Urteil vom Sozialgericht Hannover (67. Kammer) - S 67 KR 1077/09

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Zwischen den Beteiligten ist die Beitragspflicht des Klägers für die Zeit von April 2009 bis März 2019 in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 71,47 EUR monatlich streitig.

2

Der am 22.1.1948 geborene Kläger ist bei der Beklagten und der dazu gehörigen Pflegeversicherung gesetzlich kranken- und pflegeversichert. In der zweiten Jahreshälfte 2008 wurde er von seiner Arbeitgeberin, den Britischen Streitkräften, ordentlich wegen der Schließung des Standortes gekündigt.

3

Mit Schreiben vom 04.05.2009 informierte die Lebensversicherungsgesellschaft G AG die Beklagte über eine Kapitalzahlung aus einer betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 49.144,59 EUR, wobei die Auszahlung im April 2009 erfolgen sollte. Diese Versicherung hatte die damalige Arbeitgeberin des Klägers, als Gruppenversicherung unter anderem zu Gunsten des Klägers abgeschlossen.

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Ausweislich Ziffer VI des Vertrages endete die im Gruppenversicherungsvertrag geführte Lebensversicherung entweder bei Eintritt des Versicherungsfalls (Tod oder Erleben des Endalters 65) oder durch Ausscheiden vor Eintritt des Versicherungsfalls. Ausweislich Ziffer VIII konnte die Versicherung auch fortgesetzt werden. Ziffer VIII lautet wie folgt: „Endet die Versicherung vor Eintritt des Versicherungsfalles und hat der versicherte Arbeitnehmer im Zeitpunkt seines Ausscheidens zwei Beschäftigungsjahre im Sinne des § 8 TVAL II/TVAL II (frz.) vollendet, so kann er anstelle der Auszahlung der Ablösungsvergütung (Abschnitt IV. 2.) die Fortsetzung seiner Versicherung ohne Gesundheitsprüfung entweder als beitragsfreie Versicherung im Rahmen der Gruppenversicherung oder als beitragspflichtige Einzelversicherung bei einer der am Gruppenversicherungsvertrag beteiligten Gesellschaften beantragen…“. Ziffer IV. 2. lautet wie folgt: „Ablösungsvergütung: Die Ablösungsvergütung (Abschnitt III. 2.) steht jedem versicherten Arbeitnehmer zu, der vor Eintritt des Versicherungsfalles (Tod oder Erleben des Endalters 65) aus der Versicherung ausscheidet (Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei den Stationierungsstreitkräften) und im Zeitpunkt des Ausscheidens in ununterbrochene Beschäftigungszeit im Sinne des § 8 TVAL II/TVAL II (frz.) von mindestens 2 Jahren erfüllt hat…“. Abschnitt III 2. lautet wie folgt: „Ablösungsvergütung: Die Ablösungsvergütung entspricht entweder der Deckungsrückstellung […] oder der Summe der für die Versicherung entrichteten Beiträge […], falls diese Summe höher ist als die Deckungsrückstellung […]“.

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Der Kläger war zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 60 Jahre und bei Erhalt der Auszahlung aus der Lebensversicherung 61 Jahre alt.

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Mit Bescheid vom 07.05.2009 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger monatliche Beiträge zur Krankenversicherung ab 01.04.2009 in Höhe von 63,48 EUR fest. Der Bescheid enthielt auch eine Mitteilung der Pflegekasse, wonach ebenfalls ab dem 01.04.2009 monatliche Beiträge in Höhe von 7,99 EUR zur Pflegeversicherung festgesetzt worden waren.

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Mit Schreiben vom 18.05.2009 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Er begründete diesen damit, dass es sich bei der ausgezahlten Summe um eine Deckungsrückstellung gehandelt habe, die durch die Aufhebung des Arbeitsvertrages zum 31.03.2009 bei den Britischen Streitkräften fällig und zur Auszahlung gekommen sei. Er verwies zudem auf ein Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 04.06.2007, S 11 KR 366/05.

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Unter dem 26.11.2009 erließ die Beklagte einen Widerspruchsbescheid. Sie wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass auch eine Auszahlung vor Eintritt des Versorgungsfalles und damit vor dem vereinbarten Versicherungsfall der Altersversorgung nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V dienen könne. Dies sei dann anzunehmen, wenn ein Arbeitnehmer das 60. Lebensjahr überschritten habe. Da dies hier der Fall sei, sei bei der Auszahlung von einem Versorgungsbezug der Altersversorgung auszugehen, sodass die Einnahme der Beitragspflicht unterläge.

9

Mit der am 28.12.2009 bei dem erkennenden Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine Widerspruchsbegründung.

