1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 30.5.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.7.2012 zu verurteilt, die Kosten für sterile Einmallochtücher, Teflon-Bougies, Desinfektionsmittel sowie Gleitmittel für die Zeit ab dem 1.8.2010 auf Dauer zu übernehmen.
2. Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach in voller Höhe zu erstatten.
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| Die Beteiligten streiten im Rahmen der Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) um eine Kostenübernahme für „sterile Einmallochbücher, Teflon-Bougies, Desinfektionsmittel sowie Gleitmittel“. |
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| Der am ... geborene - somit heute 59jährige - Kläger, dessen Behinderungsgrad (GdB) 80 beträgt (mit Merkzeichen „G“), bezieht schon seit längerem ergänzend zu seiner Rente wegen Erwerbsminderung ergänzende Leistungen der Sozialhilfe nach dem 4. Kapitel des SGB XII. |
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| Wegen einer Blasenentleerungsstörung ist er auf eine ständige Selbst-Bougierung der Harnröhre angewiesen. |
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| Anlässlich seines Weiterbewilligungsantrags wies der Kläger im Juli 2010 darauf hin, er habe sich bereits 28mal – leider ohne Erfolg – einer Operation der Harnröhre unterziehen müssen. Zusätzlich bestehe auch ein Nierenschaden. Dadurch habe er „sehr große Nebenkosten, die von der Krankenkasse nur teils über Privatrezept erstattet“ würden. Er bitte daher um Überprüfung, ob ihm nicht „mehr Geld zum Leben“ zustehe. |
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| Daraufhin bewilligte der Beklagte dem Kläger mit dem Bescheid vom 21.7.2010 für die Zeit vom 1.8.2010 bis zum 31.7.2011 eine monatliche Hilfe von 151,33 EUR (Regelleistung). Wegen des geltend gemachten Mehrbedarfs verwies der Beklagte in diesem Bescheid auf sein Schreiben vom 22.7.2010 (Anforderung der notwendigen Unterlagen, unter anderem ärztliches Attest, Aufstellung über die entsprechenden Kosten). |
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| Nachdem der Kläger hierauf nicht reagiert hatte, teilte der Beklagte ihm mit Bescheid vom 7.9.2010 mit, seinem Antrag könne wegen fehlender Mitwirkung nicht entsprochen werden. |
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| Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 17.9.2010 Widerspruch: Er habe aus gesundheitlichen Gründen der Aufforderung nicht nachkommen können, er habe „über 40 Operationen hinter sich“ und es falle ihm schwer, wegen seiner vielen Erkrankungen immer wieder neue Fragebogen auszufüllen und weitere Unterlagen beizubringen. Ergänzend trug der Kläger vor, er müsse seine Harnröhre (bzw. „was davon noch vorhanden“ sei) schon seit mehr als zehn Jahren „alle zwei bis drei Tage“ bougieren, sonst würde er sich durch „den Harn vergiften“. „Kein Urologe“ sei bereit, diese Bougierung für das niedrige Honorar, das er dafür erhalte, so häufig durchzuführen. Deshalb müsse er dies selber tun. Zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Hygiene benötige er daher die entsprechenden Desinfektionsmittel und Hilfsmittel (Einmallochtücher und Teflon-Bougies). |
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| Mit seinem Bescheid vom 30.5.2011 teilte der Beklagte dem Kläger mit, der Bescheid vom 7.9.2010 werde nach Nachholung der Mitwirkungspflicht aufgehoben. Jedoch könne dem Antrag in der Sache nicht entsprochen werden, denn für die geltend gemachten Aufwendungen bestehe eine vorrangige Einstandspflicht der Krankenkasse (...). Wegen „fehlender plausibler Nachweise über ... selbst zu tragende, unabweisbare Krankheitskosten“ habe „keine erhebliche Abweichungen vom Regelsatz“ festgestellt werden können. |
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| Am 6.7.2011 teilte der Kläger telefonisch mit, er habe den zuletzt genannten Bescheid am 3.6.2011 erhalten. Er wisse, dass die Widerspruchsfrist einen Monat betrage, aber er sei erkrankt und habe daher die Frist nicht einhalten können. Sodann erhob der Kläger mit Schreiben vom 5.7.2011 (Eingang: 11.7.2011) gegen diesen Bescheid förmlich Widerspruch; zugleich bat er aus den telefonisch mitgeteilten Gründen um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. |
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| Mit Bescheid vom 26.7.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger auch für den Folgezeitraum (1.8.2011 bis 31.7.2012 eine monatliche Hilfe nach dem 4. Kapitel des SGB XII in Höhe von monatlich 151,93 EUR. |
