Urteil vom Sozialgericht Neubrandenburg (15. Kammer) - S 15 AS 674/13

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Notwendige außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um die Höhe des Leistungsanspruchs für den Monat September 2011.

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Die Kläger bezogen Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger zu 1.) ist der Ehemann der Klägerin zu 2.). Erstmalig stellten sie unter dem 02.11.2004 den Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. In diesem gaben sie an, in einem eigenen Haus, gebaut 1911, zu leben. Die Wohnfläche des Hauses wurde mit 138 qm angegeben, wovon 88 qm selbst bewohnt würden. Der Mutter der Klägerin zu 2.) wurde ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Leistungen wurden in Folge bewilligt.

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Nachfolgende Tankungen des Öltanks wurden vorgenommen:

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- 2.455,00 Liter am 07.06.2004 für 925,25 €;
- 1.505,00 Liter am 17.05.2005 für 729,92 €;
- 2.936,00 Liter am 06.03.2006 für 1.776,10 €;
- 1.357,00 Liter am 23.10.2006 für 814,13 €;
- 1.850,00 Liter am 16.04.2007 für 1.093,31 €;
- 959,00 Liter am 09.11.2007 für 724,44 €;
- 2.687,00 Liter am 27.10.2008 für 1.991,25 €;
- 2.000,00 Liter am 03.04.2009 für 1.087,66 €;
- 1.290,00 Liter am 04.11.2009 für 797,79 €;
- 1.500,00 Liter am 04.06.2010 für 1.28,58 €;
- 1.501,00 Liter am 12.01.2011 für 1.197,51 €.

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Mit Schreiben vom 26.05.2008 wurden die Kläger darüber aufgeklärt, dass einmalige Heizkosten gesondert erbracht würden.

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Nachfolgende Kosten der Unterkunft und Heizung wurden für den Monat September 2011 aufgebracht:

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- Abfallgebühren von 31,11 €;
- Wassergebühren von 31,00 €;
- Wohngebäudeversicherung von 21,84 €;
- Zinsen von 13,17 €.

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Nach dem Fortzahlungsantrag vom 14.04.2011 wurden zunächst mit Bescheid vom 24.05.2011 Leistungen mangels Hilfebedürftigkeit abgelehnt. Auf Grund des hiergegen eingelegten Widerspruchs wurden mit (Abhilfe-)Bescheid vom 29.06.2011 Leistungen für den Zeitraum vom 01.06.2011 bis zum 30.11.2011 in monatlicher Höhe von 734,47 € bewilligt. Eine Einkommensanrechnung erfolgte hierbei nicht und Kosten der Unterkunft und Heizung wurden iHv. 78,47 € zuerkannt.

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Mit Änderungsbescheid vom 08.09.2011 wurden für den Zeitraum von Juni bis November 2011 monatliche Leistungen von 743,31 € (KdU von 87,31 €) bewilligt und mit weiterem Bescheid vom 07.09.2011 die Zusicherung zur Beschaffung von Heizmaterial iHv. 862,47 € erteilt.

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Mit Posteingang vom 14.09.2011 reichten die Kläger die Abrechnung über die Lieferung von Heizöl mit 3.577,00 Litern zu einem Preis von 2.944,40 €, fällig im September 2011, bei. Dies wurde als Änderungsanzeige durch den Beklagten gewertet und die Übernahme des Betrages über 862,47 € hinaus mit Bescheid vom 07.11.2011 abgelehnt.

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Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 30.11.2011 Widerspruch ein und führte aus, dass mit dem bewilligten Betrag von 862,47 € lediglich etwa 1.000 Liter hätten angeschafft werden können, welche nur bis etwa Dezember 2011 gereicht hätten.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2012 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Beklagte führte hierbei aus, dass die Kläger bei Antragstellung angegeben hätten, dass noch 3.500 Liter im Tank gewesen seien und daher nur 1.000 Liter benötigt würden. Daher sei im September 2011 noch Brennmaterial vorhanden gewesen und eine Übernahme könne nicht erfolgen.

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Nach richterlichem Hinweis in einem anderweitig rechtshängigen Verfahren (Untätigkeitsklage zum Az. S 11 AS 70/13) legte der Beklagte die Beireichung der Heizölrechnung als Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 08.09.2011 hinsichtlich des Leistungsanspruchs für den September 2011 aus und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2013 zurück.

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Hiergegen haben die Kläger unter dem 03.05.2013 Klage erhoben.

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In dieser führen sie aus, dass der vollständige Betrag der im September 2011 fälligen Heizkosten zu einem Anteil von 2/3 zu gewähren sei. Der Anteil ergebe sich aus der Zahl der Haushaltsmitglieder. Die Richtlinie des Landkreises sei bereits nicht anwendbar, da ein Haus von unter 100qm betroffen sei und keine Aussage zu alleinstehenden Einfamilienhäusern getroffen werde. Eigenheime stünden in der Regel allein im Wind und das Haus der Kläger habe eine exponierte Lage und sei ständigem Wind aus Westen, Norden oder Osten ausgesetzt. Lediglich zum Süden existiere ein Windschutz. Es könne hiernach nicht davon ausgegangen werden, dass ein unwirtschaftliches Heizverhalten vorläge.

