Gerichtsbescheid vom Sozialgericht Speyer (17. Kammer) - S 17 KR 336/16

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 24.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2016 verurteilt, die Klägerin mit einem Magenbypass zu versorgen.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für eine adipositaschirurgische Maßnahme streitig.

2

Die am …1974 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert.

3

Die Klägerin wies im Mai 2016 bei einer Körpergröße von 157 cm ein Körpergewicht von 137 kg auf. Dies führt zu einem BMI von 55,6.

4

In der Person der Klägerin lagen des Weiteren die folgenden Erkrankungen vor:

5

- obstruktives Schlafapnoesyndrom mit CPAP-Behandlung

6

- arterielle Hypertonie

7

- Hyperlipidämie

8

- symptomatische Cholecystolithiasis

9

- chronisches LWS-Syndrom

10

- nicht-erosive Refluxkrankheit

11

- generalisierte Angststörung

12

Mit Schreiben vom 07.04.2016 (Eingang bei der Beklagten am 11.04.2016) stellte die Klägerin einen Antrag auf die Kostenübernahme für einen Magenbypass. Dem Antrag fügte die Klägerin – neben verschiedenen ärztlichen Attesten und Befundberichten - eine befürwortende Stellungnahme Ihres behandelnden Arztes P… M… sowie ein Attest zum Antrag auf Kostenübernahme einer bariatrischen Operation des Klinikums S... vom 24.03.2016 bei.

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Mit Schreiben vom 11.04.2016 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und bat diese darum, einen in der Anlage beigefügten Fragebogen für Versicherte sorgfältig ausfüllen und die beiden weiteren übersandten Fragebögen an die behandelnden Ärzte und Psychiater/Psychotherapeuten weiterzuleiten. Die Beklagte führte in dem Schreiben weiterhin aus, dass sie die Unterlagen nach Rücklauf dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vorlegen werde.

14

Am 26.04.2016 führte die Beklagte ein Telefonat mit der Klägerin. Im Rahmen des Telefonats gab die Klägerin an, dass sie den Fragebogen zur Bypass-OP erhalten habe und die Fragen allesamt durch die bereits mit dem Antrag eingereichten medizinischen Unterlagen beantwortet seien. Die Klägerin vertrat in dem Telefonat des Weiteren die Auffassung, dass bei einem BMI von 55 die Indikation für eine sofortige chirurgische Maßnahme gegeben sei. Auf den Vermerk über das Beratungsgespräch vom 26.04.2016 (Blatt 48 der Verwaltungsakte) wird Bezug genommen.

15

Die Beklagte beauftragte den MDK Rheinland-Pfalz danach mit Schreiben vom 28.04.2016 mit der Erstattung eines Gutachtens zur medizinischen Notwendigkeit der beantragten Magen-OP.

16

Durch den MDK wurden unter dem 02.05.2016 weitere Befunde bei der Klägerin angefordert.

17

Die Beklagte wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 10.05.2016 an die Klägerin und führte aus:

18

„nach dem am 26.02.2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetz sind bei der Bearbeitung von Leistungsanträgen gesetzliche Fristen einzuhalten.

19

Für ihren Antrag läuft die Frist am 15.05.2016 ab.

20

Da die am 02.05.2016 angeforderten Befunde noch nicht vorliegen, können wir innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht über ihren Antrag entscheiden“.

21

Auf das Schreiben der Beklagten vom 10.05.2016 (Blatt 51 der Verwaltungsakte) wird Bezug genommen.

22

Am 19.05.2016 erstattete der MDK auf Basis eines Selbstauskunftsbogens der Klägerin vom 06.05.2016 sowie weiteren medizinischen Unterlagen ein Gutachten. In dem Gutachten kam die Ärztin im MDK Dr. T… zu dem Ergebnis, dass eine primäre Indikation zum operativen Vorgehen nicht bestehe, da es an einer leitliniengerechten Ausschöpfung der konservativen Therapien fehle. Eine multimodale konservative Therapie unter ärztlicher Leitung kumuliert für 6 Monate vor Antragstellung sei nicht zu erkennen. Die multiplen Diäten der Klägerin seien nicht in nachvollziehbarer Form ärztlich begleitet worden; Belege für eine Ernährungsberatung seien nicht gegeben. Auch liege eine Ernährungsanalyse/Tagebuch nicht vor. Zwar sei der jetzt begonnene Reha-Sport als Bewegungstherapie anzusehen, sei jedoch noch nicht langfristig erfolgt.

23

Die Ärztin im MDK führte weiterhin aus, dass bisher weder instabile psychopathologischen Zustände ausgeschlossen, noch die Motivationslage der Klägerin bezüglich der Operation und der Nachsorge psychiatrisch evaluiert seien. Die familiär gehäuft Adipositas, die vorliegenden Zyklusschwankungen und die rezidivierenden Herzrhythmusstörungen seien darüber hinaus noch nicht einer endokrinologischen Abklärung zugeführt worden.