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| Zur Begründung seines Widerspruchs vom 5.7.2011 führte der Kläger später aus, er habe in der Vergangenheit die notwendigen Ausgaben von der ... ohne Probleme gegen Rezept in voller Höhe erstattet bekommen. Mittlerweile akzeptiere die ... dies aber nicht mehr. Seine Erkrankung sei sehr selten, nur einer unter 1 Million Männern leide darunter. Er müsse sich mittlerweile drei- bis viermal bougieren. Hierfür benötige er sterile Einmallochtücher, Teflon-Bougies und Desinfektionsmittel und Gleitmittel sowie Handschuhe. Diesen Aufwand könne er nicht tragen. Dies sei ihm auch von seinen behandelnden Ärzten bestätigt worden. |
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| Der Widerspruch ist jedoch erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 4.7.2012, Zustellung am 5.7.2012): Der Widerspruch sei zulässig, jedoch nicht begründet. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sei (nur) der Bescheid vom 30.5.2011. Bei der Entscheidung müsse beachtet werden, dass der Kläger bei der ... gesetzlich krankenversichert sei und wegen seiner Schwerbehinderung mit Merkzeichen „G“ einen zusätzlichen Mehrbedarf von 17 % (derzeit 63,58 EUR) erhalte. § 52 Abs. 1 SGB XII sehe ausdrücklich vor, dass die sozialhilferechtliche Krankenhilfe in ihrem Umfang den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen müsse. Hieraus ergebe sich, dass ein medizinischer Bedarf, „der durch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gedeckt“ werde, „auch nicht durch aufstockende Hilfen nach dem SGB XII erbracht werden“ könne. Vor diesem Hintergrund müsse der Widerspruch abgewiesen werden. |
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| Am 24.7.2012 hat der Kläger wegen „Übernahme von nicht erstattungsfähigen Krankenkosten“ Klage zum Sozialgericht erhoben: Bei ihm bestehe eine „extreme Enge der distalen Harnröhre“, die auch durch vielfache Operationen nicht habe behoben werden können. Er sei daher auf eine ständige und regelmäßige „Selbst-Bougierung“ angewiesen. Hierfür benötige er „zur Vermeidung von Harnwegsinfektionen“ und zur Gewährleistung des „hygienische Standards“ dringend sterile Einmallochtücher, Teflon-Bougies, Desinfektionsmittel (Octenisept) und Gleitmittel (Instillagel). Seiner Auffassung nach müsse dieser Aufwand im Rahmen der Sozialhilfe nach § 47 Satz 2 SGB XII übernommen werden. Auf Bitten des Gerichts beziffert der Kläger seinen privaten Aufwand (unvollständig?) zum Schluss wie folgt: |
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- Schreiben der ... vom 3.3.2011, Eigenanteil: |
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- Schreiben der ... vom 12.10.2012, Eigenanteil: |
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- Schreiben der ... vom 30.1.2013, Eigenanteil: |
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| Somit beantragt der Kläger, |
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| die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.5.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.7.2012 zu verurteilten, die Kosten für sterile Einmallochtücher, Teflon-Bougies, Desinfektionsmittel sowie Gleitmittel zu übernehmen und ihm die außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten. |
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| Der Beklagte tritt der Klage entgegen und beantragt, |
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| Die Klagebegründung enthalte keine neuen Gesichtspunkte, die „die Übernahme der Hygieneprodukte im Rahmen der Grundsicherung“ begründen würden. |
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| Mit Schreiben vom 18.2.2013 berichtet der behandelnde Facharzt für Urologie, Dr. ... als sachverständiger Zeuge über die Behandlung des Klägers seit 1997: Der Kläger leide nach vielfachen Operationen an einer erheblichen Stenose der Harnröhre und sei mit einem suprapubischen Katheter versorgt (Wechsel etwa alle 6 Wochen). Seit 2003 führe er die erforderlichen Bougierungen selbst durch. Dies sei erforderlich, um wenigstens den derzeitigen Zustand zu erhalten. Als letzte Alternative verbliebe sonst nur noch eine perineale Ausleitung der Harnröhre. Die Bougierung müsse, auch wenn sie vom „medizinischen Laien“ durchgeführt werde, möglichst „keimarm“ erfolgen. Hierfür würden Lochtücher sowie Kompressen, die beispielsweise in Braunol-Lösung getränkt worden seien, benötigt. Darüber hinaus sei für das Einführen der Bougies in ansteigender Größe „Instillagel“ (Gleitmittel, Lokalanästhetikum) unerläßlich. Nicht zuletzt benötige der Kläger auch Verbandsmaterial, um die Hautwunde nach dem Wechseln des Katheters zu versorgen. Außerdem sei – bei schmerzhafter Bougierung trotz Instillagel – regelmäßig zusätzlich noch ein Schmerzmittel (Tramal Tropfen) von Nöten. Dies gelte auch für Handschuhe. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die dem Gericht vorliegende Verwaltungsakten des Beklagten (zwei Bände) und auf die Prozessakte Bezug genommen. |
