Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
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Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
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Der 1971 geborene Kläger, der bereits früher bei der Beklagten im Leistungsbezug nach dem SGB II gestanden hatte, beantragte am 01.07.2008 (unter Hinweis, bis 08.07.2008 Schüler zu sein) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er lebt seit 2001 mit Frau R. in einer Wohnung. Bei Antragstellung erklärte er, nicht bereit zu sein, in irgendeiner Weise für seine Mitbewohnerin einzustehen. Dies treffe umgekehrt auch für sie zu. Sie führten ein unabhängiges Leben ohne gemeinsame Konten oder gegenseitige Vollmachten.
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Nachdem der Kläger am 25.07.2008 einen Hausbesuch durch die Beklagte verweigert hatte, lehnte diese den Antrag mit Bescheid vom selben Tag ab, da die Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen sei.
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Der Kläger legte Widerspruch ein, den er damit begründete, dass er sich nur aus Kostengründen eine Wohnung teile; er und seine Mitbewohnerin seien kein „eheähnliches Paar“. Es sei nie angesprochen worden, dass die Anspruchsvoraussetzungen nicht feststellbar seien. Er widerspreche dem Vorwurf, die Wohnungsbesichtigung verweigert zu haben, da ein schriftlich begründeter Verdacht auf Leistungsmissbrauch nicht vorgelegen habe. Gegen einen vereinbarten Termin habe er nichts einzuwenden, einer unangekündigten Wohnungsbesichtigung habe er ohne schriftliche Einwilligung seiner Mitbewohnerin nicht zustimmen können. Der Kläger legte ein Schreiben von Frau R. vom 15.08.2008 vor, dass sie beide nicht in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebten. Sie sei nicht bereit, für den Kläger finanziell einzustehen.
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Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 25.08.2008 zurückgewiesen. Die Frage der wirtschaftlichen Bedürftigkeit sei klärungsbedürftig gewesen. Lasse sich der Sachverhalt in einem für die Entscheidung erheblichen Punkt nicht aufklären, habe der Hilfesuchende den Nachteil zu tragen und sei die Leistung abzulehnen. Der Kläger lebe seit sieben Jahren mit Frau R. in einer Wohnung. Die Dauer des Zusammenlebens stelle ein Indiz für eine eheähnliche Gemeinschaft dar, die Klärung der realen Verhältnisse hätte im Zuge eines unangemeldeten und auf die vom Kläger selbst bewohnten Räumlichkeiten beschränkten Hausbesuchs erfolgen können. Ein unangemeldeter Hausbesuch ermögliche in besonderer Weise realitätsnahe und durch keine etwaigen „Vorsorgemaßnahmen“ beeinflusste Feststellungen hinsichtlich der Wohn- und Wirtschaftsverhältnisse. Er sei jedoch trotz Zumutbarkeit vom Kläger abgelehnt worden. Verweigere aber ein Hilfesuchender ohne triftige Gründe den Zutritt zu seiner Wohnung, seien die Anspruchsvoraussetzungen nicht nachgewiesen, der „Vereitelungsvorgang“ stelle einen leistungsrechtlichen Versagungsgrund dar.
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Der Kläger hat am 18.09.2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Neben einem Verweis auf die Widerspruchsbegründung durch ihn selbst hat sein – nach Durchführung eines Erörterungstermins eingeschalteter – Prozessbevollmächtigter Ausführungen zum Umfang der Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II und den Anforderungen an einen Gegenbeweis sowie geltend gemacht, dass keine über eine bloße Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehende Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft vorliege. Die Unverletzlichkeit der Wohnung sei ein hohes Gut. Hausbesuche müssten nur bei hier nicht vorliegenden berechtigten Zweifeln an den Angaben des Betroffenen gestattet werden. Die Beklagte habe durch mildere Mittel, z.B. nach §§ 60 ff. SGB I vorgehen können.
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 25.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.08.2008 zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung des Einkommens von Frau R. zu zahlen.
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Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
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Zum 28.07.2008 meldete sich der Kläger vom Leistungsbezug ab, da er ab diesem Tag wieder in Arbeit stehe.