24

Auf das Gutachten des MDK vom 19.05.2016 (Blatt 52-56 der Verwaltungsakte) wird Bezug genommen.

25

Mit Bescheid vom 24.05.2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf die Kostenübernahme für eine Magenbypass-OP ab. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, dass eine primäre Indikation zur Operation durch die vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht belegt sei. Konservative Maßnahmen im Sinne einer ärztlich geleiteten multimodalen Therapie - die bisher noch nicht ausgeschöpft worden seien - seien vorrangig.

26

Mit Schreiben vom 24.06.2016 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung des Widerspruchs übersandte die Klägerin nochmals, bereits dem Antrag beigefügte ärztlichen Unterlagen.

27

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

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Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die begehrte operative Maßnahme nur in besonderen Ausnahmefällen als letzte Behandlungsmöglichkeit gerechtfertigt sei. Eine Kostenübernahme komme daher nur dann in Betracht, wenn sämtliche konservative Behandlungsmethoden erfolglos durchgeführt worden seien. Dies sei vorliegend nach den Ausführungen in dem Gutachten des MDK vom 19.05.2016 nicht der Fall. Bei der Klägerin sei noch eine multimodale konservative Therapie unter ärztlicher Leitung für mindestens 6 Monate durchzuführen. Des Weiteren stehe noch eine gezielte endokrinologische Abklärung vor Durchführung eines adipositaschirurgischen Eingriffs aus.

29

Auch die Voraussetzungen des § 13 Absatz 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien nicht gegeben, da die begehrte Maßnahme unabhängig vom Vorliegen einer Fristversäumnis nicht medizinisch notwendig sei.

30

Am 08.07.2016 hat die Klägerin die vorliegende Klage bei dem Sozialgericht Speyer erhoben.

31

Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, dass die Voraussetzungen für eine Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V gegeben seien, da die Beklagte die 5-Wochen-Frist des § 13 Absatz 3a Satz 1 SGB V nicht eingehalten habe.

32

Der Umstand, dass durch die Beklagte bzw. den MDK von der Klägerin weitere Unterlagen angefordert worden sind, stehe dem nicht entgegen, da die Mitteilung der Beklagten nicht den Anforderungen des § 13 Absatz 3a Satz 5 SGB V genügt habe.

33

Die Klägerin ist weiter der Rechtsauffassung, dass die eingetretene Genehmigungsfiktion einen positiven Bewilligungsbescheid ersetze und dementsprechend eine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit nicht mehr stattzufinden habe.

34

Die Klägerin beantragt:

35

die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 24.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2016 verurteilt, der Klägerin eine bariatrische Operation (Magenbypass) als Sachleistung zu gewähren.

36

Die Beklagte beantragt:

37

die Klage wird abgewiesen.

38

Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass Sinn und Zweck des § 13 Absatz 3a SGB V darauf ausgerichtet seien, die Krankenkassen zu einer zügigen und im Falle der Nichtbeachtung sanktionsbedrohten Bearbeitung zu veranlassen. Regelungszweck sei es jedoch nicht, den Versicherten aus rein formalen Gründen einen Anspruch auf eine medizinisch nicht notwendige Leistung zu verschaffen. Diesen Zwecken genüge dass vorliegend durchgeführte Verwaltungsverfahren vollständig. Denn mit Schreiben vom 11.04.2016 und 10.05.2016 sei die Klägerin darüber informiert worden, dass der MDK mit der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der beantragten Maßnahme beauftragt worden sei. Aufgrund dessen habe sich die Klägerin darauf einstellen können, dass der Antrag erst nach Vorlage des Gutachtens des MDK beschieden werde.

39

Die Beklagte ist weiter der Rechtsauffassung, dass der § 13 Absatz 3a SGB V lediglich einen Anspruch auf die Erstattung der Kosten für medizinisch notwendige und bereits selbstbeschaffte Leistungen regele. Dies folge zum einen aus dem Umstand, dass der Absatz 3a in § 13 SGB V eingefügt worden sei, dessen amtliche Überschrift „Kostenerstattung" laute.

40

Aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 13 Abs. 3 a Satz 6 und 7 SGB V und dem Wortlaut von § 13 Absatz 3a Satz 7 SGB V folge des Weiteren, dass die Genehmigungsfiktion nur eine grundsätzlich von der Kasse innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldete, dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot genügende Leistung erfasse.

41

Die Beklagte führt weiter aus, dass die Ausführungen des BSG in dem Urteil vom 08.03.2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, nicht überzeugend seien, da es sich bei der dortigen Fallkonstellation um einen Kostenerstattungsanspruch gehandelt habe und sich das BSG in Rn. 25 des Urteils zu einer eher beiläufigen Feststellung habe hinreißen lassen.

