Urteil vom Sozialgericht Köln - S 16 U 467/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung eines Motorradunfalls des Klägers vom 10.04.2009 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.
3Der 1966 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt Geschäftsführer der P GmbH eines auf Russlandreisen spezialisierten Reisebüros.
4Zum Unfallzeitpunkt aber auch schon über einen geraumen Zeitraum davor befand sich das Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und war wesentlich auf die Zurverfügungstellung von Geldmitteln durch ihren Gesellschaftergeschäftsführer, den Zeugen T2 angewiesen. Erst im Verlauf des Folgejahres 2010 kam es dann zur Freistellung von Personal und ein Liquidator wurde bestellt. Endgültig eingestellt wurde die Geschäftstätigkeit Ende 2010.
5Am 06.04.2009 fand eine Besprechung statt, an der der Gesellschaftergeschäftsführer T2, seine Ehefrau und zugleich Sekretärin des Reisebüros T3 sowie der Steuerberater des Unternehmens N1 teilnahmen. Im Rahmen einer E-Mail an die übrigen Gesprächsteilnehmer vom 08.04.2009 fasste der Kläger den Inhalt des Gesprächstermins zusammen und führte im Einzelnen aus, wie die Struktur der Firma aus seiner Sicht verbessert werden könnte, insbesondere welche Optimierungsmöglichkeiten im Bereich der Geschäftsleitung seines Erachtens gegeben seien. Bezüglich seiner eigenen Person machte der Kläger deutlich, dass er ein Geschäftsführungsmodell bevorzuge, in dem er selbst absehbar nicht mehr bzw. nur noch übergangsweise oder begleitend benötigt werde (sog. Lösungen 1 und 2). Auch in seiner Befragung durch das Gericht hat der Kläger deutlich gemacht, dass er beabsichtigte nach Ablauf seiner Vertragslaufzeit als Fremdgeschäftsführer aus dem Unternehmen auszusteigen. Tatsächlich wurde der Kläger sodann noch während seines stationären Aufenthalts vom Unternehmen gekündigt, wie er gegenüber der Kammer ausgeführt hat. Hinweise auf eine akute finanzielle Notlage der Firma oder gar eine unmittelbar drohende Insolvenz sind der ausführlichen E-Mail des Klägers vom 08.04.2009 nicht zu entnehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf die E-Mail des Klägers vom 08.04.2009 Bezug.
6Ausweislich der Angaben des Klägers und der Aussage des Zeugen H kontaktierte der Kläger zeitnah nach dem Gespräch vom 06.04.2009 telefonisch den Zeugen H, bei dem es sich um den Filialleiter der Hausbank sowohl der Firma P1 als auch des Gesellschaftergeschäftsführers T2 persönlich handelte, und signalisierte diesem, dass er zeitnahen Gesprächsbedarf habe.
7Der Zeuge H bot dem Kläger nach eigener Aussage und gemäß den Angaben des Klägers daraufhin an, an einer bereits von dem Zeugen H zusammen mit dem N2 für Karfreitag, den 10.04.2009 geplanten Motorradtour teilzunehmen.
8Gegen 9.30 Uhr des Unfalltags (Karfreitag, 10.04.2009) machte sich der Kläger in M auf den Weg zur Volksbankfiliale des Zeugen H in O, wo er sich gegen 10.00 Uhr mit dem Zeugen H traf. Sodann begaben sich der Kläger, N2 und der Zeuge H auf die Motorradtour, deren Verlauf der Zeuge H über den Wald in Richtung L geplant hatte.
