Beschluss vom Sozialgericht Magdeburg (15. Kammer) - S 15 AS 14/17 ER
Tenor
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
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Der Antragsteller begehrt die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ab 1. Januar 2017.
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Der am ... 1953 geborene Antragsteller bezog vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er übte einen Mini-Job als Zeitungszusteller aus, das monatliche Einkommen lag bei unter 200,00 EUR.
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Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 forderte der Antragsgegner den Antragsteller unter Hinweis darauf, dass dieser am ... 2016 das 63. Lebensjahr vollendete, auf, Altersrente zu beantragen und die Antragstellung bis zum 31. März 2016 nachzuweisen. Außerdem änderte er mit Bescheid vom 25. Januar 2016 die Leistungsbewilligung für Januar 2016 und bewilligte ihm mit weiterem Bescheid vom 25. Januar 2016 vorläufig Leistungen für März bis August 2016. Mit letzterem Bescheid forderte er den Antragsteller auch auf, Lohnnachweise der Monate Februar bis Juli 2016 innerhalb von einem Monat nach Ende des Bewilligungszeitraums vorzulegen. Mit E-Mail vom 28. Januar 2016 teilte der Antragsteller hierzu mit, dass die Sachbearbeiterin des Antragsgegners den Lohnschein jeweils zum 15. des Folgemonats bekommen werde. Die Altersrente beantragte der Antragsteller nicht, so dass der Antragsgegner mit Schreiben vom 11. Juli 2016 unter Fristsetzung bis zum 25. Juli 2016 an das Schreiben vom 25. Januar 2016 erinnerte. Darauf reagierte der Antragsteller nicht, so dass der Antragsgegner für diesen mit Schreiben vom 5. August 2016 bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland ab 1. September 2016 Altersrente beantragte.
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Mit Bescheid vom 26. August 2016 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller vorläufig Leistungen für die Zeit von September 2016 bis Februar 2017. Zum 1. Oktober 2016 begann der Antragsteller einen Freiwilligendienst auf der Grundlage des Bundesfreiwilligendienstgesetzes mit einer wöchentlichen Dienstzeit von 21,00 Stunden, der bis zum 30. September 2017 dauert. Er erhält hierfür ein Taschengeld in Höhe von monatlich 200,00 EUR zuzüglich Verpflegung von 10,00 EUR. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 änderte der Beklagte daraufhin die Leistungsbewilligung für November 2016 bis Februar 2017 unter Anrechnung dieses Einkommens. Auf mehrere Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland zur Mitwirkung bei der Rentenantragstellung reagierte der Antragsteller nicht. Sodann forderte ihn der Antragsgegner mit Schreiben vom 8. Dezember 2016 unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht und die Möglichkeit der Versagung auf, am 20. Dezember 2016 zu ihm zu kommen und hierbei das beigefügte Antragsformular auf Altersrente unterschrieben mitzubringen. Zu dem Termin erschien der Antragsteller nicht.
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Mit Bescheid vom 23. Dezember 2016 entzog der Antragsgegner nunmehr die Leistungen ab 1. Januar 2017 unter Hinweis auf die fehlende Mitwirkung des Antragstellers. Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 28. Dezember 2016 Widerspruch ein, über den der Antragsgegner bisher nicht entschied.
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Am 1. Januar 2017 hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Magdeburg gestellt, mit dem er die Weitergewährung seiner Leistungen ab Januar 2017 begehrt. Außerdem müsse er Leistungen auch ab März 2017 beanspruchen. Der Weiterzahlungsantrag liege dem Antragsgegner vor. Er ist der Auffassung, die Rentenantragstellung sei schon deshalb rechtswidrig, weil er seit Oktober 2016 den Freiwilligendienst absolviere. Damit sei die Rentenantragstellung unbillig. Außerdem habe das Jobcenter kein Ermessen ausgeübt. Eine Aufforderung zur Rentenantragstellung liege ihm nicht vor. Zudem sei die Aufforderung umgehend eine Rente zu beantragen rechtswidrig, wenn die Vollendung des 63. Lebensjahres noch in ferner Zukunft liege.