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| Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG) zulässig. Da der Beklagte den Widerspruch vom 5.7.2011 als zulässig angesehen hat, ist eine Auseinandersetzung damit, ob die Widerspruchsfrist eingehalten worden ist bzw. ob Wiedereinsetzungsgründe gegeben waren, im Rahmen dieses Klageverfahrens obsolet (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 84 Rdnr. 7). |
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| Die Klage ist begründet. Denn der Kläger kann aufgrund seiner besonderen Krankheitssituation beanspruchen, dass sein sozialhilferechtlicher Bedarf abweichend von der gesetzlich vorge-gebenen Pauschale bemessen wird. |
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| Grundsätzlich umfassend die hier streitgegenständlichen Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII je nach der maßgeblichen Regelbedarfsstufe feste Regelbedarfspauschalen (§ 42 Nr. 1 i.V.m. § 28 SGB XII bzw. i.V.m. der maßgeblichen Anlage zum SGB XII). Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass seit dem Inkrafttreten des SGB XII zum 1.1.2005 nur noch eine pauschalierte Bemessung des Regelbedarfs erfolgt. Innerhalb dieser Pauschale sind die hilfebedürftigen Personen in der konkreten Verwendung der ihnen gewährten Sozialhilfe frei. Auf der anderen Seite scheiden jedoch entgegen dem früheren Rechtszustand unter dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) seither Hilfen des Sozialamtes für einzelne Bedarfspositionen grundsätzlich aus. Mit anderen Worten: Mit der Gewährung der Regelsatzpauschale wird der gesamte Sozialhilfebedarf der hilfebedürftigen Person durch eine monatliche Einmalzahlung abgegolten. |
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| Hiervon abweichend sieht § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII (inhaltsgleich Vorgängervorschrift bis zum 31.12.2010: § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) vor, dass eine abweichende Bedarfsbemessung zu erfolgen hat, wenn der konkrete Bedarf der hilfebedürftigen Person „unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf“ abweicht. Hiermit trägt der Gesetzgeber dem Spannungsverhältnis zwischen dem System der Regelsatzpauschale auf der einen Seite und dem gesetzlichen Auftrag, dass sich die Sozialhilfe „nach den Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Bedarfs“ zu richten hat (sogenannter „Individualisierungsgrund-satz“ nach § 9 Abs. 1 SGB XII), Rechnung. Denn das das Regelsatzsystem tragende Interesse der öffentlichen Hand an Verwaltungspraktikabilität findet im Rahmen einer zulässigen gesetzlichen Typisierung (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 1.10.2012 - 1 BvR 3046/11 im Anschluss an seinen Beschluss vom 22.3.200 - 1 BvR 1136/96) seine Grenze dort, wo die pauschalierte Hilfe aufgrund der besonderen, unabweisbaren Umstände des Einzelfalls zur Gewährleistung des Sozialstaatsprinzips, des menschenwürdigen Existenzminimums und des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit unzureichend ist. |
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| Vor diesem Hintergrund erfüllt der Kläger nach Auffassung des Gerichts die Voraussetzungen für eine abweichende Bedarfsfestlegung: |
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| Zunächst ist der Bedarf des Klägers an sterilen Einmallochtüchern, Teflon-Bougies, Desinfektions- sowie Gleitmitteln „unabweisbar“. Denn der Kläger leidet an einer gravierenden Erkrankung seiner Harnblase bzw. der Harnröhre und ist deshalb zur Durchführung der notwendigen „Selbstbougierung“ auf diese Gegenstände angewiesen. Dies wird im Grunde genommen von dem Beklagten auch nicht bestritten. Zudem wird es im Rahmen der fachärztlichen Zeugenauskunft von Dr. ... (18.2.2013) bestätigt. |
