vom 03.02.2004 werden aufgehoben.
dem Grunde nach.
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Die Beteiligten streiten darum, ob die Minderung des Arbeitslosengeldes wegen verspäteter Meldung des Klägers zu Recht erfolgt ist.
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Der 1967 geborene Kläger stand seit November 1995 mehrfach im Leistungsbezug der Beklagten. Seit 1998 ist er mit regelmäßigen Unterbrechungen in den Wintermonaten bei der Firma Garten- und Landschaftsbau Z. GmbH beschäftigt. Zuletzt stand er dort vom 10.03.2003 bis 31.12.2003 in einer Beschäftigung als Hilfsarbeiter im Garten- und Landschaftsbau. Das Beschäftigungsverhältnis wurde am 01.12.2003 zum 31.12.2003 durch den Arbeitgeber gekündigt. Das Kündigungsschreiben datierte auf den 26.11.2003. Am 02.01.2004 meldete der Kläger sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 22.01.2003 Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von 432,44 EUR wöchentlich in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes von 221,62 EUR ab dem 01.01.2003. Sie teilte dem Kläger durch weiteren Bescheid vom 14.01.2004 mit, der Anspruch werde für 26 Tage um 35,00 EUR täglich, insgesamt 910,00 EUR, gemindert, weil er sich zu spät arbeitssuchend gemeldet habe. Er hätte sich bis spätestens am 06.12.2003 bei der Beklagten persönlich arbeitssuchend melden müssen. Die Minderung erfolge, indem der Minderungsbetrag auf die halbe tägliche Leistung angerechnet werde.
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Mit am 21.01.2004 erhobenem Widerspruch machte der Kläger geltend, nichts davon gewusst zu haben, dass sich Arbeitssuchende aufgrund einer Neuregelung nunmehr mit dem Erhalt der Kündigung arbeitslos melden müssten. Auch sein Arbeitgeber habe ihn über die neue Rechtslage nicht informiert. Der Kläger legte eine Stellungnahme der Firma Z. GmbH vom 20.01.2004 vor, ausweislich derer diese ebenfalls von der gesetzlichen Neuregelung zur unverzüglichen Meldung keine Kenntnis gehabt habe. Sie habe mit Kündigung des Klägers diesen sowie die anderen Arbeitnehmer darauf verwiesen, sich nach Weihnachten beim Arbeitsamt zu melden. Denn bis vor Weihnachten sei zu arbeiten gewesen.
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Der Widerspruchsbescheid vom 03.02.2004 hielt die Ausgangsentscheidung unter Hinweis auf § 37b Sozialgesetzbuch/Arbeitsförderung (SGB III) aufrecht. Der Umstand, dass weder der Kläger selbst noch der Arbeitgeber von der Gesetzesänderung gewusst hätten, könnte keine andere Entscheidung rechtfertigen.
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Der Kläger hat am 04.03.2004 beim Sozialgericht Ulm Klage erhoben. Dieses hat sich für örtlich unzuständig erklärt und durch Beschluss vom 05.04.2004 den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht in Heilbronn verwiesen.
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Der Kläger wiederholt im wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
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den Bescheid vom 14.01.2004 sowie den Widerspruchsbescheid vom 03.02.2004 aufzuheben und ihm ab dem 01.01.2003 ungemindert Arbeitslosengeld zu zahlen.
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Während des laufenden gerichtlichen Verfahrens hat die Arbeitgeberin des Klägers unter dem 22.01.2004 der Beklagten mitgeteilt, dass die Mitarbeiter die Kündigung am Freitag, dem 28.11.2003 zum 31.12.2003 erhalten hätten. Den Mitarbeitern sei - sowie in den vergangenen Jahren - erklärt worden, dass sie sich zwischen Weihnachten und Neujahr beim Arbeitsamt melden sollten. Bis zum 23.12.2003 seien die Mitarbeiter von 7.30 Uhr bis 17.00 Uhr auf verschiedenen Baustellen beschäftigt gewesen. Sämtliche Baustellen hätten vor Weihnachten abgeschlossen werden müssen. Urlaub habe den Mitarbeitern daher nicht gewährt werden können.
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Das Gericht hat am 16.07.2004 die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Sie haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen.
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Das Gericht entscheidet nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der streitgegenständliche Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Die Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen verspäteter Meldung ist nicht gerechtfertigt.
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Die Vorschrift des § 37b Satz 1 SGB III bestimmt, dass Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet sind, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB III mindert sich das Arbeitslosengeld, wenn sich der Arbeitslose entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet hat. Diese Normen wurden durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I, Seite 4607) mit Wirkung zum 01.07.2003 in das SGB III eingefügt.
