Beschluss vom Sozialgericht Halle (17. Kammer) - S 17 AS 847/16 ER

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller machen im Wege vorläufigen Rechtsschutzes Leistungen für Heizung geltend.

2

Die Antragsteller beziehen seit mehreren Jahren von dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

3

Mit Antrag vom 14. November 2015 (Bl. VIII/12 der Verwaltungsakten des Antragsgegners, fortan: VA) beantragte der Antragsteller zu 1) für sich und den Antragsteller zu 2), seinem am ... 2001 geborenen Sohn, die Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II über den 31. Dezember 2015 hinaus. Unter Abschnitt 5. gab er u.a. an: Er beziehe Einkommen aus einem Hobby, wobei das Wort "Hobby" handschriftlich eingefügt ist und der vorgedruckte Text "selbständigen Erwerbstätigkeit" durchgestrichen ist. In dem darunter befindlichen Textfeld ist das vorgedruckte Wort "Gewerbe" durchgestrichen und in das Textfeld handschriftlich die Wörter "Hobby Ballonfahren" eingefügt. In der vom Antragsteller zu 1) eingereichten Anlage zur vorläufigen oder abschießen Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft (fortan: Anlage EKS) vom 9. Dezember 2015, strich er die Wörter "selbstständiger", "Gewerbebetrieb" und "Land- und Forstwirtschaft" durch und fügte handschriftlich "qualifizierender Ballonfahrer-" ein. In der Anlage prognostizierte der Antragsteller zu 1) für das Jahr 2016 Betriebseinnahmen iHv. 38.600,00 EUR brutto. Voraussichtliche Betriebsausgaben im Jahr 2016 bezifferte er mit 45.250,43 EUR. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2015 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II aufgrund des Bescheides des Antragsgegners vom 22. Dezember 2015. Als Einkommen wurde lediglich Kindergeld auf den Grundsicherungsbedarf des Antragstellers zu 2) angerechnet.

4

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2015 beantragte der Antragsteller zu 1) bei dem Antragsgegner die Übernahme der Kosten für die Beschaffung von Flüssiggas zur Wohnraumbeheizung (Bl. VIII/14 VA). Der Antragsgegner bewilligte den Antragstellern mit Bescheid vom 18. Dezember 2015 für die Beschaffung von Brennstoffen für Erwärmung des von ihnen bewohnten Wohnraumes Leistungen iHv. 1020,00 EUR, wobei die Auszahlung nach Rechnungslegung direkt an den Brennstoffhändler erfolgen sollte.

5

Am 11. März 2016 hat der Antragsteller zu 1) bei dem erkennenden Gericht um einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel nachgesucht, den Antragsgegner zu verpflichten 2000 l Gas für die Heizung zu bewilligen. Zur Begründung hat er angegeben: seit dem 9. März 2016, 10:00 Uhr, sei der Gastank des Antragstellers leer und somit weder heizen noch Warmwasserbereitung möglich. Mit einem Dringlichkeitsantrag vom 9. März 2016 habe er bei dem Antragsgegner vorgesprochen und sei dort genötigt worden einen Darlehensantrag zu stellen. Auf die gerichtliche Verfügung vom 24. März 2016 hat der Antragsteller zu 1) mit Schreiben vom 4. April 2016 u.a. ergänzend vorgetragen, zuletzt sei er am 24. Dezember 2015 um 7.00 Uhr mit Heizgas für 1020,00 EUR in den Heizgastank beliefert worden.

6

Die Antragsteller beantragen,

7

1. den Antragsgegner zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II für die Beschaffung von 2000 Liter Gas für die Heizung (Brennmaterial) zu bewilligen;

8

2. dem Antragsgegner die zur Beheizung und Warmwasserbereitung anfallenden derzeitigen Stromkosten aufzuerlegen.

9

Der Antragsgegner beantragt,

10

den Antrag abzulehnen.

11

Der Antragsgegner ist u.a. der Ansicht, dem Rechtsschutzgesuch der Antragsteller fehle bereits das Rechtsschutzinteresse, weil der Antragsteller zu 1) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er ein Darlehen nicht begehre.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen.

II.

13

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet. Eine vorläufige Regelung durch gerichtliche Anordnung ist nicht erforderlich.

14

Gegenstand des Verfahrens sind von den Antragstellern geltend gemachte Ansprüche auf Übernahme von Kosten für die Beschaffung von 2000 Litern Heizgas und Stromkosten für Beheizung und Warmwasserbereitung.

