Urteil vom Sozialgericht Speyer (19. Kammer) - S 19 KR 369/14

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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von weiterem Krankengeld über den 27.09.2013 hinaus.

2

Der 1955 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er war als Verkäufer von Photovoltaikanlagen im Außendienst beschäftigt, wobei er zuletzt als selbstständiger Handelsvertreter für erneuerbare Energien zunächst im Haupt- und dann im Nebengewerbe tätig war. Das Gewerbe des freien Handelsvertreters meldete er zum 27.03.2012 ab. Seitdem war der Kläger arbeitslos und bei der Beklagten wegen des Bezuges von Leistungen nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) pflichtversichert.

3

Ausweislich einer Erstbescheinigung des Klinikums L… vom 21.03.2013 war der Kläger seit dem 18.03.2013 arbeitsunfähig erkrankt. Die arbeitsunfähigkeitsbegründende Diagnose wurde mit K92.1 (Meläna) angegeben. Bis zum 10.04.2013 erhielt der Kläger Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit.

4

Mit Bescheid vom 23.04.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab dem 11.04.2013 kalendertägliches Krankengeld in Höhe von 50,63 Euro zu zahlen. Auf der Rückseite des Bewilligungsschreibens wies die Beklagte u.a. darauf hin, dass die Arbeitsunfähigkeit nahtlos nachgewiesen werden müsse, dass also bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit spätestens am letzten Tag des zuvor bescheinigten Zeitraums die weitere Arbeitsunfähigkeit vom Arzt bescheinigt werden müsse. Krankengeld werde jeweils bis zum Tag der Ausstellung des Auszahlscheines ausgezahlt.

5

In der Folgezeit stellte der behandelnde Hausarzt Dr. Sch… Folgebescheinigungen mit verschiedenen Diagnosen (akute Gastritis, Diabetes, Kolonpolyp und Interkostalneuropathie) aus. Ab dem 24.05.2013 begründete der Arzt die weitere Arbeitsunfähigkeit allein mit den Diagnosen M 75.4 G (Impingementsyndrom der Schulter) und M 54.12 G (Radikulopathie: Zervikalbereich), zuletzt mit Auszahlschein vom 13.09.2013, in dem er mitteilte, die Arbeitsunfähigkeit bestehe voraussichtlich bis zum 27.09.2013.

6

Daraufhin befragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) im Rahmen einer sozialmedizinischen Fallberatung zum weiteren Bestehen von Arbeitsunfähigkeit. Am 17.09.2013 teilte die Ärztin im MDK Dr. H… mit, der arbeitslose Kläger sei „verweisbar“. Die Diagnosen begründeten kein aufgehobenes Leistungsbild. Es bestehe ein positives Leistungsbild für leichte Tätigkeiten vollschichtig.

7

Mit Bescheid vom 18.09.2013 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen könne die Arbeitsunfähigkeit zum 27.09.2013 beendet werden. Mit diesem Tag ende somit auch der Krankengeldanspruch des Klägers. Der Arzt sei hierüber informiert worden.

8

Am 25.09.2013 legte der Kläger Widerspruch hiergegen ein.

9

Ab dem 27.09.2013 bescheinigte der behandelnde Arzt Dr. F… auf Auszahlscheinen nunmehr eine Arbeitsunfähigkeit wegen der Diagnosen „Verdacht auf instabile Angina pectoris“ und „Verdacht auf Schlafapnoe“.