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Der Kläger gehört zu dem Personenkreis, welcher von der Vorschrift betroffen ist, denn die Kündigung seines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses als Hilfsarbeiter im Garten- und Landschaftsbau erfolgte nach Inkrafttreten der Vorschrift und zwar durch die ihm am 28.11.2003 ausgehändigte Kündigung zum 31.12.2003.
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Der Kläger hat es nicht in rechtlich vorwerfbarer Weise unterlassen, sich unverzüglich im Sinne des § 37b SGB III arbeitssuchend zu melden, als er sich erst am 02.01.2004 persönlich arbeitslos (und damit auch arbeitssuchend) meldete und einen Antrag auf Arbeitslosengeld bei der Beklagten stellte.
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Für den Begriff der Unverzüglichkeit wird die Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) herangezogen, die nach allgemeiner Auffassung nicht nur im Zivilrecht, sondern auch im gesamten nationalen öffentlichen Recht gilt (vgl. Sozialgericht Freiburg, Gerichtsbescheid vom 05.03.2002 - S 7 AL 4295/03 - und Gerichtsbescheid vom 15.04.2004 - S 9 AL 3989/03 - mit weiteren Nachweisen). Daraus folgt, dass eine Verletzung der in § 37b SGB III normierten Verpflichtung nur dann angenommen werden kann, wenn diese schuldhaft, also zumindest fahrlässig, herbeigeführt wird (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 09.06.2004 - L 3 AL 1267/04 -). Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB). Wer den möglichen Eintritt von Sanktionen nicht erkennt, sie aber bei gehöriger Sorgfalt hätte voraussehen und verhindern können, handelt fahrlässig (Landessozialgericht Baden-Württemberg a.a.O.).
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Ein derartiges Verschulden ist grundsätzlich nicht dadurch zu entkräften, dass ein Betroffener sich auf fehlende Rechtskenntnis beruft. Etwas anderes gilt im Zivil- und Strafrecht dann, wenn die Unkenntnis auf einem unverschuldeten oder unvermeidbaren Rechtsirrtum beruht (Sozialgericht Freiburg, a.a.O. unter Hinweis auf Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Auflage 2003, § 12 Rn. 3; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 37 Rn. 43 a. E.; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage 2001, § 17 Rn. 13 ff.). Denn eine allgemeine Pflicht des Bürgers, das Gesetz zu kennen, besteht nicht (Sozialgericht Freiburg, a.a.O. mit weiterem Nachweis). Dasselbe muss unter verfassungskonformer Anwendung des § 37 b S. 1 SGB III im Einzelfall auch für die dort geregelte Obliegenheit der unverzüglichen Meldung gelten. Hat der Betroffene von der neuen Rechtslage trotz gehöriger Anspannung seines Gewissens tatsächlich unverschuldet keine Kenntnis, kann er die Obliegenheit nicht verletzt haben (im Ergebnis ebenso Sozialgericht Freiburg, a.a.O.; a.A. Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O.).
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Die Meldepflicht nach § 37b SGB III ist eine allgemeine Obliegenheitspflicht des Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis (Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O. unter Hinweis auf BT-Drucksache 15/25, Seite 31). Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift handelt es sich somit nicht um eine Rechtspflicht, weil die Beklagte die frühzeitige Arbeitssuche nicht erzwingen kann (Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O. unter Hinweis auf Spellbrink, in: Hennig, SGB III, § 37b Rn. 24). Stattdessen entstehen für den Versicherten nur potentielle Nachteile im Rahmen des § 140 SGB III bei Nichterfüllung der Meldepflicht. Bei verfassungskonformer Anwendung der nach Ansicht des Gerichts an sich verfassungskonformen Vorschriften rechtfertigt dies jedoch nicht eine typisierende Zurechnung der Kenntnis des neu geschaffenen Rechts unabhängig davon, ob dem Versicherten die Pflicht zur Meldung tatsächlich bekannt war (im Ergebnis ebenso Sozialgericht Freiburg, a.a.O.; a.A. Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O. mit Hinweis auf Spellbrink, in Hennig, SGB III, § 37b Rn. 27).