15

Der von den Antragstellern nachgesuchte vorläufige Rechtsschutz beurteilt sich nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz SGG. Das Gericht der Hauptsache kann danach auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller ist als Regelungsverfügung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig. Eine Regelungsanordnung kann erlassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund).

16

Eine vorläufige Regelung durch gerichtliche Anordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) ist nicht erforderlich, weil es jedenfalls an einem Anordnungsgrund fehlt. Es kann offen bleiben, ob ein Anordnungsanspruch besteht.

17

Die Antragsteller würden auch ohne eine gerichtlich angeordnete vorläufige Regelung keine wesentlichen Nachteile erleiden, weil der Antragsteller zu 1) Brennstoffe aus eigenen finanziellen Mitteln beschaffen kann. Die für den Anordnungsgrund notwendigen wesentlichen Nachteile insoweit müssten sich als Folgen der fehlenden Bewilligung von Leistungen für die Beschaffung von Brennstoffen darstellen. Das ist nicht der Fall.

18

Die Antragsteller beziehen für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 vorläufig bewilligte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II aufgrund des Bescheides des Antragsgegners vom 22. Dezember 2015.

19

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Arbeitslosengeld II. Rechtsgrundlage ist § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten dagegen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind, und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Die Leistungen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Es handelt sich um staatliche Fürsorgeleistungen, die dem Grundsicherungsempfänger ohne jegliche Gegenleistung (etwa in Form von vorher gezahlten Beiträgen etc.) nur aufgrund seiner Hilfebedürftigkeit gewährt werden (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16. April 2009 – L 11 AS 140/09 B ER –, Rn. 21, juris). Dabei ist das SGB II durch den Nachrangigkeitsgrundsatz (vgl. § 3 Abs. 3 SGB II) geprägt.

20

Es kann im vorliegenden Verfahren aus Rechtsgründen zwar nicht bindend festgestellt werden, ob und gegebenenfalls inwieweit der Bescheid vom 22. Dezember 2015 rechtswidrig zugunsten der Antragsteller erging, weil er im vorliegenden Verfahren nicht angefochten ist. Allerdings ist für die Beantwortung der Frage nach einem drohenden Nachteil ohne gerichtliche Regelungsanordnung von Bedeutung, ob den Antragstellern Leistungen des Antragsgegners zur Verfügung stehen, die zur Sicherung des Lebensunterhalts, oder anders ausgedrückt, des soziokulturellen Existenzminimums nicht erforderlich sind. Das ist hier der Fall. Der Antragsgegner hatte den Antragstellern zu Unrecht ohne Anrechnung von Einkommen des Antragstellers zu 1) vorläufig Leistungen bewilligt. Als Einkommen rechnete der Antragsgegner lediglich Kindergeld auf den Grundsicherungsbedarf des Antragstellers zu 2) an. Eine Anrechnung von Einkommen des Antragstellers zu 1) unterließ der Antragsgegner vollständig.

21

Laut Aktenvermerk vom 17. Dezember 2015 (Bl. IX/6 VA) ging der Antragsgegner von den voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben laut Anlage EKS des Antragstellers zu 1) zum Fortzahlungsantrag der Antragsteller vom 14. November 2015 aus, berücksichtigte rechtsfehlerhaft aber nicht, dass der Antragsteller zu 1) in der Anlage zum Antrag auf Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für das Jahr 2016 Einnahmen aus Ballonfahrten iHv. 38.600,00 EUR prognostiziert und deutlich zum Ausdruck gebracht hat, er betreibe mit dem Ballonfahren ein Hobby, Einkommen beziehe er nicht aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, sondern aus diesem Hobby.

22

Es ist rechtlich zwar nicht zu beanstanden, dass sich der Antragsgegner bei der Berechnung des Bruttoeinkommens auf § 3 ALG-V stützt und dabei, was das Ballonfahren angeht, von Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit ausgeht. Bei der genannten Regelung handelt es sich lediglich um eine Berechnungsvorschrift (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 SGB II) zur Ermittlung des Bruttoeinkommens. Der Begriff selbstständige Arbeit iSd. der Vorschrift verlangt allerdings anders als im Einkommenssteuerrecht keine Gewinnerzielungsabsicht, sondern dient vor allem der Abgrenzung zu Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Deshalb ist auch nicht auf den nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Steuerrechts festgestellten Gewinn abzustellen (vgl. Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 11, Rn. 58). Um selbstständige Tätigkeit kann es sich demnach auch dann handeln, wenn sie mangels Gewinnerzielungsabsicht einkommenssteuerrechtlich als Liebhaberei einzustufen wäre und deshalb nicht die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach den §§ 15 oder 18 EStG erfüllt wäre. Im Rahmen der prognostischen Entscheidung über die vorläufige Bewilligung sind neben den bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens bekannten und erkennbaren Umstände und auch die Angaben des Antragstellers im Leistungsantrag maßgeblich (vgl. Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 11, Rn. 63). Im Übrigen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zu 1) eine nichtselbstständige Arbeit ausübt, auf die sich seine Angaben in der von ihm eingereichten Anlage EKS zu Einnahmen aus Ballonfahrten beziehen.

