Urteil vom Sozialgericht Detmold - S 22 R 616/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens, ob die von der Beigeladenen zu 1) für den Kläger seit 01.10.2011 ausgeübte Tätigkeit als Notärztin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung begründet.
3Der Kläger betreibt als eingetragener Verein seit 01.10.2011 im Auftrag des Kreises Q den Notarztdienst am Notarztstandort C. Die Beigeladene zu 1) ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und führt die Zusatzbezeichnung "Notfallmedizin". Sie ist seit dem 01.10.2011 für den Kläger als Notärztin tätig.
4Am 12.12.2012 beantragte die Beigeladene zu 1) die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status in ihrer Tätigkeit für den Kläger als Notärztin. Sie legte neben einer Tätigkeitsbeschreibung eine "Honorarrahmenvereinbarung über den freiberuflichen Dienst als Notarzt" vom 12.12.2011 und die Satzung des Klägers vor.
5Jeweils mit Schreiben vom 15.04.2013 hörte die Beklagte den Kläger und die Beigeladene zu 1) zu der beabsichtigten Feststellung einer abhängigen Beschäftigung und von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung an. Hierzu nahm der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18.06.2013 unter Vorlage einer am 30.09.2011 zwischen dem Kreis Q und dem Kläger geschlossenen "Vereinbarung über die Maßnahmen zur Sicherstellung der notärztlichen Versorgung im Kreis Q" Stellung.
6Mit Bescheiden jeweils vom 08.08.2013 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) fest, dass die seit 01.10.2011 ausgeübte Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Notärztin beim Kläger im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und seit 01.10.2011 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Zur Begründung führte sie aus, folgende Merkmale sprächen für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis: Die Beigeladene zu 1) arbeite auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung, die die Arbeitszeit, den Arbeitsort, das Entgelt pro geleisteter Dienststunde und Kündigungsfristen regele. Die Aufstellung der Dienstpläne und die Diensteinteilung obliege allein dem Kläger. Es bestehe die Verpflichtung der Beigeladenen zu 1), während der Dienstzeit die erforderliche Schutzkleidung sowie den zur Verfügung gestellten Funkmeldeempfänger zu tragen. Dokumentationsunterlagen seien sorgfältig und vollständig auszufüllen. Die Schichtzeiten seien vorgegeben. Eine Verhinderung durch Krankheit sei unverzüglich zu melden. Es werde eine gewinnunabhängige Vergütung von 30,00 Euro pro geleisteter Dienststunde gezahlt. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht zu erkennen; eigenes Kapital werde nicht eingesetzt. Für eine selbständige Tätigkeit spreche, dass hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit keine Kontrollen erfolgten. Nach Gesamtwürdigung aller Umstände überwögen die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Merkmale. Die Beigeladene zu 1) setzte lediglich ihre Arbeitskraft ein und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig.
7Gegen den Bescheid vom 08.08.2013 erhoben der Kläger am 17.09.2013 und die Beigeladene zu 1) am 19.09.2013 Widerspruch und führten zur Begründung - im Wesentlichen gleichlautend - aus, eine abhängige Beschäftigung liege nicht vor. Dies belege bereits die vereinbarte Dienstzeit von 12 Stunden, die nach dem Arbeitszeitgesetz nicht zulässig wäre. Eine Vergütung bei Krankheit oder Urlaub erfolge nicht. Der Dienstplan werde bei ihm, dem Kläger, zentral im Sinne einer Koordinierung unter Berücksichtigung von Einsatzwünschen aufgestellt. Es handele sich um eine organisatorische Notwendigkeit. Die Nichteinhaltung zugesagter Dienste werde nicht sanktioniert. Die Verpflichtung zum Tragen von Schutzkleidung ergebe sich aus dem Gesetz, ebenso die Verpflichtung zur Dokumentation. Die Kostenkalkulation und damit die Vergütung der Notärzte seien vom Kreis vorgegeben. Die Notärzte seien frei, ob sie überhaupt am Notarztrettungssystem des Kreises teilnähmen. Das unternehmerische Risiko der Beigeladenen zu 1) bestehe darin, dass sie keine vertragliche Sicherheit habe, ob und in welchem Umfang sie eingesetzt werde.