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| Das Gericht ist weiter überzeugt, dass hierdurch eine „erhebliche“ Bedarfsabweichung bedingt wird. Denn aus § 5 Abs. 1 Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) ergibt sich, dass die für den Kläger vorgesehene Regelsatzpauschale für den Bereich der Gesundheitspflege (Abteilung 6) lediglich einen monatlichen Betrag von 15,55 EUR beinhaltet. Die aktenkundigen Unterlagen belegen jedoch, dass der Kläger bislang alleine für Gleit- und Desinfektionsmittel seit August 2010 folgende Aufwendungen (Eigenanteil nach Kulanzleistung der Krankenkasse) nachgewiesen hat: |
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| Somit steht fest, dass der Kläger – abgesehen von der noch zu klärenden Lücke zwischen Juli 2011 und Oktober 2012 – pro Quartal gut 45,00 EUR für die zur „Selbstbougierung“ der Harnröhre unerlässlichen „Hilfsmittel“ aufwenden muss. Hiermit zehrt er somit den gesamten Anteil, den die Regelsatzpauschale für den Bereich der Gesundheitspflege vorsieht, auf. Dies hat zur Konsequenz, dass dem Kläger innerhalb der Regelsatzpauschale keinerlei Beträge für sonstige Einkäufe, die dem Bereich der Gesundheitspflege zuzuordnen sind, mehr zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise an den Erwerb von freiverkäuflichen Arzneimitteln in der Apotheke (wie beispielsweise Erkältungsmittel, Kopfschmerztabletten) oder an Zuzahlungen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten oder (bis zum 31.12.2012) an die „Praxisgebühr“ zu denken (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16.12.2010 - B 8 SO 7/09 R und Beschlüsse vom 27.1.2011 - B 8 SO 60/10 B und vom 21.1.2011 - B 8 SO 57/10B). Hierfür hätte der Kläger dann kein Geld mehr! Insoweit weicht die konkrete Lebenssituation des Klägers in deutlicher Weise von dem Regelfall, der der der Regelsatzpauschale innewohnenden Typisierung zugrunde liegt, ab. Wenn weiter berücksichtigt wird, dass es sich nicht nur um eine zeitlich befristete Abweichung handelt sondern dass (leider) damit gerechnet werden muss, dass das Krankheitsbild des Klägers sein Leben lang anhalten wird, liegt es für das Gericht auf der Hand, dass dies eine sozialhilferechtlich erhebliche Bedarfsabweichung auslöst. |
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| Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht die tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII als erfüllt an. Dies hat zur Konsequenz, dass der Beklagte verpflichtet ist, zusätzlich zu der Regelsatzpauschale die entsprechenden Aufwendungen des Klägers zu übernehmen. |
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| In diesem Zusammenhang ist der Einwand des Beklagten, der Kläger habe auf die geltend gemachten Gegenstände bzw. Aufwendungen einen Anspruch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch V (SGB V) nicht überzeugend. Denn nach § 34 SGB V besteht ein entsprechender krankenversicherungsrechtlicher Anspruch gerade nicht. Wenn der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung beiläufig erwähnt hat, eigentlich könne er zur Durchführung der „Bougierung“ auch seinen Urologen aufsuchen, so dass dieser diese Prozedur im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung als Dienstleistung durchführen müsse, ist die sozialhilferechtlich irrelevant. Zwar ist die Sozialhilfe gegenüber den anderen Leistungssystemen des Sozialgesetzbuch (SGB) nachrangig (§ 2 SGB XII). Jedoch stellt das Krankenversicherungsrecht die Leistungsansprüche gegenüber der Krankenkasse ausdrücklich unter ein Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V), so dass nicht notwendige Leistungen von vorneherein auf dem Leistungskatalog ausgeschlossen sind. Vor diesem Hintergrund ist das Gericht überzeugt, dass der Kläger entgegen seiner Einschätzung gerade keinen Anspruch gegenüber seiner Krankenkasse auf regelmäßige Durchführung der „Bougierung“ durch einen Kassenarzt hat. Denn offenkundig hat der Kläger bei seinem schon lange bestehenden Krankheitsbild über die Jahre die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten erworben, diese Prozedur selbst durchzuführen. Hiermit trägt er dem in § 1 SGB V niedergelegten Grundsatz, dass die Versicherten für ihre Gesundheit mitverantwortlich sind und deshalb gehalten sind, bei der Krankenbehandlung „aktiv“ mitzuwirken, Rechnung. Deshalb muss es letztlich als „großzügige Kulanzentscheidung im Einzelfall“ gewertet werden, dass sich die Krankenkasse des Klägers (über das gesetzliche Erlaubte hinaus) an den entsprechenden Aufwendungen des Klägers teilweise beteiligt. Solange die Krankenkasse an dieser Praxis festhält, können die entsprechenden Beträge im Rahmen des Nachranggrundsatzes bei der abweichende Bedarfsbemessung mindernd berücksichtigt werden. Die Kulanzleistungen der Krankenkasse sind jedoch nicht geeignet, die sozialhilferechtliche Einstandspflicht des Beklagten gänzlich auszuschließen. |
