Beschluss vom Sozialgericht Karlsruhe - S 1 KO 316/18

Tenor

Die Entschädigung der Antragstellerin für ihre schriftliche Auskunft als sachverständige Zeugin vom 11. Dezember 2017 im Verfahren S 13 R .../17 wird auf 44,45 EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Im Hauptsacheverfahren S 13 R .../17 streiten die dortigen Beteiligten um die Gewährung von Versichertenrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Mit Schreiben vom 22.11.2017 forderte die Kammervorsitzende von der Antragstellerin eine Aussage als sachverständige Zeugin an zu vier Beweisfragen u.a. zu Anzahl und Datum der ärztlichen Behandlung seit Juni 2016, dem Beschwerdevorbringen des Klägers des Hauptsacheverfahrens, den erhobenen Befunde und diagnostizierten Gesundheitsstörungen, zur Frage einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand des Klägers im Laufe der Behandlung sowie zu den Auswirkungen der Befunde auf das gesundheitliche Leistungsvermögen für eine körperlich leichte und nervlich wenig belastende Tätigkeit. Weiter enthielt das Anschreiben die Bitte um Vorlage der von der Antragstellerin selbst verfassten Arztbriefe und eine Frage nach von ihr veranlassten weiteren Untersuchungen oder stationären Behandlungen, verbunden mit der Bitte um Vorlage eventueller Arztunterlagen auch insoweit.
Ihre schriftliche Auskunft hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.12.2017 auf zwei Blatt (= eine Textseite unter Abzug jeweils des Briefkopfaufdrucks) erteilt, davon ein Wort („Nein“) gutachtliche Stellungnahme, und 6 Kopien Patienten- und Arztunterlagen beigefügt. Hierfür hat sie eine Entschädigung von insgesamt 82,45 EUR geltend gemacht und dabei für eine schriftliche gutachtliche Äußerung 75,00 EUR, weitere 6,00 EUR für 12 Kopien und 1,45 EUR Portoaufwendungen angesetzt. Die Kostenbeamtin hat eine Entschädigung von 43,45 EUR gewährt unter Berücksichtigung eines Honorars von 38,00 EUR für eine schriftliche Auskunft als sachverständige Zeugin mit kurzer gutachtlicher Äußerung sowie einer Entschädigung von 4,00 EUR für Kopien und für Portoaufwendungen in beantragter Höhe (Schreiben vom 18.12.2017).
Deswegen hat die Antragstellerin am 24.01.2018 Antrag auf richterliche Festsetzung ihrer Entschädigung gestellt. Hierzu hat sie vorgetragen, die Beweisfragen des Gerichts seien teilweise umfangreich gegliedert gewesen. Für die Beantwortung habe sie eine zeitintensive Recherche der Patientenakte durchführen müssen.
Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 25.01.2018) und sie dem erkennenden Gericht zu Entscheidung vorgelegt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Antragstellerin wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungs-, Prozess- und Kostenakten Bezug genommen.
II.
Auf den - nicht fristgebundenen - Antrag auf richterliche Festsetzung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Justizvergütung- und -entschädigungsgesetzes ) ist die Entschädigung der Antragstellerin für ihre schriftliche Auskunft als sachverständige Zeugin vom 11.12.2017 im Verfahren S 13 R .../17 auf 44,45 EUR festzusetzen.
Der Entschädigungsanspruch der Antragstellerin richtet sich allein nach den Bestimmungen des JVEG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 JVEG).
Nach § 10 Abs. 1 JVEG („Honorar für besondere Leistungen“) bemisst sich das Honorar oder die Entschädigung eines Sachverständigen oder eines sachverständigen Zeugen, der Leistungen der in der Anlage 2 zum JVEG bezeichneten Art erbringt, nach dieser Anlage. Die Vorschrift setzt in Verbindung mit der Anlage 2 zur Vereinfachung der Abrechnung für häufig wiederkehrende Leistungen auf medizinischem Gebiet feste Vergütungssätze oder Vergütungsrahmen fest (vgl. Binz/Dorndörfer, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Aufl. 2014, § 10, Rn. 1 und Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 10 JVEG, Rn. 1).Der insoweit relevante Teil der Anlage 2 (in der hier maßgebenden <§ 24 Satz 1 JVEG> Fassung des Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23. Juli 2013 ) lautet für die Erstellung eines schriftlichen Befundes wie folgt:
„JVEG Anlage 2 (zu § 10 Abs. 1)
10 
        