8Mit Widerspruchsbescheiden vom 06.06.2014 wies die Beklagte die Widersprüche zurück und führte zur Begründung aus, es spreche nicht gegen das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit, dass die Beigeladene zu 1) keinen Weisungen hinsichtlich ihrer Tätigkeit unterliege. Ärzte unterlägen in ihren eigentlichen ärztlichen Tätigkeiten keinen Weisungen. Entscheidend sei, dass die Arbeitsorganisation, an deren Arbeitsprozess der Arzt funktionsgerecht dienend teilnehme, von Dritten vorgegeben sei. Die Beigeladene zu 1) sei als Erfüllungsgehilfin des Klägers in der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben nach dem Rettungsdienstgesetz tätig. Der Kläger hafte für schuldhafte Fehler der Beigeladenen zu 1); bereits hierdurch sei die Beigeladene zu 1) in die Arbeitsorganisation des Klägers eingegliedert. Während der Dauer der vereinbarten Dienste sei es der Beigeladenen zu 1) nicht möglich, ihre konkreten Arbeitszeiten und -orte selbst zu bestimmen. Kein Indiz für eine selbständige Tätigkeit liege darin, wenn zwar die Annahme bestimmter Aufträge abgelehnt werden könne, bei Annahme jedoch, wie vorliegend, eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolge. Die Beigeladene zu 1) schulde im Wesentlichen den Einsatz ihrer Arbeitskraft. Die Arbeitsmittel würden ihr gestellt. Hinsichtlich der festgestellten Rentenversicherungspflicht sei anzumerken, dass sich eine früher erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ausschließlich auf die jeweilige konkrete Beschäftigung beschränke, für die sei erteilt worden sei.
9Zur Begründung seiner hiergegen am 29.06.2014 erhobenen Klage trägt der Kläger - unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren - vor, die Beteiligten gingen von einem freiberuflichen Dienst und damit von einer selbständigen Tätigkeit aus. Dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, komme jedenfalls dann indizielle Bedeutung zu, wenn dieser dem festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspreche und er durch weitere Aspekte gestützt werde. Die Übernahme der Notdienste sei freiwillig. Die Nutzung der vom Rettungsdienst des Kreises eingesetzten Geräte und Medikamente lasse sich in der Lebenswirklichkeit kaum anders handhaben. Entgegen der schriftlichen Vereinbarung nutze die Beigeladene zu 1) allerdings ihre eigene Schutzausrüstung. Die Verpflichtung, angenommene Dienste tatsächlich zu leisten, sei keine Weisung im Sinne des § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Wesentliches Kriterium für Selbständigkeit sei die Möglichkeit des Notarztes, dem nichtärztlichen Personal Weisungen zu erteilen. Die Verpflichtung, die Dokumentation der Tätigkeit "sorgfältig und vollständig" auszufüllen, stelle keine Kontrolle, sondern als Verpflichtung zu einem Leistungsnachweis ein Indiz für Selbständigkeit dar. Die Vorgabe des Einsatzortes ergebe sich aus dem Zweck des Einsatzes. Gleiches gelte für die festen Dienstzeiten. Die Beigeladene zu 1) beginne ihre Dienste allerdings auch von zuhause aus; sie werde dann mit dem Einsatzfahrzeug abgeholt. Für Selbständigkeit spreche weiter die Verpflichtung der Notärzte zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung und die fehlende Ausschließlichkeitsklausel. Entgegen den schriftlichen Vereinbarungen könne die Beigeladene zu 1) ihre Dienste auch auf Dritte delegieren; bereits die entsprechende Möglichkeit sei ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit. Auf das in der Ungewissheit über den Umfang des Einsatzes liegende Unternehmerrisiko sei erneut hinzuweisen.
10Der Kläger beantragt,
11den Bescheid der Beklagten vom 08.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2014 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene zu 1) in ihrer für den Kläger ausgeübten Tätigkeit nicht als abhängig Beschäftigte versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ist.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie verweist im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Entscheidungen.
15Mit Beschluss vom 20.10.2014 hat das Gericht die Beigeladenen gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Die Beigeladene zu 1) bestätigt den Sachvortrag des Klägers.
16Am 20.08.2014 hat die Beigeladene zu 1) ebenfalls Klage erhoben. Das Verfahren wird beim Sozialgericht Detmold unter dem Aktenzeichen S 17 R 794/14 geführt.
17Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten, des Verwaltungsvorgangs der Beklagten und der beigezogenen Akte des unter dem Aktenzeichen S 17 R 794/14 geführten Verfahrens Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
18Entscheidungsgründe:
19Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 08.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2014 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) in ihrer für den Kläger ausgeübten Tätigkeit wegen einer abhängigen Beschäftigung versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ist.