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| Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass § 52 Abs. 1 SGB XII ausdrücklich und unmissverständlich anordnet, dass die sozialhilferechtliche Krankenhilfe den Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V nicht übersteigen darf. Die hierin liegende Abkehr vom für das Sozialhilferecht wesentlichen „Bedarfsdeckungsgrundsatz“ bzw. „Individualisierungsgrundsatz“ (vgl. Schellhorn u.a., SGB XII, 18. Auflage 2010, Einführung Rdnr. 20) wird damit gerechtfertigt, dass Sozialhilfebezieher im Rahmen der Gesundheitsfürsorge nicht besser gestellt werden sollen als gesetzlich Versicherte. Diese Argumentation mag dem Wortlaut und dem systematischen Aufbau des SGB XII entsprechen. Sie verkennt in Bezug auf den vorliegenden Kontext jedoch, dass die durch § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bewirkte Abkehr vom Bedarfsdeckungsgrundsatz dem Grundverständnis der Sozialhilfe fremd ist. Denn als Fürsorgesystem zielt die Sozialhilfe darauf ab, der Menschenwürde entsprechend das lebensnotwendige Existenzminimum zu sichern. Nach dem Selbstverständnis der Bundesrepublik als Sozialstaat (Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz - GG) ist es daher bedenklich, schematisch eine erhöhte, unabweisbare krankheitsbedingte Bedarfslage nur wegen einer (vermeintlichen) Gleichbehandlung mit krankenversicherten Bürgern aus dem Leistungsspektrum der Sozialhilfe auszuschließen, dies umso mehr, wenn sich die betreffende Bedarfslage auf einem grundrechtlich geschützten Kernbereich beruht. Dies ist vorliegend offenkundig der Fall, denn Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG räumt jedem gegenüber der öffentlichen Gewalt ein uneingeschränktes Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ein. In diesem Zusammenhang kann der Gesetzgeber im Rahmen einer zulässigen Typisierung davon ausgehen, dass (auch) ein minderbemittelter bzw. ein minderverdienender Bürger in der Lage ist, sich die notwendigen gesundheitlichen Leistungen, die von der Krankenkasse nicht finanziert werden, aus seinem Einkommen bzw. Vermögen selbst zu verschaffen. Eine solche Annahme verbietet sich jedoch bei Personen, die zur Bestreitung ihres gesamten Lebensunterhalts auf eine staatliche Fürsorgeleistung angewiesen sind. Hier sind im Rahmen einer abweichenden Bedarfsbemessung nach § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII die unabweisbaren und erheblichen „Gesundheitsaufwendungen“ trotz des in § 52 Abs. 1 SGB XII niedergelegten Aufstockungsverbots zu berücksichtigen. Alles andere würde den Anspruch der Bundesrepublik, die Menschenwürde nicht anzutasten, sie zu achten und zu schützen (vgl. Art. 1 Abs. 1 GG) und für einen ausreichenden Gesundheitsschutz der Bürger Sorge zu tragen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) verfehlen. Wenn zudem in Rechnung gestellt wird, dass der Gesetzgeber selbst nicht konsequent handelt, indem er trotz des dargestellten gesetzlichen Aufstockungsverbots (§ 52 Abs. 1 Satz SGB XII) in § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII seit dem 1.1.2011 für die Anschaffung und Reparatur von orthopädischen Schuhen bzw. von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen einmalige Hilfen vorsieht, ist es nach Auffassung des Gerichts im Rahmen einer an teleologischen Grundsätzen orientierten Auslegung zur Gewährleistung der oben wiedergegebenen verfassungsrechtlichen Vorgaben geboten, bei der abweichenden Bedarfsbemessung nach § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII krankenversicherungs-rechtlich nicht gedeckte Gesundheitsaufwendungen nicht aus „dogmatischen“ Gründen von vornherein auszuklammern (vgl. zu § 52 Abs. 1 SGB XII Urteil der Kammer vom 19.3.2013 - S 9 SO 568/12, Berufung beim LSG Baden-Württemberg anhängig unter dem Az. L 2 SO 1625/13). |
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| Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG macht das Gericht dem Antrag entsprechend von der Möglichkeit Gebrauch, lediglich über den Anspruchsgrund zu entscheiden. Insoweit ist der Beklagte – nach Rechtskraft dieses Urteils – gehalten, die vom Kläger nachgewiesenen Aufwendungen für die im Urteilstenor erwähnten Gegenstände bzw. Hilfsmittel unter Berücksichtigung etwaiger Kulanzleistungen der Krankenkasse im Rahmen einer abweichenden Bedarfsbemessung zu berücksichtigen und zu tragen. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klage erfolgreich ist. |