9Zum Unfallzeitpunkt gegen 10:37 befuhr der Kläger mit dem Rest der Gruppe die B 256 aus Richtung G kommend in Fahrtrichtung P2. Die Geschwindigkeit ist auf diesem Abschnitt auf 40 km/h begrenzt. Im Bereich der Gemarkung F verlor der Kläger in einer dort befindlichen Linkskurve die Kontrolle über sein Motorrad, eine Ducati M4 Sport-Maschine, und stürzte. Das Motorrad und der Kläger fielen zunächst auf die linke Fahrzeugseite in Richtung Fahrbahnmitte und rutschten dann nach rechts in die dort befindliche Schutzplanke. Das Motorrad samt Fahrer touchierte gemäß den polizeilichen Feststellungen zunächst eine der im Boden befindlichen Halterungen der Schutzplanke und durchschlug im Anschluss daran eine weitere. Hierdurch wurde das Motorrad in zwei Teile zerrissen. Der Kläger wurde durch den Aufprall ca. 25 m in ein angrenzendes Feld geschleudert. Er erlitt hierbei schwerste Verletzungen in Form von diversen Knochenbrüchen am gesamten Körper. Zudem wurde durch den Kontakt mit der Schutzplanke der rechte Fuß oberhalb des Knöchels abgetrennt, sodass im weiteren Verlauf der rechte Unterschenkel amputiert werden musste. Bis zum Zeitpunkt des Unfalls hatte an diesem Tag keine Tourpause und keine Besprechung geschäftlicher Angelegenheiten zwischen dem Kläger und dem Zeugen H stattgefunden
10Die Beklagte erhielt von dem Unfall erst mehr als zwei Jahre nach dem Ereignis aufgrund einer Erstattungsforderung der Krankenkasse des Klägers Kenntnis.
11Die sodann von der Beklagten an die Arbeitgeberfirma P1 gerichtete Anfrage beantwortete der Steuerberater des Unternehmens mit Schreiben vom 29.12.2011 dahingehend, dass es sich bei dem Ereignis nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe und aufgrund dessen der Unfall auch nicht bei der Beklagten gemeldet worden sei.
12Im März 2012, also nunmehr fast drei Jahre nach dem Unfallereignis, trug der Kläger gegenüber der Beklagten vor, zunächst irrig davon ausgegangen zu sein, als Geschäftsführer keinen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung gehabt zu haben. Er habe erst später zufällig davon erfahren, dass auch Fremdgeschäftsführer dem Grunde nach bei der Beklagten versichert seien.
13Als Geschäftsführer der Firma P1 habe er den Auftrag gehabt, das Unternehmen wirtschaftlich wieder leistungsfähig zu machen. Die Firma habe einen Sanierungskurs und finanzielle Hilfe benötigt. Im Winter/Frühjahr 2009 sei abzusehen gewesen, dass das Unternehmen ohne finanzielle Hilfe „nicht über das Jahr kommt“. Am 06.04.2009 habe es daher eine abschließende Besprechung mit dem Steuerberater und dem Hauptgesellschafter T2 nebst Ehefrau gegeben, in der das weitere Vorgehen für die P1 GmbH beschlossen worden sei. Er sei dann mit der Umsetzung beauftragt worden. Er habe sich daraufhin kurzfristig mit dem Zeugen H verabredet, um die bedrohliche Finanzsituation des Unternehmens zu besprechen.
14Es sei auch üblich gewesen, dass Besprechungen nie am Sitz des Unternehmens oder bei der Bank erfolgten, sondern immer an einem Dritten Ort, um Ruhe und Schutz vor den Tagesgeschäften zu haben, sei es am Wohnort eines Gesellschafters, auf gemeinsamen Reisen zu Motosportveranstaltungen oder eben auf einer Motorradtour; so auch am Unfalltag, nämlich am Karfreitag den 10.04.2009, wo man genügen Zeit zur Erörterung der Unternehmenssituation finden sollte.
15Die Beklagte befragte sodann den Mitfahrer N2. Dieser gab gegenüber der Beklagten an, sich für den Unfalltag mit dem Zeugen H am Unfalltag zu einer Motorradtour verabredet zu haben. Sinn und Zweck der Tour sei die gemeinsame Freude am Motorradfahren gewesen. Ein bestimmter Zielort sei nicht abgesprochen worden, es habe in die Nähe von Limburg gehen sollen. Von geplanten geschäftlichen Gesprächen in diesem Zusammenhang sei ihm nichts bekannt. Er habe zunächst auch nicht gewusst, dass der Kläger an der Motorradtour teilnehme. Dies habe er erst erfahren, als der Zeuge H ihn davon in Kenntnis gesetzt habe. Bis zum Unfall seien keine Pausen vorgenommen worden, diese seien auch nicht fest eingeplant gewesen.