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Denn bei verfassungskonformer Anwendung der §§ 37b, 140 SGB III kann eine solche typisierende Zurechnung der Rechtskenntnis nur dann in Betracht kommen, wenn die Beklagte ihrer - vom Gesetzgeber der Neuregelung zugrunde gelegten - Verpflichtung, die Versicherten in ausreichendem Umfang über die geänderte Rechtslage zu informieren (BT-Drucksache 15/25, Seite 42, Begründung zu Artikel 14 Abs. 2 - Inkrafttreten: „Die Regelungen zur frühzeitigen Meldung als Arbeitssuchender beim Arbeitsamt sowie zur Minderung des Arbeitslosengeldes bei verspäteter Meldung sollen erst sechs Monate später .. in Kraft treten. Diese Vorlaufzeit ermöglicht es den Arbeitsämtern, allgemein über die Neuregelungen zu informieren, und gibt den Betroffenen die Möglichkeit, sich auf die neue Rechtslage einzustellen.") nachgekommen ist.
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Zwar hat das Gericht an der Verfassungsmäßigkeit der §§ 37b, 140 SGB III an sich in Kenntnis der Gesetzgebungsgrundlagen generell keine Zweifel. Allerdings hält es die konkrete Umsetzung dieser Regelungen durch die Bundesagentur für Arbeit für verfassungswidrig, da diese ihren Informationspflichten nicht ausreichend nachgekommen ist.
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Der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Erfüllung der Anwartschaftszeit fällt unter den Schutzbereich des Artikels 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG), wie die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung belegt (vgl. u.a. Spellbrink, in: Hennig, SGB III, § 140 Rn. 40 mit zahlreichen Nachweisen). Die streitgegenständlichen Normen greifen in eine geschützte Rechtsposition des Arbeitslosen ein, weil diesem mit einer Verschärfung des vordem geltenden Rechts das Arbeitslosengeld in bestimmtem Umfang entzogen wird (vgl. insoweit BVerfGE 74, 203 ff. zur Verschärfung der Sperrzeitregelungen). Die gesetzliche Regelung per se ist durch die Schranken des Artikels 14 Abs. 1 GG gedeckt und zur Überzeugung des Gerichts an sich verhältnismäßig. Denn zum einen ist das Regelungsziel an sich, arbeitslose Versicherte möglichst bald als arbeitssuchend zu registrieren und zu vermitteln, sachgerecht. Dieses Ziel zu erreichen ist die Regelung der §§ 37b, 140 SGB III auch geeignet und erforderlich. Auch an der Verhältnismäßigkeit dieser Regelung im engeren Sinne hat das Gericht keine Bedenken. Denn insoweit wird den Interessen der Versicherten pauschal Rechnung getragen, als bei einer verspäteten Meldung der Anspruch nicht vollständig entfällt, sondern nur in einem der Höhe des Anspruchs entsprechenden Umfang unter Setzen einer Maximalminderung verringert wird. Das Gericht teilt insoweit nicht die grundsätzlichen Bedenken an der Regelung, soweit dem Versicherten eine „asymmetrische Handlungspflicht" auferlegt wird, da ihm durch die Vorschrift keinerlei Exkulpationsmöglichkeit eröffnet wird und auch arbeits- bzw. zivilrechtlich ein Rückgriff gegen andere Personen (etwa den entgegen § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III nicht hinreichend über die frühzeitige Meldepflicht informierenden Arbeitgeber) verwehrt bleibt, während die Beklagte keinerlei vorherige strikte Hinweis- und Beratungspflichten, entsprechend §§ 66 Abs. 3 SGB I oder 145 Abs. 1 SGB III treffen (vgl. hierzu Spellbrink, in: Hennig, SGB III, § 140 Rn. 48, § 37b Rn. 27).