Abschnitt 2
        
                          
        
Befund
        
Nr. 200
Ausstellung eines Befundscheins oder Erstellung einer schriftlichen Auskunft ohne nähere
gutachtlicher Äußerung
21,00 EUR
                          
Nr. 201
Die Leistung der in Nummer 200 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich:
Das Honorar 200 beträgt
bis zu 44,00 EUR
                          
Nr. 202
Zeugnis über einen ärztlichen Befund mit von der heranziehenden Stelle
geforderter kurzer gutachtlicher Äußerung oder Formbogengutachten, wenn sich die Fragen
auf Vorgeschichte, Angaben und Befund beschränken und nur ein kurzes Gutachten erfordern
38,00 EUR
                          
Nr. 203
Die Leistung der in Nummer 202 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich:
Das Honorar 202 beträgt
bis zu 75,00 EUR
11 
Daran orientiert hat die Kostenbeamtin am 18.12.2017 zu Recht eine Entschädigung der Antragstellerin als sachverständige Zeugin vorgenommen. Denn die Antragstellerin wurde von der Vorsitzenden der 13. Kammer als solche herangezogen (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JVEG), wie sich aus der Anfrage vom 22.11.2017 hinreichend deutlich ergibt, und nicht als Sachverständige mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Die Kostenbeamtin hat die am 11.12.2017 erbrachte Leistung der Antragstellerin auch zu Recht nach der Nr. 202 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG mit 38,00 EUR entschädigt. Denn eine „außergewöhnlich umfangreiche“ Leistung i.S.d. Nr. 203 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG hat die Antragstellerin nicht erbracht.
12 
Wie aus dem Wortlaut des Gesetzes hervorgeht, ist nicht nur eine umfangreiche, sondern eine „außergewöhnlich“ umfangreiche Leistung für die höhere Entschädigung als nach der Nr. 202 der Anlage 2 zum JVEG zu fordern (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 01.09.2006 - L 12 R 3579/06 KO-A -; st. Rspr. des erkennenden Gerichts, vgl. u.a. Beschlüsse vom 16.11.2012 - S 1 KO 4138/12 - und vom 25.10.2013 - S 1 KO 3683/13 - und zuletzt Beschluss vom 23.11.2017 - S 1 KO 4001/17 - ). Eine solche deutlich über den Normalfall hinausgehende Leistung (vgl. hierzu Binz/Dorndörfer, a.a.O., Rn. 10 m.w.N.) kann naturgemäß nur selten vorliegen (vgl. Thür. LSG vom 27.04.2015 - L 6 JVEG 273/15 - sowie Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, Anl. 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG, Rn. 25). Sie hängt nicht in erster Linie vom Umfang der schriftlichen Ausführungen des sachverständigen Zeugen, d.h. von der Zeilenzahl ab; maßgebend ist vielmehr das Ausmaß der für die Erstellung der Auskunft erforderlichen Arbeit, sofern sie durch die gerichtliche Anforderung gedeckt ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.02.2001 - L 10 SB 50/00 - und Thür. LSG vom 27.02.2008 - L 6 B 134/07 SF -, ferner LSG Schleswig-Holstein vom 10.12.2008 - L 1 SK 14/08 - sowie SG Braunschweig 07.01.2011 – S 36 R 287/09 - ). Diese Arbeit ist von Fall zu Fall verschieden. Die Rechtsprechung hat aber Kriterien entwickelt, anhand derer der Arbeitsaufwand bestimmt werden kann. Dieser orientiert sich regelmäßig an Art und Umfang bzw. Ausführlichkeit der Beschreibung, der Schwierigkeit, die berichtenswerten Befunde zusammenzustellen, sowie u.a. danach, ob neben den eigenen Unterlagen auch (fachübergreifend) Unterlagen anderer Ärzte ausgewertet worden sind. Insbesondere gilt das für die Auswertung fremder Arztbriefe auf medizinischen Gebieten, in denen regelmäßig eine große Zahl technischer Befunde oder Funktionsdiagramme anfallen. Ebenso kann es einen erhöhten Arbeitsaufwand bedeuten, wenn ein komplexes wechselhaftes Krankheitsbild über Jahre hinweg aus schwer überschaubaren Unterlagen darzustellen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.01.2003 - L 10 SB 71/02 - ). Ein „außergewöhnlicher“ Umfang der Leistung nach Anlage 2 Nr. 202 zu § 10 Abs. 1 JVEG muss mit anderen Worten im Umfang und Ausmaß über den sonst mit der Erstellung eines ärztlichen Befundes und der Abgabe einer kurzen gutachterlichen Äußerung üblicherweise verbundenen Aufwand deutlich hinausgehen und in der schriftlichen Auskunft auch zum Ausdruck kommen. Die erbrachte Leistung muss mithin das gewöhnliche Maß ganz erheblich überschreiten. Dies umfasst regelmäßig eine ins Einzelne gehende Darlegung der Krankheitsgeschichte mit detaillierter Angabe zu den erhobenen Befunden und die inhaltliche Zusammenstellung der dem Arzt vorliegenden Untersuchungsberichte.
13 
Gemessen daran, stellt die schriftliche Auskunft der Antragstellerin vom 11.12.2017 keine Leistung nach der Nr. 203 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG dar. Denn mit zwei Blatt, davon eine Seite Text und ein Wort („Nein“) gutachtlicher Äußerung, ist ihre schriftliche Auskunft nicht einmal umfangreich und damit erst recht nicht - wie erforderlich - „außergewöhnlich umfangreich“ im Sinne der Nr. 203 der Anlage 2 zu § 10 JVEG. Sie beinhaltet auch keine fachübergreifende Zusammenstellung und inhaltliche Auswertung eigener und fremder ärztlicher Unterlagen.
14 
Für die von ihr erbrachte (Haupt-)Leistung steht der Antragstellerin deshalb eine Entschädigung von 38,-- EUR zu. Bei diesem Betrag handelt es sich um die vom Gesetzgeber für eine Leistung nach der Nr. 202 der Anl. 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG festgesetzte Entschädigungspauschale, die - anders als die Vergütung eines gerichtlichen Sachverständigen (§ 8 Abs. 2 JVEG) - unabhängig von der von dem sachverständigen Zeugen für die Erstellung seiner schriftlichen Auskunft aufgewandten Zeit gewährt wird, und bei deren Höhe weder der Kostenbeamtin noch dem erkennenden Gericht ein Ermessensspielraum zusteht. Daher ist auch nicht entscheidungserheblich, ob mit dieser Pauschale die Leistung des Antragstellers adäquat vergütet ist. Eine Abgeltung sämtlicher mit der Beantwortung des Auskunftsersuchens verbundener Kosten in jedem Einzelfall ist nicht geboten, wie auch umgekehrt den Auskunftspersonen - anders als Sachverständigen - nicht der Nachweis tatsächlicher Aufwendungen in Höhe des Honorars abverlangt wird (vgl. SG Dresden vom 04.05.2011 - S 18 KR 32/10 - ). Durch den Pauschalbetrag unterscheidet sich der Entschädigungsanspruch eines sachverständigen Zeugen von dem Anspruch auf Vergütung eines vom Gericht herangezogenen Sachverständigen.
15 
Weiter hat die Antragstellerin Anspruch auf eine Entschädigung für von ihr angefertigte zehn Fotokopien (= zwei Mehrfertigungen ihrer schriftlichen Auskunft und sechs Kopien Arztunterlagen) zu je 0,50 EUR, d.s. insgesamt 5,00 EUR (§ 7 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 JVEG).
16 
Mit dem Honorar nach der Nr. 202 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG sind auch die mit dieser Leistung verbundenen Schreibaufwendungen abgegolten (vgl. BSG SozR 1925 § 8 Nr. 1 und BSG SozR 3-1925 § 5 Nr. 1 sowie Bay. LSG vom 22.06.2012 - L 15 SF 136/11 - und vom 31.07.2012 - L 15 SF 229/10 -, ferner Beschluss des erkennenden Gerichts vom 21.04.2016 - S 1 KO 1296/16 - ). Die Antragstellerin hat deshalb keinen Anspruch auf Entschädigung für das Anfertigen der schriftlichen Auskunft als solche oder einer Kopie für ihre eigenen Unterlagen Hinzu kommt schließlich die Entschädigung des von ihr verauslagten Portos von 1,45 EUR (§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JVEG).
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Die Gesamtentschädigung der Antragstellerin ist deshalb auf 44,45 EUR festzusetzen.
18 
Die Gebühren- und Auslagenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 Sätze 1 und 2 JVEG.

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