10

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Arztes im MDK B… vom 05.11.2013 ein. Dieser gab nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen und nach telefonischer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt an, der Kläger habe eine nachgewiesene koronare Herzerkrankung, die 2012 durch Implantation von Stents behandelt worden sei. Die nachweisbaren Koronarstenosen würden die Beschwerden des Klägers aber nicht zwingend erklären. Für eine aufschlussgebende nicht-invasive Diagnostik sei der Kläger aufgrund seines Übergewichts nicht geeignet, für eine erneute invasive Diagnostik seien aber die Beschwerden nicht schwerwiegend genug. Es liege eine degenerative Skeletterkrankung vor, ebenfalls deutlich akzentuiert durch das erhebliche Übergewicht. Der zu Rate gezogene Orthopäde sehe aber aktuell keine Behandlungsindikation. Die angegebenen Beschwerden begründeten keine Arbeitsunfähigkeit mehr. Ab dem 25.09.2013 stehe der Kläger dem allgemeinen Arbeitsmarkt für körperlich leichte Tätigkeiten (z.B. Bürotätigkeit) überwiegend im Sitzen, mit Anteilen von Stehen und Gehen, ohne Heben und Bewegen von Lasten über 10 kg, ohne Arbeiten in Zwangshaltungen (gebückt oder über Kopf), in geschlossenen Räumen vollschichtig zur Verfügung.

11

Der Kläger legte daraufhin u.a. einen Bericht der behandelnden Kardiologischen Praxis vom 23.11.2012 über eine koronare 2-Gefäßerkrankung und ein Schreiben des Hausarztes Dr. F… vom 16.12.2013 vor. Letzterer gab mit einer Aufzählung der bestehenden Diagnosen an, die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass es sich beim Kläger um einen multimorbiden Patienten handele. Er halte den Kläger für weiterhin arbeitsunfähig.

12

Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den MDK. In seinem Arbeitsunfähigkeits-Gutachten vom 06.04.2014 wies der Arzt im MDK M... darauf hin, dass der Kläger vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 18.03.2013 trotz Polymorbidität mit koronarer Herzkrankheit und Stent-Implantation, Adipositas permagna, Diabetes mellitus, arterieller Hypertonie und weiterem soweit gesund war, dass er sich dem Arbeitsamt für eine vollschichtige Tätigkeit zur Verfügung gestellt hatte. Die Arbeitsunfähigkeit sei nicht aufgrund dieser Vorerkrankungen eingetreten, sondern wegen akuter abdomineller Beschwerden, der komplizierten Entfernung eines Kolonpolypen und zusätzlicher Feststellung einer akuten Gastritis. Diese Erkrankungssymptomatik habe die Arbeitsunfähigkeit durchaus für einige Wochen nachvollziehbar gemacht, sei dann aber als Begründung für die Arbeitsunfähigkeit abgelöst worden durch HWS- und Schulterbeschwerden, ohne dass dies durch einen orthopädischen Befundbericht des Dr. Sch…, in dem ein vorwiegend statisch-muskulär bedingtes BWS-Syndrom beschrieben werde, erklärbar sei. Ab dem 27.09.2013 seien dann – wiederum das betroffene Organsystem wechselnd - die Diagnosen „V.a. instabile Angina pectoris“ und „V.a. Schlafapnoe-Syndrom“ angeführt worden. Hinsichtlich der instabilen Angina pectoris fehlten allerdings jegliche diagnostische und therapeutische Folgerungen. Diese Verdachtsdiagnose bedürfte einer umgehenden stationären Krankenhauseinweisung und einer zunächst intensivmedizinischen Überwachung. Da derartiges im Fall des Klägers offenbar nicht erfolgt sei, dürften an der Korrektheit der (Verdachts-)Diagnose ernsthafte Zweifel angezeigt sein. Eine 60%ige Stenose einer Kranzarterie, wie sie beim Kläger Ende 2012 festgestellt worden sei, rechtfertige keine invasive Therapie und sei in der Regel ohne hämodynamische Effekte. Eine Arbeitsunfähigkeit lasse sich hieraus jedenfalls nicht ableiten. Auch Untersuchungsbefunde hinsichtlich der Verdachtsdiagnose eines Schlaf-Apnoe-Syndroms lägen nicht vor. Eine solche Erkrankung würde – unbehandelt – das Leistungsvermögen allerdings auch nur für Fahr- und Steuertätigkeiten einschränken. Die beim Kläger bestehende Polymorbidität sei unstreitig und insofern sei eine Rehabilitation angebracht, jedoch entscheidend seien für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit die konkret aus den vorliegenden Erkrankungen resultierenden Funktionseinschränkungen in Bezug auf die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit. Dem Kläger sei im fraglichen Zeitraum nicht wegen einer „Polymorbidität“, sondern lediglich wegen zweier Erkrankungen, zunächst auch nur als Verdachtsdiagnosen Arbeitsunfähigkeit attestiert worden. Der Arzt im MDK M... kommt zu dem Ergebnis, dass der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt am 27.09.2013 zumindest leichte körperliche Arbeiten ohne besondere Stressbelastungen wie Akkord oder Nachtarbeit vollschichtig habe verrichten können.