20Nach § 7a Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) konnte die Beigeladene zu 1) schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliege, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hätte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet gehabt, was hier nicht der Fall war. Für die Entscheidung über den Antrag war abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Beklagte zuständig; sie hatte aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden.
21Hiernach ist sie in dem Anfrageverfahren auf Grund der von ihr vorgenommenen Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zum Kläger steht und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
22Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI], § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI] und § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]) der Versicherungspflicht und Beitragspflicht. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 28.09. 2011, Az. B 12 R 17/09 R m.w.N.).
23Hiernach ist die Beigeladene zu 1) beim Kläger abhängig beschäftigt. Die Kammer verweist zunächst auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, die sie sich zu eigen macht, und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gem. § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab. Ergänzend ist folgendes auszuführen.
24Zwar haben der Kläger und die Beigeladene zu 1) keinen typischen Arbeits- bzw. Dienstvertrag abgeschlossen, sondern haben eine Zusammenarbeit auf Honorarbasis vereinbart. Die Vertragsgestaltung selbst spricht insoweit - wie vom Kläger dargelegt - nicht für eine abhängige Beschäftigung. Die Bezeichnung der Tätigkeit als Honorartätigkeit legt entsprechend dem Willen der Beteiligten eine selbstständige Tätigkeit nahe.
25Weiteres Merkmal für eine eventuelle Selbständigkeit der Beigeladenen zu 1) stellen daneben auch die Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung und die fehlende Ausschließlichkeitsklausel dar. Auch die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt ein zu berücksichtigendes Anzeichen dar, das im Rahmen der Gesamtabwägung gegen ein Arbeitsverhältnis sprechen kann, allerdings nicht muss (vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2009, Az. B 12 KR 21/07 R).
26Für die Selbständigkeit der Beigeladenen zu 1) spricht außerdem auch die ihr eingeräumte Möglichkeit, die Übernahme von Diensten abzulehnen. Zudem sind Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall nicht vereinbart.
27Trotz der genannten, für eine Selbständigkeit der Beigeladenen zu 1) sprechenden Indizien überwiegen jedoch die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung.
28Ein eigenes Unternehmerrisiko - wesentliches Kriterium im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung - der Beigeladenen zu 1) ist nicht erkennbar. Zwar hat die Beigeladene zu 1) unstreitig das Recht, ihm vom Kläger angebotene Einsätze abzulehnen. Das bloße Recht, die Übernahme eines angebotenen Dienstes abzulehnen, reicht jedoch für die Annahme eines eigenen Unternehmerrisikos nicht aus. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist maßgebliches Kriterium für ein Unternehmerrisiko nämlich, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (Urteil des BSG vom 25.01.2001, Az. B 12 KR 17/00 R m.w.N.). Die Beigeladene zu 1) setzt kein eigenes Kapital ein. Daneben hat sie die Gewähr, für die durchgeführten Dienste das vereinbarte Honorar zu erhalten. Das Risiko, bei krankheits- oder urlaubsbedingten Ausfällen kein Honorar zu erzielen, spricht nach der Rechtsprechung des BSG nur dann für eine selbstständige Tätigkeit, wenn dem auch eine größere Unabhängigkeit oder eine höhere Verdienstchance gegenüberstehen. Das Entgelt der Beigeladenen zu 1) ist jedoch - wie auch bei sonstigen abhängig Beschäftigten typisch - allein vom zeitlichen Einsatz abhängig, nicht hingegen von der Güte des Arbeitseinsatzes. Der Ausschluss einer Vergütung bei Krankheit und Urlaub sowie die Möglichkeit, angebotene Arbeitseinsätze abzulehnen, genügen daher nicht, um ein Unternehmerrisiko zu begründen.
29Dass die Beigeladene zu 1), sobald sie einen angebotenen Einsatz angenommen hat, zur Einhaltung des Dienstes, der auch in den Dienstplan eingetragen wird, verpflichtet ist, spricht hingegen weder für eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1) noch für eine selbständige Tätigkeit. Vielmehr ist die Einhaltung vereinbarter zeitlicher Vorgaben typisch für Schuldverhältnisse aller Art, unabhängig vom Vertragstyp. So sind sowohl abhängig Beschäftigte als auch selbstständig Tätige zur Leistungserbringung, auch zu vereinbarten Terminen, verpflichtet.