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| Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG) zulässig. Da der Beklagte den Widerspruch vom 5.7.2011 als zulässig angesehen hat, ist eine Auseinandersetzung damit, ob die Widerspruchsfrist eingehalten worden ist bzw. ob Wiedereinsetzungsgründe gegeben waren, im Rahmen dieses Klageverfahrens obsolet (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 84 Rdnr. 7). |
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| Die Klage ist begründet. Denn der Kläger kann aufgrund seiner besonderen Krankheitssituation beanspruchen, dass sein sozialhilferechtlicher Bedarf abweichend von der gesetzlich vorge-gebenen Pauschale bemessen wird. |
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| Grundsätzlich umfassend die hier streitgegenständlichen Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII je nach der maßgeblichen Regelbedarfsstufe feste Regelbedarfspauschalen (§ 42 Nr. 1 i.V.m. § 28 SGB XII bzw. i.V.m. der maßgeblichen Anlage zum SGB XII). Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass seit dem Inkrafttreten des SGB XII zum 1.1.2005 nur noch eine pauschalierte Bemessung des Regelbedarfs erfolgt. Innerhalb dieser Pauschale sind die hilfebedürftigen Personen in der konkreten Verwendung der ihnen gewährten Sozialhilfe frei. Auf der anderen Seite scheiden jedoch entgegen dem früheren Rechtszustand unter dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) seither Hilfen des Sozialamtes für einzelne Bedarfspositionen grundsätzlich aus. Mit anderen Worten: Mit der Gewährung der Regelsatzpauschale wird der gesamte Sozialhilfebedarf der hilfebedürftigen Person durch eine monatliche Einmalzahlung abgegolten. |
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| Hiervon abweichend sieht § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII (inhaltsgleich Vorgängervorschrift bis zum 31.12.2010: § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) vor, dass eine abweichende Bedarfsbemessung zu erfolgen hat, wenn der konkrete Bedarf der hilfebedürftigen Person „unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf“ abweicht. Hiermit trägt der Gesetzgeber dem Spannungsverhältnis zwischen dem System der Regelsatzpauschale auf der einen Seite und dem gesetzlichen Auftrag, dass sich die Sozialhilfe „nach den Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Bedarfs“ zu richten hat (sogenannter „Individualisierungsgrund-satz“ nach § 9 Abs. 1 SGB XII), Rechnung. Denn das das Regelsatzsystem tragende Interesse der öffentlichen Hand an Verwaltungspraktikabilität findet im Rahmen einer zulässigen gesetzlichen Typisierung (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 1.10.2012 - 1 BvR 3046/11 im Anschluss an seinen Beschluss vom 22.3.200 - 1 BvR 1136/96) seine Grenze dort, wo die pauschalierte Hilfe aufgrund der besonderen, unabweisbaren Umstände des Einzelfalls zur Gewährleistung des Sozialstaatsprinzips, des menschenwürdigen Existenzminimums und des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit unzureichend ist. |
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| Vor diesem Hintergrund erfüllt der Kläger nach Auffassung des Gerichts die Voraussetzungen für eine abweichende Bedarfsfestlegung: |
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| Zunächst ist der Bedarf des Klägers an sterilen Einmallochtüchern, Teflon-Bougies, Desinfektions- sowie Gleitmitteln „unabweisbar“. Denn der Kläger leidet an einer gravierenden Erkrankung seiner Harnblase bzw. der Harnröhre und ist deshalb zur Durchführung der notwendigen „Selbstbougierung“ auf diese Gegenstände angewiesen. Dies wird im Grunde genommen von dem Beklagten auch nicht bestritten. Zudem wird es im Rahmen der fachärztlichen Zeugenauskunft von Dr. ... (18.2.2013) bestätigt. |
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| Das Gericht ist weiter überzeugt, dass hierdurch eine „erhebliche“ Bedarfsabweichung bedingt wird. Denn aus § 5 Abs. 1 Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) ergibt sich, dass die für den Kläger vorgesehene Regelsatzpauschale für den Bereich der Gesundheitspflege (Abteilung 6) lediglich einen monatlichen Betrag von 15,55 EUR beinhaltet. Die aktenkundigen Unterlagen belegen jedoch, dass der Kläger bislang alleine für Gleit- und Desinfektionsmittel seit August 2010 folgende Aufwendungen (Eigenanteil nach Kulanzleistung der Krankenkasse) nachgewiesen hat: |