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Das Gericht hat am 15.07.2009 (durch den Vorgänger des gegenwärtigen Kammervorsitzenden) einen Erörterungstermin durchgeführt, den Kläger angehört und Frau R. als Zeugin vernommen. Beide haben sich im Wesentlichen übereinstimmend dahin geäußert, dass jeder sein eigenes Zimmer habe, ein drittes, bis 2002 vom Bruder der Zeugin bewohntes Zimmer gemeinsam genutzt werde, sie sich die Kosten für Kabel- und Telefonanschluss teilten, jeder eine eigene Privathaftpflichtversicherung habe, jeder (von geringwertigen Sachen abgesehen) allein auf eigene Rechnung wirtschafte und sie sich keine gegenseitigen Kontovollmachten gegeben hätten. Zwischen ihnen habe nie eine intime Beziehung bestanden. Die Zeugin hat Angaben zu ihren Einkommensverhältnissen gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift verwiesen. Der Kläger hat – noch nicht anwaltlich vertreten – mit Schriftsatz vom 16.07.2009 eingewandt, die Befragung habe nichts mit dem Sachverhalt zu tun gehabt; ferner hat er seine Klage u.a. um den Antrag erweitert, ihn vom Vorwurf eines Vereitelungsvorgangs freizusprechen.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, dass der Vorschlag eines Hausbesuchs bei einem Gespräch mit drei Mitarbeitern der Beklagten erfolgt sei und dass Frau R. zwar ihr Zimmer noch miete, berufsbedingt aber nicht mehr dort lebe. Ferner hat er eine ebenfalls am 18.09.2008 erhobene und gegen eine Eingliederungsvereinbarung gerichtete Klage (S 13 AS 4099/08), über die das Gericht zeitgleich verhandelt hat, zurückgenommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorliegende Verwaltungsakte verwiesen.
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Das Gericht entscheidet im Interesse des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung trotz des im Erörterungstermin von beiden Beteiligten erklärten und damit unwiderruflichen Verzichts, nachdem der Kläger erklärt hat, einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht mehr zustimmen zu können.
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Als (noch) streitgegenständlich wird nur der Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erachtet. Nur dieses bei Klageerhebung allein geltend gemachte Begehren – und nicht etwa auch die mit Schriftsatz vom 16.07.2009 u.a. beantragte Freisprechung vom Vorwurf eines Vereitelungsvorgangs – ist von seinem Prozessbevollmächtigten in dessen ergänzender Klagebegründung noch aufgegriffen worden, nur dahin ist der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag gegangen, so dass jedenfalls von einer konkludenten teilweisen Klagerücknahme auszugehen ist (vgl.
Leitherer
in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 102 Rn. 7b). Die im Schriftsatz vom 16.07.2009 angekündigten weiteren Anträge, hinsichtlich derer die Beklagte nie eine Einwilligung erklärt hat, haben im Wesentlichen auch auf bloße Ausschlussgründe für den geltend gemachten Leistungsanspruch gezielt und sind insoweit inzident mit zu prüfen.
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Die so verstandene Klage ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, vielmehr hat die Beklagte seinen Antrag zu Recht abgelehnt.
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Leistungsberechtigt ist nur, wer u.a. hilfebedürftig ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II). Dies setzt nach § 9 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB II insbesondere voraus, dass auch unter Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen eines Partners einer Bedarfsgemeinschaft der Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Für die Feststellung eines Leistungsanspruchs klärungsbedürftig ist daher, ob der Antragsteller Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft ist. Dies ist nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c) SGB II als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wobei ein solcher wechselseitiger Wille nach § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II vermutet wird, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben.
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Ob der Kläger im Juli 2008 hilfebedürftig gewesen ist, lässt sich nicht feststellen. Dies geht zu seinen Lasten. Zwar ermittelt nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen und bestimmt nach Satz 2 Art und Umfang der Ermittlungen, ohne an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden zu sein. Zu den danach zulässigen Maßnahmen behördlicher Sachaufklärung gehört auch die Feststellung der Wohn- und Wirtschaftsverhältnisse und gegebenenfalls die Besichtigung der Wohnung eines Antragstellers als Einnahme eines Augenscheins nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB X (vgl. VG Münster, Urteil vom 04.02.2003, 5 K 1906/99, sowie die Nachweise bei
Berlit
, jurisPR-SozR 26/2005 Anm. 2 zum Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 22.04.2005, L 2 B 9/05 AS ER). Das Gericht hat keine grundsätzlichen Bedenken wegen der durch Art. 13 Abs. 1 GG gewährleisteten Unverletzlichkeit der Wohnung (so aber etwa SG Freiburg, Beschluss vom 28.02.2006, S 9 AS 889/06 ER). Da die Duldung des Hausbesuchs nicht erzwingbar ist, liegt kein Grundrechtseingriff vor (
Luthe
in: Hauck/Noftz, SGB II, 15. EL, § 6 Rn. 14a).
