Urteil vom Sozialgericht Mainz (14. Kammer) - S 14 U 216/12

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Ereignisses am 30. April 1980 als Arbeitsunfall und eine Rente.

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Der Kläger gibt an, am 30. April 1980 beim Herstellen einer Garagenaußenwand aus Kalksandsteinen seines Eigenheims durch einen Fehltritt vom Fußgerüst ins Straucheln gekommen und auf den Stahlbetonfußboden gefallen zu sein. Dabei habe er seine rechte Hand instinktiv zum Abfedern des Sturzes eingesetzt. Er sei allein gewesen. Er sei dann zunächst im eigenen Auto zu einem Orthopäden und dann zu Herrn Dr. R. gefahren. Er sei nicht arbeitsunfähig gewesen. Er leide immer noch unter Schmerzen und Bewegungseinschränkungen.

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Eine Steuerbegünstigung für den Hausbau wurde vom Kläger am 9. April 1981 beantragt und von der Kreisverwaltung Mainz-Bingen am 4. Juni 1981 erteilt.

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Bei einer Begutachtung am 13. Juli 2010 im Auftrag der Beklagten bei Herrn Dr. H. stellte dieser am rechten Handgelenk eine geringfügige Fraktur des Speichengriffelfortsatzes fest, woraus eine Abstützreaktion und Krafteinleitung in den Arm über das Handgelenk plausibel sei. Heute seien noch eine Konturvergröberung und Fehlstellung des Handgelenks, Bewegungseinschränkung des Handgelenks, Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit und erhebliche radiologische Veränderungen bei in Feststellung verheilter Speichenfraktur mit posttraumatischer Arthrose auf den zurückliegenden Arbeitsunfall 1980 zurückzuführen. Die MdE sei mit 10 Prozent zu bewerten.

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Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 30. November 2010 die Anerkennung eines Sturzes beim Bau eines steuerbegünstigten Eigenheims am 30. April 1980 als Versicherungsfall gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 15 Reichsversicherungsordnung in der damals geltenden Fassung. Die Beklagte konnte trotz umfangreicher Recherche Beweismittel zu dem Unfall nicht ermitteln.

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Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. September 2011 die Anerkennung des möglichen Ereignisses am 30. April 1980 als Arbeitsunfall ab.

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Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 15. Oktober 2011. Es sei unstreitig, dass er zum Zeitpunkt des Unfalls zum Kreis der unfallversicherten Personen gehört habe. Auch die Ausübung der versicherten Tätigkeit werde nicht bestritten. Das Unfallereignis sei in einem Fragebogen gegenüber der BG W. erwähnt worden, in einem Notfall-Ausweis sei für den 30. April 1980 ein Besuch bei Dr. R. erwähnt, die Nachbarn erinnerten sich noch, dass er ihnen vom Unfall erzählt habe.

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Weitere Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass medizinische Unterlagen bei der wegen einer Beschlagnahmung von Unterlagen beim ersten Rechtsnachfolger der Praxis R. angefragten Staatsanwaltschaft, beim zweiten Rechtsnachfolger der Praxis R., bei der Kassenärztlichen Vereinigung und bei der Krankenversicherung des Klägers und auch nicht mehr vorhanden waren.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

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Hiergegen richtet sich die Klage vom 11. Mai 2012. Der Kläger vertieft seinen Klagevortrag. Weitere Hinweise zur Sachverhaltsaufklärung konnte er dem Gericht nicht geben.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 14. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, das ihr vom Kläger gemeldete Ereignis am 30. April 1980 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

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Das Gericht hat das Klageverfahren von einem weiteren in der ursprünglichen Klage verfolgten Klagebegehren abgetrennt. Es hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der Versicherungsschutz Steuerbegünstigung voraussetzt und diese erst nach dem 30. April 1980l beantragt und bewilligt wurde.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der mögliche Anspruch des Klägers auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls am 30. April 1980 richtet sich nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil das von ihm als Arbeitsunfall geltend gemachte schädigende Ereignis vor dem Inkrafttreten des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB 7) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (§ 212 SGB VII).

20

Nach diesen Vorschriften liegt kein Arbeitsunfall vor.

21

Gemäß § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO in der 1980 geltenden Fassung ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet.

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Nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO in der im April 1980 geltenden Fassung sind unter anderem Personen gegen einen Arbeitsunfall versichert, die bei dem Bau eines Familienheimes im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind, wenn durch das Bauvorhaben steuerbegünstigte Wohnungen geschaffen werden sollen. Für die Begriffsbestimmungen sind vorliegend die §§ 5, 7 bis 10, 12, 13 und 36 des 2. Wohnungsbaugesetzes (WoBauG II) in der im April 1980 geltenden Fassung maßgebend. Nach § 83 Abs. 3 Satz 1 WoBauG II gilt die Wohnung von der Anerkennung an als steuerbegünstigte Wohnung im Sinne dieses Gesetzes, auch wenn sie noch nicht bezugsfertig ist. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (Urteile des BSG vom 21. 12. 1977 -- Az.: 2 RU 80/77; 20. 10. 1983 -- Az.: 2 RU 53/82; 26. 04. 1990 -- Az.: 2 RU 46/89) zu § 539 abs. 1 Nr. 5 RVO bildete die Steuerbegünstigung eine notwendige Vorfrage für den Versicherungsschutz bei Selbsthilfearbeiten. Insoweit sind die Unfallversicherungsträger und die Sozialgerichte bei der Entscheidung über den Unfallversicherungsschutz an den Verwaltungsakt der zuständigen Stelle über die Anerkennung oder die Ablehnung der Steuerbegünstigung des Bauvorhabens gebunden.

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Der Anspruch des Klägers scheitert daran, dass er am 30. April 1980 während des Hausbaus nicht bei der Beklagten versichert war. Zu diesem Zeitpunkt war der Hausbau nicht als steuerbegünstigt anerkannt, was zwingende Voraussetzung für den Versicherungsschutz gewesen wäre. Der Bescheid zur Bewilligung der Steuerbegünstigung wurde von der Kreisverwaltung M-B. erst am 4. Juni 1981 erteilt. Ein vorheriger Unfallversicherungsschutz bestand nicht. Eine Rückwirkung auf den Baubeginn sah das Wohnungsbaugesetz nicht vor.

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Das Gericht musste daher nicht entscheiden, ob der Kläger am 30. April 1980 im Rahmen von Selbsthilfearbeiten tatsächlich verunglückte.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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