16Mit Bescheid vom 05.06.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Motorradunfalls als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung und einen Anspruch des Klägers auf Entschädigungsleistungen ab. Zur Begründung trug die Beklagte vor, dass ein Arbeitsunfall iSd. § 8 Sozialgesetzbuch (SGB) VII nicht vorgelegen habe. Ein Zusammenhang der Motorradfahrt mit der versicherten Tätigkeit sei nicht nachgewiesen. Es wäre nach Auffassung der Beklagten durchaus möglich gewesen, sich am Betriebsort oder am Standort der Bank zu treffen, da es auch hier nicht zu Störungen durch das Tagesgeschäft gekommen wäre. Auch führe man Gespräche über die finanzielle Situation eines Unternehmens nicht in Anwesenheit unbeteiligter Dritter. Des Weiteren habe es sich bei der befahrenen Strecke um eine beliebte Motorradstrecke gehandelt.
17Die Beklagte ging davon aus, dass der Kläger die Gelegenheit der Motorradtour im Wesentlichen genutzt habe, um seinem Hobby nachzugehen. Sofern man davon ausgehe, dass der Kläger und der Zeuge H in den Pausen und am Zielort tatsächlich über geschäftliche Dinge hätten sprechen wollen, handele es sich um eine sog. „gemischte Tätigkeit“. Auch für eine solche „gemischte Tätigkeit“ fehle es aber an dem erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen der Wegezurücklegung und der versicherten Tätigkeit. Entscheidend sei, ob die Verrichtung (Motorradtour) hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns (Freude am Motorradfahren) entfallen wäre. Die Beklagte ging davon aus, dass diese Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Vielmehr hätte eine Besprechung in der konkreten Form ohne die private Motivation des Motorradfahrens nach Auffassung der Beklagten so nicht stattgefunden.
18Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 03.07.2012 Widerspruch ein. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass der innere Zusammenhang zwischen der Motorradtour und der versicherten Tätigkeit sehr wohl bestanden habe. Da die wirtschaftliche Situation der P1 GmbH angespannt gewesen sei und sich die drohende Insolvenznähe ergeben habe, habe für ihn die dringende Notwendigkeit bestanden, eine Besprechung mit dem Zeugen H zu veranlassen. Der Zeuge H habe als Niederlassungsleiter der Volksbank P3 sowohl die Gesellschaft als auch den Hauptgesellschafter T2 finanzwirtschaftlich betreut und auch Kenntnis von den Konten des Gesellschafters bzw. den Unterkonten der Unternehmensbeteiligungen gehabt. Außerdem sei er persönlich mit dem Gesellschafter T2 befreundet gewesen. Des Weiteren sei der 10.04.2009 der einzige Termin gewesen, zu dem eine Besprechung mit dem Zeugen H vor dessen zweiwöchiger Ortsabwesenheit aufgrund von Urlaub noch umsetzbar gewesen sei.
19Er habe auf der Tour als Unterlagen für die Besprechung mit dem Zeugen H die Liquiditätsplanung für das Jahr 2010 mit sich geführt. Alle weiteren wichtigen Daten zum Finanzbedarf und weitere erforderliche Daten seien auf seinem Smartphone abgelegt gewesen.
20Für den Kläger sei eine Beschäftigung am Wochenende und an Feiertagen keine Ausnahme, sondern die Regel gewesen. Ferner habe er als langjähriger Motorradfahrer das Motorrad auch regelmäßig für Geschäftstermine genutzt. Eine private Motivation des Klägers habe es nicht gegeben.
21Die Anwesenheit des Zeugen N2 bei der Motorradtour sei für die Beurteilung des Sachverhalts unerheblich. Der Umstand, dass der Zeuge N2 dabei gewesen sei, habe der Kläger nicht zu vertreten und dies habe auch nichts an der Dringlichkeit des zu führenden Gesprächs gerändert. Des Weiteren sei der Zeuge N2 mit der Situation der P2 GmbH vertraut gewesen, sodass etwaige Betriebsgeheimnisse nicht gefährdet gewesen seien.
22Mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers, nach dessen persönlicher Anhörung im Rahmen der Sitzung des Widerspruchsausschusses, zurück.
23Am 23.11.2012 hat der Kläger Klage erhoben.
24Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltung-und Widerspruchsverfahren.
25Der Kläger beantragt,
26den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 05.06.2012 in Form des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Entschädigungsleistungen aus Anlass des Arbeitsunfalles des Klägers vom 10.04.2009 zu erbringen.
27Die Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Sie hält an ihrer Entscheidung fest.