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Mit Bescheid vom 19. Januar 2017 hat die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland die "durch das Jobcenter Landkreis Harz beantragte Rente wegen Erwerbsminderung versagt" und zur Begründung insbesondere ausgeführt, dass der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.
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Der Antragsteller beantragt nunmehr sinngemäß, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 23. Dezember 2016 anzuordnen, die einbehaltenen Leistungen für Januar und Februar 2017 wieder an ihn auszuzahlen sowie den Antragsgegner vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB II für März bis August 2017 zu gewähren und den Rentenantrag zurückzunehmen.
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Der Antragsgegner beantragt sinngemäß, den Antrag abzulehnen.
- 10
Er ist der Auffassung, dass es nicht glaubhaft sei, dass der Antragsteller die Aufforderung zur Rentenantragstellung nicht erhalten habe. Durch die Ableistung des Freiwilligendienstes werde die Rentenantragstellung nicht unbillig. Auch habe der Antragsteller zum Entscheidungszeitpunkt keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und es sei noch ungewiss, ob er diesen erwerben werde.
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Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners haben der Kammer bei der Entscheidung vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
II.
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Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
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Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen worden, kann das Gericht gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen.
- 14
Diese Vorschrift ist einschlägig, soweit die Monate Januar und Februar 2017 betroffen sind. Denn gemäß § 39 Nr. 1 SGB II in der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung hat der Widerspruch gegen die Entziehung der Leistungen mit dem Bescheid vom 23. Dezember 2016 keine aufschiebende Wirkung.
- 15
Nach welchen Grundsätzen das Gericht zu entscheiden hat, ob die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und die Aufhebung der Vollziehung angeordnet werden, ist im Gesetz nicht geregelt. Es ist aber anerkannt, dass das Gericht aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung entscheidet (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86 b Rn. 12). Bei dieser Interessenabwägung gilt insbesondere (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rn. 12e ff.): Je größer die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens sind, umso eher wird die aufschiebende Wirkung angeordnet. Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der Betroffene durch ihn in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei der Grad der Aussichten des Hauptsacheverfahrens mit berücksichtigt werden kann.
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Danach war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ebenso wenig anzuordnen wie die Aufhebung der Vollziehung. Denn der Entzug der Leistungen mit dem Bescheid vom 23. Dezember 2016 ist rechtmäßig.
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Rechtsgrundlage ist § 66 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I). Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt, seinen Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger nach dieser Vorschrift ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.
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Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I die Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind sowie gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen.
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Um solche Tatsachen handelte es sich bei der vom Antragsgegner geforderten Ausfüllung des Antragsformulars für die Beantragung der Rente. Das ausgefüllte Antragsformular ist dann eine Beweisurkunde. Beides war auch für die Leistung erheblich.
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Denn der Antragsteller war und ist verpflichtet, den Rentenantrag zu stellen.
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Gemäß § 12 a Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Abweichend von Satz 1 sind Leistungsberechtigte nach § 12 a Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 13 Abs. 2 SGB II ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer Leistungsberechtigte nach Vollendung des 63. Lebensjahres ausnahmsweise zur Vermeidung von Unbilligkeiten nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Nach § 1 der auf dieser Grundlage erlassenen Unbilligkeitsverordnung sind Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre. Unbillig ist die Inanspruchnahme nach § 2 Unbilligkeitsverordnung, wenn und solange sie zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen würde. Unbillig ist die Inanspruchnahme nach § 3 Unbilligkeitsverordnung, wenn Hilfebedürftige in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen können. Unbillig ist die Inanspruchnahme nach § 4 Unbilligkeitsverordnung, solange Hilfebedürftige sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder aus sonstiger Erwerbstätigkeit ein so hohes Einkommen erzielen, dass die Tätigkeit den überwiegenden Teil der Arbeitskraft in Anspruch nimmt. Unbillig ist die Inanspruchnahme nach § 5 Unbilligkeitsverordnung schließlich, wenn Hilfebedürftige glaubhaft machen, dass sie in nächster Zukunft eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und nicht nur vorübergehend ausüben werden.