23

Die vom Antragsteller zu 1) in Ansatz gebrachten voraussichtlichen Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Ballonfahren hätte der Antragsgegner jedoch nicht absetzen dürfen, weil der Antragsteller zu 1) diese Tätigkeit ausdrücklich als Hobby bezeichnet hat.

24

Hobby bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch: Als Ausgleich zur täglichen Arbeit gewählte Beschäftigung, mit der jemand seine Freizeit ausfüllt und die er mit einem gewissen Eifer betreibt (vgl. Stichwort Hobby unter www.duden.de).

25

Für den Antragsgegner ist nicht neu, dass der Antragsteller zu 1) das Ballonfahren als Hobby bezeichnet. Hierzu hatte das erkennende Gericht schon in seinem Beschluss vom 13. September 2013 in dem Verfahren S 17 AS 2077/13 ER, u.a. ausgeführt:

26

In einer ebenfalls am 4. Februar 2013 nachgereichten Anlage EKS bezüglich Heißluftballonfahrten (428 VA) hat er unter den allgemeinen Daten zur selbständigen Tätigkeit den vorgedruckten Text "Gewerbeart bzw. Tätigkeit" durchgestrichen und handschriftlich daneben "Hobby: Heißluftballon-Sportpilot" eingefügt. Zu Beginn, ggf. Ende der Tätigkeit hat der Antragsteller zu 1. handschriftlich "2007 / wenn die Gesundheit es nicht mehr zulässt" angegeben. Die Angaben zu den Betriebseinnahmen sind mit der Bemerkung "Woher soll ich wissen, wieviel Leute Ballon fahren wollen werden?" versehen. Der Abschnitt "Angaben zu den Betriebsausgaben und zum Gewinn" ist nicht ausgefüllt, stattdessen handschriftlich mit den Bemerkungen "ich weiß es nicht!! Das Ballonfahren ist ein Hobby mit einem kleinen Sportballon!!!!!" versehen.‘

27

Abgesehen davon hatte die Rechtsanwältin ..., die für die Antragsteller in anhängigen Klageverfahren als Prozessbevollmächtigte auftritt, in ihrem Schreiben vom 8. Oktober 2014 (Bl. 123 der Vermittlungsakte des Antragsgegners) bestätigt, dass der Antragsteller zu 1) in einem Gespräch am 25. September 2014 das Ballonfahren als derzeit sich selbst tragendes Hobby bezeichnet habe. In einer Email vom 25. November 2014 (Bl. 138 der Vermittlungsakte des Beklagten) schrieb der Antragsteller zu 1) selbst von einem sich selbst finanzierenden Hobby.

28

Dass dem Antragsteller zu 1) die Bedeutung genauen sprachlichen Ausdrucks für die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts bewusst ist und er darauf Wert legt, wird nicht zuletzt anhand der Streichungen und Einfügungen im Fortzahlungsantrag vom 14. November 2015 und der Anlage EKS vom 9. Dezember 2015 deutlich. Im Fortzahlungsantrag wird das Wort "Gewerbe" gestrichen und handschriftlich durch "Hobby" ersetzt. In der Anlage EKS wird "selbstständiger", "Gewerbebetrieb" und "Land- und Forstwirtschaft" gestrichen und anstelle des Wortes "selbstständiger" handschriftlich "qualifizierender Ballonfahrer-" eingefügt. Insbesondere die beschriebene handschriftliche Veränderung der Formulare unterstreicht, dass der Antragsteller zu 1) das Ballonfahren als ein Hobby und nicht als eine gewerbliche Tätigkeit wertet. Auch sein Schriftsatz vom 5. April 2016 belegt sein Interesse an Genauigkeit im Ausdruck. Darin hat er dem Gericht, und das zu Recht, den Unterschied zwischen einer "B ..." und der "S ..." verdeutlicht, wie auch den Unterschied zwischen einer "S ..." und der "S ...".