42

Mit Schreiben vom 05.01.2017 hat die Kammer die Beteiligten zu einer beabsichtigten Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.

43

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

44

Die Klage, über welche die Kammer nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden konnte, ist zulässig und begründet.

45

Die Klage ist zulässig.

46

Vorliegend ist eine echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG statthaft.

47

Die Statthaftigkeit einer Leistungsklage setzt voraus, dass ein Rechtsanspruch auf die Leistung besteht, ohne dass ein Verwaltungsakt zu ergehen braucht (so Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 54, Rn. 37).

48

Dies ist gegeben. Denn der Anspruch auf die begehrte Übernahme der Kosten für den Magenbypass beruht auf der aus § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V folgenden Genehmigungsfiktion. Diese Fiktion führt im Falle ihres Eintritts zu dem Ergebnis, dass die beantragte Leistung mit der Wirkung eines Verwaltungsaktes als genehmigt gilt. Der Erlass eines gesonderten Bescheids ist dann nicht mehr erforderlich.

49

Nach Auffassung der Kammer ist die mit der echten Leistungsklage verbundene Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) ebenfalls zulässig.

50

Denn der Klägerin muss gerichtlicher Rechtsschutz dafür zustehen, die ablehnenden Bescheide der Beklagten, die außerhalb des bereits durch die Genehmigungsfiktion abgeschlossene Verwaltungsverfahrens ergangen sind (vgl. Hauck/Noftz, SGB V, § 13, Seite 78h), zu beseitigen. Denn anderenfalls wäre die Klägerin mit dem Risiko belastet, dass ihr der Bescheid vom 24.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2016 -zu dessen Erlass die Beklagte nicht befugt war- nach Eintritt der Bestandskraft entgegengehalten wird (so zutreffend SG Augsburg, Urteil vom 03.06.2014, Az.: S 6 KR 339/13, Rn. 28).

51

Die Klage ist begründet.

52

Die Klägerin hat gemäß § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V einen Anspruch gegen die Beklagte auf die Übernahme der Kosten für eine bariatrische Operation in Form eines Magenbypasses.

53

Nach § 13 Absatz 3a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von 3 Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von 5 Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Kann die Krankenkasse die Frist nach § 13 Absatz 3a Satz 1 SGB V nicht einhalten, teilt sie dies dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe schriftlich mit (§ 13 Absatz 3a Satz 5 SGB V). Gemäß § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt, wenn keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes erfolgt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist des §§ 13 Absatz 3a Satz 1 SGB V eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Absatz 3a Satz 7 SGB V).

54

Die Voraussetzungen des § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V sind gegeben.

55

Der durch die Klägerin gestellte Antrag auf die Übernahme der Kosten für eine Magenbypassoperation ging bei der Beklagten am 11.04.2016 ein. Da durch die Beklagte der MDK eingeschaltet worden ist, war innerhalb von 5 Wochen nach Antragseingang zu entscheiden.

56

Die Frist des § 13 Absatz 3a Satz 1 SGB V begann gemäß §§ 26 Abs. 1 und 3 SGB X in Verbindung mit 187 BGB am 11.04.2016 und endete nach § 188 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, mithin mit Ablauf des 16.05.2016.

57

Der Bescheid der Beklagten erging erst am 24.05.2016.

58

Nach Auffassung der Kammer ist unschädlich, dass die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 11.04.2016 zur Ausfüllung eines Fragebogens bzw. zur Weiterleitung von Fragebögen an die behandelnden Ärzte und Psychiater/Psychotherapeuten aufforderte sowie die Weiterleitung dieser Unterlagen an den MDK ankündigte. Unschädlich ist weiter, dass die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 10.05.2016 darüber informierte, dass die Frist des § 13 Absatz 3a Satz 1 SGB V nicht eingehalten werden könne, da die durch den MDK am 02.05.2016 angeforderten Befunde noch nicht vorliegen würden.

59

Denn diese Schreiben genügen nicht den durch § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V gestellten Anforderungen an einen Entscheidungsaufschub.

60

Dieser fordert die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes sowie die Angabe einer von der Krankenkasse prognostizierten, taggenau anzugebenden Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes (so BSG, Urteil vom 08.03.2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, Rn. 20, zitiert nach Juris). Die Mitteilung muss (1.) die Aussage enthalten, dass die im Gesetz vorgesehen Entscheidungsfrist von 3-5 Wochen nicht eingehalten werden kann, sie muss (2.) einen hinreichenden Grund für die Verzögerung und (3.) die voraussichtliche Dauer der Verzögerung taggenau benennen.