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| Somit steht fest, dass der Kläger – abgesehen von der noch zu klärenden Lücke zwischen Juli 2011 und Oktober 2012 – pro Quartal gut 45,00 EUR für die zur „Selbstbougierung“ der Harnröhre unerlässlichen „Hilfsmittel“ aufwenden muss. Hiermit zehrt er somit den gesamten Anteil, den die Regelsatzpauschale für den Bereich der Gesundheitspflege vorsieht, auf. Dies hat zur Konsequenz, dass dem Kläger innerhalb der Regelsatzpauschale keinerlei Beträge für sonstige Einkäufe, die dem Bereich der Gesundheitspflege zuzuordnen sind, mehr zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise an den Erwerb von freiverkäuflichen Arzneimitteln in der Apotheke (wie beispielsweise Erkältungsmittel, Kopfschmerztabletten) oder an Zuzahlungen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten oder (bis zum 31.12.2012) an die „Praxisgebühr“ zu denken (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16.12.2010 - B 8 SO 7/09 R und Beschlüsse vom 27.1.2011 - B 8 SO 60/10 B und vom 21.1.2011 - B 8 SO 57/10B). Hierfür hätte der Kläger dann kein Geld mehr! Insoweit weicht die konkrete Lebenssituation des Klägers in deutlicher Weise von dem Regelfall, der der der Regelsatzpauschale innewohnenden Typisierung zugrunde liegt, ab. Wenn weiter berücksichtigt wird, dass es sich nicht nur um eine zeitlich befristete Abweichung handelt sondern dass (leider) damit gerechnet werden muss, dass das Krankheitsbild des Klägers sein Leben lang anhalten wird, liegt es für das Gericht auf der Hand, dass dies eine sozialhilferechtlich erhebliche Bedarfsabweichung auslöst. |
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| Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht die tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII als erfüllt an. Dies hat zur Konsequenz, dass der Beklagte verpflichtet ist, zusätzlich zu der Regelsatzpauschale die entsprechenden Aufwendungen des Klägers zu übernehmen. |
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| In diesem Zusammenhang ist der Einwand des Beklagten, der Kläger habe auf die geltend gemachten Gegenstände bzw. Aufwendungen einen Anspruch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch V (SGB V) nicht überzeugend. Denn nach § 34 SGB V besteht ein entsprechender krankenversicherungsrechtlicher Anspruch gerade nicht. Wenn der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung beiläufig erwähnt hat, eigentlich könne er zur Durchführung der „Bougierung“ auch seinen Urologen aufsuchen, so dass dieser diese Prozedur im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung als Dienstleistung durchführen müsse, ist die sozialhilferechtlich irrelevant. Zwar ist die Sozialhilfe gegenüber den anderen Leistungssystemen des Sozialgesetzbuch (SGB) nachrangig (§ 2 SGB XII). Jedoch stellt das Krankenversicherungsrecht die Leistungsansprüche gegenüber der Krankenkasse ausdrücklich unter ein Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V), so dass nicht notwendige Leistungen von vorneherein auf dem Leistungskatalog ausgeschlossen sind. Vor diesem Hintergrund ist das Gericht überzeugt, dass der Kläger entgegen seiner Einschätzung gerade keinen Anspruch gegenüber seiner Krankenkasse auf regelmäßige Durchführung der „Bougierung“ durch einen Kassenarzt hat. Denn offenkundig hat der Kläger bei seinem schon lange bestehenden Krankheitsbild über die Jahre die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten erworben, diese Prozedur selbst durchzuführen. Hiermit trägt er dem in § 1 SGB V niedergelegten Grundsatz, dass die Versicherten für ihre Gesundheit mitverantwortlich sind und deshalb gehalten sind, bei der Krankenbehandlung „aktiv“ mitzuwirken, Rechnung. Deshalb muss es letztlich als „großzügige Kulanzentscheidung im Einzelfall“ gewertet werden, dass sich die Krankenkasse des Klägers (über das gesetzliche Erlaubte hinaus) an den entsprechenden Aufwendungen des Klägers teilweise beteiligt. Solange die Krankenkasse an dieser Praxis festhält, können die entsprechenden Beträge im Rahmen des Nachranggrundsatzes bei der abweichende Bedarfsbemessung mindernd berücksichtigt werden. Die Kulanzleistungen der Krankenkasse sind jedoch nicht geeignet, die sozialhilferechtliche Einstandspflicht des Beklagten gänzlich auszuschließen. |
