangels Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse auch nicht rechtmäßig gewesen.

Infolgedessen war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören und die Beklagte die unterliegende Partei des Rechtsstreits ist. Da auch der Beigeladene zu 1. unterlegen ist und mit seinem Antrag auf Feststellung von Sozialversicherungspflicht vom 03.12.2015 das Verwaltungsverfahren und damit letztendlich das Klageverfahren veranlasst hat, hält das Gericht eine Übernahme seiner außergerichtlichen Kosten weder durch die Beklagte noch durch die Staatskasse für angezeigt.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klageantrag einen auf eine bezifferte Geldleistung bezogenen Verwaltungsakt betraf, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG). Mit der Klage sind ein auf den Beigeladenen zu 1. entfallender Anteil der im streitgegenständlichen Bescheid vom 24.03.2016 festgesetzten Nachforderung von 16.786,41 € und Säumniszuschläge in Höhe von 2.504 € angefochten worden. Der Streitwert beträgt somit 19.290,41 €.

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