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Der am 23. August 1953 geborene Antragsteller vollendete am 23. August 2016 das 63. Lebensjahr. Die Verpflichtung zur Inanspruchnahme der Rente war und ist nicht unbillig.
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Eine Unbilligkeit gemäß § 2 der Unbilligkeitsverordnung liegt nicht vor, weil nicht ersichtlich ist, ob der Antragsteller dadurch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld verlieren würde. Dies gilt zunächst schon für den Zeitraum ab 1. September 2016, für den der Antragsgegner die Gewährung der Rente beantragt hat. Denn zum damaligen Zeitpunkt hatte der Antragsteller den Freiwilligendienst nicht aufgenommen. Entsprechend konnte der Antragsgegner diesen auch nicht bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen. Aber auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist weiterhin unklar, ob der Antragsteller den Freiwilligendienst abschließen und dementsprechend Anspruch auf Arbeitslosengeld haben wird.
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Dass der Antragsteller in nächster Zeit die Rente abschlagsfrei in Anspruch nehmen könnte, wird weder von ihm noch vom Antragsgegner behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.
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Schließlich ist die Inanspruchnahme auch nicht unbillig gemäß § 4 Unbilligkeitsverordnung. Auch hier gilt wiederum, dass der Antragsteller bei der Antragstellung durch den Antragsgegner den Freiwilligendienst noch nicht aufgenommen hatte. Darüber hinaus stellt der Freiwilligendienst aber auch keine Erwerbstätigkeit im Sinne dieser Vorschrift dar (siehe LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. August 2015 - L 29 AS 1604/15 B ER, zitiert nach juris Rn. 20).
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Die Aufforderung des Antragstellers zur Beantragung der Rente war auch nicht ermessensfehlerhaft.
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Die Aufforderung zur Stellung des Antrags bedarf einer Ermessensentscheidung (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2013 - L 28 AS 2330/13 B ER, zitiert nach Juris Rn. 6 mit weiteren Nachweisen). Der Antragsgegner muss daher seine Gründe für die Verpflichtung zur Rentenantragstellung bereits in dem Aufforderungsschreiben darlegen (LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O.). Bei seiner Ermessensausübung sind etwa die voraussichtliche Dauer oder Höhe des Leistungsbezugs, absehbarer Einkommenszufluss oder dauerhafte Krankheit zu berücksichtigen, außerdem, dass die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente regelmäßig mit Abschlägen verbunden ist (LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O.).
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Dem ist der Antragsgegner vorliegend mit dem Schreiben vom 25. Januar 2016 nachgekommen. Er hat zunächst erkannt, dass er eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, so dass ein Ermessensnichtgebrauch nicht vorliegt. Er hat auch alle maßgeblichen Gesichtspunkte in die Entscheidung mit einbezogen. Die Dauer bzw. Höhe des Leistungsbezugs waren ihm bekannt. Ein weiterer Einkommenszufluss ist bei dem Antragsteller nicht absehbar. Dauerhafte Krankheit besteht bei ihm ebenfalls nicht. Dass die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente regelmäßig mit Abschlägen verbunden ist, hat der Antragsgegner ebenfalls berücksichtigt.
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Ferner war der Antragsgegner gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II berechtigt, den Rentenantrag für den Antragsteller zu stellen. Stellen Leistungsberechtigte danach trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht, können die Leistungsträger nach dem SGB II den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen.
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Um einen erforderlichen Antrag handelte es sich nach dem oben gesagten.