30Das Gericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2014 den Kläger ergänzend ausführlich befragt und darüber hinaus die Zeugen T2 und T3 sowie den Zeugen H vernommen. Wegen des Beweisergebnisses im Einzelnen wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
31Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und der Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und der Kammer bei ihrer Entscheidung vorgelegen haben.
32Entscheidungsgründe:
33Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
34Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 05.06.2012 in Form des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2012 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn diese Bescheide sind rechtmäßig.
35Zwar gehörte der Kläger als Fremdgeschäftsführer grundsätzlich zum Kreis der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kraft Gesetzes gegen Arbeitsunfälle versicherten Personen. Als Fremdgeschäftsführer war der Kläger als Beschäftigter nach § 7 SGB IV anzusehen. Bei einem Fremdgeschäftsführer, also einem nicht am Gesellschaftskapital beteiligten Geschäftsführer, ist das für das Beschäftigungsverhältnis kennzeichnende Merkmal der persönlichen Abhängigkeit erfüllt, wenn dieser regelmäßig einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Arbeit umfassenden und auch tatsächlich ausgeübten Direktionsrecht der Gesellschafter unterliegt (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 1; BAG ZIP 1992 S. 1496). Das Bundessozialgericht hat in seiner Rechtsprechung demgemäß bei diesem Personenkreis regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen und ein Beschäftigungsverhältnis nur unter besonderen Umständen verneint.
36Das Ereignis vom 10.04.2009 ist rechtlich jedoch nicht als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu werten.
37Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).
38Vorliegend fehlt es zur Überzeugung der Kammer ein einem inneren bzw. sachlichen Zusammenhang zwischen der unfallbringenden Motorradtour und der versicherten Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer.
39Zur Herleitung des inneren bzw. sachlichen Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit ist auf die sog. objektivierte Handlungstendenz des Versicherten abzustellen: Eine Verrichtung steht im Zusammenhang mit der Beschäftigung, wenn sie nach dem Handlungszweck der Versicherten dem Beschäftigungsunternehmen dienen sollte; sog Unternehmens- bzw. Betriebsdienlichkeit (s. zB. BSGE 94, 262).
40Voraussetzung ist eine Verrichtung, dessen Ergebnis nicht dem Beschäftigten selbst, sondern unmittelbar dem Unternehmen zum Vorteil oder Nachteil gereicht. Danach liegt eine versicherte Tätigkeit nur vor, wenn Beschäftigte mit ihrer konkreten Verrichtung zumindest darauf ansetzen und sich darauf richten, eine eigene, objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen oder wenn sie eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornehmen, um eine vermeintliche Pflicht zu erfüllen, sofern sie nach den besonderen Umständen ihrer Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung eine solche Pflicht annehmen durften (BSG Urt. v. 15.5.2012 – B 2 U 8/11 R).
41Das Gericht konnte sich schon nicht davon überzeugen, dass die Teilnahme des Klägers an der Motorradtour wenigstens auch dem Arbeitgeberunternehmen, nämlich der Firma P2, zu dienen bestimmt war. Die Wahrnehmung der Motorradtour durch den Kläger stellt sich zur Überzeugung der Kammer vielmehr als rein eigenwirtschaftlich dar.
42Zwar geht das Gericht unter Berücksichtigung der übereinstimmenden Angaben des Klägers und des Zeugen H davon aus, dass seitens des Klägers ein aus seiner Sicht subjektiv dringender Gesprächsbedarf mit dem Zeugen H bestand. Das Gericht hält es auch für glaubhaft, dass der Kläger dem Zeugen H einen zeitnahen Gesprächsbedarf telefonisch signalisierte und die Absicht hatte, im Rahmen der Motorradtour ihn persönlich betreffende berufliche Themen zu erörtern.
43Aufgrund der Gesamtschau der vorliegenden Unterlagen, insbesondere aber unter Berücksichtigung der ausführlichen Angaben des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung, sieht das Gericht den Gesprächsbedarf des Klägers jedoch als auschließlich eigenwirtschaftlich an. Der Gesprächsbedarf des Klägers war nicht darauf gerichtet, für das Arbeitgeberunternehmen tätig zu werden. Das vom Kläger avisierte Gespräch war für seinen Arbeitgeber weder objektiv nützlich oder dienlich, noch nahm der Kläger dies subjektiv an. Vielmehr war das Besprechungsziel des Klägers, sich persönlich gegenüber seinem Arbeitgeber, insbesondere gegenüber dem Gesellschaftergeschäftsführer Steinhausen, abzusichern bzw. ihm persönlich drohende Unbill seitens des Zeugen T2 abzuwehren. Außerdem wollte der Kläger persönliche Haftungsrisiken vermeiden, wie er in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat.