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Allerdings hält das Gericht die konkrete Vorgehensweise der Beklagten auf Grundlage der genannten Vorschriften für nicht verhältnismäßig im engeren Sinne und daher verfassungswidrig. Denn entgegen der Intention des Gesetzgebers, dass die Versicherten frühzeitig über die neu geregelte Obliegenheit informiert werden sollten, damit sie dieser nachkommen können (BT-Drucksache 15/25 Seite 42), ist das Gericht davon überzeugt, dass dies durch die Beklagte nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt wurde. Insoweit schließt sich das Gericht der Ansicht des Sozialgerichts Freiburg (a.a.O.) ausdrücklich an, dass wie folgt ausführt: „ .. das Gericht (ist) aufgrund seiner eigenen Wahrnehmung - und dabei handelt es sich aus beruflichen Gründen um eine mit erhöhter Aufmerksamkeit und Fachkunde - der Auffassung, dass hinsichtlich der im Zusammenhang mit § 37b SGB III verabschiedeten Reformen in Presse, Funk und Fernsehen keineswegs eine derart intensive Berichterstattung stattgefunden hat, dass ein Arbeitnehmer bei pflichtgemäßer Sorgfalt von jeder Einzelregelung und insbesondere vom Inhalt des § 37b SGB III habe Kenntnis nehmen müssen. Hierfür war die Berichterstattung in den Medien zu allgemein gehalten und im übrigen die Fülle der im maßgeblichen Zeitraum erfolgenden gesetzlichen Änderungen zu groß sowie deren Regelungsgehalt zu komplex. Die tägliche sozialgerichtliche Praxis in Arbeitsförderungssachen zeigt, dass selbst juristisch ausgebildete Öffentlichkeit, so sie nicht auf das Arbeitsförderungsrecht spezialisiert ist, von der Aufgabe einer präsenten Kenntnis aller für Arbeitnehmer relevanten Neuregelungen überfordert wäre. .., in denen detailliert über die Reformen im Arbeitsförderungsrecht berichtet .. (werden könnte, Anmerkung des Gerichts) - regelmäßig konsumieren.
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Unter verfassungskonformer Anwendung der §§ 37b, 140 SGB III kann vom Versicherten nur entsprechend der von der Beklagten tatsächlich erfolgten Information über die Notwendigkeit einer unverzüglichen Meldung eine solche gefordert werden. Die Meldung des Klägers am 02.01.2004 genügt diesen Anforderungen. Zwar hätte er nach seinen Angaben im Erörterungstermin durchaus noch während der tatsächlichen Beschäftigung bei der Firma Z. GmbH bis 23.12.2003 sich beim zuständigen Arbeitsamt in Ulm arbeitssuchend melden können. Denn nach den eigenen Angaben des Klägers war er spätestens 20 Minuten vor 17.00 Uhr im Betriebshof seines Arbeitgebers und von dort waren es etwa 12 bis 13 km zum zuständigen Arbeitsamt. Dieses hatte jedenfalls donnerstags bis 18.00 Uhr geöffnet. Nach Erhalt der Kündigung hätte der Kläger daher bereits am ersten Donnerstag nach der Kündigung, dem 04.12.2003, beim zuständigen Arbeitsamt vorsprechen und sich melden können. Allerdings hat der Kläger überzeugend geschildert, dass er von der Neuregelung des § 37b SGB III keine Kenntnis hatte. Unter Berücksichtigung des Einzelfalles ist dem Kläger daher seine verspätete Meldung nicht als verschuldet" vorzuwerfen. Denn bereits die letzten drei Jahre hat er sich jeweils zum Anfang der Jahre 2001, 2002 und 2003 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet, nachdem ihm das Beschäftigungsverhältnis jahreszeitbedingt vom Arbeitgeber gekündigt wurde. Nachdem ihn sein Arbeitgeber diesmal wieder darauf verwiesen hatte, sich - wie auch in den vorigen Jahren - zwischen Weihnachten und Neujahr arbeitssuchend zu melden, durfte der Kläger davon ausgehen, dass ihm hieraus im Vergleich zu den Vorjahren keinerlei Nachteile erwachsen.
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Das Gericht entscheidet nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der streitgegenständliche Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Die Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen verspäteter Meldung ist nicht gerechtfertigt.
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Die Vorschrift des § 37b Satz 1 SGB III bestimmt, dass Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet sind, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB III mindert sich das Arbeitslosengeld, wenn sich der Arbeitslose entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet hat. Diese Normen wurden durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I, Seite 4607) mit Wirkung zum 01.07.2003 in das SGB III eingefügt.
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Der Kläger gehört zu dem Personenkreis, welcher von der Vorschrift betroffen ist, denn die Kündigung seines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses als Hilfsarbeiter im Garten- und Landschaftsbau erfolgte nach Inkrafttreten der Vorschrift und zwar durch die ihm am 28.11.2003 ausgehändigte Kündigung zum 31.12.2003.
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Der Kläger hat es nicht in rechtlich vorwerfbarer Weise unterlassen, sich unverzüglich im Sinne des § 37b SGB III arbeitssuchend zu melden, als er sich erst am 02.01.2004 persönlich arbeitslos (und damit auch arbeitssuchend) meldete und einen Antrag auf Arbeitslosengeld bei der Beklagten stellte.