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Für die Beklagte hat auch hinreichender Anlass bestanden, einen Hausbesuch durchzuführen, um zu klären, ob zwischen dem Kläger und der Zeugin eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft vorgelegen hat und insoweit für die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen auch ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu prüfen gewesen sind. Ein solcher Anlass folgt bereits daraus, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung seit über sechs Jahren – und damit deutlich länger als den in § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II genannten Zeitraum von einem Jahr – allein mit der Zeugin in einer Wohnung gelebt hat. Der Hausbesuch hat auch unangemeldet erfolgen dürfen; andernfalls wäre die Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts zumindest erheblich erschwert worden. Das Gericht schließt sich insoweit ebenso wie die Beklagte der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung an, dass eine vom Kläger angebotene Hausbesichtigung „mit dem Erkenntnispotenzial eines unangemeldeten Hausbesuchs nicht vergleichbar (ist). Ein solcher ermöglicht in besonderer Weise realitätsnahe, durch keine etwaigen Vorsorgemaßnahmen beeinflusste Feststellungen“ (OVG NRW, Beschluss vom 06.12.2002, 16 B 1921/02). Um dieses Potenzial nicht zu schmälern, ist die Beklagte auch nicht gehalten gewesen, zunächst ihre Zweifel dem Kläger darzulegen (so aber Hess. LSG, Beschluss vom 30.01.2006, L 7 AS 1/06 ER, L 7 AS 13/06 ER; die in Bezug genommene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung stützt aber nur die Auffassung, dass die Geeignetheit eines Augenscheins im Einzelfall zu beurteilen sei, ohne eine vorherige Darlegungspflicht der Behörde zu begründen).
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Der Kläger hat den Hausbesuch ohne triftigen Grund verweigert, wobei auf die Wertungen des § 65 SGB I zurückgegriffen werden kann (für eine entsprechende Anwendung VG Gera, Beschluss vom 16.01.2004, 6 E 2561/03.GE). Insbesondere folgt ein solcher Grund nicht aus der fehlenden Zustimmung der Zeugin, da es möglich gewesen wäre, die Besichtigung auf die nach seinem Vortrag nur von ihm oder gemeinsam genutzten Räume zu beschränken. Insoweit ist die vorherige Zustimmung von Mitbewohnern nicht rechtlich und nach Auffassung der Kammer auch nicht sozial aufgrund gegenseitiger Rücksichtnahme geboten. Die vom Kläger beklagte „Überrumpelung“ stellt ebenfalls keinen Grund dar, einen unangemeldeten Hausbesuch zu verweigern, sondern ist gerade dessen Zweck. Aufgrund der Verweigerung des berechtigten Hausbesuchs ist die Beklagte berechtigt gewesen, ohne weitere Ermittlungen von dem für den Kläger ungünstigsten Ergebnis auszugehen – dem Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft und der Deckung des gemeinsamen Bedarfs aufgrund Einkommen und Vermögen der Zeugin – und den Antrag abzulehnen (ebenso
Luthe
, ebd., m.w.N.; aA LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.01.2007, L 13 AS 3747/06 ER-B).
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Ein Hinweis nach § 66 Abs. 3 SGB I ist nicht erforderlich gewesen, da die Leistung nicht wegen fehlender Mitwirkung versagt worden ist, sondern aus beweisrechtlichen Gründen. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht könnte in dem Verhalten des Klägers voraussichtlich auch nicht gesehen werden, da die §§ 60 ff. SGB I insoweit nicht einschlägig sein dürften (nur darauf abstellend aber LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.06.2006, L 14 B 124/06 AS ER). Jedenfalls stellen sie entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht stets ein milderes Mittel dar (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.03.2006, L 7 SO 96/06 PKH-B)
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Der wegen Nichtaufklärbarkeit getroffenen Entscheidung der Beklagten steht schließlich nicht entgegen, dass der Kläger und die Zeugin im Laufe des Gerichtsverfahrens Angaben zu ihren Wohnverhältnissen gemacht haben. Unabhängig davon, ob eine rückwirkende Aufklärung überhaupt in Betracht kommt, genügt dafür jedenfalls eine über ein Jahr nach Ende des maßgeblichen Zeitraums erfolgte Schilderung vermeintlich feststellbarer Tatsachen nicht, wenn wie hier Anlass für einen unangemeldeten Hausbesuch bestanden hat und zulässigerweise das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft unterstellt worden ist. In der mündlichen Verhandlung hat Einigkeit zwischen Gericht und Beteiligten bestanden, dass nach dem weitgehenden Auszug der Zeugin eine Augenscheinseinnahme keinen Erkenntnisgewinn gebracht hätte.
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Die Zulassung der Berufung beruht auf § 144 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG. Zwar liegen die halbe Miete und die Regelleistung zusammen unter der Berufungssumme von 750 Euro, die Rechtssache hat jedoch grundsätzliche Bedeutung. Soweit ersichtlich, ist insbesondere nicht durch (sozialgerichtliche) Entscheidungen in der Hauptsache geklärt, ob, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen ein unangemeldeter Hausbesuch durch Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zulässig ist. Eilbeschlüsse von Landessozialgerichten deuten auf eine Abkehr von der älteren verwaltungsgerichtsgerichtlichen Rechtsprechung hin.
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Das Gericht entscheidet im Interesse des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung trotz des im Erörterungstermin von beiden Beteiligten erklärten und damit unwiderruflichen Verzichts, nachdem der Kläger erklärt hat, einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht mehr zustimmen zu können.
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Als (noch) streitgegenständlich wird nur der Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erachtet. Nur dieses bei Klageerhebung allein geltend gemachte Begehren – und nicht etwa auch die mit Schriftsatz vom 16.07.2009 u.a. beantragte Freisprechung vom Vorwurf eines Vereitelungsvorgangs – ist von seinem Prozessbevollmächtigten in dessen ergänzender Klagebegründung noch aufgegriffen worden, nur dahin ist der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag gegangen, so dass jedenfalls von einer konkludenten teilweisen Klagerücknahme auszugehen ist (vgl.
Leitherer
in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 102 Rn. 7b). Die im Schriftsatz vom 16.07.2009 angekündigten weiteren Anträge, hinsichtlich derer die Beklagte nie eine Einwilligung erklärt hat, haben im Wesentlichen auch auf bloße Ausschlussgründe für den geltend gemachten Leistungsanspruch gezielt und sind insoweit inzident mit zu prüfen.
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Die so verstandene Klage ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, vielmehr hat die Beklagte seinen Antrag zu Recht abgelehnt.
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Leistungsberechtigt ist nur, wer u.a. hilfebedürftig ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II). Dies setzt nach § 9 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB II insbesondere voraus, dass auch unter Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen eines Partners einer Bedarfsgemeinschaft der Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Für die Feststellung eines Leistungsanspruchs klärungsbedürftig ist daher, ob der Antragsteller Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft ist. Dies ist nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c) SGB II als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wobei ein solcher wechselseitiger Wille nach § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II vermutet wird, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben.
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Ob der Kläger im Juli 2008 hilfebedürftig gewesen ist, lässt sich nicht feststellen. Dies geht zu seinen Lasten. Zwar ermittelt nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen und bestimmt nach Satz 2 Art und Umfang der Ermittlungen, ohne an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden zu sein. Zu den danach zulässigen Maßnahmen behördlicher Sachaufklärung gehört auch die Feststellung der Wohn- und Wirtschaftsverhältnisse und gegebenenfalls die Besichtigung der Wohnung eines Antragstellers als Einnahme eines Augenscheins nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB X (vgl. VG Münster, Urteil vom 04.02.2003, 5 K 1906/99, sowie die Nachweise bei
Berlit
, jurisPR-SozR 26/2005 Anm. 2 zum Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 22.04.2005, L 2 B 9/05 AS ER). Das Gericht hat keine grundsätzlichen Bedenken wegen der durch Art. 13 Abs. 1 GG gewährleisteten Unverletzlichkeit der Wohnung (so aber etwa SG Freiburg, Beschluss vom 28.02.2006, S 9 AS 889/06 ER). Da die Duldung des Hausbesuchs nicht erzwingbar ist, liegt kein Grundrechtseingriff vor (
Luthe
in: Hauck/Noftz, SGB II, 15. EL, § 6 Rn. 14a).
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Für die Beklagte hat auch hinreichender Anlass bestanden, einen Hausbesuch durchzuführen, um zu klären, ob zwischen dem Kläger und der Zeugin eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft vorgelegen hat und insoweit für die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen auch ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu prüfen gewesen sind. Ein solcher Anlass folgt bereits daraus, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung seit über sechs Jahren – und damit deutlich länger als den in § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II genannten Zeitraum von einem Jahr – allein mit der Zeugin in einer Wohnung gelebt hat. Der Hausbesuch hat auch unangemeldet erfolgen dürfen; andernfalls wäre die Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts zumindest erheblich erschwert worden. Das Gericht schließt sich insoweit ebenso wie die Beklagte der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung an, dass eine vom Kläger angebotene Hausbesichtigung „mit dem Erkenntnispotenzial eines unangemeldeten Hausbesuchs nicht vergleichbar (ist). Ein solcher ermöglicht in besonderer Weise realitätsnahe, durch keine etwaigen Vorsorgemaßnahmen beeinflusste Feststellungen“ (OVG NRW, Beschluss vom 06.12.2002, 16 B 1921/02). Um dieses Potenzial nicht zu schmälern, ist die Beklagte auch nicht gehalten gewesen, zunächst ihre Zweifel dem Kläger darzulegen (so aber Hess. LSG, Beschluss vom 30.01.2006, L 7 AS 1/06 ER, L 7 AS 13/06 ER; die in Bezug genommene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung stützt aber nur die Auffassung, dass die Geeignetheit eines Augenscheins im Einzelfall zu beurteilen sei, ohne eine vorherige Darlegungspflicht der Behörde zu begründen).
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Der Kläger hat den Hausbesuch ohne triftigen Grund verweigert, wobei auf die Wertungen des § 65 SGB I zurückgegriffen werden kann (für eine entsprechende Anwendung VG Gera, Beschluss vom 16.01.2004, 6 E 2561/03.GE). Insbesondere folgt ein solcher Grund nicht aus der fehlenden Zustimmung der Zeugin, da es möglich gewesen wäre, die Besichtigung auf die nach seinem Vortrag nur von ihm oder gemeinsam genutzten Räume zu beschränken. Insoweit ist die vorherige Zustimmung von Mitbewohnern nicht rechtlich und nach Auffassung der Kammer auch nicht sozial aufgrund gegenseitiger Rücksichtnahme geboten. Die vom Kläger beklagte „Überrumpelung“ stellt ebenfalls keinen Grund dar, einen unangemeldeten Hausbesuch zu verweigern, sondern ist gerade dessen Zweck. Aufgrund der Verweigerung des berechtigten Hausbesuchs ist die Beklagte berechtigt gewesen, ohne weitere Ermittlungen von dem für den Kläger ungünstigsten Ergebnis auszugehen – dem Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft und der Deckung des gemeinsamen Bedarfs aufgrund Einkommen und Vermögen der Zeugin – und den Antrag abzulehnen (ebenso
Luthe
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Ein Hinweis nach § 66 Abs. 3 SGB I ist nicht erforderlich gewesen, da die Leistung nicht wegen fehlender Mitwirkung versagt worden ist, sondern aus beweisrechtlichen Gründen. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht könnte in dem Verhalten des Klägers voraussichtlich auch nicht gesehen werden, da die §§ 60 ff. SGB I insoweit nicht einschlägig sein dürften (nur darauf abstellend aber LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.06.2006, L 14 B 124/06 AS ER). Jedenfalls stellen sie entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht stets ein milderes Mittel dar (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.03.2006, L 7 SO 96/06 PKH-B)
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Der wegen Nichtaufklärbarkeit getroffenen Entscheidung der Beklagten steht schließlich nicht entgegen, dass der Kläger und die Zeugin im Laufe des Gerichtsverfahrens Angaben zu ihren Wohnverhältnissen gemacht haben. Unabhängig davon, ob eine rückwirkende Aufklärung überhaupt in Betracht kommt, genügt dafür jedenfalls eine über ein Jahr nach Ende des maßgeblichen Zeitraums erfolgte Schilderung vermeintlich feststellbarer Tatsachen nicht, wenn wie hier Anlass für einen unangemeldeten Hausbesuch bestanden hat und zulässigerweise das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft unterstellt worden ist. In der mündlichen Verhandlung hat Einigkeit zwischen Gericht und Beteiligten bestanden, dass nach dem weitgehenden Auszug der Zeugin eine Augenscheinseinnahme keinen Erkenntnisgewinn gebracht hätte.
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Die Zulassung der Berufung beruht auf § 144 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG. Zwar liegen die halbe Miete und die Regelleistung zusammen unter der Berufungssumme von 750 Euro, die Rechtssache hat jedoch grundsätzliche Bedeutung. Soweit ersichtlich, ist insbesondere nicht durch (sozialgerichtliche) Entscheidungen in der Hauptsache geklärt, ob, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen ein unangemeldeter Hausbesuch durch Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zulässig ist. Eilbeschlüsse von Landessozialgerichten deuten auf eine Abkehr von der älteren verwaltungsgerichtsgerichtlichen Rechtsprechung hin.
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