44Aus Sicht des Gerichts lässt sich nicht nachvollziehen und erst recht nicht belegen, dass der Kläger für das Unternehmen P2 oder gar in dessen Auftrag Gespräche mit dem Zeugen H führen sollte oder wollte. Der Zeugen H konnte sich an ein konkret avisiertes Gesprächsthema nicht erinnern. Die Zeugen T2 und T3, die bei dem Gespräch vom 06.04.2009 anwesend waren, haben einen konkreten Besprechungsauftrag an den Kläger bestritten. In der Besprechung vom 06.04.2009 war ausweislich der Zeugenaussagen auch nicht die Rede davon gewesen, dass der Kläger für das Unternehmen konkrete Gespräche mit dem Zeugen H führen sollte. Auch der ausführlichen E-Mail des Klägers vom 08.04.2009, die sich inhaltlich detailliert mit dem Besprechungstermin vom 06.04.2009 auseinandersetzt, ist kein Hinweis auf ein für die Firma oder in deren Interesse avisiertes Gespräch mit dem Zeugen H zu finden.
45Entgegen der Behauptung des Klägers bestand zur Überzeugung der Kammer unmittelbar für die Firma P2 objektiv auch kein entsprechend dringender Handlungs- oder auch nur Gesprächsbedarf mit der Bank. Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass zum Zeitpunkt der Besprechung vom 06.04.2009 und zum Unfallzeitpunkt nur wenige Tage später eine Insolvenz der Firma akut bevorstand. Dagegen spricht die vom Kläger am 08.04.2009 selbst verfasste ausführliche E-Mail zum Gespräch vom 06.04.2009, in welcher der Kläger zahlreiche konstruktive Vorschläge zur Optimierung der Geschäftsführung, mithin also grade zur Weiterführung des Unternehmens unterbreitete, wohingegen von einer Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz nicht ansatzweise die Rede ist.
46Das Gespräch mit dem Zeugen H sollte und konnte insbesondere nicht dazu dienen, der Firma P2 neues Kapital zu verschaffen, etwa durch Erhöhung der Kreditlinie oder Einräumung von Neukrediten. Allen Akteuren war klar, dass die Hausbank dem Unternehmen keine Kredite mehr gewähren würde, wie der Zeuge T2 ausgesagt hat. An der Richtigkeit dieser Aussage hat das Gericht keinen Zweifel. Denn auch der Kläger selbst hat in diesem Zusammenhang eingeräumt, dass die Firma P2 zu diesem Zeitpunkt für ihre Liquidität alleine auf das Kapital der Gesellschaftergeschäftsführer angewiesen war.
47Bei dem Gesellschaftergeschäftsführer T2 waren zu diesem Zeitpunkt indes sehr wohl noch finanzielle Mittel vorhanden, die dieser dem Unternehmen zur Verfügung stellen konnte. Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens war also nicht akut gefährdet, sondern schon seit sehr langer Zeit schwierig, wie die Zeugen T2 und T3, H und auch der Kläger selbst dargelegt haben. Tatsächlich wurden auch erst im Laufe des Jahres 2010 Mitarbeiter freigesetzt und ein Liquidator bestellt, also zeitlich deutlich nach dem Unfall, was dagegen spricht, dass die Firma zum Unfallzeitpunkt bereits unmittelbar vor der Insolvenz gestanden hätte oder gar die Gefahr einer Insolvenzverschleppung objektiv gegeben gewesen sei könnte.
48Auch die Anwesenheit des Zeugen N2 bei der Motorradtour lässt es auch Sicht des Gerichts nicht plausibel erscheinen, dass im Rahmen der Tour Einzelheiten der Geschäftssituation der Firma P2 hätten besprochen werden können und dürfen. Insbesondere eine nach Behauptung des Klägers wirtschaftlich schwierige Situation der Firma, namentlich eine Diskussion von Insolvenzaspekten, hätte die Teilnahme unbeteiligter Dritter ausgeschlossen. Entgegen der Behauptung des Klägers hat der Gesellschaftergeschäftsführer T2 außerdem ausgesagt, dass der frühere Mitarbeiter Meusel keineswegs mit Geschäftsgeheimnissen des Unternehmens vertraut gewesen sei oder solche ihm gegenüber auch nicht hätten offen gelegt werden dürfen.