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Die Kammer ist aber auch davon überzeugt, dass der Antragsgegner den Antragsteller zuvor zur Antragstellung aufgefordert hat. Die Behauptung des Antragstellers, die entsprechende Aufforderung nicht erhalten zu haben, hält die Kammer nicht für glaubhaft. Dagegen spricht zunächst, dass der Antragsgegner mit Datum vom 25. Januar 2016 zusätzlich noch mehrere Bescheide an den Antragsteller übersendet hat. Auf die Aufforderung in einem dieser Bescheide hat der Antragsteller mit der E-Mail vom 28. Januar 2016 reagiert. Dass der Antragsteller nur die für ihn günstigen Bescheide, nicht dagegen die ihn belastende Aufforderung zur Rentenantragstellung vom gleichen Tag erhalten haben könnte, erscheint fernliegend. Zudem hatte der Antragsgegner den Antragsteller noch mit Schreiben vom 11. Juli 2016 an das Schreiben vom 25. Januar 2016 erinnert. Dass der Antragsteller auch dieses nicht erhalten haben könnte, hält die Kammer für praktisch ausgeschlossen.
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Die Aufforderung mit dem Schreiben vom 25. Januar 2016 war auch rechtmäßig. Ob eine Aufforderung zur umgehenden Rentenantragstellung rechtswidrig wäre, wenn die Vollendung des 63. Lebensjahres noch in ferner Zukunft liegt, kann die Kammer offen lassen. Denn mit dem Schreiben vom 25. Januar 2016 hat der Antragsgegner den Antragsteller nicht zur umgehenden Rentenantragstellung aufgefordert. Vielmehr hat er ihm eine Frist bis 31. März 2016 gesetzt. Zwar waren es dann noch 5 Monate bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres. Ein solcher Vorlauf erscheint indes sinnvoll, um dem Rentenversicherungsträger ausreichend Zeit zu lassen, den Versicherungsverlauf des Antragstellers zu klären und über den Rentenantrag noch vor Vollendung des 63. Lebensjahres zu entscheiden.
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Das gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I erforderliche Ermessen hat der Antragsgegner im Bescheid vom 23. Dezember 2016 ausgeübt und ist ermessensfehlerfrei zum Ergebnis gelangt, dass die Beantragung der Rente für die Leistungsbewilligung relevant ist. Das folgt schon daraus, dass der Antragsteller bei Bewilligung der Altersrente gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.
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Schließlich ist der Bescheid vom 23. Dezember 2016 formell rechtmäßig. Die Entziehung ist gemäß § 66 Abs. 3 SGB I nur zulässig, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seinen Mitwirkungspflichten nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Eine entsprechende Belehrung war im Schreiben vom 8. Dezember 2016 enthalten. Die gesetzte Frist bis 20. Dezember 2016 war angemessen.
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Soweit der Antragsteller außerdem die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Rücknahme des Rentenantrags und Gewährung von Leistungen ab März 2017 begehrt, handelt es sich um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Dieser ist jedoch ebenfalls nicht begründet.
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Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 935, 936, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht. Als Anordnungsgrund ist ein besonderes Eilbedürfnis erforderlich. Der Anordnungsanspruch betrifft den materiell-rechtlichen Anspruch. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tat sächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. Juni 2011 - L 5 AS 170/11 B ER, zitiert nach Juris Rn. 26).
- 37
Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner den Rentenantrag zurücknimmt, weil die Voraussetzungen der Rentenantragstellung, wie oben ausgeführt, vorliegen.
- 38
Schließlich hat der Antragsteller auch keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab März 2017. Über den behaupteten Leistungsantrag hat der Antragsgegner bisher nicht entschieden. Da der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten in Bezug auf die Rentenantragstellung weiterhin nicht nachgekommen ist, ist der Antragsgegner allerdings berechtigt, die Leistungsgewährung ab März 2017 gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I zu versagen. Diese vom Antragsgegner noch zu treffende Ermessensentscheidung schließt eine Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Leistungsgewährung aus.
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Referenzen
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