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Die Kläger beantragen,

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den Beklagten zu verurteilen, den Klägern im September 2011 Kosten der Unterkunft und Heizung in der gesetzlichen Höhe zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er bezieht sich insoweit auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides und stellt auf die Anwendung der ehemaligen Richtlinie und des Bundesheizkostenspiegels ab. Über die Angemessenheitsgrenze seien die Kläger informiert worden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 14.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2013 ist zwar nicht rechtmäßig, jedoch werden durch ihn keine Rechte der Kläger verletzt. Diese haben für den Monat September 2011 keinen weitergehenden Leistungsanspruch.

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Ein Anspruch auf Berücksichtigung der tatsächlichen Heizkosten zu 2/3 iHv. 1.962,93 € nach § 22 Abs.1 SGB II besteht nicht.

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Hiernach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind, vgl. § 22 Abs.1 S.1 SGB II. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate, vgl. § 22 Abs.1 S.3 SGB II.

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Es entspricht der Ansicht der Kammer, dass die tatsächlichen Aufwendungen der Heizkosten zwar als Bedarf für die Heizung dem Grunde nach zu 2/3 zu berücksichtigen sind, eine Übernahme im konkreten Fall jedoch am Primat der Angemessenheit scheitert. Die Prüfung der Angemessenheit setzt stets eine Einzelfallprüfung voraus und der Begriff unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Heizkosten besteht eine Vielzahl von Wirkungszusammenhängen und wärmetechnischen Faktoren, wie etwa Baudaten, der Geschosshöhe, der Wohnfläche oder auch des Alters des bewohnten Gebäudes samt des Zustandes der Heizanlage und deren Bewirtschaftung. Aus dem Wirkungszusammenhang der der Kammer bekannten Faktoren, insbesondere des Baujahres 1911 und des freistehenden Hauses gelangte die Kammer nicht zur Überzeugung, dass in diesem Verfahren schlicht auf den Bundesweiten Heizkostenspiegel abzustellen ist. Dieser stellt lediglich ein Indiz dar und hiernach müsste der tatsächlich angemessene Verbrauch weiter aufgeklärt werden.

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Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen, da die Kammer aus anderen Gründen den tatsächlichen Verbrauch, d.h. vorliegend die Betankung, nicht als angemessen werten konnte.

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Die Anspruchsgrundlage des § 22 Abs.1 S.1 SGB II stellt lediglich auf einen tatsächlichen und einen angemessenen Bedarf ab. Der Begriff der Notwendigkeit ist seinem Wortlaut nach nicht enthalten. Mag dies im Regelfall auch entbehrlich sein, da seinem Grundaufbau nach die monatlich wiederkehrende Zahlungsverpflichtung, etwa der Kaltmiete oder die durch den Hilfebedürftigen selbst zu tragenden Wassergebühren, stets notwendig sein wird, ist vorliegend in Bezug auf einen einmaligen Bedarf zu differenzieren. Eine weitere Unterscheidung hinsichtlich des einmaligen Bedarfes ist auch in Bezug auf seine tatsächliche Höhe veranlasst: soweit ein jährlich wiederkehrender einmaliger Bedarf der Verfügungsbefugnis des Hilfebedürftigen entzogen ist, gleich der Grundsteuer oder der jährlichen Versicherungsprämie, ist dieser ebenso als notwendig zu erachten.

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Soweit jedoch der Hilfebedürftige eine Einwirkungsbefugnis auf den Umfang des Bedarfes hat, kann nicht jedwede Höhe dieses eimaligen Bedarfes als notwendig anerkannt werden. Insoweit ist der Hilfebedürftige entsprechend der Grundstruktur des steuerfinanzierten Sozialleistungssystems des SGB II nach dessen Wertung in § 2 Abs.1 SGB II gehalten, auch dem Umfang seiner Hilfebedürftigkeit entsprechend seiner Kenntnisse und Fähigkeiten zu begrenzen. Übertragen auf das System der einmaligen Unterkunfts- und Heizkosten zieht die Kammer hieraus den Schluss, dass nur notwendige Heizkosten auch als angemessen im Sinne des § 22 Abs.1 S.1 SGB II dem Grunde nach zur Übernahmefähigkeit durch den Leistungsträger, bzw. zur Bedarfsberechnung, herangezogen werden können.

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Da auch entsprechend der Grundstruktur des SGB II eine monatsweise Betrachtung angezeigt ist, vgl. § 41 Abs.1 S.1 und 2 SGB II, kann dieser Dogmatik folgend grundsätzlich nur derjenige Heizkostenbedarf notwendig / angemessen sein, welcher im Monat der Betankung voraussichtlich verbraucht werden wird. Da es sich bei der Betankung von Heizmaterial jedoch um eine Bevorratung handelt, eine gewisse Liefermenge überhaupt Voraussetzung für einen Vertragsabschluss mit dem Lieferanten ist, ein Restanteil an Heizmaterial für die Funktionsfähigkeit von Gas- oder Ölheizungen notwendig ist und schlicht auch allein aus praktischen Gründen der Verwaltungsaufwand des Leistungsträgers zu begrenzen sein wird, erachtet es die Kammer als sachgerecht, diesen notwendigen / angemessenen monatlichen Zeitraum auszuweiten.

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Als zu weit gehend dürfte der in § 41 Abs.1 S.5 SGB II normierte Jahreszeitraum anzusehen sein, da aus vorausschauender Betrachtung gänzlich unbekannt sein dürfte, ob die Hilfebedürftigkeit tatsächlich für diesen Zeitraum anhält. Insoweit ist auch nicht nachvollziehbar, aus welcher Notwendigkeit heraus ein solcher Leistungszeitraum anzusetzen sein sollte, da es dem Hilfebedürftigen durchaus zumutbar ist, mehr als einmal jährlich seine Bevorratung durchzuführen. Auch erscheint es der Kammer nicht sachgemäß, auf einen abstrakten Bewilligungszeitraum von 6 Monaten entsprechend § 41 Abs.1 S.4 SGB II abzustellen, da auch hierfür kein Bedürfnis besteht. Der zuständige Leistungsträger hat bereits einen konkreten Zeitraum von 6 Monaten bewilligt und ging hierbei davon aus, dass während dieses Zeitraumes eine Hilfebedürftigkeit prognostisch fortbestehen werde. Hiernach kann an diese Prognose anknüpfend ebenso davon ausgegangen werden, dass während dieser Hilfebedürftigkeit, d.h. des laufenden Bewilligungsabschnittes, auch fortwährend Heizkosten anfallen – wiederum auf eine monatliche Betrachtungsweise im vorstehenden Sinne. In Folge dessen erscheint es der Kammer als sachgerechte Lösung, einmalige Bedarfe, welche lediglich im Monat der Befüllung notwendig / angemessen sein können, auf diesen bestehenden Leistungszeitraum zu verteilen um im Ausgleich zur monatlichen Betrachtungsweise eine Praktikabilität des Verwaltungshandelns herbeiführen zu können.

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Lediglich klarstellend weist die Kammer darauf hin, dass unter Berücksichtigung dieser Wertungen auch die einmalige Befüllung samt einhergehenden einmaligen Leistungsbezug für lediglich einen Monat im Jahr vermieden werden kann, soweit man schlicht auf den Zeitraum des prognostischen Leistungsbezuges abstellt. Hierhinter steht auch die Wertung, dass derjenige, welcher seinen Lebensunterhalt aus Einkommen bestreiten kann, sich nicht auf Grund einer allumfassenden Bevorratung – vorstellbar erscheint auch eine Betankung alle zwei Jahre bei genügend großem Tank – in den Genuss der avisierten Sozialleistung iSd. § 22 Abs.1 S.1 SGB II begeben kann, bzw. darf.

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Da der Bewilligungszeitraum der Kläger von Juni 2011 bis November 2011 lief, sind Heizkosten für drei Monate im September 2011 als notwendig, mithin als angemessen, zu berücksichtigen. Im Zeitraum des Leistungsbezuges der Kläger vom 01.01.2005 bis zum 31.08.2011 bei Berücksichtigung der Betankung am 07.06.2004 verbrauchten die Kläger 20.040,00 Liter in 86 Monaten. Hieraus ergibt sich ein Mittel von 233,02 Liter je Monat, welches unter Berücksichtigung der prognostischen Betrachtungsweise auf 250 Liter je Monat zu runden ist. Unter weitergehender Berücksichtigung eines tatsächlichen Literpreises von 0,82 € ergeben sich notwendige Heizkosten von 205,79 € monatlich, bzw. für drei Monate 617,36 €, welche noch entsprechend der Kopfteile auf 2/3, mithin 411,57 € herunterzusetzen sind. Eine Belehrung hinsichtlich des Erfordernisses einer Kostensenkung erfolgte in genügender Form.

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Unter weitergehender Berücksichtigung der übrigen Unterkunftskosten (Wohngebäudeversicherung von 21,84 €, Abfallgebühren von 31,11 €, Wassergebühren von 31,00 € und Zinsen von 13,17 €) ergeben sich übernahmefähige Kosten der Unterkunft und Heizung eines jeden Klägers von je 238,49 €. Zuzüglich des Regelsatzes von 328,00 € nach § 20 Abs.2, 4 SGB II ergibt sich ein Bedarf von jeweils 566,49 € je Kläger, welcher auch nicht durch Einkommen gedeckt oder gemindert wurde.

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Bewilligt hingegen wurden Leistungen entsprechend der Bescheide vom 29.06.2011, 07.08.2011, 08.09.2011 iHv. jeweils 802,89 € (inklusive Heizkosten). Ein weitergehender Leistungsanspruch besteht hiernach nicht.

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Es war daher die Klage abzuweisen.

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Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

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