49Ferner hat der Kläger sowohl im Rahmen seiner E-Mail vom 08.04.2009 als auch im Rahmen seiner Einlassung gegenüber der Kammer deutlich gemacht, dass er unter Einhaltung seiner Restvertragslaufzeit aus dem Unternehmen ausscheiden wollte. Die Mail vom 08.04.2009 sei eigentlich seine Kündigung für das Unternehmen gewesen. Auch dies spricht dagegen, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt durch ein Gespräch mit dem Zeugen H noch proaktiv für das Unternehmen die Initiative ergreifen wollte.
50Zur Überzeugung der Kammer sollte das vom Kläger begehrte Gespräch mit dem Zeugen H vielmehr in allererster Linie den eigenen Interessen des Klägers dienen. Die Situation stellt sich zur Überzeugung der Kammer so dar, dass insbesondere die persönliche Lage des Klägers und sein zwischenzeitlich entstandener persönlicher Konflikt mit dem Zeugen T2 seinen subjektiv als dringlich empfundenen Gesprächsbedarf begründet haben.
51Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die ungewöhnliche Gemengelage zwischen ihm und den Gesellschaftern hingewiesen. Mit seinen Sanierungvorschlägen war der Kläger bei den Gesellschaftern auf Widerstand gestoßen, was wiederum dazu geführt hatte, dass er sich aus dem Unternehmen zurückziehen wollte. Er ging nach eigenen Angaben davon aus, dass seine „sozusagen interne Kündigung“ von den Gesellschaftern als eine Art „Liebesentzug“ wahrgenommen worden sei. Er sei nach dem Krisengespräch davon ausgegangen, dass nunmehr Himmel und Hölle gegen ihn in Bewegung gesetzt würden, und zwar nur um ihm zu schaden. Er habe sich nach dem Krisengespräch gegen die Firma P2 bzw. deren Gesellschafter wappnen müssen. Der Kläger wurde nach eigenen Angaben im weiteren Verlauf auch tatsächlich seitens seines früheren Arbeitgebers bzw. durch deren Gesellschafter mit zwei Klagen in einer Gesamthöhe von ca. 300.000 Euro überzogen. Es erscheint dem Gericht durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger für sich Anlass sah, sich persönlich abzusichern und zu wappnen. Dies geschah allerdings im Eigeninteresse und nicht mehr für die Firma P2, aus der der Kläger ohnehin sobald wie möglich ausscheiden wollte.
52Der Kläger räumt auch selbst ein, dass der Zeuge H ihm keinerlei Details wie Kontostände etc. hätte mitteilen können. Ihm sei es im Wesentlichen um eine „allgemeine Einschätzung, ob (er sich) Sorgen machen müsste“ gegangen. Hierbei handelt es sich aber nach Bewertung der Kammer um eine rein persönliche und im Rechtssinne somit eigenwirtschaftliche Angelegenheit des Klägers.
53Diese von der Kammer vorgenommene Bewertung der Sachlage lässt im Übrigen wiederum die Anwesenheit des Mitfahrers Meusel bei einem ggfls. vom Kläger avisierten Gespräch mit dem Zeugen H als plausibel erscheinen. In eigenen Angelegenheiten wäre es alleine dem Kläger überlassen gewesen, ob Dritte von seiner persönlichen Situation Kenntnis erlangen sollten oder nicht, in Finanz-Angelegenheiten der Fa. P2 indes nicht.
54Das Gericht geht mithin ausdrücklich auch nicht vom Vorliegen einer sog. „gemischten Motivationslage“ (vgl. dazu BSGE, Urteil vom 12.05.2009 – B 2 12/08R) aus. Eine gemischte Motivationslage liegt nämlich nur dann vor, wenn die Verrichtung einer Tätigkeit sowohl eigenwirtschaftlich als auch durch dienstliche Interessen motiviert ist. Vorliegend fehlt es, wie zuvor dargelegt, jedoch vollständig an der Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben und Interessen und einer darauf gerichteten Handlungstendenz.