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Der Kläger beantragt,

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den Beitragsbescheid vom 07.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2009 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Beitragsbescheides vom 07.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2009, weil der Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

17

Die Rechtmäßigkeit des Bescheides misst sich an den §§ 240 Abs.2 Satz 1 i. V. m. 237 Satz 1 i. V. m. 229 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB V. Nach diesen Vorschriften unterliegen der Beitragspflicht solche Einnahmen, die der Rente vergleichbar sind, auch Renten der betrieblichen Altersversorgung. Auch einmalige Auszahlungen können Einnahmen der betrieblichen Altersversorgung sein.

18

Die dem Kläger im April 2009 zugeflossene einmalige Auszahlung in Höhe von 49.144,59 EUR aus der Versicherung seiner Arbeitgeberin mit der H AG ist eine solche der Beitragspflicht unterliegende einmalige Einnahme der betrieblichen Altersversorgung. Zu dieser Überzeugung gelangt die Kammer nach Durchsicht des Versicherungsvertrages. Zweck des Versicherungsvertrages war die Altersversorgung der Arbeitnehmer. Die Kammer ist der Überzeugung, dass der Zweck jeglicher Leistung aus einer Versicherung mit dem Zweck der Beitragszahlung in diese Versicherung korrespondiert. Die eingezahlten Beiträge dienen allein dem Zweck, die Altersversorgungsansprüche zu sichern. In diesem Sinne ziehen die Versicherungsunternehmen Beiträge zu der Lebensversicherung ein. Nach Auffassung der Kammer trifft das Versicherungsunternehmen keine neue Zweckbestimmung, sofern es zu einer Auszahlung vor Eintritt des Versicherungsfalles kommt. Auch wenn das Auszahlungsbegehren des Klägers hier dem Grunde entspringt, gekündigt worden zu sein, so ändert dies daran nichts. Nach Auffassung der Kammer zahlte die I Lebensversicherungs AG auch nicht zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes des Klägers, sondern allein aufgrund der vertraglichen Verpflichtung gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers.

19

Der Lebensversicherungsvertrag an sich entspringt dem Institut der Altersvorsorge. Die Kammer folgt hier der institutionellen Betrachtungsweise, die vom Bundessozialgericht in früheren Urteilen entwickelt wurde (vgl. nur BSG, Urteil vom 12.11.2008, B 12 KR 10/08 R). Auch wenn die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers und der Kläger die Möglichkeit der Auszahlung der Deckungsrückstellung bei Kündigung gesehen haben mögen und diesen Aspekt möglicherweise bei Verhandlungen über eine etwaige Abfindung berücksichtigt haben, so gilt nichts anderes. Auch dann zahlt das Lebensversicherungsunternehmen die Deckungsrückstellung nicht zum Ausgleich des Verlustes des Arbeitsplatzes, vielmehr war das Lebensversicherungsunternehmen überhaupt nicht in eine arbeitsvertragliche Vereinbarung eingebunden. Abfindungen, die dem Ausgleich des Verlustes des Arbeitsplatzes dienen, sind vom Arbeitgeber selbst zu zahlen.

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Im Übrigen ist die Auszahlung der Deckungsrückstellung ausweislich des vorliegenden Versicherungsvertrages auch nicht an die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gekoppelt. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - u. a. auch bei Kündigung - hat der Arbeitnehmer vielmehr die Wahl zwischen vier Optionen, nämlich der Auszahlung der Deckungsrückstellung oder der Auszahlung der Summe der für die Versicherung entrichteten Beiträge, falls diese Summe höher gewesen wäre als die Deckungsrückstellung, oder der Fortsetzung der Versicherung entweder als beitragsfreie Versicherung im Rahmen der Gruppenversicherung oder als beitragspflichtige Einzelversicherung bei einer der am Gruppenversicherungsvertrag beteiligten Gesellschaften.

21

Aus diesen Wahlmöglichkeiten ist ersichtlich, dass die Auszahlung der Deckungsrückstellung kein aliud gegenüber der Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses ist. Vielmehr bleibt die Leistung des Versicherungsunternehmens immer die gleiche, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer die Versicherung fortführt und Leistungen erst bei Eintritt des Versicherungsfalles oder eben vorher in Anspruch nimmt (a. A.: SG Speyer, S 13 KR 420/08; LSG Mainz, L 5 KR 37/10; LSG Kassel, L 1 KR 76/10).

22

Die Beklagte hat gemäß § 46 Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB XI auch zulässig im Namen der Pflegekasse gehandelt.

23

Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus den §§ 193, 183 SGG.

 


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