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| Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass § 52 Abs. 1 SGB XII ausdrücklich und unmissverständlich anordnet, dass die sozialhilferechtliche Krankenhilfe den Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V nicht übersteigen darf. Die hierin liegende Abkehr vom für das Sozialhilferecht wesentlichen „Bedarfsdeckungsgrundsatz“ bzw. „Individualisierungsgrundsatz“ (vgl. Schellhorn u.a., SGB XII, 18. Auflage 2010, Einführung Rdnr. 20) wird damit gerechtfertigt, dass Sozialhilfebezieher im Rahmen der Gesundheitsfürsorge nicht besser gestellt werden sollen als gesetzlich Versicherte. Diese Argumentation mag dem Wortlaut und dem systematischen Aufbau des SGB XII entsprechen. Sie verkennt in Bezug auf den vorliegenden Kontext jedoch, dass die durch § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bewirkte Abkehr vom Bedarfsdeckungsgrundsatz dem Grundverständnis der Sozialhilfe fremd ist. Denn als Fürsorgesystem zielt die Sozialhilfe darauf ab, der Menschenwürde entsprechend das lebensnotwendige Existenzminimum zu sichern. Nach dem Selbstverständnis der Bundesrepublik als Sozialstaat (Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz - GG) ist es daher bedenklich, schematisch eine erhöhte, unabweisbare krankheitsbedingte Bedarfslage nur wegen einer (vermeintlichen) Gleichbehandlung mit krankenversicherten Bürgern aus dem Leistungsspektrum der Sozialhilfe auszuschließen, dies umso mehr, wenn sich die betreffende Bedarfslage auf einem grundrechtlich geschützten Kernbereich beruht. Dies ist vorliegend offenkundig der Fall, denn Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG räumt jedem gegenüber der öffentlichen Gewalt ein uneingeschränktes Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ein. In diesem Zusammenhang kann der Gesetzgeber im Rahmen einer zulässigen Typisierung davon ausgehen, dass (auch) ein minderbemittelter bzw. ein minderverdienender Bürger in der Lage ist, sich die notwendigen gesundheitlichen Leistungen, die von der Krankenkasse nicht finanziert werden, aus seinem Einkommen bzw. Vermögen selbst zu verschaffen. Eine solche Annahme verbietet sich jedoch bei Personen, die zur Bestreitung ihres gesamten Lebensunterhalts auf eine staatliche Fürsorgeleistung angewiesen sind. Hier sind im Rahmen einer abweichenden Bedarfsbemessung nach § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII die unabweisbaren und erheblichen „Gesundheitsaufwendungen“ trotz des in § 52 Abs. 1 SGB XII niedergelegten Aufstockungsverbots zu berücksichtigen. Alles andere würde den Anspruch der Bundesrepublik, die Menschenwürde nicht anzutasten, sie zu achten und zu schützen (vgl. Art. 1 Abs. 1 GG) und für einen ausreichenden Gesundheitsschutz der Bürger Sorge zu tragen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) verfehlen. Wenn zudem in Rechnung gestellt wird, dass der Gesetzgeber selbst nicht konsequent handelt, indem er trotz des dargestellten gesetzlichen Aufstockungsverbots (§ 52 Abs. 1 Satz SGB XII) in § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII seit dem 1.1.2011 für die Anschaffung und Reparatur von orthopädischen Schuhen bzw. von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen einmalige Hilfen vorsieht, ist es nach Auffassung des Gerichts im Rahmen einer an teleologischen Grundsätzen orientierten Auslegung zur Gewährleistung der oben wiedergegebenen verfassungsrechtlichen Vorgaben geboten, bei der abweichenden Bedarfsbemessung nach § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII krankenversicherungs-rechtlich nicht gedeckte Gesundheitsaufwendungen nicht aus „dogmatischen“ Gründen von vornherein auszuklammern (vgl. zu § 52 Abs. 1 SGB XII Urteil der Kammer vom 19.3.2013 - S 9 SO 568/12, Berufung beim LSG Baden-Württemberg anhängig unter dem Az. L 2 SO 1625/13). |
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| Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG macht das Gericht dem Antrag entsprechend von der Möglichkeit Gebrauch, lediglich über den Anspruchsgrund zu entscheiden. Insoweit ist der Beklagte – nach Rechtskraft dieses Urteils – gehalten, die vom Kläger nachgewiesenen Aufwendungen für die im Urteilstenor erwähnten Gegenstände bzw. Hilfsmittel unter Berücksichtigung etwaiger Kulanzleistungen der Krankenkasse im Rahmen einer abweichenden Bedarfsbemessung zu berücksichtigen und zu tragen. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klage erfolgreich ist. |
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