Urteil vom Sozialgericht Braunschweig (40. Kammer) - S 40 KR 1069/05
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Streitwert wird auf 1.127,77 € festgesetzt.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob die Voraussetzungen für den Einbehalt von Mitteln von Rechnungen für stationäre Krankenhausversorgung zur Finanzierung von Verträgen der integrierten Versorgung erfüllt sind.
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Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Vertragskrankenhaus gemäß §§ 108, 109 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) und behandelt u.a. Versicherte der Beklagten. Die Beklagte ist nach mehreren Fusionen u.a. Rechtsnachfolgerin der Taunus BKK. Diese wiederum ist nach Fusion Rechtsnachfolgerin u.a. der BKK der Stadt Braunschweig gewesen.
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Zwischen dem 8. Februar 2005 und dem 7. Juni 2005 stellte die Klägerin der Beklagten mehrere Rechnungen über stationäre Krankenhausbehandlungen aus, die in der Zeit zwischen dem 3. Januar 2005 und dem 26. Mai 2005 stattgefunden hatten. Von diesen Rechnungen behielt die Beklagte jeweils 1 % ein. Insgesamt waren das 1.127,77 €. Zur Begründung gab sie an, sie (bzw. bereits ihre Rechtsvorgängerinnen) hätte mit unterschiedlichen Leistungserbringern Verträge der integrierten Versorgung gemäß §§ 140 a+b SGB V abgeschlossen. Die einbehaltenen Mittel seien zur Umsetzung der nach § 140 b SGB V geschlossenen Verträge erforderlich. Zur Förderung der integrierten Versorgung habe die Beklagte deshalb gemäß § 140 d SGB V die Mittel zur Anschubfinanzierung einzubehalten.
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Die Klägerin bestritt das Vorliegen eines Vertrags zur integrierten Versorgung und forderte die Beklagte zur Begleichung der vollen Rechnungssumme auf. Die Beklagte verwies daraufhin auf eine Auskunft der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung GmbH (BQS -Gemeinsame Registrierungsstelle zur Unterstützung der Umsetzung des § 140 d SGB V-). Danach habe die Taunus Betriebskrankenkasse einen als "Vertrag zur integrierten Versorgung durch telemedizinische Dienstleistung (Integrationsvertrag) gemäß §§ 140 a ff. SGB V" bezeichneten Vertrag mit der PHTS (Personal Healthcare Telemedicine Services Deutschland GmbH) abgeschlossen (Vertrag 1). Der Vertrag laufe vom 1. März 2005 bis 31. Dezember 2006. Der Abzug beginne ab dem 1. Januar 2005 und führe zu einer Rechnungskürzung im gesamten Bundesgebiet. Die aus dem Vergütungsvolumen abgeleitete Quote, die zur Zahlungskürzung in Ansatz gebracht werde, betrage 1,000000 (BQS-Auskunft, Meldestand 25.03.2005).
- 5
Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung.
- 6
Am 5. Dezember 2005 hat daraufhin die Klägerin beim Sozialgericht Braunschweig Klage erhoben. Der am Vertrag beteiligte Leistungserbringer habe seinen Sitz ausschließlich im Bereich der kassenärztlichen Versorgung Nordrhein. Es sei daher unzulässig, die Rechnungskürzung am Standort der Klägerin in Niedersachsen vorzunehmen. Nicht nachvollziehbar sei zudem, inwieweit der Kürzungsbetrag von 1 % richtig berechnet worden sei. Zudem sei nicht ersichtlich, inwieweit die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 SGB V (verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung) und § 140 b Abs. 1 SGB V (Leistungserbringer) erfüllt seien.