13

Der Hausarzt Dr. F… hatte weitere Auszahlscheine am 19.12.2013 und am 17.01.2014 ausgestellt.

14

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des MDK sinngemäß zurück.

15

Hiergegen hat der Kläger am 10.06.2014 die vorliegende Klage erhoben. Er macht geltend, aus einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der D…-B…-Klinik in Bad …-… vom 15.04.2014 bis 06.05.2014 als „bis auf weiteres arbeitsunfähig“ entlassen worden zu sein. Für die Zeit vom 27.09.2013 bis 29.11.2013 sei von der Praxis Dr. F... und Dr. H... mit drei „Ärztlichen Bescheinigungen für die Krankengeldauszahlung“ eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen „V.a. instabile Angina pect.“ und „V.a. Schlafapnoe“ bescheinigt worden. Mit Schreiben vom 16.12.2013 habe Dr. F… zudem weitere Arbeitsunfähigkeit mitgeteilt und bestätigt, dass es sich bei dem Kläger um einen multimorbiden Patienten handele. Der Kläger bemängelt, dass den Begutachtungen durch den MDK keine körperliche Untersuchung zugrunde gelegen habe. Er weist zudem darauf hin, dass die Arbeitsverwaltung ihm Arbeitsangebote als „Außendienstler“ mitgeteilt habe.

16

Der Kläger beantragt,

17

den Bescheid der Beklagten vom 18.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger über den 27.09.2013 hinaus Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Zur Begründung macht sie geltend, die im Folgejahr durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme und die Entlassung hieraus als arbeitsunfähig seien nicht geeignet, Schlüsse auf eine über den 27.09.2013 hinaus fortbestehende Arbeitsunfähigkeit zu ziehen. Für die Durchführung einer solchen Rehabilitations-Maßnahme sei bestehende Arbeitsunfähigkeit keine Voraussetzung, denn Ziel sei die Wiederherstellung, Besserung oder der Erhalt der Erwerbsfähigkeit. Die Entlassung als arbeitsunfähig habe sich erkennbar auf die frühere Tätigkeit des Klägers als selbstständiger Handelsvertreter bezogen und nicht auf die hier maßgebliche Verfügbarkeit als Arbeitsloser. Auf eine körperliche Untersuchung habe der MDK im Konsens mit dem behandelnden Arzt des Klägers Dr. F… verzichtet. Die Beklagte weist darauf hin, dass der Kläger bereits dann nicht mehr als arbeitsunfähig anzusehen sei, wenn er leichte Arbeiten in einem Umfang verrichten kann, für den er sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat. Der Kläger habe zum fraglichen Zeitpunkt beispielsweise eine Tätigkeit als Pförtner in der Nebenloge ausüben können.

21

Das Gericht hat gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten bei den behandelnden Ärzten des Klägers. Der Hausarzt des Klägers Dr. F… gab am 19.08.2014 an, eine vollschichtige, auch leichte Tätigkeit sei dem Kläger ab dem 28.09.2013 auf Grund von Belastungsinsuffizienz, Stenokardien, arterieller Hypertonie und Diabetes mellitus Typ II nicht möglich gewesen, da diese Erkrankungen zu erheblichen Funktionseinbußen geführt hätten. Eine Besserung sei erst nach der Reha-Maßnahme eingetreten, wobei laut Entlassbericht weiterhin Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Der Internist und Kardiologe Dr. S… gab am 28.08.2014 an, bei einer Untersuchung am 26.11.2013 hätten keine Funktionseinbußen bestanden, der Kläger sei in der Lage gewesen, in der Zeit ab dem 28.09.2013 eine körperliche leichte Tätigkeit vollschichtig zu verrichten. Der Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde und Allergologie H… teilte am 08.09.2014 mit, bei Untersuchungen im November 2013 hätten sich keine Funktionseinschränkungen ergeben. Aus pneumologischer Sicht sei der Kläger ab dem 28.09.2013 arbeitsfähig für leichte vollschichtige Tätigkeiten gewesen.