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Für den Begriff der Unverzüglichkeit wird die Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) herangezogen, die nach allgemeiner Auffassung nicht nur im Zivilrecht, sondern auch im gesamten nationalen öffentlichen Recht gilt (vgl. Sozialgericht Freiburg, Gerichtsbescheid vom 05.03.2002 - S 7 AL 4295/03 - und Gerichtsbescheid vom 15.04.2004 - S 9 AL 3989/03 - mit weiteren Nachweisen). Daraus folgt, dass eine Verletzung der in § 37b SGB III normierten Verpflichtung nur dann angenommen werden kann, wenn diese schuldhaft, also zumindest fahrlässig, herbeigeführt wird (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 09.06.2004 - L 3 AL 1267/04 -). Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB). Wer den möglichen Eintritt von Sanktionen nicht erkennt, sie aber bei gehöriger Sorgfalt hätte voraussehen und verhindern können, handelt fahrlässig (Landessozialgericht Baden-Württemberg a.a.O.).
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Ein derartiges Verschulden ist grundsätzlich nicht dadurch zu entkräften, dass ein Betroffener sich auf fehlende Rechtskenntnis beruft. Etwas anderes gilt im Zivil- und Strafrecht dann, wenn die Unkenntnis auf einem unverschuldeten oder unvermeidbaren Rechtsirrtum beruht (Sozialgericht Freiburg, a.a.O. unter Hinweis auf Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Auflage 2003, § 12 Rn. 3; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 37 Rn. 43 a. E.; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage 2001, § 17 Rn. 13 ff.). Denn eine allgemeine Pflicht des Bürgers, das Gesetz zu kennen, besteht nicht (Sozialgericht Freiburg, a.a.O. mit weiterem Nachweis). Dasselbe muss unter verfassungskonformer Anwendung des § 37 b S. 1 SGB III im Einzelfall auch für die dort geregelte Obliegenheit der unverzüglichen Meldung gelten. Hat der Betroffene von der neuen Rechtslage trotz gehöriger Anspannung seines Gewissens tatsächlich unverschuldet keine Kenntnis, kann er die Obliegenheit nicht verletzt haben (im Ergebnis ebenso Sozialgericht Freiburg, a.a.O.; a.A. Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O.).
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Die Meldepflicht nach § 37b SGB III ist eine allgemeine Obliegenheitspflicht des Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis (Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O. unter Hinweis auf BT-Drucksache 15/25, Seite 31). Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift handelt es sich somit nicht um eine Rechtspflicht, weil die Beklagte die frühzeitige Arbeitssuche nicht erzwingen kann (Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O. unter Hinweis auf Spellbrink, in: Hennig, SGB III, § 37b Rn. 24). Stattdessen entstehen für den Versicherten nur potentielle Nachteile im Rahmen des § 140 SGB III bei Nichterfüllung der Meldepflicht. Bei verfassungskonformer Anwendung der nach Ansicht des Gerichts an sich verfassungskonformen Vorschriften rechtfertigt dies jedoch nicht eine typisierende Zurechnung der Kenntnis des neu geschaffenen Rechts unabhängig davon, ob dem Versicherten die Pflicht zur Meldung tatsächlich bekannt war (im Ergebnis ebenso Sozialgericht Freiburg, a.a.O.; a.A. Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O. mit Hinweis auf Spellbrink, in Hennig, SGB III, § 37b Rn. 27).
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Denn bei verfassungskonformer Anwendung der §§ 37b, 140 SGB III kann eine solche typisierende Zurechnung der Rechtskenntnis nur dann in Betracht kommen, wenn die Beklagte ihrer - vom Gesetzgeber der Neuregelung zugrunde gelegten - Verpflichtung, die Versicherten in ausreichendem Umfang über die geänderte Rechtslage zu informieren (BT-Drucksache 15/25, Seite 42, Begründung zu Artikel 14 Abs. 2 - Inkrafttreten: „Die Regelungen zur frühzeitigen Meldung als Arbeitssuchender beim Arbeitsamt sowie zur Minderung des Arbeitslosengeldes bei verspäteter Meldung sollen erst sechs Monate später .. in Kraft treten. Diese Vorlaufzeit ermöglicht es den Arbeitsämtern, allgemein über die Neuregelungen zu informieren, und gibt den Betroffenen die Möglichkeit, sich auf die neue Rechtslage einzustellen.") nachgekommen ist.
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Zwar hat das Gericht an der Verfassungsmäßigkeit der §§ 37b, 140 SGB III an sich in Kenntnis der Gesetzgebungsgrundlagen generell keine Zweifel. Allerdings hält es die konkrete Umsetzung dieser Regelungen durch die Bundesagentur für Arbeit für verfassungswidrig, da diese ihren Informationspflichten nicht ausreichend nachgekommen ist.
