Urteil vom Sozialgericht Neubrandenburg (11. Kammer) - S 11 AS 2821/11

Tenor

1. Der Beklagte wird verpflichtet, den Überprüfungsbescheid vom 24.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2011 unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts dahin gehend abzuändern, dass die Betriebskostennachzahlung aus der Mieterabrechnung vom 05.08.2011 für die Wohnung in der W.-straße. 42, A-Stadt bei der Bedarfsermittlung für den Monat September 2011 berücksichtigt und der Bescheid vom 20.06.2011 mit der Maßgabe abgeändert wird, dass den Klägern im Monat September 2011 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe, einschließlich zwei Drittel (2/3) der vorgenannten Betriebskostennachzahlung bewilligt werden.

2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.

3. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist der Bescheid vom 24.08.2011 (Bl. 634 LA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2011.

2

Die Klägerin zu 1) verzog nach einer Trennung von ihrem früheren Partner zusammen mit ihrer Tochter, der Klägerin zu 2), am 01.05.2011 in eine neue Wohnung. Zuvor hat der Beklagte mit Bescheid vom 04.04.2011 (Bl. 543 LA) eine „Zusicherung zu den Kosten der Unterkunft“ für die Wohnung in der R.-S. 67 in A-Stadt erteilt. Mit den bestandskräftigen Bescheiden vom 28.04.2011 (Leistungszeitraum 01.05. bis 31.10.2011) und 20.06.2011 (Leistungszeitraum 01.07. bis 31.10.2011) hat der Beklagte den Klägern Leistungen bewilligt.

3

Am 10.08.2011 hat die Klägerin zu 1) die Mieterabrechnung vom 05.08.2011 für die Wohnung in der W.-straße 42, A-Stadt, die sie zuvor mit der Klägerin zu 2) bis zum 30.04.2011 bewohnt hatte, bei dem Beklagten eingereicht, der dieses Verhalten als Überprüfungsantrag auslegte und mit der angegriffenen Verwaltungsentscheidung (vgl. den Widerspruch vom 03.09.2011, Bl. 636 LA) die Überprüfung und Änderung der bestandskräftigen Leistungsbewilligung ablehnte.

4

Im gesamten Jahr 2010 haben die Kläger Leistungen nach dem SGB II bezogen (vgl. Bescheid vom 24.08.2009, Bl. 370 a; Bescheid vom 24.02.2010, Bl. 413a LA; Bescheid vom 11.08.2010, Bl. 461 a; Bescheid vom 11.08.2010; Bl. 462 a. Ebenso zum Zeitpunkt der Fälligkeit der relevanten Betriebskostennachzahlung.

5

Die Kläger meinen, dass durch die im September 2011 fällige Betriebskostennachzahlung ein bisher nicht gedeckter aktueller Bedarf entstanden sei. Über die Betriebskosten würde typischerweise erst im Folgejahr abgerechnet.

6

Die Kläger beantragen,

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den Überprüfungsbescheid vom 24.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2011 nach Rechtsauffassung des Gerichts abzuändern ist und sodann den Beklagten zu verurteilen, ihnen im September 2011 Leistungen nach dem SGB II in der gesetzlichen Höhe zu bewilligen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte meint, dass es sich bei den streitgegenständlichen Mietforderungen für die frühere Wohnung nicht um einen gegenwärtig zu deckenden Bedarf, sondern um nicht zu übernehmende Schulden handeln würde. Die Forderung richte sich zudem allein an den früheren Partner der Klägerin zu 1), der die Wohnung nun allein bewohne. Ein Anspruch aus einem schuldrechtlichen Innenverhältnis könne eine Übernahmeverpflichtung nicht begründen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des BSG vom 20.12.2011, Az.: B 4 AS 9/11 R, insbesondere Rn. 17, zitiert nach juris, welches nur den Fall betreffe, dass der Hilfebedürftige infolge einer Kostensenkungsaufforderung umgezogen sei. Hier sei der Umzug allein aus persönlichen Gründen erfolgt. Schließlich sei die Zusicherung zu den Kosten der Unterkunft der Höhe nach begrenzt wurden und diese Grenze hier überschritten worden.

11

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Vortrag der Beteiligten, den Inhalt das Widerspruchsbescheids sowie der Leistungs- und Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.

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Denn die angegriffene Verwaltungsentscheidung verletzt die Kläger in ihren Rechten.

14

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die von ihm zitierte Rechtsprechung des BSG auch auf die vorliegende Fallkonstellation zu übertragen und verweist die Kammer nach eigener Prüfung vollinhaltlich auf die Begründung des BSG. Denn obwohl das Urteil des BSG für den Fall ergangen ist, dass der Umzug Folge einer Kostensenkungsaufforderung des Grundsicherungsträgers war, besteht kein sachlicher Grund, für den Fall eines aus sachlichen und nachvollziehbaren Gründen erfolgten Wohnungswechsels und nach erteilter Zusicherung zu den Kosten der Unterkunft für eine neue Wohnung die Betriebskostennachzahlung nicht zu übernehmen. Denn auch insoweit handelt es sich um einen aktuellen bisher nicht gedeckten Bedarf und nicht um Schulden (vgl. auch Urteil des BSG vom 22.03.2011, Az.: B 4 AS 62/09 R, Rn. 17 zitiert nach juris). Zu beachten ist, dass die Kläger im Jahre 2010 bei dem Beklagten die Übernahme angemessener Kosten der Unterkunft beantragt haben, was auch beinhaltete dass Zahlungen der Bruttomiete einschließlich der Vorauszahlungen für Heinz- und Nebenkosten erfolgten, über welche im Folgejahr abgerechnet werden würde, wobei niemand im Jahre 2010 wissen konnte, wie das Ergebnis der Betriebskostenabrechnung ausfallen würde, d.h. der bisher nicht vollständig beschiedene Leistungsantrag erstreckte sich von Beginn an auch auf die Übernahme einer etwaigen Betriebskostennachzahlung.

15

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der Zusicherung, die sich naturgemäß nur auf die Kosten der neuen Wohnung erstrecken konnte.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt, dass die Klage im vollen Umfang Erfolg hatte.

17

Die Berufung gegen dieses Urteil ist nicht gegeben, weil der Wert der Beschwer 750,-- € nicht erreicht und auch kein Grund vorliegt, die Berufung gemäß § 144 Absatz 2 SGG zuzulassen. Denn das BSG hat die strittige Rechtsfrage bereits durch das o.g. Urteil entschieden, so dass keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache mehr gegeben ist. Entgegen der Ansicht des Beklagten folgt aus der relevanten Entscheidung nicht, dass diese auf andere Fallkonstellationen nicht zu übertragen ist.

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