22

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

23

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

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Die Klage ist jedoch unbegründet.

25

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von weiterem Krankengeld über den 27.09.2013 hinaus. Die Beklagte hat zu Recht die durch Bescheid vom 23.04.2013 erfolgte Krankengeldbewilligung mit Bescheid vom 18.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2014 mit Wirkung zum 28.09.2013 wegen Änderung der Verhältnisse aufgehoben, da der Kläger nicht mehr arbeitsunfähig war.

26

Zwar hat die Beklagte den Kläger vor der Entscheidung nicht angehört. Da mit der Aufhebung einer Krankengeldbewilligung in Rechte eines Beteiligten eingegriffen wird, ist diesem nach § 24 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dieser Formfehler der fehlenden Anhörung wurde vorliegend aber mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens im Sinne des § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt und ist damit unbeachtlich, da der Kläger zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen Stellung nehmen konnte und sein Vorbringen sowie die vorgelegten Unterlagen berücksichtigt wurden.

27

Die Beklagte hat die Krankengeldbewilligung zu Recht mit Wirkung zum 28.09.2013 aufgehoben. Bei der Bewilligung von Krankengeld für die Zeit ab dem 11.04.2013 mit Bescheid vom 23.04.2013 handelte es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, sodass für dessen Aufhebung § 48 SGB X Anwendung findet.

28

Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn die Regelungswirkungen des Verwaltungsaktes nach dem zu Grunde liegenden materiellen Recht über die punktuelle Gestaltung eines Rechtsverhältnisses hinausreichen. Dauerverwaltungsakte zeichnen sich durch Zukunftsgerichtetheit aus, wobei eine Begrenzung der Laufzeit unschädlich ist (Schütze in: v. Wulffen/Schütze, SGB X § 45 Rn. 62-74, beck-online). Ein Dauerverwaltungsakt ist daher dann gegeben, wenn der Verwaltungsakt sich nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot erschöpft oder einmalig die Sach- und Rechtslage gestaltet, sondern zukunftsorientiert über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus rechtliche Wirkung erzielt (Heße in: BeckOK SozR, SGB X § 48 Rn. 8, beck-online; vgl. auch Brandenburg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 48 SGB X, Rn. 51). Die Bewilligung von Krankengeld stellt in diesem Sinne dann einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, wenn Krankengeld für eine bestimmte oder auch unbestimmte Zeit in der Zukunft gewährt wird (vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 –, Rn. 83; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 –, Rn. 67 und SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 -, ebenso SG Mainz, Urteil vom 21.03.2016 – S 3 KR 255/14 –, Rn. 63 ff., alle Entscheidungen im Folgenden zitiert nach juris). Eine Bewilligung für einen im Entscheidungszeitpunkt abgelaufenen Zeitraum ist hingegen kein Dauerverwaltungsakt im Sinne des § 48 SGB X.

29

Der Bescheid vom 23.04.2013 enthält die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit ab dem 11.04.2013. Eine Befristung der bewilligten Leistung enthält der Bescheid nicht (zur Unzulässigkeit einer Befristung der Krankengeldbewilligung vgl. SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 -, zustimmend SG Mainz, Urteil vom 21.03.2016 – S 3 KR 255/14 –, Rn. 68). Da die Bewilligung nicht nur für eine zurückliegende, zum Zeitpunkt der Entscheidung abgeschlossene Zeitspanne erfolgte, ist sie ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Für eine Aufhebung dieser Krankengeldbewilligung ist daher § 48 SGB X maßgeblich (anders BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 16; BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R -, Rn. 30 unter Hinweis auf das Urteil vom 13.07.2004 - B 1 KR 39/02 R -, Rn. 15, jeweils unter der von der tatsächlich erfolgten Bewilligungsentscheidung unabhängigen Annahme, Krankengeld werde „von vornherein“ nur für die Dauer der vom Arzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit – abschnittsweise bzw. befristet – gewährt, weshalb eine Aufhebungsentscheidung entbehrlich sei).