61

In diesem Zusammenhang enthält zwar das Schreiben vom 10.05.2016 die Aussage, dass die gesetzlich vorgesehene Entscheidungsfrist nicht eingehalten werden kann, weil die durch den MDK bei der Klägerin angeforderten Befunde noch nicht vorgelegt worden sind. Es fehlt jedoch die prognostizierte, taggenaue Benennung der Dauer der Verzögerung. Es hätte der Beklagten insoweit oblegen, eine Frist für die Erfüllung der Mitwirkungspflicht zu setzen und darauf hinzuweisen, dass jedenfalls bis zu Erfüllung der Mitwirkungspflicht die gesetzlich vorgesehene Genehmigungsfiktion nicht eintritt (so LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03.11.2016, Az.: L 5 KR 197/15).

62

Auf dieses Erfordernis kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn -wie hier- vom Leistungsberechtigten Mitwirkungshandlungen verlangt werden. Durch das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz wird insofern im Urteil vom 03.11.2016 ausgeführt:

63

„Zwar mag es für den Leistungsberechtigten in diesen Fällen nahe liegen, dass eine Entscheidung der Krankenkasse jedenfalls nicht vor Erfüllung der verlangten Mitwirkung ergehen wird. Dies führt jedoch noch nicht zwangsläufig zu einem Entfallen oder einer Verlängerung der Frist. Für den Fall einer Versagung oder Entziehung der Leistung wegen fehlender Mitwirkung verlangt § 66 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), dass der Leistungsberechtigte zuvor auf diese Folge (Versagung oder Entziehung der Leistung) schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Da der Nichteintritt der Genehmigungsfiktion bei fehlender Mitwirkung einer Versagung der Leistung wegen fehlender Mitwirkung gleichkäme, geht der Senat unter Berücksichtigung des Wortlauts des § 13 Abs. 3a SGB V und der gesetzlichen Wertung des § 66 Abs. 3 SGB I davon aus, dass auch im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V bei einem Mitwirkungsverlangen der Krankenkasse die fiktive Genehmigung nur dann nicht eintritt, wenn dem Leistungsberechtigten für seine Mitwirkung eine angemessene Frist gesetzt wurde und er auf die Folgen der fehlenden Mitwirkung hingewiesen wurde. Im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V bedeutet dies, dass die Genehmigungsfiktion nicht automatisch entfällt oder erst später eintritt, wenn die Krankenkasse von dem Leistungsberechtigten eine Mitwirkung verlangt. Vielmehr tritt die fristgebundene Genehmigungsfiktion bei einer fehlenden Mitwirkung nur dann nicht ein, wenn die Krankenkasse den Leistungsberechtigten vor Ablauf der Drei- bzw. Fünf-Wochenfrist zu einer Mitwirkung auffordert, ihm eine Frist für die Erfüllung der Mitwirkungspflicht setzt und darauf hinweist, dass jedenfalls bis zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht die gesetzlich vorgesehene Genehmigungsfiktion nicht eintritt. Ob darüber hinaus anzugeben ist, ob und ggf. warum und wie lange sich nach Erfüllung der Mitwirkungspflicht die Entscheidung über die gesetzlich vorgesehene Drei- oder Fünf-Wochenfrist hinaus verzögert, bedarf hier keiner Entscheidung, da es bereits an dem Hinweis auf die Entscheidungsfrist und einer Fristsetzung für die Erfüllung der Mitwirkungspflicht fehlt. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob ein „hinreichender Grund“ für die Verzögerung der Entscheidung nur dann vorliegt, wenn die verlangte Mitwirkung sich in den durch die §§ 60 ff. SGB I bestimmten Grenzen hält“.

64

Die Kammer hält diese Ausführungen für zutreffend und schließt sich diesen in vollem Umfang an.

65

Der Antrag der Klägerin betraf des Weiteren eine Leistung, die diese für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung lag (vgl. zu diesem Erfordernis BSG, Urteil vom 08.03.2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, Rn. 25, zitiert nach Juris).

66

Die Magenbypassoperation unterfällt ihrer Art nach dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Klägerin konnte die Behandlung aufgrund der fachlichen Befürwortung durch Ihren behandelnden Arzt sowie des Attests zum Antrag auf Kostenübernahme einer bariatrischen Operation des Klinikums S… vom 24.03.2016 für geeignet und erforderlich halten.

67

Rechtsfolge des § 13 Abs. 3 Satz 6 SGB V ist, dass die beantragte Leistung als genehmigt gilt. Der Anspruch beschränkt sich nicht auf eine reine Kostenerstattung (so BSG, Urteil vom 08.03.2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, Rn. 25, zitiert nach Juris; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03.11.2016, Az.: L 5 KR 197/15).

68

Der Bescheid der Beklagten vom 24.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2016 war klarstellend aufzuheben. Denn diese wurden durch die Beklagte unbefugt außerhalb des durch die Genehmigungsfiktion bereits abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens erlassen und verletzen die Klägerin hierdurch in ihren subjektiven Rechten.

69

Die Kostentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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