29

Dass der Antragsteller zu 1) auch über den Leistungsantrag vom 14. November 2015 und der Anlage EKS vom 9. Dezember 2015 hinaus an dieser Bewertung festhält, ergibt sich aus der öffentlichen Presseberichterstattung. In einem in der ... am 3. Februar 2016 auf Seite 13 erschienenen Artikel "Traum vom ..." finden sich folgende Ausführungen: "Der ..., der derzeit Hartz IV bezieht, würde als Honorarpilot für eine noch zu gründende S ... als Betreibergesellschaft tätig werden. Sein erklärtes Ziel ist es aber, sich mit seinem Hobby selbstständig zu machen." In einem ebenfalls in der ... Artikel vom 16. März 2016 mit dem Titel "84 Tage Zeit für den Traum vom Ballon" heißt es: "Der ..., der derzeit Hartz IV bezieht, würde als Honorarpilot für die für das Projekt gegründete "S ..." als Betreibergesellschaft tätig werden. Sein Ziel ist es aber, sich mit seinem Hobby selbstständig zu machen." Den beiden Artikeln ist also unmissverständlich zu entnehmen, dass der Antragsteller zu 1) das Ballonfahren als Hobby ansieht.

30

Nach allem ist es deshalb rechtlich verfehlt, den Antragsteller zu 1) nicht bei der Bedeutung des Wortes zu nehmen, seine Erklärung stattdessen zulasten der Gemeinschaft der Steuerzahler (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16. April 2009 – L 11 AS 140/09 B ER –, Rn. 21, juris) inhaltlich eine gegenteilige Bedeutung beizumessen.

31

Eine Absetzung von "Betriebsausgaben" im Zusammenhang mit einem Hobby, wie im Falle des Antragstellers zu 1) mit dem Ballonfahren, ist ausgeschlossen, denn bei der Bemessung des Regelsatzes nach Maßgabe des Regelbedarfsermittlungsgesetzes (RBEG) sind bereits Aufwendungen für Freizeit, Unterhaltung und Kultur in Abteilung 9 berücksichtigt (§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 Nr. 3 RBEG). Eine weitergehende Berücksichtigung von Aufwendungen für Freizeitgestaltung, einschließlich der Ausübung eines Hobbys, findet im Rahmen der Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums nicht statt. Solche Ausgaben können deshalb nicht auch noch bei der Bemessung des anrechenbaren Einkommens abgezogen werden.

32

Davon abgesehen hat die Frage nach der Berücksichtigung von Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einer Tätigkeit anfallen, die als Liebhaberei oder Hobby eingestuft werden kann, im Einkommenssteuerrecht eine andere Zielrichtung als im Recht der Grundsicherung: Im Einkommenssteuerrecht geht es bei den Gewinneinkünften darum, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Staat Einkommenssteuer auf erzielte Gewinneinkünfte verlangen kann. Im Bereich der Grundsicherung hängt das Ob und gegebenenfalls der Umfang staatlicher Fürsorgeleistungen davon ab, in welchem Maße Ausgaben als Betriebsausgaben von Einnahmen aus einer selbstständigen Tätigkeit abgezogen werden dürfen, die auf den Grundsicherungsbedarf als Einkünfte anzurechnen sind.

33

Unter Berücksichtigung der Prognose des Antragstellers zu 1) für das Jahr 2016 kann realistisch mit Einnahmen aus dem Hobby Ballonfahren gerechnet werden, die den Grundsicherungsbedarf im Bewilligungszeitraum decken.