30

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich die für den Erlass des Verwaltungsaktes entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände so erheblich verändert haben, dass sie rechtlich anders zu bewerten sind und daher der Verwaltungsakt unter Zugrundelegung des geänderten Sachverhalts so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte. Entscheidungserheblich sind nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur die bei Erlass des Ausgangsbescheides vorliegenden Umstände. Lediglich diese bilden die Vergleichsgrundlage für den Eintritt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die zum Erlass des Aufhebungsbescheides geführt hat.

31

Vorliegend ist in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Krankengeldbewilligungsbescheides vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten, da die seinerzeit bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers nunmehr entfallen war, sodass eine Krankengeldbewilligung zu dem hier fraglichen Zeitpunkt am 28.09.2013 nicht mehr rechtmäßig hätte verfügt werden können.

32

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte, sofern sie nicht zu den in § 44 Abs. 2 S. 1 SGB V genannten, vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossenen Versichertengruppen gehören, u.a. dann Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach dem Umfang des Versicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis. Arbeitsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -). Bei einem gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherten Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III – wie vorliegend dem Kläger - liegt Arbeitsunfähigkeit in diesem Sinne vor, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, selbst körperlich leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den er sich zuvor zwecks Erlangung des Arbeitslosengeld-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat. Das Krankengeld stellt sich in einem solchen Fall nicht als Ersatz für den Ausfall des auf Grund einer Beschäftigung bezogenen Arbeitsentgelts dar, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit (BSG, Urteil vom 04.04.2006 – B 1 KR 21/05 R – und Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R –). Maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsloser sind daher im Grundsatz alle Arbeiten, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind (vgl. § 140 SGB III). Dies sind auch alle körperlich leichten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

33

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes bestand im Zeitpunkt der Bewilligung des Krankengeldes noch Arbeitsunfähigkeit des arbeitslosen Klägers. Denn im April 2013 lagen beim Kläger aufgrund der vorausgegangenen akuten abdominalen Beschwerden, gefolgt von der Entfernung eines Kolonpolypen und letztlich einer akuten Gastritis noch nachvollziehbar gesundheitliche Einschränkung vor, die ihm selbst körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht ermöglicht hätten.

34

Hingegen war im Zeitpunkt der aufhebenden Entscheidung mit Bescheid vom 18.09.2013 zum 28.09.2013 Arbeitsunfähigkeit nicht mehr gegeben. Entgegen der hausärztlichen Einschätzung ist die Kammer zu dieser Überzeugung unter Würdigung der medizinischen Erkenntnisse, insbesondere der gutachterlichen Stellungnahmen der Ärzte des MDK B… und M… sowie der Befundberichte des behandelnden Internisten und Kardiologen Dr. S… und des Arztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde und Allergologie H… gelangt.

35

Der Arzt im MDK B… hat in seiner Stellungnahme vom 05.11.2013 nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen und nach telefonischer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt bestätigt, dass der Kläger zwar an einer nachgewiesenen koronaren Herzerkrankung leidet, die 2012 durch Implantation von Stents behandelt wurde. Er kommt aber zu der Einschätzung, dass die nachweisbaren Koronarstenosen die Beschwerden des Klägers nicht zwingend erklärten und für eine erneute invasive Diagnostik die Beschwerden nicht schwerwiegend genug seien. Hinsichtlich der degenerativen Skeletterkrankung werde von orthopädischer Seite keine Behandlungsindikation gesehen. Im Ergebnis kam der Arzt im MDK B… zu dem Schluss, dass mit den angegebenen Beschwerden eine Arbeitsunfähigkeit nicht mehr begründet werden könne und der Kläger ab dem 25.09.2013 dem allgemeinen Arbeitsmarkt für körperlich leichte Tätigkeiten (z.B. Bürotätigkeit) mit gewissen qualitativen Einschränkungen vollschichtig zur Verfügung stehen könne.