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Die Beklagte hat daraufhin dem Gericht die Vertragsunterlagen und die BQS-Auskünfte für diesen Vertrag und für weitere drei Verträge vorgelegt. Es handelt sich dabei um folgende Verträge:
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"Vertrag zur integrierten Versorgung gemäß § 140 b SGB V" mit den Einrichtungen evangelische Stiftung G., Diakonische Werke H. in I. e.V., Lobetalarbeit e.V. J., Diakoniekrankenhaus, K. gGmbH, Institutsambulanz L. (Vertrag 2). Nach der BQS-Auskunft (Meldestand 16.12.2005) läuft der Vertrag seit 4. Dezember 2003 unbefristet. Der Abzug beginnt ab dem 1. Januar 2005 und führt zu einer Rechnungskürzung in der Versorgungsregion KV Niedersachsen.
- 9
"Vereinbarung zur integrierten Versorgung nach § 140 a ff. SGB V über interdisziplinäre modulare und ambulante Rehabilitationsprogramme und deren Qualitätssicherung mit dem Städtischen Klinikum gGmbH, Braunschweig (Vertrag 3). Nach der BQS-Auskunft (Meldestand 2.8.2005) läuft der Vertrag unbefristet seit 26. Mai 2005 und führt zu einem Abzug seit dem 1. Januar 2005 in der Versorgungsregion KV Niedersachsen.
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"Vereinbarung über integrierte Versorgung nach §§ 140 a ff. SGB V: Wundmanagement" mit Medicalnetworks CJ GmbH & Co KG, Baunatal (Vertrag 4). Laut BQS-Auskunft (Meldestand 24. August 2005) läuft der Vertrag unbefristet seit 1. Juli 2005 und führt zu einem Abzug ab dem 1. Juli 2005 im gesamten Bundesgebiet.
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Nach Einsicht in die Vertragsunterlagen ist die Klägerin der Auffassung, es handele sich bei allen vier Verträgen nicht um Verträge der integrierten Versorgung. Solche lägen nach § 140 a Abs. 1 Satz 1 SGB V nur vor, wenn es sich um Verträge zur (a) verschiedene Leistungssektoren übergreifenden Versorgung oder (b) interdisziplinär fachübergreifenden Versorgung der Versicherten handelt. Das sei bei keinem der Verträge der Fall. Die Verträge 1, 3 und 4 seien jeweils nur mit einem Leistungser-bringer in einem Leistungssektor geschlossen. Der Vertrag Nr. 2 beziehe sich ausschließlich auf die Behindertenhilfe. Zudem seien der Vertrag 1 erst am 1. März 2005, der Vertrag 3 erst am 17. Juni 2005 und der Vertrag 4 erst am 26. Mai 2005 in Kraft getreten. Vor diesen Zeitpunkten könne ein Abzug keinesfalls erfolgen.
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Ein am 29. November 2006 durchgeführter Verhandlungstermin wurde zur weiteren Sachverhaltsaufklärung vertagt. Unmittelbar vor einem für den 24. März 2009 vorgesehenen weiteren Verhandlungstermin hat die Beklagte die Unterlagen von weiteren 14 Verträgen eingereicht. Der Termin wurde daraufhin vertagt.
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Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2009, eingegangen bei Gericht am 26. Oktober 2009, hat die Klägerin die Klage um die Zahlung weiterer 2.009,71 € nebst Zinsen erweitert. Die Klageerweiterung betrifft Einbehalte auf Rechnungen der zweiten Jahreshälfte 2005.
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Die Beklagte hat der Klageerweiterung zugestimmt und am 12. März 2010 die Unterlagen von weiteren 13 Verträgen eingereicht.
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Mit Beschluss vom 15. März 2010 hat das Gericht den die Klageerweiterung betreffenden Teil der Klage zur Weiterführung mit dem Aktenzeichen S 40 KR 75/10 abgetrennt.
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Die Verträge 5 bis 31 sind alle nach dem 26. Mai 2005 in Kraft getreten. Auch nach den jeweiligen BQS-Auskünften beginnen die Abzüge erst nach diesem Datum.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass keiner der vorgelegten Verträge die Anforderungen an einen Vertrag der integrierten Versorgung erfüllt.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 1.127,77 € zuzüglich Zinsen entsprechend der Klageschrift vom 16. November 2005 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, seit Anfang 2005 seien die Kürzungen der Krankenhausrechnungen zur "Anschubfinanzierung" erforderlich und damit zulässig gewesen.
