Beschluss vom Sozialgericht Karlsruhe - S 1 SF 381/15 E

Tenor

Die Entschädigung der Antragstellerin für ihre schriftliche Auskunft vom 23. Dezember 2014 in dem Rechtsstreit S 10 SB 2798/14 wird in Übereinstimmung mit der Kostenbeamtin (Verfügung vom 02. Januar 2015) auf 45,45 EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
Auf den - nicht fristgebundenen - Antrag auf richterliche Festsetzung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG) ist die Entschädigung der Antragstellerin für ihre schriftliche Auskunft als sachverständige Zeugin vom 23. Dezember 2014 im Verfahren S 10 SB .../14 auf 45,45 EUR festzusetzen.
Der Entschädigungsanspruch der Antragstellerin richtet sich allein nach den Bestimmungen des JVEG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 JVEG).
Nach § 10 Abs. 1 JVEG („Honorar für besondere Leistungen“) bemisst sich das Honorar oder die Entschädigung eines Sachverständigen oder eines sachverständigen Zeugen, der Leistungen der in der Anlage 2 zum JVEG bezeichneten Art erbringt, nach dieser Anlage. Die Vorschrift setzt in Verbindung mit der Anlage 2 zur Vereinfachung der Abrechnung für häufig wiederkehrende Leistungen auf medizinischem Gebiet feste Vergütungssätze oder Vergütungsrahmen fest (vgl. Binz/Dorndörfer, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Aufl. 2014, § 10, Rn. 1).Die insoweit maßgebliche Anlage 2 (in der hier anzuwendenden <§ 24 Satz 1 JVEG> Fassung des Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23. Juli 2013 ) lautet für die Erstellung eines schriftlichen Befundes wie folgt:
„JVEG Anlage 2 (zu § 10 Abs. 1)
Abschnitt 2
Befund
Nr. 200
Ausstellung eines Befundscheins oder Erstellung einer schriftlichen Auskunft ohne nähere gutachtlicher Äußerung
21,00 EUR
                          
Nr. 201
Die Leistung der in Nummer 200 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich: Das Honorar 200 beträgt
bis zu 44,00 EUR
                          
Nr. 202
Zeugnis über einen ärztlichen Befund mit von der heranziehenden Stelle geforderter kurzer gutachtlicher Äußerung oder Formbogengutachten,
wenn sich die Fragen auf Vorgeschichte, Angaben und Befund beschränken und nur ein kurzes Gutachten erfordern
38,00 EUR
                          