55Selbst wenn man jedoch zu Gunsten des Klägers eine auch auf dienstliche Interessen gerichtete Handlungstendenz unterstellte, und damit das Vorliegen einer sog. „gemischten Motivationslage“, schiede die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gleichwohl aus.
56In Fällen einer gemischten Motivationslage ist für die Bejahung des inneren Zusammenhangs zwischen Verrichtung und versicherter Tätigkeit entscheidend, ob die Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre. Als „private Motivation des Handels“ kommt hier nur die Freude am Motorradfahren in Betracht. Das Gericht ist der zweifelsfreien Überzeugung, dass ohne die private Motivation, nämlich ohne die Freude am Motorradfahren, sich der Kläger nicht auf die Motorradtour eingelassen hätte. Nach Aussage des Zeugen H hätten nämlich objektiv, entgegen der Behauptung des Klägers, auch andere Besprechungstermine gefunden werden können. Als Filialleiter einer Volksbank bestand für den Zeugen H nach eigener Aussage die Möglichkeit auch in den Abend hinein noch Termine zu vereinbaren. Entgegen der Behauptung des Klägers war die Motorradtour mithin nicht die objektiv einzige Besprechungsmöglichkeit mit dem Zeugen H vor dessen Urlaub.
57Darüber hinaus besteht kein Zweifel daran, dass der Kläger dem Motorradfahren grundsätzlich mit Freude verbunden war. Er war zum Unfallzeitpunkt Besitzer eines eigenen Motorrads, nämlich einer Sportmaschine Ducati M4, er organisierte mehrere Motorradweltmeisterschaften und hatte in der Vergangenheit mit dem Zeugen H und dem Mitfahrer Andreas Meusel auch bereits Motorradtouren unternommen.
58Ohne eine entsprechende Freude am Motorradfahren, die als rein eigenwirtschaftliche und private Handlungstendenz zu bewerten ist, hätte der Kläger bei einer entsprechenden Dringlichkeit seines Anliegens gewiss auf eine andere Besprechungsmöglichkeit gedrängt, beispielsweise unmittelbar vor Tourbeginn in den Räumen der Bank, vor der man sich ja ohnehin zum Tourstart verabredet hatte, oder aber in den Abendstunden nach Ende der regulären Schalterstunden. Wie zuvor ausgeführt wären Alternativtermine gemäß der Aussage des Zeugen H objektiv möglich gewesen und dem Kläger gewiss nicht verwehrt worden, zumal der Kläger und der Zeuge H persönlich bekannt waren. Auch der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es „vielleicht so gewesen sein mag“, dass auch ein alternativer Besprechungstermin, z.B. vor der Tour, möglich gewesen wäre.
59Zusammenfassend war der Klage der Erfolg zu versagen.
60Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183,193 SGG.
61Rechtsmittelbelehrung:
62Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
63Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
64Landessozialgericht
65Nordrhein-Westfalen,
66Zweigertstraße 54,
6745130 Essen,
68schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
69Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
70Sozialgericht Köln,
71An den Dominikanern 2,
7250668 Köln,
73schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
74Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
75Die Einreichung in elektronischer Form erfolgt durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle. Diese ist über die Internetseite www.sg-koeln.nrw.de erreichbar. Die elektronische Form wird nur gewahrt durch eine qualifiziert signierte Datei, die den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Sozialgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO SG) vom 07.11.2012 (GV.NRW, 551) entspricht. Hierzu sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16.05.2001 (BGBl. I, 876) in der jeweils geltenden Fassung zu versehen. Die qualifizierte elektronische Signatur und das ihr zugrunde liegende Zertifikat müssen durch das Gericht überprüfbar sein. Auf der Internetseite www.justiz.nrw.de sind die Bearbeitungsvoraussetzungen bekanntgegeben.
76Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
77Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Köln schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
78Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
79Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
80Dr. Rodriguez y Rowinski
81Richter am Sozialgericht
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- SGG § 183 1x
- § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII 1x (nicht zugeordnet)
- § 8 Abs 1 SGB VII 1x (nicht zugeordnet)
- § 7 Nr. 1; BAG 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 193 1x
- 2 U 8/11 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 2, 3 oder 6 SGB VII 2x (nicht zugeordnet)
- § 7 SGB IV 1x (nicht zugeordnet)