34

Offen bleiben kann, ob die vorläufige Leistungsbewilligung für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 unter der Annahme, das Ballonfahren sei nicht als Hobby einzustufen, und angesichts der Beschränkungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 und 3 ALG II-V rechtmäßig gewesen ist. Würde man entgegen der ausdrücklichen Bewertung des Antragstellers zu 1) bei dem Ballonfahren nicht von einem Hobby ausgehen, sondern diese Tätigkeit als Gewerbe einstufen, wäre fraglich, ob die geltend gemachten voraussichtlichen Ausgaben im Zusammenhang mit einer Tätigkeit stehen, die einem Gewerbeverbot nach § 35 GewO unterliegt. Wäre das der Fall, hätten die Ausgaben als vermeidbar iSd. § 3 Abs. 3 Satz 1 ALG II-V zu gelten und dürften nicht abgesetzt werden. Es liegt nämlich auf der Hand, dass der Staat bzw. die Gemeinschaft der Steuerzahler ein überragendes Interesse daran hat, mit staatlichen Fürsorgeleistungen nicht die Ausübung nicht erlaubter Tätigkeiten zu fördern. Einem Schreiben der Gemeinde T. vom 18. September 2014 (Bl. 97 der Vermittlungsakte) folgt, dass dem Antragsteller zu 1) zum damaligen Zeitpunkt die Ausübung eines Gewerbes nach § 35 GewO nicht gestattet war, und zwar bereits seit dem 31. Juli 2007. Auf die Aufforderung des Gerichts in der Verfügung vom 24. März 2016, mitzuteilen falls das Gewerbeverbot zwischenzeitlich aufgehoben worden sein sollte, hat der Antragsteller zu 1) nicht reagiert, so dass davon ausgegangen werden muss, dass dieses noch besteht.

35

Auf das Bestehen von Möglichkeiten, erforderliche Brennstoffe jedenfalls und notfalls zunächst aus eigenen Mitteln beschaffen zu können, kann des Weiteren aus dem Vorbringen des Antragstellers zu 1) in seinem Schriftsatz vom 4. April 2016 und der beigefügten Kontoauszüge geschlossen werden. Danach war es ihm möglich, die Gründung der "S ..." mit Erbringung der Stammeinlage iHv. 500,00 EUR (9. Februar 2016) zu fördern und darüber hinaus auch noch ein Darlehen iHv. 500,00 EUR (1. März 2016) zu gewähren. Das Bundessozialgericht hat immer wieder betont, dass vorhandene Mittel zu allererst zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen sind (vgl. nur BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 14 AS 76/12 R –, Rn. 11, juris, und Urteil vom 17. Februar 2016 - B 4 AS 17/15 R -, Terminsbericht). Diese 1000,00 EUR waren vorhanden. Das Geld stand dem Antragsteller zu 1) also auch zur Sicherung seines eigenen Lebensunterhalts und dem seines Sohnes zur Verfügung. Spätestens am 1. März 2016 dürfte sich bereits abgezeichnet haben, dass der Gastank in absehbarer Zeit leer sein würde. Die anderweitige Verwendung des Geldes, insbesondere die Darlehensgewährung iHv. 500,00 EUR belegt, dass sie möglich war. Darüber hinaus können die von der S ... am 15. März 2016 an den Antragsteller zu 1) für Websiteerstellung und Hosting überwiesenen 595,00 EUR zur Brennstoffbeschaffung verwendet werden.

36

Für die Verpflichtung zur Übernahme von derzeitig entstehenden Stromkosten zur Wohnraumerwärmung und Warmwasserbereitung dem Grunde nach fehlt es an einem Anordnungsgrund, weil überhaupt nicht erkennbar ist, welcher Nachteil entstehen könnte, wenn zur Verpflichtung dem Grunde nach keine vorläufige Regelung getroffen wird.

37

Soweit hier der der Anordnungsgrund verneint worden ist, kommt eine Entscheidung zugunsten der Antragsteller auch nach einer Folgenabwägung nicht in Betracht. Der Antragsteller zu 1) hat in der Antragsschrift vom 11. März 2016 vorgetragen, er sei genötigt worden, einen Darlehensantrag zu stellen. Die Formulierung bringt zum Ausdruck, dass der Antragsteller zu 1) keinen Darlehensantrag stellen wollte. Auf die ausdrückliche Anfrage des Antragsgegners in der Antragserwiderung vom 14. März 2016, der Antragsteller zu 1) möge sich erklären, ob ein Darlehen begehrt werde, hat der Antragsteller zu 1) nicht geantwortet. Nach dem Vortrag des Antragsgegners im Schriftsatz vom 8. April 2016 ist dem Antragsteller zu 1) am selben Tage ein Darlehen angeboten worden, wobei dieser unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er ein solches nicht begehre. Abgesehen davon ist es nach dem Vortrag des Antragstellers zu 1) in seinem Schriftsatz vom 4. April 2016 möglich, mit Strom zu heizen, so dass Raumerwärmung und Warmwasserbereitung möglich wäre. Angesichts dessen und im Hinblick darauf, dass eine vorläufige Regelung mittels Darlehensgewährung herbeigeführt werden könnte, bedarf es auch nach einer Folgenabwägung keiner vorläufigen Regelung durch gerichtliche Anordnung.

38

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen