Urteil vom Sozialgericht Speyer (1. Kammer) - S 1 AL 63/15


Tenor

1. Die Bescheide der Beklagten vom 14.1.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2015 werden aufgehoben bzw abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 20.12.2014 bis zum 28.2.2015 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand

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Streitig ist, ob im Anschluss an eine befristete Beschäftigung beim Kläger eine 12-wöchige Sperrzeit für die Zeit vom 20.12.2014 bis zum 13.3.2015 eingetreten ist.

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Der 1991 geborene Kläger ist gelernter Maurer und wohnhaft in M.a.d.A. Seit dem 4.8.2014 arbeitete er als Maurer bei der Firma K.. in S. Das Arbeitsverhältnis war unbefristet, vorgeschaltet war eine sechsmonatige Probezeit. Die Firma K.. zahlte dem Kläger einen Stundenlohn in Höhe von 13 Euro.

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Noch während der Probezeit kündigte der Kläger zum 30.10.2014 sein Arbeitsverhältnis mit der Firma K.. und begann unmittelbar im Anschluss daran eine Tätigkeit als Maurer bei der Lagerbau/Firma M. in M.. Dieses Arbeitsverhältnis war von vornherein auf die Zeit bis zum 19.12.2014 befristet. Die Firma M.. zahlte dem Kläger einen Stundenlohn von 15 Euro.

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Am 18.11.2014 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Mit Bescheid vom 14.1.2015 stellte die Beklagte den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 20.12.2014 bis zum 13.3.2015 fest und minderte den Alg-Anspruch um 90 Tage. Der Kläger habe sein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis bei der Firma K.. selbst gekündigt und damit die Arbeitslosigkeit im Anschluss an das befristete Arbeitsverhältnis selbst herbeigeführt. Mit weiterem Bescheid vom 14.1.2015 bewilligte die Beklagte entsprechend der Feststellung der Sperrzeit Alg erst ab dem 14.3.2014 in Höhe von 31,73 Euro täglich.

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Aufgrund einer Wiedereinstellungszusage der Firma M.. vom 22.12.2014 nahm der Kläger seine Beschäftigung bei der Firma M.. zum 1.3.2015 nunmehr in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis wieder auf.

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Gegen die Sperrzeitentscheidung erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, die befristete Arbeitsstelle bei der Firma M.. habe deutlich attraktivere Arbeitsbedingungen für ihn geboten. So betrage die Wegstrecke zu seinem neuen Arbeitsplatz nur 10 km, wohingegen die Arbeitsstelle in S.. bei der Firma K. 65 km entfernt gelegen habe. Zudem erziele er bei der Firma M.. einen höheren Arbeitslohn und die Firma K.. habe auch die Lohnzahlungen nicht pünktlich vorgenommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 3.3.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Wichtige Gründe für den Wechsel in die befristete Beschäftigung bei der Firma M.. seien nicht anzuerkennen. Allein der Umstand, dass die befristete Beschäftigung dem Kläger attraktiver erschienen sei als das unbefristete Beschäftigungsverhältnis, sei vorliegend für die Anerkennung eines wichtigen Grundes nicht ausreichend.

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Hiergegen hat der Kläger am 12.3.2015 Klage beim Sozialgericht Speyer erhoben und sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

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Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, er habe das unbefristete Arbeitsverhältnis bei der Firma K.. nicht nur gekündigt, um Fahrtkosten einzusparen, sondern auch um mehr Zeit für seine Familie aufbringen zu können, weil im Dezember 2014 sein erstes Kind geboren worden sei.

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Der Kläger beantragt,

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die Bescheide der Beklagten vom 14.1.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2015 aufzuheben bzw abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld für die Zeit vom 20.12.2014 bis zum 28.2.2015 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie trägt vor, ein wichtiger Grund für die Beendigung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses könne nicht anerkannt werden.

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Die Kammer hat den Kläger persönlich angehört und den ehemaligen Arbeitgeber des Klägers D.. K.. als Zeugen vernommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.

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Die Beklagte hat mit Bescheiden vom 14.1.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2015 zu Unrecht den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 20.12.2014 bis zum 13.3.2015 festgestellt, den Alg-Anspruch des Klägers zum Ruhen gebracht und entsprechend der Sperrzeittage gemindert. Eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe ist vorliegend nicht eingetreten. Da der Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 14.1.2015 mit dem Bewilligungsbescheid vom 14.1.2015 eine rechtliche Einheit bildet, ist auch dieser Bewilligungsbescheid insoweit rechtswidrig, als dem Kläger die Gewährung von Alg für die Sperrzeitdauer verweigert wurde.

18

Nach § 159 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Abs 3 Satz 1 und § 148 Abs 1 Nr 4 SGB III tritt eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Der Anspruch auf Alg ruht dann für die Dauer der Sperrzeit und mindert sich um die Anzahl von deren Tagen, mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer. Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor.

