Urteil vom Sozialgericht Münster - S 9 KR 23/94
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Kosten der von der Beigeladenen durchgeführten Badekur in der Zeit vom 19. 1992 bis 16.01.1993 dem Grunde nach zu erstatten. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Gegenstand des Rechtsstreits ist der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten einer Badekur, die die Beigeladene in der Zeit vom 19.12.1992 bis 16.01.1993 im Kursanatorium R. in Bad ... durchgeführthat. Die Beigeladene pflegt Ihren Schwerkriegsbeschädigten blinden Ehemann. Auf ihren Antrag vom 01.09.1992 bewilligte der Kläger der Beigeladenen eine stationäre Behandlung in einer Kureinrichtung gemäß § 12 Abs. 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Die Beige¬ladene hatte bereits in der Zeit vom 12.12.1990 bis 31.01.1991 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt. Mit Schreiben vom 23.09.1993 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch gemäß § 18 c Abs. 5 Satz 2 BVG in Höhe von 5.370,96 DM, wegen der von der Beigeladenen durchgeführten Badekur, geltend. Mit Schreiben vom 26.11.1993 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten ab. Sie führte aus, vor Ablauf von 3 Jahren nach Beendigung einer von einem Sozialleistungsträger bezuschussten Rehabi-litationsmaßnahme sei eine Kurwiederholung nur möglich, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich sei. Es lägen keine aktuellen Befunde vor, die eine vorzeitige Kurwiederholung begründen könnten. Der Kläger hat am 14.03.1994 Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, die Kurwiederholung nach etwa 2 Jahren sei für die Beigeladene aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich gewesen. Die Beigeladene leide an einer Encephalitis disseminata, einem Zustand nach bimalleolärer Sprunggelenksfraktur rechts, einem degenerativera Wirbelsäulen-Syndrom und Zustand nach Bandscheiben-OP 1975 mit weiterbestehenden Beschwerden. Die Kuranwendungen hätten bei Kurende zu einer deutlichen Besserung des Allgemeinzustandes und einer leichten Besserung des Gangbildes geführt.
3Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm seine Aufwendungen gemäß § 18 c Abs. 5 BVG für die Badekur der Beigeladenen in der Zeit vom 19.12.1992 bis 16.01.1993 zu erstatten.
4Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
5Zur Begründung trägt sie vor, ein Erstattungsanspruch nach § 18 c Abs. 5 Satz 2 BVG scheide schon aus Rechtsgründen aus. Entscheide sich die Versorgungsbehörde, trotz eines auch bestehenden Rehabi-litationsbedarfes, für die Gewährung einer Badekur nach § 12 Abs. 3 BVG, die dem Zweck diene, die Pflegefähigkeit zu erhalten, gewähre sie damit eine hinsichtlich der Zweckbestimmung andere Leistung als die, zu der die Krankenkasse verpflichtet wäre. Aber auch aus sachlichen Gründen sei ein Erstattungsanspruch nicht gegeben. Es sei der Beweis nicht erbracht, dass die anlässlich der zur Erhaltung der Pflegefähigkeit gewährte Badekur nur in einer stationären Rehabilitationseinrichtung habe erbracht werden können. Anspruch auf stationäre Rehabilitation bestehe nur, wenn auch eine ambulante Rehabilitationskur keinen ausreichenden Behandlungserfolg gewährleiste. Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Zur Ermittlung des Sachverhalts hat das Gericht zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte Dres. S. eingeholt. Es hat sodann Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Arzt für Chirurgie Dr. B ... Wegen des Inhalts dieses Gutachtens wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Versorgungsakten des Klägers verwiesen.