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Der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Erfüllung der Anwartschaftszeit fällt unter den Schutzbereich des Artikels 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG), wie die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung belegt (vgl. u.a. Spellbrink, in: Hennig, SGB III, § 140 Rn. 40 mit zahlreichen Nachweisen). Die streitgegenständlichen Normen greifen in eine geschützte Rechtsposition des Arbeitslosen ein, weil diesem mit einer Verschärfung des vordem geltenden Rechts das Arbeitslosengeld in bestimmtem Umfang entzogen wird (vgl. insoweit BVerfGE 74, 203 ff. zur Verschärfung der Sperrzeitregelungen). Die gesetzliche Regelung per se ist durch die Schranken des Artikels 14 Abs. 1 GG gedeckt und zur Überzeugung des Gerichts an sich verhältnismäßig. Denn zum einen ist das Regelungsziel an sich, arbeitslose Versicherte möglichst bald als arbeitssuchend zu registrieren und zu vermitteln, sachgerecht. Dieses Ziel zu erreichen ist die Regelung der §§ 37b, 140 SGB III auch geeignet und erforderlich. Auch an der Verhältnismäßigkeit dieser Regelung im engeren Sinne hat das Gericht keine Bedenken. Denn insoweit wird den Interessen der Versicherten pauschal Rechnung getragen, als bei einer verspäteten Meldung der Anspruch nicht vollständig entfällt, sondern nur in einem der Höhe des Anspruchs entsprechenden Umfang unter Setzen einer Maximalminderung verringert wird. Das Gericht teilt insoweit nicht die grundsätzlichen Bedenken an der Regelung, soweit dem Versicherten eine „asymmetrische Handlungspflicht" auferlegt wird, da ihm durch die Vorschrift keinerlei Exkulpationsmöglichkeit eröffnet wird und auch arbeits- bzw. zivilrechtlich ein Rückgriff gegen andere Personen (etwa den entgegen § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III nicht hinreichend über die frühzeitige Meldepflicht informierenden Arbeitgeber) verwehrt bleibt, während die Beklagte keinerlei vorherige strikte Hinweis- und Beratungspflichten, entsprechend §§ 66 Abs. 3 SGB I oder 145 Abs. 1 SGB III treffen (vgl. hierzu Spellbrink, in: Hennig, SGB III, § 140 Rn. 48, § 37b Rn. 27).
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Unter verfassungskonformer Anwendung der §§ 37b, 140 SGB III kann vom Versicherten nur entsprechend der von der Beklagten tatsächlich erfolgten Information über die Notwendigkeit einer unverzüglichen Meldung eine solche gefordert werden. Die Meldung des Klägers am 02.01.2004 genügt diesen Anforderungen. Zwar hätte er nach seinen Angaben im Erörterungstermin durchaus noch während der tatsächlichen Beschäftigung bei der Firma Z. GmbH bis 23.12.2003 sich beim zuständigen Arbeitsamt in Ulm arbeitssuchend melden können. Denn nach den eigenen Angaben des Klägers war er spätestens 20 Minuten vor 17.00 Uhr im Betriebshof seines Arbeitgebers und von dort waren es etwa 12 bis 13 km zum zuständigen Arbeitsamt. Dieses hatte jedenfalls donnerstags bis 18.00 Uhr geöffnet. Nach Erhalt der Kündigung hätte der Kläger daher bereits am ersten Donnerstag nach der Kündigung, dem 04.12.2003, beim zuständigen Arbeitsamt vorsprechen und sich melden können. Allerdings hat der Kläger überzeugend geschildert, dass er von der Neuregelung des § 37b SGB III keine Kenntnis hatte. Unter Berücksichtigung des Einzelfalles ist dem Kläger daher seine verspätete Meldung nicht als verschuldet" vorzuwerfen. Denn bereits die letzten drei Jahre hat er sich jeweils zum Anfang der Jahre 2001, 2002 und 2003 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet, nachdem ihm das Beschäftigungsverhältnis jahreszeitbedingt vom Arbeitgeber gekündigt wurde. Nachdem ihn sein Arbeitgeber diesmal wieder darauf verwiesen hatte, sich - wie auch in den vorigen Jahren - zwischen Weihnachten und Neujahr arbeitssuchend zu melden, durfte der Kläger davon ausgehen, dass ihm hieraus im Vergleich zu den Vorjahren keinerlei Nachteile erwachsen.
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