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Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Beiakten, insbesondere die von der Klägerin eingereichten Vertragsunterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen nebst Verzugszinsen gerichtete Klage ist als (echte) Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da sich die Beteiligten in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüber stehen, in dem eine Leistung nicht einseitig durch Verwaltungsakt festgesetzt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 10.4.2008, B 3 KR 14/07 R mwN, Breithaupt, 2009, 395 ff). Fristen und besondere Formvorschriften sind nicht einzuhalten.
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Die Klage ist aber unbegründet.
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Rechtsgrundlage für die von der Beklagten einbehaltenen Vergütungsdifferenzen ist § 140 d Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG vom 14.11.2003, Bundesgesetzblatt I, S. 2190; gültig vom 1.1.2004 bis 31.12.2006). Danach hat jede Krankenkasse zur Förderung der integrierten Versorgung in den Jahren 2004 bis 2006 jeweils Mittel bis zu 1 v.H. von der nach § 85 Abs. 2 SGB V an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140 b geschlossenen Verträgen erforderlich sind. Die einbehaltenen Mittel sind nach Satz 3 der Vorschrift ausschließlich zur Finanzierung der nach § 140 c Abs. 1 Satz 1 SGB V vereinbarten Vergütung zu verwenden.
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In dieser Fassung des Gesetzes heißt es unter Satz 4: "Werden die einbehaltenen Mittel nicht innerhalb von drei Jahren für die Zwecke nach Satz 1 verwendet, sind die nicht verwendeten Mittel an die Kassenärztliche Vereinigung sowie an die einzelnen Krankenhäuser entsprechend ihrem Anteil an den jeweils einbehaltenen Beträgen auszuzahlen". An dieser Rückforderungsverpflichtung hat der Gesetzgeber jedoch nicht in vollem Umfang festgehalten. In den seit 1. Januar 2007 gültigen Fassungen findet sich der Zusatz: "..soweit die Mittel in den Jahren 2007 und 2008 einbehalten wurden..". Damit steht fest, dass es für die in den Kalenderjahren 2004 bis 2006 (also auch 2005 wie hier) einbehaltenen Mittel keines konkreten Verwendungsnachweises bedarf.
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Es kommt deshalb einzig und allein darauf an, ob die Beklagten mindestens einen Vertrag der integrierten Versorgung objektiv nachweisbar geschlossen hat. Diesen Nachweis hat die Beklagte erbracht.
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Der vorgelegte Vertragstext lässt erkennen, dass es sich bei dem Vertrag 2 um einen Vertrag der integrierten Versorgung gemäß § 140 a SGB V handelt.
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Verträge zur integrierten Versorgung im Sinne des § 140 a Abs. 1 Satz 1 SGB V können nur über eine "interdisziplinär fachübergreifende" oder über eine "verschiedene Leistungssektoren übergreifende" Versorgung geschlossen werden.
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Ob der Vertrag eine interdisziplinär fachübergreifende Versorgung regelt, kann offen bleiben, denn er regelt eindeutig eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung.
- 32
Zu den Voraussetzungen einer verschiedene Leistungssektoren übergreifenden Versorgung hat das BSG (dem die erkennende Kammer diesbezüglich uneingeschränkt folgt) in seinem Urteil vom 6. Februar 2008, B 6 KA 27/07 R ("Barmer Hausarztmodell", SozR 4-2500 § 140 d Nr.1) u.a. ausgeführt:
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"Der Begriff der Leistungssektoren iS des § 140a Abs 1 Satz 1 SGB V ist gesetzlich nicht definiert ( so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs zum GMG, BT-Drucks 15/1525, S 129, Zu Nr 113 <§ 140a>, Zu Buchst a ). Sein Inhalt ist deshalb nur durch eine am Zweck der integrierten Versorgung orientierte Auslegung zu bestimmen (Beule, Rechtsfragen der integrierten Versorgung, 2003, S 25 ) . Die Zielrichtung dieser Versorgungsform besteht zunächst darin, die starren Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu durchbrechen und den Krankenkassen die Möglichkeit zu eröffnen, außerhalb der bisherigen Regelversorgung eine alternative Versorgungsstruktur zu entwickeln. Es soll eine Verzahnung der verschiedenen Leistungssektoren stattfinden, zum einen, um eine wirtschaftlichere Versorgung zu ermöglichen, zum anderen aber auch, um für die Versicherten die medizinischen Behandlungsabläufe zu verbessern, Wartezeiten, Doppeluntersuchungen und Behandlungsdiskontinuitäten zu vermeiden ( vgl. Baumann, juris PK SGB V, § 140 a Rdnr.2).