36

Auch der Arzt im MDK M… kam in seinem Arbeitsunfähigkeits-Gutachten vom 06.04.2014 zu dem Ergebnis, dass der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt am 27.09.2013 zumindest leichte körperliche Arbeiten ohne besondere Stressbelastungen wie Akkord oder Nachtarbeit vollschichtig habe verrichten können. Der Gutachter wies nachvollziehbar darauf hin, dass die vom Kläger bzw. dessen Hausarzt nunmehr zur Begründung der weiteren Arbeitsunfähigkeit im Sinne einer Polymorbidität geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen schon vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vorlagen und der Kläger sich gleichwohl seinerzeit dem Arbeitsamt für eine vollschichtige Tätigkeit zur Verfügung gestellt hatte. Die ab dem 27.09.2013 angeführte Diagnose „V.a. instabile Angina pectoris“ zweifelt der Gutachter an, da entsprechende diagnostische oder therapeutische Folgerungen nicht gezogen wurden. Aus der kardiologisch bestätigten 60%igen Stenose einer Kranzarterie könne eine Arbeitsunfähigkeit nicht abgeleitet werden. Hinsichtlich des Verdachts auf ein „Schlafapnoe-Syndrom“ fehlten Untersuchungsbefunde. Zudem weist der Arzt darauf hin, dass eine solche Erkrankung – unbehandelt – das Leistungsvermögen nur für Fahr- und Steuertätigkeiten einschränken würde.

37

Letztlich wird die insbesondere mit kardiologischen und internistischen Diagnosen begründete Einschätzung des Hausarztes Dr. F…, eine vollschichtige, auch leichte Tätigkeit sei dem Kläger ab dem 28.09.2013 nicht möglich gewesen, von den behandelnden Fachärzten widerlegt. Sowohl der Internist und Kardiologe Dr. S… als auch der Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde und Allergologie H… verneinten beim Kläger in der fraglichen Zeit bestehende Funktionseinbußen. Beide hielten aus ihrer fachärztlichen Sicht den Kläger für fähig, trotz der bestehenden Diagnosen eine körperliche leichte Tätigkeit vollschichtig zu verrichten. Die Kammer hat diesen fachärztlichen Einschätzungen ein höheres Gewicht beigemessen, als der Einschätzung des Allgemeinmediziners.

38

Der Entlassungsbericht der D…-B…-Klinik in Bad …-… vom 16.06.2014 über die dort absolvierte stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 15.04.2014 bis 06.05.2014 vermag als Beleg für eine Arbeitsunfähigkeit im hier maßgeblichen Zeitpunkt schon deshalb nicht zu dienen, weil er den Gesundheitszustand des Klägers über ein halbes Jahr später betrifft. Die dortigen Ärzte hielten den Kläger im Rahmen der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung jedenfalls für fähig, sowohl seine frühere Tätigkeit als Kaufmann für Bürokommunikation als auch eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes grundsätzlich sechs Stunden und mehr auszuüben. Der Kläger wurde zwar als arbeitsunfähig entlassen. Allerdings lag dieser Bewertung erkennbar die Annahme zugrunde, es käme auf die Tätigkeit als selbstständiger Handelsvertreter an.

39

Die übrigen ärztlichen Stellungnahmen, die sich mit dem Gesundheitszustand des Klägers im Herbst 2013 befassen, verneinen – mit Ausnahme des Hausarztes Dr. F… – eine damalige Arbeitsunfähigkeit. Die Kammer ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass Ende September 2013 eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht mehr angenommen werden konnte, sodass die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 18.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2014 die Krankengeldbewilligung vom 23.04.2013 mit Wirkung zum 28.09.2013 aufgehoben hat.

40

Daher war die Klage abzuweisen.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

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