30Weiter genügt der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) bei der Erbringung ihrer ärztlichen Leistungen keinem Weisungsrecht unterfällt, ebenfalls nicht, um das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit anzunehmen. Gerade bei Diensten höherer Art, wie ärztliche Leistungen sie darstellen, fehlen Arbeitgebern regelmäßig die rechtlichen bzw. tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten. Dennoch unterliegt es keinem Zweifel, dass auch Chefärzte, die - wie vorliegend ebenfalls der Fall - auch nichtärztlichem Personal Weisungen erteilen können, ihre Tätigkeit im Regelfall in einem Angestelltenverhältnis ausüben und als Arbeitnehmer anzusehen sind. In ähnlicher Weise obliegt auch der Beigeladenen zu 1) im Rahmen ihrer Tätigkeit beim Kläger ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit bei Erbringung der ärztlichen Leistungen, weil sie selbstständig über den Einsatz der erforderlichen Maßnahmen in der jeweiligen Situation zu entscheiden hat.
31Entscheidend ist schließlich, wie von der Beklagten ausgeführt, dass die Arbeitsorganisation, an deren Arbeitsprozess die Beigeladene zu 1) funktionsgerecht dienend teilnimmt, vom Kläger vorgegeben ist. Die Beigeladene zu 1) hat die einzelnen übernommenen Dienste und insbesondere die einzelnen Einsätze zu Ende zu führen; ein Abbruch ist nicht möglich. Auch hat die Beilgeladene zu 1) jedenfalls den zur Verfügung gestellten Funkmeldeempfänger bei sich zu tragen. Sie nutzt außerdem das zur Verfügung gestellte Einsatzfahrzeug. Am Notarztstandort ist ihr ein Aufenthaltsraum zur Verfügung gestellt. Insgesamt tritt sie als Mitarbeiterin des den Notarztdienst tragenden Klägers auf und nicht etwa als eigener Rettungsdienst.
32Unschädlich ist, dass die bestehende Arbeitsorganisation teilweise gesetzlichen Regelungen, Vorgaben des Kreises Q bzw. den Sachnotwendigkeiten des zu verrichtenden Rettungsdienstes geschuldet ist. Eine Einbindung und Eingliederung kann nicht damit ihrer Bedeutung beraubt werden, dass sie durch die Art der Arbeit oder externe Vorgaben bedingt werde und deshalb nicht aussagekräftig sei. Weil eine Arbeitsleistung fremdbestimmt ist, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in dessen Dienste sie verrichtet wird, stehen regelmäßig die Art der Arbeit und die Weisungsbefugnis des Auftraggebers in einem Wechselverhältnis zueinander (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.11.2005, Az. L 13 R 112/05 m.w.N.). Eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn tritt nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurück, weil sie auch in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist (vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2009, a.a.O.; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.04.2014, Az. L 8 R 376/12).
33Nach alledem überwiegen die Kriterien für eine abhängige Beschäftigung trotz der auch bestehenden Indizien für eine selbständige Tätigkeit erheblich. Hiernach kommt es auf den entgegenstehenden Willen der Beteiligten, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, nicht an; einem solchen Willen kommt indizielle Bedeutung zu, wenn dieser dem festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnis nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008, Az. B 12 KR 13/07 R), was vorliegend nach dem Ausgeführten nicht der Fall ist.
34Ein Anhalt für das Vorliegen eines Tatbestandes, der bei der vorliegenden Bejahung einer abhängigen Beschäftigung zur Versicherungsfreiheit führen könnte, besteht nicht.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auch noch dem unterlegenen Kläger aufzuerlegen, wenn diese keine eigenen (erfolgreichen) Anträge gestellt haben.
36Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1 und 2, 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Es ist vom Regel-Streitwert auszugehen. Anhaltspunkte für eine konkrete Bemessung des Streitwerts liegen nicht vor.
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Referenzen
- 12 KR 17/00 1x (nicht zugeordnet)
- 12 R 17/09 1x (nicht zugeordnet)
- § 7 Abs. 1 SGB IV 1x (nicht zugeordnet)
- § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 197a 1x
- § 28h Abs. 2 SGB IV 1x (nicht zugeordnet)
- 13 R 112/05 1x (nicht zugeordnet)
- 8 R 376/12 1x (nicht zugeordnet)
- 12 KR 21/07 1x (nicht zugeordnet)
- 12 KR 13/07 1x (nicht zugeordnet)
- 17 R 794/14 2x (nicht zugeordnet)