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Ausgehend von dieser allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Begriff der "Leistungssektoren übergreifenden Versorgung" funktionell zu bestimmen. Ausgangspunkt ist jeweils das Leistungsgeschehen und dessen inhaltlicher Schwerpunkt. "Übergreifend" ist dementsprechend eine Versorgung, die Leistungsprozesse, die in der traditionellen Versorgung inhaltlich und institutionell getrennt sind, nunmehr verknüpft. Behandlungsansatz und Ausrichtung des einzelnen Leistungsprozesses (zB hausärztliche Versorgung, ambulante Versorgung insgesamt, operative Behandlung, medizinische Rehabilitation) geben den entscheidenden Hinweis darauf, ob einzelne Behandlungsmaßnahmen Teil desselben Leistungssektors sind oder unterschiedlichen Sektoren angehören.(…)
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Wichtigster Anwendungsfall einer die verschiedenen Leistungssektoren übergreifenden Versorgung ist eine Versorgung, die ambulante und stationäre Behandlungen umfasst. Die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung wird bei der Erläuterung der Ziele der Integrationsversorgung bereits in der Überschrift besonders hervorgehoben ( Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zur GKV-Gesundheits-reform 2000
, BT-Drucks. 14/1245, S. 55 ). Die integrierte Versorgung soll "Brücken über die Gräben der Versorgung schlagen"; neben das mehr als 100 Jahre bestehende Versorgungssystem alter Art soll eine Innovation gestellt werden, in der eine bessere, effektivere, die Angebote der Sektoren integrierende und die Ressourcen schonende Versorgung der Versicherten bewirkt wird ( von Schwanenflügel, NZS 2006, 285, 287 ) ."
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Diesen Voraussetzungen genügt der Vertrag. Auf Leistungserbringerseite stehen als Vertragspartner Träger von Behinderteneinrichtungen und eines Krankenhauses. Der Vertrag regelt für die eingeschriebenen Versicherten sowohl die ambulante ärztliche Versorgung (§ 6) als auch die stationäre Versorgung (§ 7) sowie die Arzneimittelversorgung (§ 8), die Heilmittelversorgung (§ 9) und die Hilfsmittelversorgung (§ 10). Zwar regelt er nur die Versorgung für einen eng begrenzten Versichertenkreis. Die Regelungen beschränken sich allerdings nicht auf Leistungen der Behindertenhilfe. Ganz im Gegenteil werden übergreifend sowohl Leistungen der Behindertenhilfe als auch der allgemeinen Krankenhilfe im Sinne des SGB V geregelt.
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Neben dem Erfordernis der leistungssektorenübergreifenden Versorgung sind Verträge der in § 140 b Abs. 1 SGB V genannten Vertragspartner nach der Rechtsprechung des BSG (siehe "Barmer Hausarztmodell") jedoch nur dann solche der integrierten Versorgung , wenn durch sie auch Leistungen, die bislang Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung waren, ersetzt werden. Das ergibt sich aus der Konzeption der Integrationsversorgung als einer Alternative zur Regelversorgung, wie sie den Vorschriften der §§ 140 a bis 140 d SGB V seit ihrer Neufassung durch das GMG zugrunde liegt (BSG a.a.O. Rd-Nr. 20). Das BSG führt dazu aus:
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"Die integrierte Versorgung soll sich nach der Intention des Gesetzgebers zu einer "zweiten Säule der Regelversorgung entwickeln" ( von Schwanenflügel, NZS 2006, 285 , 288) . In der Begründung der Bundesregierung zur Änderung der Vorschriften über die integrierte Versorgung durch das GKV-WSG wird zusammenfassend von einem "Wettbewerb zwischen verschiedenen Versorgungsformen für eine patienten-, bedarfsgerechtere und effizientere Versorgung" ( BT-Drucks 16/3100, S 152, Zu Nr 120 <§ 140b>, Zu Buchst b) gesprochen. Ein derartiger Wettbewerb setzt voraus, dass in der Regelversorgung und in der neuen integrierten Versorgung prinzipiell derselbe Versorgungsumfang gewährleistet ist. Der Versicherte, der von einer Erkrankung bedroht oder betroffen ist, soll alternativ zur - regelmäßig in einzelne Sektoren unterteilten - Regelversorgung von seiner Krankenkasse ein Versorgungsangebot erhalten, in dem seine Behandlung unabhängig "vom sektorenabhängigen Denken" organisiert wird ( von Schwanenflügel , aaO , 288 ) . An die Stelle einer vom Vertragsarzt auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) gegenüber der KÄV abzurechnenden ambulanten Behandlung, die im Bedarfsfall ( § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V ) durch eine auf der Grundlage des Krankenhausentgeltgesetzes von der Krankenkasse zu vergütende stationäre Behandlung ergänzt wird, soll fakultativ ein einheitliches Versorgungsangebot treten können, das insgesamt auf der Grundlage des § 140c Abs 1 SGB V nach vertraglichen Vereinbarungen vergütet wird. Dieses alternative Versorgungs- und Vergütungskonzept beruht begrifflich wie systematisch auf dem Prinzip der Substitution: Vertragsärztliche Leistungen, die in der Regelversorgung aus der Gesamtvergütung iS des § 85 Abs 1 SGB V zu honorieren sind, werden durch Leistungen (auch, aber nicht notwendig) von Vertragsärzten im Rahmen eines vertraglich gesteuerten Versorgungsmanagements ersetzt und nicht mehr aus der Gesamtvergütung, sondern ausschließlich einzelvertraglich honoriert. (…)
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Ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer Versorgung außerhalb der Regelversorgung ist es, wenn den Leistungserbringern eine verschiedene Vergütungsregimeüberschreitende Budgetverantwortung obliegt, sie also z.B. für die Gesamtbehandlungsmaßnahme eine Vergütungspauschale erhalten."
- 40
Genau das ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Fall. Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 des Vertrags wird die Vergütungspauschale je eingeschriebenen Versicherten und Monat vereinbart. Zwar sieht der Vertrag hiervon für extrem hochpreisige Leistungen Rückausnahmen vor. Dies ändert jedoch nichts am Grundprinzip.
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Der Vertrag ist bereits zum 1. April 2003 in Kraft getreten (§ 22 des Vertrages). Gemäß § 19 des Vertrags ist die Rechtsvorgängerin der Beklagten am 4. Dezember 2003 beigetreten, also noch weit vor Beginn der hier strittigen Abrechnungszeiträume. Die auf der Leistungsseite genannten Vertragspartner sind unstreitig Leistungserbringer im Sinne des § 140 b Abs. 1 SGB V. Zwar werden in dem Vertrag nur die Versorgungsstrukturen eines eng begrenzten Versichertenkreises geregelt. Dadurch verliert er jedoch zumindest für das Jahr 2005 nicht seine Qualität als Vertrag zur integrierten Versorgung. Die Erhöhung der Anforderungen an Integrationsverträge in § 140 a Abs. 1 Satz 2 SGB V ("bevölkerungsbezogene Flächendeckung der Versorgung") gilt nämlich erst ab 1. Januar 2008.
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Somit sind die rechtlichen Voraussetzungen für Rechnungskürzungen zur Anschubfinanzierung im Jahr 2005 erfüllt. Auf die rechtliche Qualität der 30 weiteren von der Beklagten vorgelegten Verträge kommt es deshalb nicht mehr an.
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Der Streitwert ergibt sich aus der geltend gemachten Forderung. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
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