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Der Kläger hat zwar sein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei der Firma K.. in S.. während der Probezeit selbst gelöst. Er hat damit zumindest grob fahrlässig auch die Arbeitslosigkeit nach Beendigung des unmittelbaren Anschlussarbeitsverhältnisses bei der Firma M.. am 19.12.2014 herbeigeführt. Das Arbeitsverhältnis bei der Firma M.. in M.. war von Anfang an bis zum 19.12.2014 befristet gewesen. Bei Kündigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Firma K.. hatte der Kläger auch noch keine konkreten Aussichten auf eine Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses. Eine Wiedereinstellungszusage der Firma M.. erhielt er erst am 22.12.2014.

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Der Kläger kann sich jedoch für sein Verhalten auf einen wichtigen Grund berufen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl beispielhaft Urteil vom 12.7.2006, B 11a AL 57/05 R) tritt eine Sperrzeit dann ein, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen. Der wichtige Grund muss vielmehr objektiv vorliegen.

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Anhaltspunkte dafür, wie die erforderliche Gewichtung der abzuwägenden Interessen vorzunehmen ist, wenn ein Arbeitnehmer ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis zugunsten einer befristeten Beschäftigung löst, hat die Rechtsprechung des BSG aufgezeigt (vgl BSG Urteil aaO). Danach kann der Umstand, dass in der Rechtswirklichkeit der Arbeitswelt die Tendenz zum Abschluss von befristeten Arbeitsverhältnissen besteht, nicht unberücksichtigt bleiben. Dies folgt auch aus dem Grundrecht der freien Berufswahl gemäß Artikel 12 Abs 1 Grundgesetz. Den Arbeitnehmern muss daher grundsätzlich die Möglichkeit offen stehen befristete, ihnen attraktiv erscheinende Arbeitsverhältnisse aufzunehmen. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers für eine Kündigung eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses zugunsten eines befristeten ist ua dann anzunehmen, wenn eine niedrig entlohnte Tätigkeit zugunsten einer erheblich höher dotierten Arbeit aufgegeben wird.

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Ausgehend von diesen Grundsätzen hatte der Kläger einen wichtigen Grund die unbefristete Beschäftigung bei der Firma K.. in S.. noch während der Probezeit zugunsten der befristeten Tätigkeit bei der Firma M.. in M.. aufzugeben. Die Firma K.. zahlte dem Kläger als Maurer einen Stundenlohn von 13 Euro, wohingegen er bei der Firma M.. in M.. einen Stundenlohn von 15 Euro erzielte. Dies ist eine Lohnsteigerung von ca 20 %, die für sich allein betrachtet schon als wesentlich anzusehen ist. Hinzu kommt, dass der Kläger deutlich geringere Aufwendungen für die Fahrtkosten zur neuen Arbeitsstelle hatte. Die kürzeste Wegstrecke zwischen dem Wohnort des Klägers in M.. a..d..A.. zu der Firma K.. in S.. beträgt 50 km. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er 65 km einfache Wegstrecke nach S.. zurücklegen musste. Die Entfernung zu der Arbeitsstelle bei der Firma M.. in M.. beträgt hingegen nur 10 km einfach. Durch die deutlich geringere Entfernung vom Wohnort zur Arbeitsstelle erspart der Kläger Fahrtkosten in nicht unwesentlichem Umfang. Dies führt indirekt zu einer deutlichen Steigerung seines Nettoarbeitsentgeltes. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit steuerlich eine Pendlerpauschale für die Fahrten zur Arbeitsstelle abzusetzen. Steuerbegünstigt ist jedoch jeweils nur die einfache Wegstrecke, sodass die tatsächlich anfallenden Fahrtkosten steuerlich nicht in vollem Umfang berücksichtigt werden können.

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Allein diese Gründe sind nach Auffassung der Kammer ausreichend um einen wichtigen Grund für die Lösung des unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses zugunsten des befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Firma M.. in M.. anzunehmen.

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Hinzu kommt, dass der Kläger bei der Firma K.. nur einen Stundenlohn von 13 Euro erzielte. Dies hat der Zeuge K.. in seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 17.2.2015 bestätigt. Damit erhielt der Kläger bei der Firma K.. nicht den Mindestlohn, der ihm als Maurer in der Lohngruppe 2 für das Baugewerbe im Jahr 2014 zugestanden hätte. Dieser lag 2014 bei 13,95 Euro/West.

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Die mit der Aufnahme der befristeten Beschäftigung bei der Firma M.. in M.. verbundene Lohnerhöhung ist daher bereits ausreichend ein der Sperrzeit entgegenstehendes berechtigtes Interesse des Klägers zu begründen. Liegen mithin die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nicht vor, sind der Sperrzeitbescheid aufzuheben und der Bewilligungsbescheid vom 14.1.2015 abzuändern. Der Kläger hat in der Zeit vom 20.12.2014 bis zum 28.2.2015 Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß §§ 137, 138 SGB III, denn er war in dem genannten Zeitraum ohne Beschäftigung und mithin arbeitslos, er hat sich arbeitslos gemeldet und er hatte die Anwartschaftszeit erfüllt. Dem Kläger war nämlich mit seiner Arbeitslosmeldung zum 20.12.2014 der Restanspruch aus dem bestandskräftigen Bewilligungsbescheid vom 6.8.2014, mit dem dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 1.4.2014 für insgesamt 360 Kalendertage bewilligt worden war, wieder zu bewilligen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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