Nr. 203
Die Leistung der in Nummer 202 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich: Das Honorar 202 beträgt
bis zu 75,00 EUR
Die von der Kostenbeamtin am 02. Januar 2015 vorgenommene Festsetzung der Entschädigung der Antragstellerin für die Erstellung ihrer schriftlichen Auskunft als sachverständige Zeugin ist danach zu Recht nach der Nr. 202 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG mit 38,00 EUR erfolgt.
Wie aus dem Wortlaut des Gesetzes hervorgeht, ist nicht nur eine umfangreiche, sondern eine „außergewöhnlich“ umfangreiche Leistung für die höhere Entschädigung als nach der Nr. 202 der Anlage 2 zum JVEG zu fordern (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 01. September 2006 - L 12 R 3579/06 KO-A -; st. Rspr. des erkennenden Gerichts, vgl. u.a. Beschlüsse vom 16. November 2012 - S 1 KO 4138/12 - und vom 25. Oktober 2013 - S 1 KO 3683/13 - und zuletzt vom 30. September 2014 - S 1 SF 3240/14 E ). Eine solche deutlich über den Normalfall hinausgehende Leistung (vgl. hierzu Binz/Dorndörfer, a.a.O., Rn. 10 m.w.N.) kann naturgemäß nur selten vorliegen (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, Anl. 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG, Rn. 25). Sie hängt nicht in erster Linie vom Umfang der schriftlichen Ausführungen des sachverständigen Zeugen, d.h. von der Zeilenzahl ab; maßgebend ist vielmehr das Ausmaß der für die Erstellung der Auskunft erforderlichen Arbeit, sofern sie durch die gerichtliche Anforderung gedeckt ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen vom 28. Februar 2001 - L 10 SB 50/00 - und Thür. LSG vom 27. Februar 2008 - L 6 B 134/07 SF -, ferner LSG Schleswig-Holstein vom 10. Dezember 2008 - L 1 SK 14/08 - sowie SG Braunschweig 07. Januar 2011 – S 36 R 287/09 - ). Diese Arbeit ist von Fall zu Fall verschieden. Die Rechtsprechung hat aber Kriterien entwickelt, anhand derer der Arbeitsaufwand bestimmt werden kann.Dieser orientiert sich regelmäßig an Art und Umfang bzw. Ausführlichkeit der Beschreibung, der Schwierigkeit, die berichtenswerten Befunde zusammenzustellen, sowie u.a. danach, ob neben den eigenen Unterlagen auch (fachübergreifend) Unterlagen anderer Ärzte ausgewertet worden sind. Insbesondere gilt das für die Auswertung fremder Arztbriefe auf medizinischen Gebieten, in denen regelmäßig eine große Zahl technischer Befunde oder Funktionsdiagramme anfallen. Ebenso kann es einen erhöhten Arbeitsaufwand bedeuten, wenn ein komplexes, wechselhaftes Krankheitsbild über Jahre hinweg aus schwer überschaubaren Unterlagen darzustellen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen vom 29. Januar 2003 - L 10 SB 71/02 - ). Ein „außergewöhnlicher“ Umfang der Leistung nach Anlage 2 Nr. 202 zu § 10 Abs. 1 JVEG muss mit anderen Worten im Umfang und Ausmaß über den sonst mit der Erstellung eines ärztlichen Befundes und der Abgabe einer kurzen gutachterlichen Äußerung üblicherweise verbundenen Aufwand deutlich hinausgehen und in der schriftlichen Auskunft auch zum Ausdruck kommen. Die erbrachte Leistung muss mithin das gewöhnliche Maß ganz erheblich überschreiten. Dies umfasst regelmäßig eine ins Einzelne gehende Darlegung der Krankheitsgeschichte mit detaillierter Angabe zu den erhobenen Befunden und die inhaltliche Zusammenstellung der dem Arzt vorliegenden Untersuchungsberichte.
10 
Gemessen daran, stellt die schriftliche Auskunft der Antragstellerin vom 23. Dezember 2014 keine Leistung nach der Nr. 203 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG dar. Denn mit insgesamt zwei Textseiten, davon (allenfalls) sieben Zeilen gutachtlicher Stellungnahme (Antworten zu den Beweisfragen 6 bis 8), ist die schriftliche sachverständige Zeugenaussage nicht einmal umfangreich und damit erst recht nicht - wie erforderlich - - „außergewöhnlich umfangreich“ im Sinne der Nr. 203 der Anlage 2 zu § 10 JVEG. Sie beinhaltet auch keine fachübergreifende Zusammenstellung und Auswertung eigener und fremder ärztlicher Unterlagen. Allein der Umstand, dass sich nach der Anfrage des Kammervorsitzenden vom 15. Dezember 2014 die zu beantwortenden Beweisfragen auf die Zeit ab März 2009 bezogen, mithin einen Zeitraum von rund fünf drei Viertel Jahren umfassten, führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Denn mit Blick auf den heute auch in Arztpraxen gängigen und üblichen Einsatz moderner Bürokommunikationsmittel geht das Gericht davon aus, dass die Antragstellerin die erfragten konkreten Behandlungsdaten, die von ihr diagnostizierten Gesundheitsstörungen des Klägers des Hauptsacheverfahrens sowie die von ihr - aufgeschlüsselt nach Datum - mitgeteilten Blutdruckwerte nicht erst mühsam aus über Jahre hinweg erfolgten handschriftlichen Aufzeichnungen aus einer Patientenakte zusammengetragen hat, sondern dass sie diese in elektronischer Form in einer Patientendatei aufbereitet hatte. Die Zusammenstellung dieser Angaben hat deshalb keinen erhöhten Arbeitsaufwand der Antragstellerin verursacht. Denn der Rückgriff auf einen schon bestehenden Datenbestand spricht für einen unterdurchschnittlichen Zeitaufwand und eine eher unterdurchschnittliche Schwierigkeit (so auch LSG Nordrhein-Westfalen vom 29. Januar 2003 - L 10 SB 71/02 - ).
11 
Für die von ihr erbrachte (Haupt-)Leistung steht der Antragstellerin deshalb eine Entschädigung von 38,00 EUR zu. Bei diesem Betrag handelt es sich um die vom Gesetzgeber für eine Leistung nach der Nr. 202 der Anl. 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG festgesetzte Entschädigungspauschale, die - anders als die Vergütung eines gerichtlichen Sachverständigen (§ 8 Abs. 2 JVEG) - unabhängig von der von einem sachverständigen Zeugen für die Erstellung seiner schriftlichen Auskunft aufgewandten Zeit gewährt wird, und bei deren Höhe weder der Kostenbeamtin noch dem erkennenden Gericht ein Ermessensspielraum zusteht. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht entscheidungserheblich, ob mit dieser Pauschale die Leistung der Antragstellerin adäquat vergütet ist. Eine Abgeltung sämtlicher mit der Beantwortung des Auskunftsersuchens verbundener Kosten in jedem Einzelfall ist nicht geboten, wie auch umgekehrt den Auskunftspersonen - anders als Sachverständigen - nicht der Nachweis tatsächlicher Aufwendungen in Höhe des Honorars abverlangt wird (vgl. SG Dresden vom 04. Mai 2011 - S 18 KR 32/10 - ). Durch den Pauschalbetrag unterscheidet sich der Entschädigungsanspruch eines sachverständigen Zeugen von dem Anspruch auf Vergütung eines vom Gericht herangezogenen Sachverständigen.
12 
Weiter hat die Antragstellerin Anspruch auf eine Entschädigung für die von ihr angefertigten zwei Mehrfertigungen ihrer schriftlichen Auskunft, d.s. zweimal zwei Seiten zu je 0,50 EUR, mithin in Höhe von 2,00 EUR, sowie für die von ihr angefertigten 8 Fotokopien zu je 0,50 EUR, d.s. 4,00 EUR (§ 7 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 JVEG).
13 
Hinzu kommt schließlich die Entschädigung des von ihr verauslagten Portos von 1,45 EUR (§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JVEG).
14 
Die Gesamtvergütung der Antragstellerin ist deshalb auf 45,45 EUR festzusetzen.
15 
Die Gebühren- und Auslagenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 Sätze 1 und 2 JVEG.

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