6Entscheidungsgründe:
7Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die in der Zeit vom 19.12.1992 bis 16.01.1993 von der Beigeladenen durchgeführte Badekur. Erbringt ein anderer öffentlich-rechtlicher Leistungsträger eine Sachleistung, einen Zuschuss oder sonstige Geldleistung oder eine mit einer Zuschussleistung für den gleichen Leistungszweck verbundene Sachleistung nicht, weil bereits aufgrund des BVG eine Sachleistung gewährt wird, so ist er erstattungspflichtig, soweit er sonst Leistungen gewährt hätte, § 18 c Abs. 5 Satz 2 BVG. Mit Bescheid vom 09.12.1992 hat der Kläger der Beigeladenen eine stationäre Behandlung in einer Kureinrichtung gemäß § 12 Abs. 3 BVG bewilligt. Danach kann Ehegatten und Eltern von Pflegezulagenempfängern sowie Personen, die die unentgeltliche Wartung und Pflege eines Pflegezulagenempfängers übernommen haben, eine Badekur gewährt werden, wenn sie den Beschädigten mindestens seit 2 Jahren dauernd pflegen und die Badekur zur Erhaltung ihrer Fähigkeit, den Beschädigten zu pflegen, erforderlich ist. Nach Auffassung der Kammer ist eine gemäß § 12 Abs. 3 BVG zur Erhaltung der Pflegefähigkeit bewilligte Badekur auf den gleichen Leistungszweck gerichtet wie eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme gemäß § 40 Sozialgesetzbuch (SGB) V. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass § 12 Abs. 1 BVG auch die Gewährung von medizinischen und ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation als Bestandteil der Krankenbehandlung vorsieht. Dies steht jedoch nicht dem hier geltend gemachten Erstattungsanspruch nach § 18 c Abs. 5 Satz 2 BVG entgegen, denn der Zweck einer Badekur zur Erhaltung der Pflegefähigkeit stimmt zumindest im vorliegenden Fall überein mit dem Zweck einer Rehabilitationsmaßnahme gemäß § 40 SGB V. Die medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen gemäß § 40 SGB V sind darauf gerichtet, Krankheiten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Genau auf diese Ziele ist auch eine Badekur gemäß § 12 Abs. 3 BVG gerichtet, denn eine Beeinträchtigung der Pflegefähigkeit setzt das Bestehen einer Krankheit voraus, die geheilt und deren Verschlimmerung verhütet werden soll. Das Ziel einer Badekur gemäß § 12 Abs. 3 BVG ist ferner auch darauf gerichtet, bestehende Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die der Beigeladenen bewilligte Badekur gemäß § 12 Abs. 3 BVG ist somit eine Leistung, die den gleichen Leistungszweck befolgt, wie die von der Beklagten gemäß § 40 SGB V zu gewährenden Leistungen. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme geht die Kammer davon aus, dass die Beigeladene, die bei der Beklagten gegen Krankheit versichert ist, vor Durchführung der streitigen Badekur an Gesundheitsstörungen gelitten hat, die die Durchführung einer stationären Badekur erforderlich machten. Der Sachverständige Dr. B. führt in seinem Gutachten vom 27.02.1995 aus, die Klägerin leide an folgenden Gesundheitsstörungen: Encephalomyelitis disseminata, Zustand nach bimalleolärer Springgelenksfraktur rechts, degeneratives Wirbelsäulensyndrom und Zustand nach Bandscheiben-Operation 1975. Die damals 69-jährige Beigeladene habe somit an schweren Erkrankungen des Nerven- und Bewegungssystems gelitten. Aus dem Gutachten des Dr. S , das vor der Kurmaßnahme erstellt worden sei, ergebe sich, dass die neurologischen Beschwerden seit der letzten Untersuchung zugenommen hatten. Der gesundheitliche Zustand der Patientin habe stark gelitten. Der Sachverständige Dr. B.ist der Auffassung, dass aufgrund des angegriffenen Gesundheitszustandes der Beigeladenen eine Rehabilitationsmaßnahme erforderlich war. Seines Erachtens sei auch nur eine stationäre Maßnahme in Betracht gekommen, da es wichtig gewesen sei, dass die Beigeladene aus ihrer häuslichen Umgebung herauskomme, um sich ganz ihren Kuranwendungen zu widmen. Des Weiteren habe die Beigeladene keine Anfahrtswege und Wartezeiten in Kauf nehmen müssen, wie dies bei einer ambulanten Kurmaßnahme üblich sei. Diese Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. erscheinen der Kammer auch überzeugend, da die Beigeladene an einer zunehmenden Gehunsicherheit und Ermüdung bei disseminata Encephalomyelitis litt. Zudem bestand eine eingeschränkte Beweglichkeit mit Stellungsneigung im rechten oberen Sprunggelenk nach Sprunggelenksfraktur sowie eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule bei Zustand nach Bandscheiben-operation. Des Weiteren litt die Beigeladene an Kreislaufstörungen. Unter Berücksichtigung dieser gravierenden Gesundheitsstörungen, die auch gerade die Mobilität der Beigeladenen beeinträchtigten, hält die Kammer die Durchführung einer stationären Maßnahme für erforderlich. Die Kammer folgt dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B auch insoweit, als dieser feststellt, die Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme sei aus gesundheitlichen Gründen vor Ablauf von 3 Jahren seit der letzten Kur erforderlich gewesen. Wie bereits oben ausgeführt, war der Gesundheitszustand der Beigeladenen vor Antritt der Kurmaßnahme stark beeinträchtigt. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen sowie dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B. war damit eine vorzeitige Kurwiederholung dringend erforderlich. Nach alledem ist die Beklagte dem Kläger bezüglich der durchge¬führten Badekur erstattungspflichtig gemäß § 18 c Abs. 5 Satz 2 BVG. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.